Die Schlacht bei Tannenberg
26. - 30. August 1914
Der 28. August (3. Tag)
Die Einkreisung der
russischen Mitte
Lage:
Trotz der drohenden feindlichen
Umfassung des XX.AK im Norden bei
Reichenau und der unsicheren Lage bei
Mühlen war man beim Oberkommando
der 8. Armee voller Zuversicht für den
heutigen Tag. Auch wenn manches
anders gelaufen war als geplant, so war
doch vieles erreicht.
Bei Usdau im Südwesten und
Bischofsburg im Nordosten waren die
Flügel der russischen Narew-Armee
geschlagen, ihre Mitte bei Mühlen blutig
abgewehrt.
Die
Njemen-Armee
(Rennenkampf) im Norden war noch weit
entfernt. So konnte man über die Korps
der deutschen Ostgruppe (I.RK und
XVII.AK) frei verfügen. An diesem Tag
wollte Generaloberst von Hindenburg die
Mitte der russischen Narew-Armee (XIII.,
XV. und ½ XXIII. AK) unter General
Samsonow angreifen und vernichten.
Nach den vorliegenden Meldungen nahm
man das russische XV.Korps vor der
Drewenz-Stellung an. Südlich des XV.
waren starke Teile des russischen
XXIII.Korps geschlagen und über
Neidenburg zurückgegangen. Nördlich
des XV. befand sich das XIII.Korps. Teile
davon waren schon in Allenstein
einmarschiert. Nach aufgefangenen
Funksprüchen und dem Auftauchen russischer Einheiten bei Reichenau glaubte man, dass dieses Korps zur
Unterstützung des XV.Korps nach Westen eingeschwenkt sei. Dann konnte General Samsonow den Angriff
gegen das deutsche XX.Korps wieder aufnehmen. Es bestand allerdings auch die Möglichkeit, dass er infolge
der Niederlage seiner Flügel (I. und VI. AK) die Schlacht abbricht und sich zurückzieht. Man musste auf beides
gefasst sein.
Für den Angriff auf die russische Mitte standen das XX.AK, verstärkt durch die 3. Reservedivision und
Festungstruppen, die bei Osterode und Biessellen eintreffende Landwehr - Division Goltz und das
I.Reserve-Korps bei Wartenburg zur Verfügung. Insgesamt also zwei aktive Infanterie - Divisionen, drei
Reserve - Divisionen, sowie Landwehr und Festungstruppen mit einer Stärke von weiteren zwei bis drei
Divisionen, diese jedoch mit schwacher Artillerie und wenig Maschinengewehren.
Das I.AK war im Süden noch mit dem Abdrängen des russischen I.Korps über Soldau nach Mlava gebunden.
Das XVII.AK verfolgte das russische VI.Korps von Bischofsburg nach Ortelsburg. Dieses Korps kam also immer
mehr in den Rücken der Mitte der feindlichen Armee. Auch wenn es vorläufig nicht am Kampf teilnehmen
konnte, war seine taktische Stellung auf dem Schlachtfeld bestens. Sollte Samsonov sich zum Rückzug
entschließen, waren seine Rückzugswege bereits unterbrochen.
Der Armeebefehl für den 28. August war am Abend zuvor schon unterschrieben als um 21:00 Uhr Meldungen
eingingen, die seine Abänderung veranlassten. Eine Offizierspatrouille vom Reserve - Dragonerregiment 5 (3.
Reserve - Division) stellte am Mittag fest, dass in Allenstein eine ganze russische Division einmarschiert war.
Hier war der Feind also stärker als bisher angenommen. Es bestand die Gefahr, dass diese Division Fühlung mit
der Armee Rennenkampf im Norden aufnimmt. In Rastenburg waren schon Teile des II.Korps eingetroffen. Bei
Heilsberg streifte russische Kavallerie.
Im abgeänderten Befehl setzte das Oberkommando der 8. Armee die Landwehrdivision Goltz auf Hohenstein an
und befahl für die Ostgruppe: "Verstärktes I. Reservekorps und Teile des XVII. Armeekorps greifen den Feind
bei Allenstein an. Falls dieser nach Süden abmarschiert, wenden sie sich mit dem rechten Flügel auf
Stabigotten; XVII. Armeekorps hat außerdem Richtung Willenberg zu verfolgen."
Der Angriff
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Am frühen Morgen herrschte dichter Nebel. Nach dem Armeebefehl sollte der Angriff des XX.AK um 04:00 Uhr
über den rechten Flügel (41.ID) beginnen. Die 41.ID sollte um das Ostende des Mühlen-Sees herum über
Waplitz auf Paulsgut vordringen. Eine starke Nachhut sollte ausgeschieden werden um die Truppen gegen
Osten zu decken. Sobald die Wirkung dieser Operation an der Front nordwestlich von Mühlen fühlbar wird,
sollte hier mit dem Angriff begonnen werden. Um 05:30 Uhr meldete der Chef des Stabes beim XX.AK, Oberst
Hell, auf Anfrage aus dem Armee - Hauptquartier, er glaube, dass die Truppen auf das Fallen des Nebels
warten, es sei noch kein Gefechtslärm zu hören.
General von Hindenburg begab sich mit seinem engeren Stab zum Generalkommando des XX.AK nach
Frögenau. Der Gefechtstand war am östlichen Ortsausgang an der Straße nach Tannenberg in einer Molkerei
untergebracht. Man traf um 07:00 Uhr dort ein.
Seit 06:00 Uhr war Gefechtslärm aus östlicher Richtung hörbar. Der Angriff schien also begonnen zu haben.
Die 41.ID stand am Ostende des Mühlensees. Ihr Kommandeur, Gen.Mj. Sontag, hatte den Korpsbefehl am
Abend zuvor für unausführbar erklärt. Demnach sollte die Division "unter Aufbietung aller Kräfte noch heute
auf Waplitz" vorgehen. Dies sollte an diesem Morgen nachgeholt werden. Er verfügte über 9 Bataillone, 2
Schwadronen und 13 Batterien. Mit diesen wollte er westlich Wittmannsdorf die große Straße erreichen und auf
ihr mit der Masse nach Norden über Waplitz durchbrechen. Dazu musste er zwischen dem Gegner bei
Frankenau - Bujaken und dem bei Adamsheide hindurch. Eine starke Nachhut sollte Flanke und Rücken
schützen und den Gegner einige Stunden am Nachrücken hindern. Hatte man Paulsgut erreicht, käme die
russische Front nordwestlich des Mühlen-Sees (Drewenz-Stellung) in eine prekäre Situation. Ein Nachrücken
des Waplitzer Gegners wäre dann nicht mehr zu erwarten.
