AG GK ZR III Sachenrecht - 1 - Wintersemester 2011/12
Fall 16 - Lösung: Fehlinvestitionen
A. Anspruch gemäß Å¼Å¼ 488 I S. 2, 398 BGB
Der Privatinvestor (P) könnte einen Darlehensrückzahlungsanspruch gegen S aus ż 488 I S. 2
haben. Dazu müssten sich P und S über die wesentlichen Vertragsbestandteile eines
Darlehensvertrages geeinigt haben (żż 488, 145, 147 BGB). Zwischen P und S wurde eine solche
Einigung nicht erzielt. Es kommt hier daher einzig ein abgeleiteter Erwerb des
Rückzahlungsanspruchs durch Abtretung ż 398 BGB in Betracht. Voraussetzung ist, dass die D-
Bank (D) ihren Rückzahlungsanspruch aus einem mit S geschlossenen Darlehensvertrag wirksam
an P abgetreten hat.
I. Wirksamer Abtretungsvertrag
Eine Einigung zwischen D und P über die Abtretung des Darlehensrückgewährsanspruchs der D
gegen S (ż 488 I S. 2 BGB) hat gemäß Å¼Å¼ 398, 145, 147, 1154 BGB stattgefunden.
II. Kein Ausschluss der Abtretung
Ein Ausschluss der Abtretung gem. żż 399, 400 BGB ist nicht ersichtlich.
III. Berechtigung: Bestehen der Forderung
Der Anspruch der D gegen S aus ż 488 I S. 2 BGB war ursprünglich begründet. In Betracht kommt
jedoch ein Erlöschen des Anspruchs durch Erfüllung der Forderung im Sinne von ż 362 I BGB.
Danach erlischt ein Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt
wird. S hat nach seinem Lottogewinn die Darlehensvaluta vollständig an D zurückgezahlt. Der
ursprünglich begründete Rückzahlungsanspruch ist damit bereits vor Abtretung durch Erfüllung (ż
362 I BGB) erloschen. Die Abtretung des Rückzahlungsanspruchs von D an P ging mithin ins
Leere, da keine abtretbare Forderung mehr bestand.
IV. Ergebnis
Es liegt keine wirksame Abtretung zwischen D und P vor.
P hat gegen S keinen Darlehensrückzahlungsanspruch aus abgetretenem Recht gem. żż 488 I, 398
BGB.
Anmerkung: Ein gutgläubiger Forderungserwerb ist grundsätzlich nicht möglich, da es
mangels ausreichender Publizität an einem Rechtsscheinsträger fehlt (sachenrechtliches
Publizitätsprinzip als Rechtsscheingrundlage).
Einzige Ausnahme: ż 405 BGB!
B. Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gemäß Å¼ 1147 BGB
Möglicherweise hat P aber gegen S einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in sein
Grundstück aus ż 1147 BGB. Dies setzt voraus, dass P Inhaber der Hypothek geworden ist.
AG GK ZR III Sachenrecht - 2 - Wintersemester 2011/12
I. Erwerb der Hypothek nach ż 1153 BGB
P könnte die Hypothek an dem Grundstück des S kraft Gesetzes gemäß Å¼ 1153 I BGB erworben
haben. Danach geht mit wirksamer Übertragung der gesicherten Forderung die Hypothek auf den
Zessionar über.
Begr.: Der Forderungsübergang hat zwingend auch den Hypothekenübergang zur Folge. Die
Hypothek hängt an der Forderung (żż 401, 1153 BGB) und folgt dieser quasi im Schlepptau . Die
Hypothek ist zur ihr zugrundeliegenden Forderung akzessorisch.
Eine wirksame Übertragung der hypothekarisch gesicherten Forderung von D auf P hat nicht
stattgefunden. Die D-Bank war zur Zeit der Abtretung nicht (mehr) Inhaber der Darlehensforderung
und konnte diese mithin nicht rechtswirksam an P abtreten (s.o.).
Damit ist ein gesetzlicher Erwerb der Hypothek nach ż 1153 BGB vorliegend ausgeschlossen.
