86 Elena Siupiur 4
Visitenkarten vieler ehemaliger Studenten der Vermerk „diplomierl.- bei Sorbona”, oder, „Doktortitel in Paris...”, u.S.w., und dabei.fallt die Grund-ausbildung — deutschsprachig — aus; entsprechend der damaligen Menta-litat, und spater auch historiographisch, wird diese von der zweiten, franzo-sischsprachigen Stufe verdrangt. Mehr noch die franzosiche Sprache ist iin 19. Jahrhundert die Sprache der europaischen Politik und Biplomatie .und nimmt leicht die Rolle einer Universalsprache unter den politischen und in-tellektuellen Reihen Rumaniens an, in gleichen Mafie den deutschsprachigen wie den franzosichsprachigen. Und aufierdem, der Bildung, der modemen Intelligenz Ost -und Siidosteuropas, einschliefiend Rumanien, liegt, meines Erachtens, nicht so sehr die nationale Emanzipationsbewegung zu Grunde, wie man das nur zu oft behauptet hat, sondem viel mehr, schon mit dem Be-ginn des 19. Jahrhunderts, eine akzentuierte und energische Tendenz zur Um-wandlung der sozio-professionellen Vorrange, zur Erneuerung der professio-nellen Struktur (wie es auch geschehen ist) der rumanischen und sudosteu-ropaischen Gesellschaft, was die „Wanderung” zu den europaischen, und insbesondere den deutschen Universitaten glaubhafter begrundet, Wanderung die der 1. Halfte des 19. Jahrhunderts eigen ist, ais neues Phanomens in der rumanischen Geschichte. Die Glaube hat sich vertieft, ais ich die Gele-genheit hatte mit den Archiven deutscher Universitaten zu arbeiten, wo ich einen komplexen, vielfaltigen Phanomen getroffen habe: die recht plótzli-che und alljahrlich zunehmende Bildung, nach 1820—1825, einer Welle von „Auslandem” aus Ost -und Sudosteuropa um die grofien deutschen univer-sitaren Zentren, der Jugendliche aus Letland, Litauen, Estland, Polen, U-kraine (alle innerhalb des Russischen Reiches), Rufiland, aber auch aus Grie-chenland, den Rumanischen Furstentumer, Bulgarien und Serbien (damals Burger des Osmanischen Reiches), Bukowina, Kroatien, Transilvanien,-Un-gam (des Hasburgischen Reiches). Selbstverstandlich habe ich mir dabei ein paar Fragen gestellt: Warum die deutschen Hochschulen? warum diese ,,Wanderwelle”? und wodurch verlocken die deutschen Hochschulen zu die-ser Studieneinwanderung? wer kommt zu diesen Studien? welche sind die Berufe, die die Jugendlichen aus dem Siidosten in diesen Universitaten er-werben? welche sind die vorwiegenden Berufe / anfangliche Studien/? wodurch beeinflussen deutsche Univesitaten diese sozial-beiufliche Anderung? und wie ergeht es denjenigen, die in Deutschland studiert haben, wenn sie wieder „zu Hause”, in die Gesellschaften aus welchen sie stammen, zuruck-kehren? welche Funktion, welche Rolle erfullen sie hier? welcher war der Einflufi all dieser PhSnomens aus die Entwicklung der sudosteuropaischen Gesellschaften im Laufe des ganzen 19. Jahrhunderts? Sicherlich werde ich nicht versuchen, in der vorliegenden Studie all diese und andere aufkommen-den Fragen zu beantworten, wie auch die Probleme zu lósen — dies uberlasse ich der Monographie, welche ich vorbereite. Jetzt, hier, versuche ich nur, diese „Wanderungswelle” im 19. Jahrhundert von Studenten aus Sudosteuropa zu den deutschen Universitaten in einen einleuchtenden Rahmen zu ord-nen; es handelt sich um eine „Welle”, die ich aus den Universitatsarchiven zu Bonn, Berlin, Freiburg, Góttingen, Heidelberg, Munchen, Leipzig ver-zeichnet habe und die uber 2000 Jugendliche aus Rumanien, Griechenland,
Bulgarien, Serbien, Kroatien erfafit, welche sich hier in der Zeitspanne zwi-schen 1800 und 1880 bei ihren Studien befanden, und, soweit mir das in dieser Etappe móglich war, sehr konzis, ihre anschleifiende Entwicklung in