Im dicken Nebel führte Gen.Mj. Schaer die Vorhut gegen Waplitz vor. An der Maranse kam es zum Kampf. Das
2. Bataillon des Infanterie - Regiments "Freiherr Hiller von Gärtringen" (4.Posisches) Nr.59, und Teile vom
Masurischen Pionier - Bataillon Nr.26 überquerten den Fluss und drangen 1 km nach Norden vor. Ihr Erfolg
wurde im dichten Nebel von den Nachbareinheiten nicht rechtzeitig erkannt. Der Angriff kam an der Maranse
zum stehen. Er kam auch nicht wieder in Bewegung, als östlich der Vorhut die 74. Infanterie - Brigade unter
Gen.Mj. Reiser in den Kampf eintrat. Der russische Widerstand verstärkte sich immer mehr. Gegen 07:00 Uhr
wich der Nebel. Die Verluste mehrten sich. Die Deutschen kamen nun auch unter Artilleriefeuer aus ihrer
Ostflanke. Ganz überraschend schlug plötzlich auch von Süden her, aus Richtung Frankenau - Bujaken
Artilleriefeuer in ihren Rücken. Südwestlich Wittmannsdorf mussten Teile der 74. Infanterie - Brigade und der
Artillerie Front nach Süden nehmen. Sie hatten gegen den auf den Höhen südlich und östlich Wittmannsdorf
auftretenden Feind einen schweren Stand, konnten aber seine Angriffe abwehren.
General Sontag hielt es schon bald für aussichtslos, sich in dieser Lage noch länger zu halten. Er befahl um
07:30 Uhr den Rückzug in die Ausgangsstellung südlich Seythen. 8 Bataillone und 6 Batterien waren bereits
im Halbkreis umstellt. Sie mussten nun durch die nur 2½ km breite Öffnung zwischen den Russen südlich
Wittmannsdorf und dem Südzipfel des Mühlen-Sees zurückgehen. Dies gelang unter relativ geringen Verlusten.
Vor allem dem Ausharren des 2.Bataillons des Deutsch-Orden - Regiments Nr.152 und den Batterien des 1.
westpreußischen Feldartillerie - Regiments Nr.35 war es zu verdanken, dass das Gefecht nicht mit der
Gefangennahme großer Teile der Division endete.
Die Division verlor durch dieses Gefecht bei Waplitz 2400 Mann, davon die Hälfte allein beim Infanterie -
Regiment 59, dessen Kommandeur, Oberst Sonntag, fiel. (Nach russischen Angaben wurden 1400 Gefangene
gemacht. Die eigenen Verluste wurden mit 1500 Mann beziffert.) Die 41.ID hatte in den Kämpfen am 26. und
28. August 30% ihrer Infanterie verloren. Da außerdem 2 Bataillone an das I.AK abgegeben waren (Abteilung
Schmettau), hatte der Rest nur noch geringe Kampfkraft.
Beim Generalkommando des XX.AK in Frögenau (4 km westlich von Tannenberg) erfuhr man von diesen
Vorgängen bei der 41.ID zunächst nichts. Nur der Kanonendonner hallte mit zunehmender Stärke aus der
Gegend von Waplitz herüber. Von einer Einwirkung auf den Gegner bei Mühlen war nichts zu merken. Man
wollte hier also mit dem Angriff noch abwarten.
Da ließ gegen 08:30 Uhr Gen.Lt. von Morgen melden, er habe für die 3. Reserve - Division und die sonst noch
ihm unterstellten Truppen (Unger) den Angriff befohlen, dieser sei bereits im Gange. Mit dieser
Eigenmächtigkeit war man beim Generalkommando zunächst nicht einverstanden, musste sich aber mit dieser
Tatsache abfinden. Die 37.ID erhielt daher auch Befehl, sofort über Reichenau zum Angriff anzutreten.
Die 3.Reservedivision unter Generalleutnant von Morgen sowie die Truppen des Generalmajors von Unger
stand um 04:00 Uhr westlich des Drewenz - Abschnittes zum Angriff bereit. In der 8 km breiten Linie von der
Nordspitze des Mühlen-Sees - Kirsteinsdorf waren versammelt: Die Gen.Mj. von Unger unterstellte 70.
Landwehr - Brigade und die stellvertretende 69. Infanterie - Brigade (Festungstruppen, zumeist Ersatzreserve
und Landsturm, 11 Bataillone, 7 Schwadrone, 5 Batterien).
Schließlich die 3.RD bei Klein-Pötzdorf, Kirsteinsdorf und Geierswalde, 12 Bataillone, 3 Schwadrone, 6
Batterien.
Also insgesamt 23 Bataillone, 10 Schwadrone aber nur 11 Batterien (66 leichte Feldkanonen, Kaliber 7,7 cm).
Von den zurückgelassenen Truppen der 37.ID südöstlich Mühlen (3 Bataillone und 3 Batterien) hatte Gen.Lt.
von Morgen keine Kenntnis. Sie erhielten daher auch keinen Angriffsbefehl. Diese aktiven Truppen hätte man
sicher gut gebrauchen können. 2 der 3 Batterien bestanden aus schweren Feldhaubitzen (Kaliber 15 cm,
Reichweite 12 km).
Vor der Front der 3.RD war der Forst Jablonken, ein weites Waldgebiet, am Morgen frei vom Feind gemeldet
worden. Die Russen hatten sich über Nacht an den Ostrand des Waldgebietes zurückgezogen. Über die
Feindlage bei Reichenau im Nordwesten lagen bis zum Morgen noch keine Meldungen vor. Diese Sorge war
man los, als um 07:20 Uhr die 37.ID meldete, dass sie nordwestlich Geierswalde, bei Kittnau und Domkau,
bereitstehe. Der Nebel war inzwischen gefallen, von dem Angriff der 41.ID war noch nichts zu spüren.
Andererseits musste die aus Schleswig - Holstein eingetroffene Landwehr - Division Goltz schon seit 05:00 Uhr
von Norden her auf Hohenstein im Vormarsch sein.
So entschloss sich General von Morgen, jetzt nicht mehr länger zu warten, sondern die momentane günstige
Lage im Forst Jablonken auszunutzen. Um 07:20 Uhr befahl er auf eigene Verantwortung den Angriff auf der
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ganzen Front vom Mühlen-See bis nördlich Kirsteinsdorf. Dabei sollte die linke Brigade seiner Division
(6.Reserve - Infanteriebrigade) durch den Forst Jablonken vorgehen, die feindliche Stellung bei Dröbnitz im
Norden umfassen und dadurch den schweren Angriff der gegen die russische Front angesetzten 5.Reserve -
Infanteriebrigade erleichtern. Erst als der Angriff im Gange war, erstattete General von Morgen dem
Generalkommando die schon erwähnte Meldung.
