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Elektor
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Die Geschichte der Elektronik (8)
Das erste funktionsfähige Mikro-
fon wurde 1878 von David Hug-
hes vorgestellt und bestand aus
einer mit Kohlegrus gefüllten
Dose, deren Vorderseite von
einer nicht leitenden Membran
abgeschlossen war. In den Kohle-
grus hatte Hughes zwei Elek-
troden eingebettet, von dort
Anschlußdrähte nach außen ge-
führt und mit einer Batterie verbunden, so daß Gleichstrom durch das
Mikrofon floß. Schall, der von außen auf die Membran auftraf, führte
zu Druckänderungen in der Dose. Der Kohlegrus wurde mehr oder we-
niger zusammengepreßt, er änderte seinen Widerstand im Rhythmus der
Schallwellen. Dadurch wurde dem hindurchfließenden Gleichstrom ein
Wechselstrom als Abbild der Schallwellen überlagert. Das Kohlemi-
krofon ist heute noch in Telefonen zu finden.
Die Bedeutung des elektrischen Stroms als Energieträger wuchs mit ra-
santer Geschwindigkeit. Die Nachfrage konnte auf längere Sicht erst ge-
deckt werden, als 1889 die Dampfturbine für den Antrieb der Generato-
ren zur Verfügung stand. Um die gleiche Zeit entdeckte Galileo Ferrais,
daß zwei Spulen, durch die Wechselströme gleicher Frequenz, jedoch un-
terschiedlicher Phasenlage flossen, ein magnetisches Drehfeld erzeugen
konnten. Nikola Tesla experimentierte ungefähr zur gleichen Zeit, unab-
hängig von Ferrais, mit drei Spulen und drei phasenverschobenen Wech-
selströmen. Das Ergebnis war wenig später der erste Drehstrommotor.
Schon vor der Jahrhundertwende zeichnete sich ab, daß die Entwick-
lung der Elektrotechnik in drei Richtungen voranschritt. Man unter-
schied nun die Bereiche Starkstromtechnik, Lichttechnik und
Schwachstromtechnik. Aus der Schwachstromtechnik ging später die
Elektronik hervor.
Eine andere faszinierende Idee war zu jener Zeit die elektrische Übertra-
gung von Bildern. Paul Nipkow, ein damals 23 Jahre alter Student, trat
1883 mit einem von ihm entwickelten elektromechanischen System an die
Öffentlichkeit. Grundidee war die punktweise Übertragung von Hellig-
keitswerten mit Hilfe von Fotozellen auf der Senderseite und die Bildre-
konstruktion mit Neonlämpchen beim Empfänger. Für eine einigermaßen
brauchbare Auflösung war jedoch eine große Anzahl von solchen Über-
tragungselementen nötig. Aus diesem Grund ließ sich das 1881 von Con-
stantin Senlecq vorgeschlagene ”Télectroscope” nicht mit vertretbarem
Aufwand verwirklichen. Nipkow hatte die geniale Idee, das Bild von einer
einzigen Fotozelle über eine rotierende Lochscheibe abtasten zu lassen.
Auf der Scheibe waren Löcher in einer spiralförmigen Bahn angeordnet,
so daß das Bild punkt- und zeilenweise in seine Helligkeitswerte zerlegt
wurde. Beim Empfänger rotierte eine identische Lochscheibe zwischen der
von der Fotozelle gesteuerten Neonlampe und der Projektionsfläche. So-
bald sich die Lochscheiben synchron mit genügend hoher Geschwindig-
keit drehten, sah man
auf der Empfängerseite
ein stehendes Bild.
Nipkows Übertra-
gungsverfahren wurde
1885 patentiert, er gilt
heute als Vater und Er-
finder des Fernsehens.
(995081)gd
R
ÜCK
-K
OPPLUNG
Prinzip des Kohlemikrofons
R
995081 - 11
Kohlegrus
Membrane
Fotozelle
Aufnahmeraum
Neonlampe
Mattglas
Nipkow-Scheibe
995081 - 12
Wiedergaberaum
Bildübertragungssystem von Nipkow.