21 Religióse Kunst in Bulgarien 47
von der Gruppe liegt der Todkranke in seinem Bett, mit weit geoffheten Augen aus dem Bildraum herausschauend - mit dem Blick in eine andere Welt.
Wie dort iiber konfessionelle Bindungen hinweg Bereiche angesprochen werden, die sich der religiosen Sphare keineswegs entziehen, so gehórt die Wiedergabe von Kirchen und Klostem in Zeichnung, Graphik und Malerei zunachst strenggenommeneher zur Architektur-undLandschaftsdarstellung. Dennochzeigt sich, daJ3 dieser Vorwurf bei vielen bulgarischen Kiinstlern keineswegs ausschliefilich ais profan angesehen wird. Durch die enge Verbindung von Kirche und Glaube mit der politischen Geschichte, die in Bulgarien iiber die Jahrhunderte hinweg verfolgt werden kann, ist das Verstandnis fur Bedeutung und Wert der heiligen Statten ais Zeugnisse und Quellen des orthodoxen Glaubens und ais Denkmaler der nationalen Kultur bis zur Gegenwart lebendig geblieben. Dafur sprechen die geradezu dekorativ-omamental aufgefafiten Holzschnitt-Darstellungen des Rila-Klosters von Georgi . Penćev80 ebenso wie der 1967 entstandene Farblinolschnitt Veselin Staikovs vom Baćkovo-Kloster81 oder wie die ins Monumentale gesteigerte weififarbige Lithographie der Bojana-Kirche von Ljubomir Jordanov82 sowie die in fliissiger Technik ausgefuhrten Aąuarelle “Rila-Kloster” von Savo Zonovski83 und “Kloster Kiko” von der Malerin Maria Lugoya84.
Die Einbindung in traditionell bedingte Zusammenhange und Wertungen laBt sich dabei ebenso wie ein nicht zu iibersehender Wandel allein an der formalen Behandlung ablesen. So wird mit der auf eine Stilisierung hinzielenden Vereinfachung, wie sie bei Pencev und bei Staikov zu finden ist, das Besondere der wiedergegebenen kirchlichen Bauten zum Ausdruck gebracht, die sich von profaner Architektur unterscheiden. Nicht minder soli die Monumentalisierung der Kirche von Bojana dereń Bedeutung ais Denkmal der Gesclpchte und des Glaubens in Bulgarien sichtbaren Ausdruck verleihen. Bei aller Óffhung in der Auffassung, die demgegeniiber in den Aąuarellen vom Rila-Kloster und dem Kloster Kiko zu spiiren ist und die sich analog dem EinfluB der Miinchner Historiemnalerei um die Jahrhundertwende nach den malerischen Anliegen hin vollzieht, bleibt das Bemiihen um die zeitgenóssische Dokumentation.
Fast man den gedrangten Uberblick noch einmal kurz zusammen, so laflt sich feststellen, das trotz formaler und inhaltlicher Wandlungen die religióse Thematik in der bildenden Kunst Bulgariens bis zur Gegenwart ihre Bedeutiuig nicht verloren hat85. Daran vermochten selbst Versuche in der vergangenen Ara nichts zu andern, christliches Uberlieferungsgut im kommunistischen Sinne umzufimktionieren und der damals herrschenden Ideologie propagandistisch nutzbar zu machen. Leopold Kretzenbacher hat dazu mit seinem Bericht uber die Umdeutung des friihmittelalterlichen Bildvorwurfes der “Goldenen Himmelsleiter” durch den Graphiker Ljudmil Ćehlarov in eine “Himmelsleiter zur Sozialismus-Sonne”86 ein eindringliches Beispiel “sakularisierter Ikonotropie” beigebracht. Riickblickend zeigt
,0 Ibidem.
“ Ibidem.
12 Ibidem.
13 Ibidem.
84 Ibidem.
85 S. a. F. Ficker, Zur Situation religióser Kunst in Bulgarien, a.a.0.
86 L. Kretzenbacher, Die “Himmelsleiter” zur Sozialismus-Sonne. In: Sudost-Forschungen 40, 1981, S. 224-238; ders., Sakularisierte Ikonotropie zu religiosen Bildthemen Sudost-Europas. In: Sudost-Forschungen 50, 1991, S. 215-234.