Bei Gen.Mj. von Unger blieb der Angriff der 70.LwBr unter Gen.Mj. Breithaupt am Drewenz - Abschnitt östlich
Mühlen liegen. Hier machte sich die schwache Artillerie bemerkbar. Die Ersatz - Bataillone der
Stellvertretenden 69. Infanteriebrigade unter Gen.Mj. von Semmern aber erreichten nördlich der Straße nach
Paulsgut bis zum Mittag in zähem Vorwärtsdringen den Ostrand des großen Waldes.
Bei der 3.RD selbst griff auf dem rechten Flügel die 5. Reserve - Infanteriebrigade unter Gen.Mj. Hesse gegen
Dröbnitz an. Im Frontalangriff nahm sie um 12:30 Uhr den zäh verteidigten Ort. Die Verluste waren auf beiden
Seiten hoch. Eine unmittelbare Unterstützung durch die 6. Res.Inf.Br. war ausgeblieben. Diese Brigade hatte
unter Gen.Mj. Krause um 10:00 Uhr den Ostrand des Forstes Jablonken erreicht, war aber hier durch den Feind
gebunden worden, der bei Schwenteinen beiderseits der Hohensteiner Straße stand. In mutigem Angriff
warfen die pommerschen Reservetruppen den Gegner über Sauden auf Hohenstein zurück. Um 12:30 Uhr
drangen sie in die brennende Stadt ein. Der russische Widerstand hatte in dieser Gegend immer mehr
nachgelassen, denn gleichzeitig waren von Norden her die Truppen der Landwehr - Division Goltz bis auf 500
Meter an Hohenstein herangekommen.
Die Landwehr-Division Goltz wurde seit dem 26. August in Osterode und Biessellen ausgeladen. Sie kam
aus dem Küstenschutz in Schleswig - Holstein. Als ihr Kommandeur, Gen.Lt. Freiherr von der Goltz, am 27.
abends in Biessellen den Armeebefehl zum Vormarsch über Manchengut auf Hohenstein erhielt, waren von
seinen Truppen erst 7 Bataillone, 4 Schwadrone und 1 Batterie zu Stelle. Der Transport der noch fehlenden 5
Bataillone und 3 Batterien wurde durch den Zusammenstoß zweier Eisenbahnzüge verzögert. Dem
Kommandeur lagen Nachrichten vor, dass an der Vormarschstraße südlich Manchengut russische Kavallerie
und in Hohenstein stärkerer Feind stehe. Es war ihm auch gemeldet, dass in Allenstein eine russischen Division
sei. Südlich davon sollten an der Straße nach Hohenstein bis Darethen ebenfalls Russen stehen. Trotz dieser
Flankenbedrohung war General von der Goltz entschlossen, mit den zunächst verfügbaren Kräften, den Marsch
auf Hohenstein anzutreten. Die noch fehlenden Einheiten sollten später folgen.
Nach 16 km erreichte die Vorhut um 09:00 Uhr den Südrand des Kämmerei-Waldes nördlich Hohenstein. Der
Kanonendonner, den man während des Vormarsches im Süden hören konnte, hatte nachgelassen. Man
beobachtete russische Truppenbewegungen von Hohenstein in Richtung Osten. Der Gegner schien
zurückzugehen. General Freiherr von der Goltz entschloss sich zum Angriff. Die Russen setzten sich nördlich
der Linie Hohenstein - Mörken zur Wehr. Gegen sie wurden nacheinander, wie sie eintrafen, 6½ Bataillone und
die einzige Batterie (6 Kanonen, Kaliber 7,7 cm) eingesetzt. Nur ½ Bataillon ließ von der Goltz als Sicherung
am Kämmerei-Wald zurück für den Fall, dass der Allensteiner Gegner den Vormarsch nach Südwesten antrete.
Dieser Gegner hatte bis Hohenstein nur 25 km Marsch, konnte also, wenn er morgens früh abmarschiert war,
schon um Mittag in der Flanke und im Rücken der Landwehr auftreten. Es war daher vielleicht wenig Zeit mit
dem Feind bei Hohenstein fertig zu werden.
Aber trotz des Einsatzes aller Kräfte, blieb der Angriff der Deutschen bald liegen. Die Infanterie hatte keine
Maschinengewehre und die Artillerie bestand nur aus einer einzigen Batterie. Dies konnte auch nicht durch
allen Wagemut der schleswig-holsteinischen und hanseatischen Wehrmänner ausgeglichen werden. Ihre
Kampfkraft war der russischen weit unterlegen. Die Verluste mehrten sich. Der Kommandeur des Bremer
Landwehr - Regiments 75, Oberstleutnant von Stwolinski, fiel an der Spitze seiner Truppe. Um 11:40 Uhr ging
eine Meldung ein, dass der Allensteiner Gegner (XIII.Korps) tatsächlich schon um 04:30 Uhr nach Südwesten
abmarschiert sei, und bald darauf traten auch schon russische Schützenlinien bei Grieslienen auf, im Rücken
der Deutschen!
In dieser kritischen Lage brachte um 13:20 Uhr die Artillerie der 6. Reserve - Infanteriebrigade (3.RD) gegen
den Mörkener Gegner aus wirksamster Richtung die ersehnte Feuerunterstützung. Aus Richtung Hohenstein
kamen nun Truppen der 6. Res.Inf.Br. in die Flanke der Russen. Die Landwehr brach daraufhin zum Sturm vor.
Die Russen gaben den Widerstand auf und gingen weiter zurück. Fünf Kanonen mussten sie der deutschen
Landwehr überlassen.
Bis zum frühen Nachmittag hatten die Truppen des Gen.Mj. von Unger, die 3. Reserve - Division und die
Landwehr - Division Goltz westlich Paulsgut, bei Dröbnitz, Hohenstein und Mörken den Feind geworfen und
waren in dessen Verfolgung. Nur an dem für die Deckung seines Rückzugs wichtigen Straßenübergang östlich
Mühlen leistete dieser immer noch hartnäckigen Widerstand.
Die 37.Infanterie-Division (10 Bataillone, 2 Schwadronen, 12 Batterien) unter GenLt. von Staabs war bisher
noch nicht in den Kampf getreten. Schon ihre Bereitstellung am Morgen hatte sich verzögert. Der Nachtmarsch
über 15 km von Seythen / Adamsheide (Südspitze des Mühlen-Sees) nach Reichenau führte über tiefsandige
Wege, es wurde neblig und die Truppe war übermüdet. Bei der 73. Infanterie - Brigade befand sich an Stelle
des aktiven Infanterie - Regiment 174 das Landwehr - Infanterie - Regiment 107. Die 75. Infanterie - Brigade
musste einen Umweg nach Süden machen, um ihr für den Gegenstoß auf Mühlen am Tag zuvor abgelegtes
Gepäck zu holen. Die mit der Aufklärung auf Hohenstein beauftragte Divisionskavallerie fehlte. Der
Marschbefehl hatte sie nicht erreicht. Ohne Nachricht von der seit dem Abend zuvor veränderten Lage, glaubte
GenLt. von Staabs den Feind unmittelbar vor sich zu haben.. Ohne weiteren Korpsbefehl (der Befehl von 08:30
Uhr hatte die Division nicht erreicht) und ohne Kenntnis vom Angriff der 3.RD trat die 37.ID zu Angriff an.
