RÜCK-KOPPLUNG
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9/2000
Elektor
Die Entwicklung der Fernsprechtechnik war in den dreißiger Jah-
ren vom Einzug der Röhren-Verstärker und von der Einführung der
Trägerfrequenztechnik geprägt. So konnte man zum Beispiel im
Jahr 1930 die Kapazität des Seekabels zwischen Stralsund
(Deutschland) und Malmö (Schweden) durch Einsatz eines Trä-
gerfrequenzsystems verdoppeln. Seit den Jahren 1935/36 wurden
zwischen Berlin und Leipzig 200 Telefongespräche gleichzeitig
über ein einziges Koaxialkabel übertragen. Eine internationale
Norm von Bandbreiten und Kanalabständen bei Trägerfrequenz-
systemen kam 1938 zustande.
Seit etwa 1930 gewann die Einseitenbandmodulation (single side
band = SSB) zunehmend an Bedeutung für die Telefonie auf Kurz-
wellen. Eine SSB-Verbindung zwischen den Niederlanden und den
niederländischen Gebieten in Indonesien wurde 1933 in Betrieb
genommen. Die Telefonie über Seekabel gestaltete sich dagegen
wesentlich schwieriger. Die im Kabel integrierten, meistens mit
Pentoden bestückten Verstärker durften wegen der enorm hohen
Reparaturkosten auf keinen Fall vorzeitig defekt werden. Für den
Einsatz in Seekabeln wurden Spezialröhren entwickelt, die mit
besonders niedrigen Anodenspannungen arbeiteten. Das erste
Telefon-Seekabel quer durch den Atlantik, das Europa mit dem
nordamerikanischen Kontinent verband, ging erst 1956 in Betrieb.
Die Kriegsereignisse, die ab Ende der dreißiger Jahre ihren Lauf
nahmen, hatten auf die Forschungs- und Entwicklungsarbeit in
Europa erheblichen Einfluss. Vorangetrieben wurde möglichst
alles, was militärisch von Bedeutung sein konnte. Ein Beispiel
sind die ab 1942 produzierten Punktkontakt-Germaniumdioden,
die in der Mikrowellentechnik, insbesondere in der Radartechnik
eingesetzt wurden. Hochvakuumdioden sind in diesem Frequenz-
bereich prinzipiell nicht brauchbar.
Eine herausragende und zugleich weltverändernde Entwicklung,
deren Anfänge in diese Zeit fallen, ist zweifellos der Computer.
Die Idee, eine Maschine zu bauen, die imstande ist, mathemati-
sche Formeln zu berechnen, geht auf den Gelehrten Charles Bab-
bage zurück. Der 1822 von Babbage konstruierte mechanische
Rechner arbeitete mit Zahnrädern und Nockenwellen; er wurde
von ihm “The Analytic Engine” genannt und war 1833 fertigge-
stellt. Konrad Zuse baute 1936 auf der Grundlage der Bool’schen
Algebra die erste programmgesteuerte, mechanische Rechenma-
schine, der bald darauf eine elektromechanische Ausführung
folgte. In den USA wurde der erste praktisch brauchbare Compu-
ter Anfang der vierziger Jahre von einer Gruppe von Wissen-
schaftlern an der Harvard-Universität gebaut. Der ursprünglich
“Automatic Sequence Controlled Calculator” (ASCC) genannte
Computer, bei dem die Ideen von Babbage einflossen, arbeitete
ebenfalls überwiegend elektromechanisch. Er wurde später unter
dem Namen “Mark I” bekannt. Im Jahr 1945 begann an der Uni-
versität von Pennsylvania der Bau des ersten elektronischen Com-
puters. Der “Electronic Numerical Integrator and Calculator”
(ENIAC) arbeitete mit 17468 Elektronenröhren und 1500 Relais,
er nahm eine elektrische Leistung von 150 kW auf und wog 30
Tonnen. Das Ungetüm, 1946 in Betrieb genommen, gilt als der
erste Vertreter der ersten Computer-Generation. Die größten
Schwächen des ENIAC waren seine extrem hohe Störanfälligkeit
infolge der hohen Röhren-Anzahl und sein enorm hoher Lei-
stungsbedarf, der eine heute kaum noch vorstellbare Wärmeent-
wicklung zur Folge hatte.
Ende der vierziger Jahre bahnte sich auf dem Gebiet der Elek-
tronik eine neue, revolutionäre Entwicklung an: der Transistor
wurde erfunden. Doch darüber mehr in der nächsten Folge.
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Charles Babbage (1792 bis 1871) gilt als Wegbereiter der
modernen Rechentechnik.
Der legendäre “ENIAC” war mit 17468 Röhren bestückt und
hatte einen Leistungsbedarf von 150 kW.
Die Geschichte der Elektronik (17)