Kehren wir aber zum Grundlegenden zuriick. Wenn die Rede von unserer Mittelklasse ist, muC erwahnt werden, dafi sie (wie dies histo-risch gewóhnlich ist), aus allen Gesellschaftsschichten kommt, die nicht besonders aufgezahlt werden miissen. Um aber das ABC des Marxismus selbst nicht zu vergessen (der fur einen Teil der jiingeren, besonders der Intellektuellen-Generation abstofiend, manchmal schon bei seiner Erwahnung geworden ist, da ihn Politiker und Ideologen der Biirokratie und der Mittelklasse, sich verbalideologisch auf ihn be-rufend systematisch in der Praxis und der Theorie vóllig kompromit-tiert haben), ist es notwendig, hier eine Erkliirung von Marx anzu-fiihren:
»Die einzelnen Individuen bilden nur insofern eine Klasse, ais sie einen gemeinsamen Kampf gegen eine andre Klasse zu fiihren haben; im iibrigen stehen sie einander selbst in der Konkurrenz wieder feind-lich gegeniiber. Auf der andern Seite verselbststandigt sich die Klasse wieder gegen die Individuen, sodafi diese ihre Lebensbedingungen pradestiniert vorfinden, von der Klasse ihre Lebensstellung und damit ihre persónliche Entwicklung angewiesen bekommen, unter sie sub-sumiert werden. Dies ist dieselbe Erscheinung wie die Subsumtion der einzelnen Individuen unter die Teilung der Arbeit, und kann nur durch die Aufhebung des Privateigentums und der Arbeit selbst be-seitigt werden1.6
Dieser »gemeinsame Kampf gegen eine andere Klasse« wurde von unsere Mittelklasse schon durch ihr eigenes Konstitutieren gegen die Arbeiterklasse begonnen, und auf dieser Ebene vereinigen sich ihre »zerstreuten« und untereinander noch unbestimmt »konkurrenten« Elemente. Sie fiirht diesen Kampf praktisch durch ihr Bestehen, also durch die Ausbeutung der Arbeiterklasse und in der Teilnahme an der Aneignung ihres Arbeitsmehrwertes und zugleich durch die Manipu-lation, durch die sie ais der »wahre Vertreter« der Arbeiterklasse er-scheint (ais brauchte die Arbeiterklasse iiberhaupt »Vertreter« und »Vermittler«, am wenigsten die aus der Mittelklasse!). Andererseits aber fiihrt die Mittelklasse den Kampf theoretisch-ideologisch durch dauernde Angriffe gegen die marxistische und linkę Intelligenz, die gerade ais solche sich ihrer Proletarisierung bewuftt und geschichtlich wie intellektuell notwendig an das Schicksal des Proletariats gebunden ist.
Hier mufi man aber auch unserer Mittelklasse Lob sprechen. In ihrem Auftreten tragt sie namlich auch die eigene historische Wahr-heit mit sich, die sich in einer besonderen Offenheit und Ehrlichkeit zeigt: sie spricht sich namlich klar und deutlich gegen das »Linke« aus, und so ist es geradezu verwunderlich, dafi man ihr darin nicht glauben will!? Denn hier erscheint sie ehrlich, wirkt und kampft of-fen ganz im Einklang mit ihrer eigenen historisch-sozialen Natur. Wozu also immer noch die Dilemmas und »Mifiverstandnisse«, wie auch das schon langdauernde gegenseitige »Versteckspiel«. Man mufi der Mittelklasse auf’s Wort glauben, wenn sie dieses Wort Tag fur
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Karl Mant - Friedrich Engels, Die dcutsclic Ideologie, Hcrausgegcben von V. Adoratskij, Verlag fur Literatur und Polilik, Wicn-Bcrlin 1932, S. 43.