Um 10:00 Uhr überschritt sie den Bachlauf westlich Reichenau und rückten gegen den Drewenz - Abschnitt
weiter vor. Erst um 11:20 Uhr, als die Lage durch eine Mitteilung der 3.RD geklärt war, wurde der Marsch
Richtung Hohenstein fortgesetzt. Als sich die 6.Reserve - Infanterie - Brigade (3.RD) und die Landwehr -
Division Goltz mittags bei Hohenstein die Hand reichten, hatte der Anfang der 37.ID die Waldungen des
Drewenz-Abschnitts noch nicht durchschritten.
Man kann also sagen, dass im Bereich des XX.Korps die entscheidenden Durchbrüche und das Werfen des
Gegners hauptsächlich den Reserve- und Ersatztruppen sowie Landwehr-Einheiten zuzuschreiben war. Die
41.ID im Südosten wurde geschlagen und musste wieder in ihre Ausgangsstellung zurück. Die 37.ID am
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Nordwestflügel traf nicht auf den Feind, weil der schon vor der 3.RD zurückgewichen war.
Beim Armee-Oberkommando in Frögenau war die Spannung am Morgen groß gewesen: Von der 41.ID,
deren Erfolg das Zeichen zum Angriff in der Front geben sollte, keine Nachricht. Hat sie sich verspätet? Wird
ihr der Durchbruch noch gelingen, um auf Paulsgut zu marschieren? Warum greift das XX.AK nördlich des
Mühlen-Sees nicht an? Will man noch länger auf die 41.ID warten? Geht der Feind vielleicht schon zurück und
drückt nach Süden gegen diese Division? Oder steht er noch, greift vielleicht selbst an? Was machen die
Russen in Allenstein? (XIII.Korps) Solange von Below (I.Res.Korps) sie nicht angeht haben sie volle
Bewegungsfreiheit nach Hohenstein oder zu Rennenkampf hinüber. Die letztere Frage wurde um 08:00 Uhr
geklärt. Durch russische Funksprüche erfuhr man, dass das russische XIII.Korps auf Hohenstein marschiert.
Der russische Kommandierende General, Gen.Lt. Klujew, wollte um 12:00 Uhr bei seiner Vorhut bei Grieslienen
sein, 5 km vor Hohenstein. Je länger das XX.AK mit seinem Angriff wartet, um so mehr verstärkte sich der
Gegner. Und neben all diesen Fragen immer die Sorge: Was wird Rennenkampf (1. russische Armee) machen?
Muss er nicht bald klar sehen, dass er keine nennenswerten deutschen Kräfte vor seiner Front hat? Die
Ungewissheit wurde immer quälender.
In dieser Lage wirkte der Angriffsentschluss von GenLt. von Morgen als die erlösende Tat. Als dann aber um
09:00 Uhr die schlechte Nachricht von der 41.ID kam, da wurden die geweckten Hoffnungen wieder erheblich
reduziert. Ein empfindlicher Rückschlag war eingetreten, dem Gegner, den man einschließen wollte, war jetzt
der Weg nach Süden auf Neidenburg freigegeben. Das I.AK aber, dessen Hauptaufgabe in dieser Richtung lag,
kämpfte noch bei Soldau. Die Lage war aufs Äußerste gespannt.
Beim I.Armeekorps hatte GenLt. von François seinen Truppen nach der Einnahme von Usdau am Tag zuvor
eine längere Nachtruhe gegönnt. Um 06:00 Uhr stand das I.AK und die Truppen der 5. Landwehr - Brigade
(Mühlmann) bereit, um den Angriff nach Süden auf Soldau fortzusetzen. Den ursprünglichen Auftrag,
Verfolgung auf Neidenburg, hatte General von François nicht aus den Augen verloren. Er schätzte den Gegner
vor Soldau nicht mehr so stark ein wie am gestrigen Abend. Dieser hatte, laut einer Fliegermeldung, in der
Nacht den Rückzug nach Mlava und darüber hinaus fortgesetzt. Er setzte daher schon jetzt die bei
Groß-Schläfken stehende Kavallerie (Ulanen-Regiment 8 und zwei Schwadronen vom XX.AK nebst einer
Batterie) auf Neidenburg an. Die 2.ID sollte sich zum Abmarsch bereitstellen. Mit den übrigen Truppen wollte
er den Gegner über den Soldau - Abschnitt werfen, dann aber die 1.ID der 2. auf Neidenburg folgen lassen. Die
5.LwBr sollte als Deckung zurückbleiben. Das AOK war mit diesem Plan einverstanden, legte aber "Wert darauf,
dass das I.AK möglichst bald Neidenburg, mit Kavallerie Willenberg erreiche" Als dann aber die Nachricht vom
Rückzug der 41.ID eintraf, galt es, dieser Division Hilfe zu bringen. So befahl Generaloberst von Hindenburg
um 09:10 Uhr die 2.ID "sofort auf Rontzken in Marsch zu setzen, um einen Durchbruch des Feindes zu
verhindern, und zwar durch Angriff". Die Gruppe Schmettau sollte ebenfalls dorthin marschieren.
Dieser Befehl traf beim I.AK ein, als die 2.ID den Marsch nach Osten schon angetreten hatte. Alle übrigen
Truppen waren im Angriff auf Soldau. Der Gegner leistete nur mit Nachhuten Widerstand. So drängten die
5.LwBr, die 1.ID und die Abteilung Schmettau, im ganzen 24 Bataillone und 29 Batterien, die noch nördlich
des Soldau-Flusses haltenden russischen Nachhuten in den ersten Stunden des Vormittags ohne Mühe zurück.
Nur wenige Gefangene und verlassene Geschütze fielen ihnen in die Hände. Die Brücken waren zerstört.
Fernfeuer schwerer Artillerie deckte den Rückzug.
François ließ den Angriff über den Fluss anhalten. Die Abteilung Schmettau und die 1.ID wurden auf
Neidenburg in Marsch gesetzt. Die 5. Landwehr - Brigade blieb als Sicherung zurück.