II. Gutgläubiger Erwerb der Hypothek gem. żż 1138 Fall 1, 892 BGB
Vorüberlegung:
Grundsätzlich wandelt sich die Hypothek mit dem Erlöschen der gesicherten Forderung durch
Leistung des persönlichen Schuldners automatisch in eine Eigentümergrundschuld um gem. żż
1163 I S. 2, 1177 I BGB. Die Hypothek ist abhängig (akzessorisch) von der Forderung (Vgl. z.B. ż
1153 und ż 1163 I BGB). Zweck der Umwandlung in eine Eigentümergrundschuld gem. ż 1177 I S.
1 BGB: Wahrung der Rangstelle des Grundpfandrechts zugunsten des Eigentümers, damit dieser
unter Umständen für eine andere Forderung eine gute Sicherheit für den Gläubiger bieten kann.
In Ansehung der im Grundbuch ausgewiesenen Hypothek ist jedoch eine Ausnahme vom
Akzessorietätsgrundsatz (żż 1153, 1163 I S. 1 BGB) zulässig. Es kommt zur sog.
forderungsentkleideten Hypothek (sog. reiner Forderungsmangel).
Folge: Möglichkeit des gutgläubigen Zweiterwerbs einer Hypothek, auch wenn die gesicherte
Forderung nicht mehr besteht.
Zum Fall:
Fraglich ist zunächst, ob ein gutgläubiger Hypothekenerwerb für den Fall möglich ist, dass der
Übertragende überhaupt nicht (mehr) im Besitz der Forderung war.
In Betracht kommt ein Ersatz der fehlgeschlagenen Forderungsübertragung durch einen fingierten
Erwerbstatbestand gemäß Å¼Å¼ 1138 Fall 1, 892 I S. 1 BGB. Danach gilt der Tatbestand des
gutgläubigen Erwerbs der Hypothek auch für die der Hypothek zugrunde liegende Forderung.
Beachte: Es kommt dabei nicht zu einem gutgläubigen Erwerb der Forderung, sondern lediglich
zu einer Fiktion der Forderung zum Zwecke der Übertragung der (vermeintlich noch bestehenden)
Hypothek!
AG GK ZR III Sachenrecht - 3 - Wintersemester 2011/12
Es müssten daher die Voraussetzungen des ż 892 I BGB in Ansehung der Forderung vorliegen:
1. Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäftes
Die (fehlgeschlagene) Abtretung erfolgte hier zwischen P und D, das heißt zwischen zwei
wirtschaftlich von einander unabhängigen Personen und es liegt folglich ein Rechtsgeschäft
im Sinne eines Verkehrsgeschäftes vor.
2. Rechtsscheintatbestand: Unrichtigkeit des Grundbuchs/ Legitimation der D oder ż
1155 BGB
Weiterhin müsste ein Rechtsscheintatbestand gegeben sein.
Dafür müsste entweder das Grundbuch oder eine geschlossene Reihe von öffentlich
beglaubigten Abtretungserklärungen (ż 1155 BGB) den hinsichtlich der gesicherten
Forderung nichtberechtigten Zedenten (hier: P) als Forderungsinhaber ausweisen.
Laut Bearbeitervermerk ist die Hypothek an dem Grundstück des S zugunsten der D-Bank
weiterhin eingetragen (Obwohl infolge des Erlöschens der gesicherten Forderung nur noch
eine Eigentümergrundschuld zugunsten des S besteht s.o.), wodurch auch die
Forderungsinhaberschaft fingiert wird. Folglich ist das Grundbuch Rechtsscheinsträger.
[Voraussetzung des ż 1155 BGB - nur bei Mangel der Hypothek auch prüfen - :
D.h. Kette ununterbrochener Abtretungserklärungen in öffentlich beglaubigter Form nur
dann erforderlich, wenn Zedent nicht zugleich aus dem Grundbuch legitimiert ist
(Mehrfachabtretung) Ä…ð D war im vorliegenden Fall Ersterwerberin der Briefhypothek und
als solche im Grundbuch als Hypothekeninhaberin eingetragen und übertrug die Hypothek
allein an P, d.h. es bedurfte hier keiner öffentlich beglaubigten Abtretungserklärung]
3. Gutgläubigkeit des Erwerbers P
P müsste gutgläubig im Sinne von ż 892 I S. 1 BGB gewesen sein. Danach dürfte P keine
positive Kenntnis von der Nichtberechtigung der Zedentin D (bezüglich fehlender
Forderungsinhaberschaft) zum Zeitpunkt des Erwerbs (Abtretung der Forderung) gehabt
haben.
