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HELLMUT BRUNNER
Dann aber kónnte «Der in seiner Moringa ist» (lb) auch auf Osiris gehen, und die bisher ratselhaftc epelKT| Plutarchs kónnte eine Moringa sein, wenn nicht in den 1200 Jahrcn zwischcn unscrcm Tcxt und Plutarch ein Uberlieferungs- und Bedeutungs-wandel cingetreten ist1. Der theologische Hintergrund der Episode von Osiris im Baum ist klar: auch und geradc der tote Osiris lebt in der Vegetation weiter2. Es ist der glciche Gedanke, der sich seit alters in den aus seinem Grab sprieBendcn Baumen und Pflanzen ausspricht. Bci Plutarch heiBt es, der Baum um den Sarg sei wunderbar rasch zu cinem lieblichen schlanken SproB aufgewachsen — die Vegetationskraft des Gottes zeigt sich in ihm.
Ganz unwahrscheinlich ist Driotons Deutung, der Myste vertausche in 8 b die bisher gespielte Rollc des Horus mit der des Seth, wenn er das Feuer lóscht, die Siiule zerbricht und beidcs ins Wasser wirft. Vielmehr wird es sich um die im ganzen Alten Orient gebrauchliche rituclle Beseitigung nicht mehr gebrauchtcr Ritualrequisiten handeln, die normalerweise, wie etwa die Balsamierungsutensilien Tutanchamuns, begrabcn werden, in diesem Falle aber das Los ihres Herrn Osiris teilen. Ubcrflussig sind sic ais Bestattungs-reąuisiten dadurch geworden, daB der Myste das Uas-Szepter gcfunden hat (Z. 7b), ein Symbol der «Auferstehung» des Osiris, dereń er jetzt gewiB sein kann.
DaB der Text noch nicht alle Geheimnisse hergegeben hat, sei unbestritten. Klar scheint mir, daB er, besonders Z. 4b zusammen mit 5b, die alteste, freilich stark maskierte
Spur einer Uberlieferung des Aufenthaltes des Osiris in Byblos bringt.
DaB Plutarch diese Episode nicht erfunden hat, ist ohnedies wahrscheinlich, und wenn Matcrnus Firmicus berichtet3, die Agypter hóhltcn bei den Isisfeiern einen Pinienstamm aus und bestattetcn darin ein aus Samen hcrgestelltes Osirisbild, so ist bei der konser-vativen iigyptischen Religion auch nicht damit zu rechnen, daB ein solcher Brauch erst in den Jahrhundcrten n. Chr. eingefiihrt worden ware.
Dcm muB nichi widersprcchen, daB seit Scihe (ZAS 44. 13) mit gulen Griinden weitgehcnd angcnommen wird. die Ereike Plutarchs ware der 's-Baum, also die Pinie, dereń Wuchs in der Tal den Bcwohnern des holzarmcn Agyptcn wunderbar vorgekommen sein muB. vgl. dazu Chassinat, Le mystere-dOsiris, p. 70(). Wenn die von Chassinat. p. 701 f. vermutcte Verwandtschaft der Plutarchschen Erzahlung mit der Erzahlung des Pap dOrbiney zutrafe, ware nicht nur die Gleichung geshil/t. wir hatten auch ein fruhcres Zeugnis fur dic Byblos-Hpisode. Leider lassen sich aber erheblichc Einwandc gegen Chassinats Hypothese vorbringen. Unser Vorschlag. trot/ des anderen Namens den Moringa-Baum unscres Tcxtcs ais Substitut fur die Ereike anzusehen. geht davon aus. daB unser Text mehrere solcher « Verfremdungen» enthalt.
Chassinat. a.a.Op. 699 mdchtc dic Vorstellung trennen von der By bios-Episode; dort habc dic Ereike lediglich dic Funktion, den Sarg des Osiris vor profanen Blicken /u schiilzcn, und sei nur deshalb so wunderbar rasch um den Sarg gcwachscn. Mir unierliegt es keinem Zwcifcl. daB auch der Plutarchschen Erzahlung der Vcgctationsaspekt des Osiris zugrundelicgt, auch wenn er abweichend verwendet worden ist.
" De errore prof relitf.. 27 = Hopfncr, Fonfes, p. 521.