Beim Armee - Oberkommando waren inzwischen weitere schlechte Nachrichten von der 41.ID eingetroffen. Es
war damit zu rechnen, das sich der Druck im Süden des XX.AK noch verstärke, wenn der Feind, wie es
durchaus möglich war, etwa schon um seinen Rückzug kämpfte. Es galt alles daran zu setzen, um ihm den
Ausweg südlich der großen Seen wieder zu verschließen. Daher ließ Hindenburg am Mittag das I.AK nochmals
anweisen, es solle die 41.ID unterstützen, die von Wronowo zurückgehe, im übrigen aber auf Lahna weiter
verfolgen. Das Korps könne sich "die größten Verdienste um die Armee erwerben, wenn es diesen Intensionen
gemäß handele. Alles kommt auf das I. Armeekorps an."
Zurück ins Armee-Hauptquartier
Um die Mittagszeit hatte man beim AOK folgendes Bild von der Lage:
Die 41.ID war geschlagen, die 70.LwBr bei Mühlen kam nicht weiter, zur 37.ID war die Verbindung abgerissen,
man wusste nicht, wo sie war.
Der Angriff der 3.RD aber macht gute Fortschritte. Auch die "alten Knaben" der Abteilung Unger
(stellvertretende 69.Infanterie-Brigade, Landsturm und Festungstruppen) waren durchgebrochen. Von der
LwDiv Goltz war um 12:45 Uhr die Meldung eingegangen, dass sie dicht nördlich der Linie Hohenstein - Mörken
im Angriff liege. Der Anmarsch des Allensteiner Gegners bedrohe sie im Rücken.
Der Gesamteindruck war jedoch, dass der Gegner geschlagen sei. An allen Stellen war er in der Defensive,
außer bei der 41.ID. Es galt, den Angriff des XX.AK auch da vorwärts zu bringen, wo er bisher noch still lag
und die Bewegungen des I. und XX.AK für die Verfolgung zu koordinieren.
Ob das I.AK noch rechtzeitig bei Lahna absperren könne, erschien zweifelhaft. Es sollte nunmehr auf die von
Neidenburg nach Jedwobno (Nordosten) und Willenberg (Osten) führende Straßen angesetzt werden. Auf
ihnen bestand Aussicht, den auf schlechte Waldwege angewiesenen Feind zuvorzukommen und auch alle
rückwärtigen Teile des Gegners mit in den großen Kessel einzuschließen.
Befehl zur Verfolgung: Um 13:30 Uhr gab Generaloberst von Hindenburg folgenden Befehl: "Feind aus
Hohenstein - Waplitz in Flucht nach Südosten. - I.Armeekorps hat ihm den Weg zu verlegen und muss mit
1.Infanterie-Division noch heute über Neidenburg Muschaken, mit der 2.Infanterie-Division Grünfließ
erreichen, mit Kavallerie, Radfahrern und Artillerie Willenberg. (Vielleicht versucht auch der in Allenstein
gewesene Gegner über Willenberg zu entkommen, ebenso der bei Bischofsburg geschlagene über Ortelsburg.)
- XX.Armeekorps verfolgt aus Linie Wronowo - Hohenstein in Richtung Lahna - Kurken. - Die Verfolgung ist
vom I.Armeekorps morgen zu frühester Stunde in allgemeine Richtung Willenberg fortzusetzen. - Detachement
Soldau bleibt stehen."
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Beim XX.AK waren gegen Mittag die Sorgen um die 41.ID gewichen. Der Gegner drängte nicht nach. Man
gewann sogar den Eindruck, dass er wieder zurück gehe. Um 13:37 Uhr befahl Gen.Lt. Scholtz auf Grund des
Armeebefehls die allgemeine Verfolgung. Die 41.ID sollte dem Gegner auf Orlau folgen. Die Truppen des
GenLt. von Morgen (3.RD) auf Kurken vorgehen, die 37.ID "wendet sich gegen das von Allenstein
heranmarschierende und vom I.Reservekorps demnächst in Rücken und Flanke angegriffene russische
XIII.Korps".
Als Generalmajor Sontag den Verfolgungsbefehl für seine 41.ID erhielt, stand der Gegner vor seiner Front noch
nördlich Januschkau. Er hielt den Befehl für nicht durchführbar. Abgesehen von den schweren Verlusten bei
den bisherigen Kämpfen war die Division infolge vielfacher Hin- und Her - Märsche, ermüdender
Bereitstellungen, nächtlicher Schanzarbeiten und mangelhafter Verpflegung sehr mitgenommen. In diesem
Sinne erging Meldung an das Generalkommando XX.AK. Die 41.ID wurde schließlich abends in Biwaks 5 km
westlich zurückgenommen.
Im Frontabschnitt des GenLt. von Morgen (3.RD und Abteilung Unger) war die Verfolgung schon seit
Mittag in vollem Gange. Nur gegenüber Mühlen, an der für den russischen Rückzug empfindlichen Stelle, war
die 70.LwBr bisher noch nicht weitergekommen. Die schwache Artillerie machte sich doch bemerkbar. Der
Angriff kam erst in Fluss, als die von der 37.ID zurückgelassenen 3 Bataillone und 3 Batterien eingesetzt
wurden. Besonders die schweren Feldhaubitzen, Kaliber 15 cm, zeigten ihre Wirkung.
Gleichzeitig drückten die Ersatzbataillone der Stellv. 69.InfBrig. von Norden auf die russischen Stellungen. Um
15:00 Uhr brach die Front der Russen zusammen. Man wich nach Osten aus. Eine erhebliche Anzahl russischer
Soldaten geriet in deutsche Gefangenschaft. Sie hatten sich tapfer geschlagen. In der Verfolgung erreichten
die Landwehr- und Ersatztruppen des Generalmajors von Unger bis zum Abend Ganshorn und Paulsgut.
Bei der 3. Reservedivision wollte man den feindlichen Truppen, die auf der großen Straße Hohenstein -
Schwedrich abzogen, den Weg verlegen. Dazu wurde die 5. Reserve - Inf.Brig. auf Schwedrich - Kurken
angesetzt. Die 6. war noch bei Hohenstein gebunden. Um 18:00 Uhr ging ein Befehl vom Gen.Komm.XX. ein.
Danach sollte den vor der 41.ID noch standhaltenden feindlichen Truppen der Rückweg abgeschnitten werden.
Die 5. Reserve - Inf.Brig. drehte daraufhin westlich Kunchengut nach Süden ab. Sie erreichte bis zum Abend
die Gegend von Waplitz.