Laut Sachverhalt war P zur Zeit der Abtretung gutgläubig.
4. Kein Widerspruch zugunsten des Berechtigten S
Zudem dürfte kein Widerspruch zugunsten des materiell Berechtigten S ins Grundbuch (ż
892 I S. 1 BGB) oder im Hypothekenbrief (ż 1140 S. 2 BGB) eingetragen sein.
Lt. Bearbeitervermerk ist ein Widerspruch des S im Grundbuch nicht eingetragen.
5. Zwischenergebnis:
P hat gemäß Å¼Å¼ 1138, 892 I, 1155 S.1 BGB eine fingierte gesicherte Darlehensforderung
gutgläubig von der Nichtberechtigten D-Bank zum Zwecke des Erwerbs der Hypothek
erhalten.
AG GK ZR III Sachenrecht - 4 - Wintersemester 2011/12
III. Rechtsfolge
Gemäß Å¼ 1153 I BGB geht mit dem so fingierten Erwerbstatbestand hinsichtlich der Forderung die
Hypothek von der D-Bank auf P über. Voraussetzung ist jedoch, dass die D-Bank ihrerseits
Berechtigte der Hypothek war. Demnach ist zu prüfen, ob die D-Bank ursprünglich Inhaberin einer
Hypothek infolge Ersterwerbs vom Berechtigten S ( żż 873 I, 1113 ff.) war.
1. Bestehen der zu sichernden Forderung
Da die Hypothek ein streng akzessorisches Sicherungsmittel verkörpert, ist für die
Entstehung der Hypothek stets das Bestehen einer zu sichernden Forderung nötig.
Vorliegend sollte mit der Hypothek die Forderung aus dem Darlehensvertrag zwischen S und
der D-Bank im Sinne von ż 488 BGB gesichert werden.
Der Anspruch aus ż 488 I S. 2 BGB war auch zunächst entstanden (s.o.).
[Anmerkung: Grundsätzlich ist zwar durch die spätere Erfüllung der Forderung
automatisch eine Eigentümergrundschuld zugunsten des Hypothekenschuldners S
entstanden, trotzdem wird die vorliegende Fallgruppe als reiner Forderungsmangel
eingestuft (s.o.).
2. Einigung gemäß Å¼Å¼ 873 I, 1113 ff. BGB
Zunächst müssten sich S und die D-Bank über die Bestellung eines Grundpfandrechts in
Form der Hypothek zur Sicherung eines Rückzahlungsanspruchs aus ż 488 I S. 2 BGB
durch Verwertungsrecht an einem dem S gehörenden Grundstücks (ż 1147) gemäß Å¼Å¼ 873 I,
1113 ff. BGB geeinigt haben.
S hat zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs gegenüber der D-Bank als
Gläubigerin eine Briefhypothek an seinem Grundstück bestellt. Eine Einigung liegt somit
vor.
3. Eintragung und ggf. Briefübergabe
a) Es müsste eine Eintragung der Hypothek zugunsten der D-Bank gemäß Å¼ 873 I
BGB erfolgt sein.
Die erforderliche Eintragung gemäß Å¼ 873 I BGB ist erfolgt.
Beachte: Bei Bestellung einer Buchhypothek ist gemäß Å¼ 1116 III S. 2 BGB der
Ausschluss der Erteilung eines Hypothekenbriefes ins Grundbuch einzutragen.
b) Vorliegend sollte eine Briefhypothek bestellt werden. Bei der Bestellung einer
Briefhypothek ist zusätzlich zur Eintragung in das Grundbuch gemäß Å¼ 1117 I S. 1 BGB die
Übergabe des Hypothekenbriefes erforderlich.
S hat vorliegend der D-Bank den Hypothekenbrief übergeben.
Beachte: Der Begriff der Übergabe ist identisch mit dem des ż 929 S. 1 BGB.
