wir gehen, und in wessen Namen eine Bewegung zur Bewegung wird. Deshalb hat das fast schon vergessene Losungswort von den »abstrak-ten Humanisten« nicht nur eine Verfehlung bedeutet (denn es erwies sich, daft gerade diese Abstrahierung sehr konkrete und scharfe kriti-sche Analysen ermoglicht), es bedeutete vielmehr von Anfang an ein solches Kompliment (die Móglichkeit eines Denkens auf einem hóhe-ren, abstrakten Niveau, das auch noch vom humanistischen Inhalt durchdrungen ist), das viele, denen es zugedacht war, nicht einmal verdient haben. Es ist aber charakteristisch, daft man sehr rasch ein-sah. dafi philosophische, soziologische und iiberhaupt theoretische Abstrahierung zu bestimmten tieferen, konsequnteren und klareren An-sichten im Verhaltnis zur Realitat fiihrt ais die, die sich nur an die sogen. gesellschaftspolitische Wirklichkeit halt, sie vom Standpunkt und im Rahmen eben dieser Wirklichkeit beobachtet, und so wurden diese (wenigstens dem Namen nach) gutmiitigen »abstrakten Huma-nisten« oft und sehr scharf von Real-Politikern dazu aufgefordert. sich der reinen Theorie, der Fachphilosophie zuzuwenden. Auf dem sogen. fachphilosophischen Niveau komt es ebenfalls zu einem Para-dox eigener Art: arrogante Schmeichler, Leute, die bis zu den Ohren in verschiedene befehlende Kombinationen und Intrigen getaucht sind Leute mit ausdriicklich krankhaften politischen Ehrgeiz, gemeinsam mit gut bezahlten Rezensenten und Schreiberlingen fordem die Philo-sophie dazu auf, die Grenze der fachlichen, reinen, suptilen Philoso-phie nicht zu uberschreiten, sich also ausschlieftlich mit der sogen. Abstrahierung zu beschaftigen. Die Philosophie beschaftigt sich also schon per definitionen mit abstrakten Problemen, nicht aber mit einer falschen, pervertierten, jegliche Wirklichkeit entbehrenden Abstrahierung, die keine Korelate in der Praxis hat, die von sich glaubt, aufier-halb von Zeit und Raum zu sein, und die solcherart in ihrem Wahn des Intelligibilen und Vernunftigen die reale Unvernunft ermoglicht, sie sogar rechtfertigt.
Wenn wir also von der wahrhaft philosophischen Abstrahierung sprechen, dann kann dies keinesfalls diese neutrale, unverantwortliche Abstrahierung sein, ein interessantes anregendes Ping-Pong mit Be-griffen und Termini, die manche so sehnsiichtig von der Philosophie erwarten, dies kann keine Abstrahierung ohne Konsequenzen der Realitat gegeniiber sein, jene vorsichtige, eigentlich verlogene Abstrahierung, die niemand zu etwas verpflichtet, die die Flucht vor allen Wi-derspriichen der Wirklichkeit ist, und die oft gerade deshalb vertreten wird, um in der konkreten Wirklichkeit und den zwischenmenschli-chen Beziehungen zunachst das kramerische Lizitieren mit Positionen und eintraglichen Sinekuren, tagtagliche Liigen, Karrierismus und Prinziplosigkeit zu verdecken, dann aber zu pflegen. Denn man kann schliefilich gerade aus Grund solcher Abstrahierungen Theoretiker guter, sogar noch fachlich grofier Philosoph, angesehener Theoretiker sein, und zugleich konfidentenhaft und abscheulich unmenschlich unterstellen, intrigieren, sich bei machtigen Primitivlingen einschmei-cheln, jeden Yersuch eines selbststandigen Genkens pogromartig ver-
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