Während dieser Vorgänge war es bei Hohenstein zu Kämpfen gegen einen neuen Feind gekommen. Schon
gegen Mittag waren breite Schützenlinien von der 1.Division des russischen XIII.Korps über Grieslienen nach
Südwesten vorgegangen. Zu dieser Zeit waren 2 Landwehr - Batterien nach fast einstündigem Trab und Galopp
von Biessellen - Manchengut her am Südrand des Kämmerei-Waldes eingetroffen. Die beiden leichten Batterein
und drei auf der Straße eintreffende Bataillone brachten den neuen Feind zum Stehen. Dadurch deckten sie
den weiteren Angriff auf Hohenstein - Mörken im Rücken. Die hier angreifende 33.LwBr unter Generalmajor von
Oertzen hatte dann zunächst östlich des Mispel-Sees nach Süden verfolgt, musste dann aber gegen Abend
Front auf den Griesliener Feind nehmen. Mörken, durch das die Landwehr nachmittags zur Verfolgung nach
Süden marschiert war, wurde durch diese Truppen in ihrem Rücken wieder eingenommen. Westlich davon
hatte die 6. Reserve -Inf.Brig. (3.RD) nachmittags in mehrstündigem Häuserkampf Hohenstein eingenommen
und 2000 Gefangene gemacht. Abends lag die Brigade südlich der Stadt.
Das russische XIII.Korps hatte bei seinem Vormarsch auf Allenstein etwas voreilig gehandelt. (Hindenburg:
"Lasst sie doch in Allenstein Lorbeeren ernten, wir werden sie ihnen auf dem Schlachtfeld wieder entreißen.")
Nun musste das Korps wieder nach Süden marschieren, um dem XV. zu Hilfe zu kommen. Man hatte nicht
damit gerechnet, schon westlich Grieslienen auf den Feind zu stoßen. Das Auftreten der Landwehrdivision Goltz
auf dem Schlachtfeld kam für den Korpschef, General Klujew, überraschend. Aus nordwestlicher Richtung hatte
er keinen Feind erwartet. Der Kämmerei-Wald (westlich Grieslienen) wurde zum blutigen Kampfplatz. Als er
die Lage erkannte, schob er, nördlich ausholend, nach und nach überlegene Kräfte in diesen Wald. So entstand
in den Nachmittagsstunden ein hin- und herwogendender Waldkampf, der mit einem Sieg der Russen endete.
Die deutschen Truppen wurden aus dem Wald zurückgenommen, um sie westlich des Amling-Grundes neu zu
ordnen.
Die 37.ID unter GenLt. von Staabs traf mit ihrer Vorhut gegen 15:00 Uhr westlich Hohenstein ein. Die von den
Märschen ermüdeten Truppen kamen nur nach und nach mit erheblicher Verspätung an, so dass bis zum
Abend nur die Artillerie zum Einsatz kam. Sie nahm den Kämmerei-Wald unter Feuer, der voll Russen war.
Die Division übernahm bis zum Abend Hohenstein und die Höhen westlich davon. Auf ihrem Nordflügel
sammelten sich versprengte Teile der Landwehr - Division Goltz. Die Russen hielten sich zurück. Vielleicht
wurden sie bereits von dem westlich Allenstein stehenden I. Reserve - Korps, unter GenLt. von Below,
bedrängt.
Die Ostgruppe
Seit der Besetzung Allensteins durch die Russen war die Telefonverbindung zwischen dem AOK 8 und den
Korps der Ostgruppe (XVII.AK und I.RK) erheblich erschwert. Auch die Straßenverbindung war unterbrochen.
So musste der Armeebefehl für des XVII.AK am Abend zuvor dem I.RK nach Wartenburg zur Weitergabe
übermittelt werden. Der stellvertretende Chef des Stabes des I.RK, Oberst Graf von Posadowsky-Wehner begab
sich persönlich zum Hauptquartier des Generals von Mackensen nach Raschung, um für den gemeinsamen
Angriff die Vorstellungen des Generals von Below darzulegen.
Das AOK 8 übermittelte folgenden Befehl seinem Verbindungsoffizier beim I.RK, Major Drechsel am Abend
zuvor: "Vom Armee - Oberkommando 10:00 Uhr abends. - I. Reservekorps und XVII. Korps angreifen
Allenstein und XVII. verfolgen Ortelsburg. So früh als möglich. I. Reservekorps soll nicht auf XVII. warten,
sondern anfangen. XVII. kommt dann nach. Entscheidung muss morgen fallen. - General Ludendorff."
General Mackensen sollte also fast sein gesamtes Korps nördlich des I.RK auf Allenstein ansetzen. Nur die
Einheiten, die über Mensgut auf Ortelsburg das VI. russische Korps verfolgten, sollten dort belassen werden.
General von Below ließ sein I.Reservekorps erst um 10:00 Uhr aus seinen Stellungen südlich Wartenburg auf
Allenstein aufbrechen. Er wollte dem XVII.AK Zeit geben um heranzukommen. Eine halbe Stunde nach dem
Abmarsch ging die Meldung einer Offizierspatrouille vom Reserve - Husarenregiment Nr.1 ein, dass bei
Tannenberg 1914, 28. August, Druckversion
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Allenstein nur noch schwacher Feind stehe. Nach Auffassung Belows, konnte der Feind nur nach Süden
abmarschiert sein. (Diese Einschätzung war richtig. Das russische XIII.Korps war am Morgen nach Süden auf
Hohenstein abmarschiert, um dem XIII. zu Hilfe zu kommen, nur schwache Kräfte blieben in Allenstein
zurück.) Er gab seinem Korps eine mehr südliche Marschrichtung, und zwar auf Stabigotten - Grieslienen.
Mackensen wusste von der veränderten Lage nichts und marschierte weiter auf Allenstein, weit nördlich
ausholend.
Um 14:00 Uhr gelang es dem AOK 8 von Frögenau aus Telefonverbindung mit seinem Verbindungsoffizier beim
I.RK, Major Drechsel, aufzunehmen. Jetzt erst erfuhr das AOK 8 von der genauen Lage der Ostgruppe. Das
russische VI.Korps war in vollem Rückzug von Ortelsburg zur Grenze.
Um 14:35 Uhr glückte auch die Telefonverbindung zum XVII.AK. Eine hervorragende Leistung der
Fernmeldetruppen. General von Mackensen bat um unmittelbaren Befehl, da es bisher nur ein hin und her
gegeben hatte. Da Allenstein und auch Ortelsburg nicht mehr vom Feind besetzt waren, bot sich dem AOK 8
jetzt die Möglichkeit, das gesamte XVII.AK mit dem I. im Süden zusammenwirken zu lassen. Dieses war auf
Muschaken - Willenberg und auf Grünfließ angesetzt. Nun sollte eine Sperre an der Straße Neidenburg -
Jedwobno - Passenheim angelegt werden. Eine weitere an dem Straßenzug Neidenburg - Willenberg -
Ortelsburg, um auch alles, was etwa aus der ersten Einkreisung entkam, abzufangen.
