Die Schlacht bei Tannenberg
26. - 30. August 1914
Das Gefecht bei Waplitz, 28. August
Die 41. Infanteriedivision hatte am 27.
August abends mit 9 ¼ Bataillonen, 2
Eskatrons und 13 Batterien
(1)
in der 5
km breiten Frontlinie Januschkau -
Albrechtsau - Südende Mühlensee halt
gemacht. Aus Rodau war schwacher
Feind vertrieben worden. Bei
Adamsheide war der Stab des
Feldartillerieregiments 79 bei einem
Erkundungsritt in der Dämmerung von
russischen Posten angeschossen
worden.
Ein
Zug
des
Infanterieregiments 59 unter Leutnant
von Seydlitz-Kurzbach durchkämmte
die Gegend und vertrieb sie. Dies wurde
beim Divisionsstab zunächst nicht
bekannt.
Bei der Nähe des Feindes wurde in der
vorderen Linie der ausgedehnten
Stellung geschanzt. Erst spät in der
Nacht kam die Truppe knapp verpflegt
und todmüde zur Ruhe. Als um 23:30
Uhr der Korpsbefehl für den nächsten
Tag (28. August) eintraf, war sich der
Divisionskommandeur, Generalmajor
Sontag, der Schwierigkeiten und
Gefahren des ihm befohlenen Auftrags
voll bewusst. Da er seine Bedenken
schon nachmittags zur Sprache
gebracht hatte, sah er von nochmaliger
Vorstellung ab. Zeit war nicht mehr zu verlieren. Er hoffte, dass das kühne Unternehmen trotz allem gelingen
werde. Der Generalstabsoffizier der Division, Major Weniger, schreibt: "Das Ignorieren des im Osten
vermuteten Feindes war zweifellos möglich, solange es dunkel war, also bis 04:00 Uhr morgens. Der Erfolg
hing zunächst lediglich davon ab, ob ein Überrennen des sich dem Vormarsch entgegenstellenden Feindes
möglich war. Dieser wurde bei Waplitz vermutet, denn es war unwahrscheinlich, dass die Russen dieses große
Geländevorteile bietende Defilee nicht sperren würden. Jede Erkundung, jede Vorbereitung hätte Zeit gekostet
und damit die einzige Erfolgchance, die Überraschung des Gegners in der Dunkelheit, zunichte gemacht."
Gen.Maj. Sontag entschloss sich, möglichst bald aufzubrechen. Um 23:45 Uhr gab er im Divisionsstabsquartier
Wronowo folgenden Befehl:
I. ...
II. Die Division marschiert in einer Kolonne über Post Wittmannsdorf auf Waplitz, von da in drei Kolonnen auf
Luttken, Paulsgut (Chaussee) und Ganshorn.
Truppeneinteilung:
Vorhut (später rechte Kolonne): Gen.Mj. Schaer (Inf.Reg.59, ½ Esk/Drag.10, I./Flda.79 mit l. Mun.Kol.,
3./Pi.26)
1. Teil des Gros (später linke Kolonne): Oberst von der Osten (I./148 m. M.G.Komp., ½ Esk./Drag.10,
II./Flda.35 mit l. Mun.Kol., II. u. III./148)
2. Teil des Gros (später mittlere Kolonne): Gen.Maj. Reiser (½ Esk./Drag.10, I./152 mit M.G.Komp., I./Flda.35
mit l. Mun.Kol., II./152, ½ San.Komp.)
Nachhut: Oberst Geisler (III./152, Stab u. II./Flda.79 mit l. Mun.Kol., schw.Battr., 12./18, 2./Pi.26, ½
Esk./Drag.10).
III. Die Vorhut sammelt sich um 02:30 Uhr östlich Wilhelmshof und marschiert sogleich über Post
Wittmannsdorf - Waplitz auf Luttken. 1. Teil des Gros sammelt sich um 02:30 Uhr bei Albrechtau und folgt der
Vorhut mit 300 Meter Abstand, indem er zunächst den Weg Albrechtau - Adamsheide bis zum Schnittpunkt
mit dem Wege Seythen - Post Wittmannsdorf einschlägt. ...."
Dem 1. Teil des Gros sollte der 2. Teil folgen und diesem mit 500 Meter Abstand die Nachhut.
"Ich reite beim 2. Teil des Gros, später bei der Nachhut."
