telklasse kann auf Iange Sicht nicht mit Hilfe von »Wiitenden«, »Ex-tremisten« und »Abenteurern« gefuhrt werden, da dies nicht im Ein-klang mit ihrer Natur steht, auch nicht mit den wahren Interessen diesen Klasse. Sie will mit allen Seiten paktieren. Ihre Hauptaufgabe ist das Lavieren in einer je grófieren Konsolidierung des Systems und des gesamten Gesellschaftsmechanismus, damit dieser um so besser funktioniert - seiner immanenten Logik folgend (der burgerliche Pro-duktionsprozefi, der sich selbst mechanisch reproduziert ais Grundlage und Ideał), was das Ideał der »legalen« Bereicherung der Mittelklasse auf Kosten des Mehrwertes der Arbeiterklasse bedeutet. Jetzt befinden wir uns immer noch in der verspiiteten Phase ihrer urspriinglichen Kapitalsanhaufung, und es ist historisch bekannt, dafl fiir diese Phase »ideologische Angrifflust und Grobheit« fast typisch sind, wovon Marx ausfiihrliche und detaillierte Studien und Analysen gab. Ihr letztes Ziel und hochstes Ideał ist also sich ókonomisch zu konstituie-ren, gesellschaftlich zu etablieren, sich politisch zu situieren, geistig und ideologisch sich zu formen, sich auf dem Niveau der liberalen Bourgcoisie zu bewegen.
Alles geht aber nicht so glatt, wie es hier skizziert und phanomeno-logisch beschrieben wurde. Bei uns konstituiert sich die Mittelklasse und erscheint auf der historischen Biihne innerhalb eines sehr wider-spriichlichen Prozesses unter fiir sie historisch »unglucklichen« Bedin-gungen. Sie kann nicht weiterkommen (wie die klassischen biirgerli-chen Klassen) weder materiell, noch ideologisch »geradlinig«. Einer der ersten Widerspriiche, den sie im eigenen Interesse je friiher Ibsen mufi ist der (wir haben ihn schon genannt): die Zweifachheit oder die Doppelrolle ihrer ideologischpolitischen Situation, der nur noch kurze Zeit in dieser Form ais »Gewinn« ausgedruckt werden kann. In die-sem Moment ist sie namlich noch gezwungen, sich wenigstens ver-schamt oder falschlicherweise (mit Hilfe der verschiedensten Aus-fliichte) immer noch an diese »linken Parolen«, die sie angreift oder ausschalten will aus dem óffentlichen Leben, zu halten (sie will sie aus dem eigenen und dem fremden Wortschatz elliminieren), namlich sich auf den Marxismus, Marx und Lenin, den Sozialismus und die Selbstverwaltung usw. zu berufen. Dies ist zwar ein Zeichen ihrer
faktischen Ohnmacht, aber diese Ohnmacht kann sich in dem Moment in Kraft verwandeln, wenn und falls es ihr gelingt, die kommunisti-sche Bewegung dieses Landes vóllig zu verwassern und auf das zu reduzieren was Marx »biirgerlichen Sozialismus« genannt hat (wah-rend sie nach Bedarf, wenn ihr dies gelingt, im gegebenen Moment den Marxismus in die Illegalitat vertreiben wird). Vielleicht ist ge-rade jetzt der richtige Augenblick, daruber nachzudenken. Es liegt in der (biirgerlichen) Mittelklasse - wie dies die neueste Geschichte be-weist - und es entspricht ihrer Natur, das gesamte Gesellschaftsleben zu verwassern, den Geist abzuwerten (wie auch jede fortschrittliche Idee, jeden solchen Gedanken und Wunsch, wie auch den Lebenssinn selbst), ihn auf das moglichst niedrige Maft zu verlegen, auf das, was Hegel »das geistige tierische Reich« nannte und Marx »die Zoologie der Menschheit*.
463