Da die Veranderungen in der Mannerkleidung des 14. Jahrhunderts tiefgreifender sind ais in der Frauentracht und auch einen groBeren Reichtum der Trachtformen hervorgebracht haben, wird ihrc Darstellung in diesem Band einen breiteren Raum einnehmen ais in dem iiber die Friih- und Hochgo-tik. Fur die Zeitgenossen war der Wandel in der Mannerbekleidung auf jeden Fali augenfalliger ais der in der Damenmode; denn der Chronist Tile-mann Elhen schreibt ja unter dem Jahr 1350 aus-drticklich: urnie machten di menner niuwe kleidun-ge. Die eigentliche Ziisur liegt also um die Mitte des 14. Jahrhunderts, wobei der exakte Zeitpunkt je nach Autor und regionaler Schwerpunktbildung mit um 1350 oder um 1360 angegeben wird. Die ersten, noch zaghaften Schritte in Richtung auf eine Verkiirzung und Verengung der Mannertracht finden aber bereits um 1320 statt, weshalb ich den ersten Band meiner Kostiimkunde des Mittelalters mit diesem Jahr habe enden lassen.
In den ersten 30 Jahren des 14. Jahrhunderts verharrt die Modę in ihren wesentlichen Ziigen in den Bahnen, die sie schon Ende des 13. Jahrhunderts verfolgt hat. Eine komplette Garnitur (frz. robę) besteht aus mindestens drei Kleidungs-stiicken, von denen in der Regel mindestens zwei getragen werden.28 Eine solche Garnitur besteht aus dem Unter- (cotte), dem Obergewand (surcot) und einem Mantel bzw. Ubergewand. Unter- und Obergewand fallen noch um 1320 meist ungegiir-tet und ohne Tailiierung in weiten Falten bis zu den Knoeheln herab. Ein bis zum Schritt herauf-reichender Reitschlitz - auf Abbildungen nur vorne sichtbar, aber auch auf der Riickseite vor-handen - gehort zu den Merkmalen ritterlicher Kleidung. Die normalen Kleider des Biirgertums unterscheiden sich oft bei grundsatzlich gleichem Zuschnitt durch das Fehlen dieses Schlitzes, da man hier nur selten reitet. Die modische Cotte hat lange, nunmehr generell an der Sehulter „rund“ eingesetzte Armel, die unterhalb des Ellenbogens eng geschnitten sind und mit eincr Reihe von klei-nen Kugelknopfen verschlossen werden. Meist sind es pro Armel nicht mehr ais fiinf, zuweilen aber bis zu 15 Knopfe. Der enganliegende Hals-ausschnitt ist in der Regel kragenlos und wird ebenfalls mittels einer kurzeń Knopfreihe ge-schlossen.
Der Surcot kommt in zwei Varianten vor, einer offcncn, d. h. armellosen, und einer mit langen Ar-meln. Der armellose Surcot (frz. surcot ouvert) ist wahrscheinlich mit der suckenie (frz. souąue-nie/sorquanie, von sław. sukno/suknie = Woll-stoff/Wollkleid) identisch. Seine Armoffnungen haben sich bereits gegen Ende des 13. Jahrhunderts so vergroBert,29 daB im Brustbereich nur
Erlauterungen zu TAFELII
Der lange Surcot
1 Originalschnitt nach Nprlund
1 a Armelschnitt, ca. 1350, linkę Halfte
2 Schnittrekonstruktion des Surcot von Robert Braunche, 1364
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