Generaloberst von Hindenburg befahl daher, das XVII. Armeekorps solle "möglichst starke Kräfte nach
Jedwobno in Marsch setzen, um alle russischen Abteilungen, die aus Forst Allenstein - Hohenstein
heraustreten, abzufangen und was vom russischen XIII. und XV.Korps durch den Wald flieht". Gleichzeitig
solle das Gros die Verfolgung nach Süden fortsetzen: "Scharfer Druck auf Ortelsburg, Kavallerie Richtung
Rudczanny - Johannisburg. Verfolgung bis zum letzten Atemzuge. Große Erfolge, wenn energisch
draufgegangen wird. Vorwärts ..."
Das I.Reservekorps hatte seinen Marsch inzwischen auf Stabigotten fortgesetzt. Für diese Marschrichtung
hatte man nur schlechte Sandwege zur Verfügung. In den großen Waldungen östlich Stabigotten fehlte sogar
jede durchgehende Wegeverbindung in Richtung Westen. Man wollte das Korps nicht durch diesen
unwegsamen Wald schicken. Es blieb nichts anderes übrig, als die 1. Reserve-Division über Stabigotten auf
Grieslienen und die 36. nördlich davon über Darethen anzusetzen. Damit aber war es sehr fraglich geworden,
ob der Allensteiner Feind auf seinem Marsch nach Süden, noch in der Flanke gefasst werden kann. Die 1.RD
wollte bis zum Abend bis nach Grieslienen kommen. Dies gelang nicht. Unerwarteter russischer Widerstand
und schlechte Wege verhinderten schnelleres Vorwärtskommen. So erreichte Generalleutnant von Förster die
große Straße Allenstein - Grieslienen in der Nähe von Darethen erst bei Dunkelheit. Hier kam es zu neuen
Kämpfen. Erst um Mitternacht kam die Truppe zur Ruhe. Nördlich der 1. lag die 36.RD (Gen.Mj. Kruge). Teile
von ihr hatten Allenstein vom letzten Feind befreit.
Beim XVII.AK hatte man seit dem Befehl des Oberkommandos von 14:35 Uhr Klarheit über die Lage. General
von Mackensen drehte seine beiden Divisionen in die alte Richtung ab und strebte in zahlreichen Kolonnen
unter Aufbietung aller Kräfte Jedwobno und Ortelsburg zu. Infanterie auf Wagen, Maschinengewehre, Kavallerie
und Artillerie eilten dem Gros voraus und erreichten, teilweise erst nach Mitternacht, Waplitz (südlich
Passenheim), Grammen und Ortelsburg. General von Mackensen selbst kam noch am Abend nach Passenheim.
Beim Oberkommando der 8.Armee war man seit Mittag immer mehr zu der Auffassung gelangt, dass der
Abschluss der dreitägigen Schlacht erreicht sei. Generaloberst von Hindenburg gab um 17:30 Uhr einen
Armeebefehl mit folgendem Anfang: "Soweit bis jetzt festgestellt, russisches I.Korps in voller Flucht über
Mlawa auf Warschau, russisches XXIII., XV., und XIII.Korps in die Waldungen südöstlich Hohenstein -
Allenstein zersprengt, russisches VI.Korps, von dem eine Division vollständig vernichtet, in voller Flucht über
Ortelsburg ..."
Um 21:30 Uhr meldete der Chef des Generalstabs der 8. Armee, General Ludendorff, per Telefon an die Oberste
Heeresleitung in Koblenz: "Es steht alles gut. Einkreisung der russischen 2. Armee nach menschlichem
Ermessen gelungen. Bestimmtere und genauere Nachrichten lassen sich zur Zeit noch nicht geben, da bei den
großen Entfernungen noch keine Meldungen der Armeekorps beim Armee - Oberkommando eingegangen sind."
Man musste auch dringend gegen die 1. russische Armee (Rennenkampf) Vorkehrungen treffen, die so
langsam aber sicher immer weiter nach Westen vorging. Von deutscher Seite wurde das zögernde Vorgehen
Rennenkampfs mit Unverständnis aufgenommen. Er musste nur marschieren, und die Schlacht wäre
entschieden gewesen.
Das XVII.AK hatte die Absperrung im Osten zu übernehmen. Der Gedanke, das Korps später auf dem
Nordflügel der Armee zu verwenden, wurde aber noch nicht aufgegeben, denn dort standen seine Kolonnen
und Trains. Das Korps sollte daher nicht weiter als bis Passenheim und Ortelsburg nach Süden vorstoßen.
Wenn das I.AK gleichzeitig Willenberg besetzt, schien eine Einkreisung von großen Teilen der Narew-Armee
doch noch erreichbar. Andererseits mussten gegen die Njemen-Armee nunmehr schleunigst Kräfte
ausgeschieden werden. Bei Hohenstein, wo sich ohnehin die Landwehr-Division Goltz sammeln sollte, mussten
auch das I. Reservekorps und die 37.ID vom XX.AK im Angriff auf den noch zwischen ihnen stehenden Feind
ineinander geraten. An diese beiden Korps erging daher Befehl, sobald als möglich je eine Division
herauszuziehen. General Ludendorff fuhr am 29. August vormittags selbst nach Hohenstein, um die Truppen
dort zu entwirren und im Auftrag des Oberbefehlshabers an Ort und Stelle die nötigen Anordnungen zu treffen.
Die Vorgänge bei der russischen Narew-Armee
Wann der Oberbefehlshaber der Narew-Armee, General Samsonov, in den Morgenstunden des 28. August
erkannt hat, dass eine Fortsetzung des Angriffs aussichtslos sei, steht dahin. Das Oberkommando verließ etwa
um 05:00 Uhr früh das Schlosshotel in Neidenburg, wo das Hauptquartier untergebracht war, um sich zum XV.
Korps zu begeben. General Samsonov wollte den Angriff dieses Korps und des XIII. selbst leiten, denn hiervon
hing alles ab.
