auch heute um sie gekampft werden, aber es ist notwendig, sich die Frage zu stellen, ob dann die Rede von einigen anationalen Deformie-rungen, einigen Mangeln, »Schwachen« des Sozialismus sein kann oder vón solchen Bezichungen, die nicht mehr sozialistische genannt werden konnen. Denn, wenn der Sozialismus nichts anderes bringt ais den Kampf um dicse Grundrechte, wenn es notwendig ist, dafi die gesamte intellektuelle Anstrengung und das materielle Potential sich ausschliefilich mit den Fragen auseinandersetzt, die eigentlich auf die Tagesordnung gesetzt wurden, ais die Arbeiterklasse noch gar nicht geformt war, ais das Proletariat im modernen Sinn noch gar nicht be-steht, dann miissen wir offen gestehen, dafi wir uns geistig und ma-teriell erst auf der Schwelle der biirgerlichen Gesellschaft befinden, auf der Schwelle der ersten Anhaufung von Kapitał, nicht aber - wie behauptet wird - in der hóchstentwickelten Form der sozialistischen Selbstverwaltungsdemokratie. Denn, heifit es nicht im Kommunisti-schen Manifest - in diesem grundlegendsten Text der kommunisti-schen Bewegung - klar, dafi schon das entwickeltere Biirgertum - wie es dort buchstablich heifit - »zum grofien Bedauern der Reaktionare« den nationalen Boden unter den Fiifien der Industrie weggezogen hat.9
Nun haben wir aber (vielleicht naiv und falschlicherweise) ange-nommen, dafi die Lósung kollonialer und halbkollonialer Beziehungen in das neuenzehnte Jahrhundert, in manchen riickstandigen Gegenden vielleicht in das unsere gehórt, dafi sie aber auf keinen Fali das we-senliiclie Charakteristikum und der vorherrschende Gedanke des Sozialismus sein kann, wenn sie im Globalen betrachtet (wenigstens in Europa) schon lange auch von der biirgerlichen Gesellschaft gelost und iiberwunden wurden. Ist es also, wenn von einem Land die Rede ist, das den Anspruch erhebt (im Verhaltnis zum Lager jedenfalls mit Recht),10 die hóchstmógliche Form des sozialistischen Systems ais Selbstverwaltung zu erreichen, zuerst diese erwahnte selbstverteidi-gungs- und antiexploatatorische Bedeutung, wenn die Nation in den Vordergrund geschoben wird, oder ist die Rede von anderen, oft sehr banalen Motiven, die aber systematisch und tendenziós verschwiegen werden?
0 »Die Bourgeoisie hat durch die Exploatation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion alle Lander kosmopolitisch gestaltet. Sic hat zum grofiem Bedauern der Reaktionare den nationalen Boden der Industrie unter den Fiifien weggezogen.« (K. Marx, Fr. Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, S. 62).
10 Deshalb kann ich nicht mit denen einer Meinung sein, die aus ganz bestimm-ten Griinden alles negieren, was bei uns besteht. besonders dann, wenn sie die Diisterkeit derart diister beschreiben, um auch ihre Dusterkeit zu rechtfertigen, ihre falsche Resignation, ihre eigenen unmoralischen Vorgehcn durch die allgemeine Amoralitat rechtfertigen, alles damit abtun, dafi man in diescr schrecklichen reifie-rischen Situation nichts tun konne. So habe ich unlangst eine Artikelserien in »Hr-vatsko Sveu£iliste* gelescn, in der einer unserer Philosophcn (der sich nicht gerade durch seine Philosophic zicmlich schnell auf der gesellschaftlichen Leiter empor-hantelt) unsere Situation so aussichtslos, relativistisch nihilistisch darstellt, jeden Unterschied verwischend, um seine skrupellose amoralc Ansicht in Bezichung zur Gesellschaft zu rechtfertigen, die er in ihrer Gesamtheit ais karrieristisch bezeich-nete, nur um zu zeigen, dafi sein Karrierismus keine Ausnahme ist.
502