Insbesondere ist die Einschaltung von Geheißpersonen zulässig. Jedoch hat eine
Vereinbarung im Sinne von ż 1117 II BGB bereits die Wirkung einer Übergabe, nicht
erst die Übergabe selbst.
AG GK ZR III Sachenrecht - 5 - Wintersemester 2011/12
Mithin hat sich an der Eintragung der D-Bank als Inhaberin der Hypothek bis zur Abtretung
der gesicherten Forderung an P auch nichts geändert.
4. Einigsein zum Zeitpunkt der Eintragung
Auch ein Einigsein im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs ist gegeben (Vgl. ż 873
II BGB)
5. Berechtigung des Hypothekenschuldners
S müsste zudem zur Hypothekenbestellung berechtigt gewesen sein.
S war im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbes als verfügungsberechtigter
Eigentümer (ż 903 BGB) berechtigt zur Hypothekenbestellung.
6. Zwischenergebnis
Die D-Bank war ursprünglich Inhaberin einer Hypothek infolge Ersterwerbs vom
Berechtigten S gemäß Å¼Å¼ 873 I, 1113 ff. BGB).
P hat damit von der D-Bank als Nichtberechtigte durch gutgläubigen Zweiterwerb die
Hypothek an dem Grundstück des S gemäß Å¼Å¼ 1138, 892 I i.V.m. żż 398, 1153, 1154 BGB
erworben.
IV. Einwendung des S: Hypothek erloschen?
In Betracht kommt, dass der S dem Zweiterwerber P eine (rechtsvernichtende) Einwendung,
nämlich das Erlöschen der Hypothek infolge der Leistung auf die Forderung (Erlöschen infolge
Erfüllung, ż 362 I BGB) entgegenhalten kann.
Denn gemäß Å¼ 404 BGB kann der Schuldner einer Forderung dem Neugläubiger/ Zessionar alle
Einwendungen entgegenhalten, die zur Zeit der Abtretung gegenüber dem Altgläubiger/ Zedent
begründet waren.
Allerdings betrifft ż 404 BGB nur die Forderung, nicht auch die Hypothek. Das heißt ż 404 BGB
wäre vorliegend nur anwendbar gewesen, wenn S zum Beispiel nur eine Teilleistung erbracht hätte
und die Forderung daher auch nur zum Teil erloschen wäre (ż 362 I BGB). Dann wäre der Anspruch
zunächst wirksam entstanden, aber aufgrund der Teilleistung des S zum Teil erloschen.
Diese Einwendung könnte S dem P hinsichtlich der Forderung (ż 488 I S. 2 BGB) nach ż 404 BGB
entgegenhalten, wenn die Teilleistung bereits bei Abtretung erfolgt wäre.
Von Einwendungen des Schuldners zu unterscheiden sind Einreden, die ihm aus dem
Forderungsverhältnis (z.B.: Darlehensvertrag, ż 488 I BGB) gegen den Altgläubiger/ Zedent
zustehen (insbesondere Verjährung, ż 214 I BGB (beachte aber ż 216 BGB) und Einrede des nicht
erfüllten Vertrags, ż 320 I BGB).
Diese Einreden kann auch der Eigentümer dem Neugläubiger/ Zessionar als sog.
forderungsbestimmte Einrede nach ż 1137 I S. 1 BGB gegen die Inanspruchnahme aus der
Hypothek entgegenhalten.
Zu beachten ist aber die Möglichkeit des gutgläubigen einredefreien Erwerbs einer Hypothek nach
żż 1138, 892 I BGB (Vgl. auch ż 1157 BGB = 2.Weg).
AG GK ZR III Sachenrecht - 6 - Wintersemester 2011/12
V. Endergebnis
P hat die Hypothek am Grundstück des S gutgläubig zweiterworben. Er hat gegen S einen Anspruch
auf Duldung der Zwangsvollstreckung gemäß Å¼ 1147 BGB. Dies gilt, obwohl die gesicherte
Forderung bereits vollständig erloschen ist, denn in Ansehung der Hypothek wird der
Darlehensrückzahlungsanspruch in voller Höhe fingiert (ż 1138 BGB)
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