5 km hinter Neidenburg ließ Samsonov die Kraftwagen anhalten, um am Hang einer Anhöhe auf
ausgebreiteten Karten das Weitere zu beraten. So findet ihn der britische Attaché, General Knox, der an dieser
Beratung teilnimmt. Danach steht Samsonow auf, befiehlt 8 Kosaken der ihm zugeteilten Eskadron, abzusitzen
und ihre Pferde abzugeben. Bevor Samsonow mit seinem Stab die Pferde besteigt, wendet er sich an Knox:
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"Herr General! Ich halte es für meine Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß die Lage der Armee äußerst kritisch
geworden ist. Mein Platz ist jetzt an der Front. Meine Pflicht ruft mich nach vorn. Ihnen aber muß ich den Rat
erteilen, sofort umzukehren, solange dazu noch Zeit ist. Ich bitte Sie als Kamerad, Ihrer Regierung über alles,
was hier vorgeht, zu berichten, daß wir mit aller, wenn auch letzter Kraft für Russland und unsere Verbündeten
kämpfen und bis zum Äußersten unsere Pflicht tun werden. Das I. Korps und das XV. Korps sind eingedrückt;
das VI. Korps ist in Unordnung zurückgegangen. Neidenburg ist bedroht. Ich weiß nicht, ob ich noch Herr der
Lage werden kann; aber selbst wenn das Schlimmste eintritt, wird das Endergebnis des Krieges durch diese
Schlacht nicht beeinflußt werden! Ich hoffe, General Knox, wir werden uns in besseren Zeiten wiedersehen.
Leben Sie wohl!" Schweigend besteigt Samsonow mit seinem Stab die Pferde. Sie reiten über die Heide dem
Schlachtfeld entgegen. Was in ihnen vorgehen mag, hat sich Knox, der die Russen gut kennen gelernt hat,
vorgestellt und in sein Tagebuch notiert: "Die Fortreitenden verließen mich in ernstem Schweigen; aber sie
werden sich in ihrem typischen Optimismus sagen: Der Feind hat heute Glück, das nächste Mal werden wir es
haben." Was sich bei diesem Ritt dem Armeeführer zeigt, ist schrecklich. Samsonow findet ein völlig
demoralisiertes XV. Korps, das durch Hunger schwer gelitten hat, soweit es nicht in den viertägigen Kämpfen
vernichtet ist. Sein Stab will nicht mehr weiter, redet auf ihn ein, nach Janowo zurückzugehen, um dort
zunächst das Hauptquartier zu bilden. Aber der Armeeführer lehnt das ab. Er will den Ausgang der Schlacht,
wie es ihm in der Mandschurei zur Gewohnheit geworden war, direkt vom Schlachtfeld leiten und bestimmen.
Sein Stabschef, General Postowski, stimmt ihm zu. Samsonov schickt den Stab des Oberkommandos nach
Ostrolenka zurück und begibt sich selbst mit Postowski und einigen anderen Offizieren auf den Kosakenpferden
um 11:00 Uhr zum Generalkommando des XV. Korps zu einer Anhöhe westlich vom Gut Nadrau (7 km
südöstlich Hohenstein). Da zusammen mit dem Stab die Funkstation des Armee - Oberkommandos
zurückgeschickt wurde, war jede Verbindung zum Heeresgruppen - Kommando wie zum VI. und I. Korps
abgebrochen.
Beim XV. Korps war die Lage sehr kritisch. Das von Allenstein zur Unterstützung anrückende XIII. Korps war
nicht mehr rechtzeitig herangekommen, um die Niederlage abzuwenden. Die Gefahr, in der dieses Korps selbst
schwebte, dürfte aber beim Eintreffen Samsonovs in Nadrau noch nicht erkennbar gewesen sein.
Von Hohenstein bis Mühlen wichen die Truppen des Generals Martos (XV. Korps) nachmittags zurück. Der Sieg
von Teilen der 8. und 2. ID am frühen Morgen südlich Waplitz (gegen die deutsche 41.ID) wurde nicht einmal
örtlich ausgenutzt und änderte daher an der Gesamtlage nichts. Der Vormarsch des deutschen I. Korps auf
Neidenburg im Laufe des Nachmittags machte die Lage auch auf dem Südflügel unhaltbar.
Teile des XXIII. Korps sammelten sich unter General Kondratowitsch. Die 1. Brigade der 2.ID, seit ihrem
Erfolg am frühen Morgen wieder zuversichtlich, bei Frankenau. Das Garde - Regiment Kexholm mit einer
Batterie und die halbe 6. Kavallerie - Division bei Rontzken. Teile der stark dezimierten 2. Brigade der 2.ID bei
Neidenburg.
Am Nachmittag wurde die Rontzker Gruppe von der deutschen 2.ID (I.AK) angegriffen, hielt sich aber.
Dagegen wich die Neidenburger Gruppe schon nach kurzem Kampf vor der Kavallerie des deutschen I.AK nach
Osten aus. Seit General Kondratowitsch den Anmarsch dieses deutschen Armeekorps von Soldau her spürte,
fürchtete er um seine linke Flanke und nahm auch die beiden nördlichen Kampfgruppen von Frankenau und
Rotzken nach Osten zurück. Sie blieben über Nacht bei Orlau. Die Neidenburger Gruppe aber zog nach
Willenberg und Janowo ab. Der Kommandierende General selbst ging nach Chorshele. Die große Straße
Neidenburg - Willenberg hatte er für die deutschen freigegeben. Er ist dafür bald darauf seiner Stellung
enthoben worden.
Von diesen Vorgängen bei Neidenburg hatte man in Nadrau zunächst nichts erfahren. General Samsonov hat
noch am Abend des 28. August den allgemeinen Rückzug östlich an Neidenburg vorbei angeordnet. Das XV.
und XXIII. Korps sollten auf Janowo, das XIII. auf Chorshele zurückgehen. Die 2.ID und die vorausgesandten
Teile des XV. und XIII. Korps sollten diesen Abmarsch auf der Linie Frankenau - Grünfließ - Bartoschken
decken. Das I. Korps "zum Entsatz des XV. Korps und der 2. Infanterie - Division, die vom Gegner
eingeschlossen" seien, auf Neidenburg angreifen. Die weitere Leitung übertrug der Oberbefehlshaber General
Martos und, als Gerüchte über dessen Tod kamen, General Klujew. Dann begab er sich selbst zur 2.ID nach
Orlau und schickte die hier vereinigten drei Regimenter am frühen Morgen wieder in die Linie Lahna - Radomin
vor, dazu Teile des XV. Korps. Samsonov ermahnte diese Truppen persönlich zum Standhalten. Dann wollte er
nach Janovo, um die Gesamtleitung der Armee wieder in die Hand zu bekommen.
Inzwischen war das XV. Korps hinter den vorgeschobenen Deckungstruppen im Anmarsch auf Muschaken. Das
XIII. Korps hatte sich der Einschließung östlich Hohenstein mit der Masse seiner Truppen in der Nacht vom
28./29. August noch rechtzeitig entzogen und morgens mit dem Anfang der Kolonnen Jablonken erreicht. Dass
aber gleichzeitig das deutsche I.AK von Westen und das XVII. von Norden der Gegend von Willenberg
zustrebten und damit im Begriff waren, auch den letzten Ausweg zu verlegen, das ahnten die Russen noch
nicht.
© Eckhardt Dirks
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