Bloch Ernst Kampf ums neue Weib


Ernst Bloch (1885-1977)

Deutscher Philosoph und Professor, verh.; erhielt 1967 den Friedenspreis des deutschen Buchhan­dels. Von Marx und älteren Sozialutopien ausgehend gelangt er zu einem System der Hoffnung als Gegenbild zu Angst und Verzweiflung. Er kritisiert die »Herabsetzung der eigenen Zeit« durch die »Kulturpessimisten« und »Zivilisationskritiker« und nennt das »Die Müdigkeit einer untergehenden Klasse«. Die Verteidigung des Stalinismus hat ihm Feindschaft in der gesellschaftskritischen Frankfurter Schule (Adorno/Horkheimer) eingetragen.

Kampf ums neue Weib

Das Weib liegt unten, es wird seit langem dazu abgerichtet. Ist immer greifbar, immer gebrauchsfä­hig, ist die Schwächere und ans Haus gefesselt.. Dienen und der Zwang zu gefallen sind im weibli­chen Leben verwandt, denn das Gefallen macht gleichfalls dienstbar. Das Mädchen mußte durch Ehe versorgt werden, so saß es auf der Stange, hatte auf den Mann zu warten. Oder fing mit List und sich selber als Köder Männer ein, blieb auch dann unmündig, ohne Jagdschein. Gelang der Fang nicht, oder war die Jungfrau zu wählerisch, dann kam zum Schaden ein dürrer Spott: das Weib rangierte als alte Jungfer. Sexuelles Leben, wenn vorhanden, wie meist, durfte nicht gezeigt werden, Beruf galt bis in untere kleinbürgerliche Schichten hinab als anstößig. Aber beherzte Mädchen und Frauen zogen einen anderen Schluß, Träume begannen vom neuen Weib. Um 1900, ein wenig vorher oder nachher, flackerte hier ein Licht auf, das seinen Reiz behält. Das freie Mädchen meldete sich an, ebenso aber auch die Männliche, beide nicht mehr geneigt, unterdrückt oder auch unverstanden zu sein. Der beginnende Zerfall des bürgerlichen Hauses, der wachsende Bedarf an Angestellten erleichterten oder begründeten diesen Weg ins Freie, Neue Liebe, neues Leben wurden verlangt, die Liebe durchaus als selbstgewählte, auch unabgestempelte. Aber wichtiger, sicher stärker bestätigend schien der Zugang zum öffentlichen Leben, zum Beruf. Die Sehnsucht war, sich auszuleben, glückliche Vergluckung war nicht mehr das Ziel. […] Das bürgerliche Mädchen, das seinen Unterhalt noch nicht zu verdie­nen brauchte, war hierbei von den ärmeren wie den kühneren Weibern verschieden. Letztere hatten mit der Familie meist gänzlich gebrochen und trugen die Folge; sie bezogen die männliche Linie, die des Berufsmenschen, ganz. Die höheren Töchter, die es nicht mehr sein wollten, überspannten sich nur, doch anders ging die Männliche vor, die Führende von damals, die beginnende Stimmrechtlerin. Absicht dieser Protestlerin war unbewußt und sehr oft bewußt: aus der Art zu schlagen, männliche Überlegenheit zu erlangen. Ein unleugbarer Männerhaß setzte sich hier sonderbar zusammen: aus Haß der Unterdrückten und widerwilliger Anerkennung zugleich; von daher der Neid, die Nacheife­rung, ja der groteske Wille, zu überbieten. Leiden am eigenen Geschlecht machte dafür anfällig, und das eigene Geschlecht wiederum sollte zum Sieg geführt werden, gegen sich selbst. Dieser gebro­chene Wunsch hinderte nicht, daß die Protestlerin von damals dem Ruf nach dem neuen Weib die Kühnheit gab und erhielt. Auch das freie Mädchen loderte nun, wie sonst nur Jünglinge, und die Männliche schärfte, in ihrem neuen Schnitt, durchaus den Traum, auf andere Art Weib zu sein.

Es zeigte sich aber, das aufsässige Lieben blieb nicht lange frisch. Je mehr Arbeitskräfte gebraucht wurden, desto weniger hatte das sogenannte freie Mädchen Platz, desto weniger hatte die Protestle­rin Anlaß, es zu sein. Die bürgerliche Jungfrau kam als erwerbstätige auf die eigenen Füße, doch sie wurde dadurch nur scheinbar unabhängiger. Statt Recht auf selbstgewählte Liebe, freies Leben kam die Öde des Büros, meist mit untergeordneter Stellung dazu. […]

Zu fragen bleibt bei alledem, was sich in dem weiblichen Aufbruch bewegt. Eben das Geschlecht bewegt sich darin, jedoch als eines, das sozial vortritt und bestimmt sein will. Falsch ist es selbstver­ständlich, daß nur die alte Jungfer oder auch die Männliche aufbegehrt hätten.



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