IV. .....
Tannenberg 1914, Gefecht bei Waplitz, Druckversion
http://www.tannenberg1914.de/druck/3_waplitz.htm
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V. ..... (es folgen Anordnungen über Aufklärung und Verhalten nach Durchreiten von Waplitz) "... So lange es
dunkel ist, wird mit ungeladenem Gewehr marschiert; vollständige Ruhe und Stille,"
Gegen 02:00 Uhr in der Nacht verließen die ersten Einheiten, noch übermüdet, ihr Nachtquartier. Dicker Nebel.
Die Artillerie, aber auch Infanterie, kamen oft verspätet zu den zugewiesenen Sammelplätzen. Die für den
Vormarsch zugewiesenen Wege waren, mit Ausnahme der Straße Frankenau - Poststation Waplitz, Sandwege.
Selbst bei Tage waren manche Wege leicht zu verfehlen.
Das Gelände bestand aus lauter kleinen Hügeln und Vertiefungen und war daher sehr unübersichtlich. Dies
erschwerte die Orientierung noch zusätzlich. Die Vorhut schlug den Weg über Adamsheide ein, den Gen.Mj.
Sontag gerade hatte vermeiden wollen, weil er dort noch russische Postierungen vermutete. Das Gros gelangte,
statt bei der Poststation, schon 1200 m südlich davon auf die große Straße. So waren Vorhut und Gros ohne
Verbindung und marschierten auf verschiedenen Wegen, fast zwei Kilometer voneinander getrennt durch die
nebelige Nacht. Der Divisionskommandeur, Gen.Mj. Sontag blieb bei der Nachhut, um nötigenfalls rechtzeitig
gegen Frankenau abdrehen zu können. Sie war noch in der Versammlung bei Wilhelmshof begriffen, da
schallte schon Gefechtslärm aus Richtung Waplitz herüber.
Das Dorf Waplitz liegt in einer in West-Ost-Richtung verlaufenden Senke. Von den Höhen 1 km südlich des
Ortes fällt das Gelände cirka 40 m tief gegen die Senke ab. Nördlich davon steigt das Gelände etwas flacher
und nur etwa 20 m wieder an. An der Westseite des Ortes treffen sich die Straße von Frankenau und
Adamsheide. Von da zieht sich das Dorf Waplitz beiderseits des Flüsschens Maranse als schmaler Streifen etwa
1 km nach Osten. Die Maranse ist nur westlich des Dorfes ein Hindernis, kann aber auch hier durchwatet
werden.
Die ganze Kavallerie, 1. und ½ 2. Eskadron des Dragonerregiments 10 unter Obstl. von Lewinski, die nach dem
Befehl auf die vier Teile der Division verteilt sein sollte, ritt in Dunkelheit und Nebel gegen Waplitz vor, ohne
dass der Divisionsstab es wusste. Die ½ 2. Esk. unter Leutnant Merckel ritt an der Spitze. Als die Dragoner in
Waplitz zur Orientierung anhielten, wurden sie aus Fenstern der Häuser von russischem Infanteriefeuer
überschüttet. Sie ritten fluchtartig aus dem Dorf, zum Glück gab es keine großen Verluste. Stabs-Veterinär
Rode fiel.
Bei der Vorhut unter Gen.Mj. Schaer hatte 10./59 (10. Kompanie, IR 59) unter Hauptmann Tube die Spitze.
Sie erhielt um 03:15 Uhr Feuer von einer russischen Feldwache, die sich dann zurückzog. Um 03:45 Uhr
schlägt der Kompanie vor Waplitz starkes Gewehrfeuer entgegen. Oberst Sonntag, der Kommandeur des
Infanterieregiments 59 (Freiherr Hiller von Gaertingen, 4. Posisches) setzt sein III. Bataillon unter Hauptmann
Giese und links daneben das II. unter Hauptmann Balthasar zum Angriff an; das I. bleibt hinter der Mitte. Der
Gegner scheint auf den Höhen nördlich der Maranse-Niederung zu liegen. Die 59er erreichen den Westeingang
des Ortes und links anschließend die Maranse. Im heftigen feindlichen Feuer stockt der Angriff. Das I. Bataillon
unter Major Zickhardt wird eingesetzt und reißt die anderen mit nach vorne. Teile des Regiments brechen von
Westen her in Waplitz ein. Links von ihnen stoßen andere über die Maranse-Brücke nach Norden und
verschwinden im Nebel. Aber die Russen geben nicht nach. Nur mit Mühe und unter Verlusten hält sich das
Regiment. Je mehr der Nebel schwindet, um so unerträglicher wird die Lage, um so größer werden die
Verluste. Teile weichen zurück. Es ist 05:00 Uhr vorbei, aber noch keine Hilfe zu spüren. Gen.Mj. Schaer reitet
auf der großen Straße in Richtung Poststation nach Süden, um selbst zu nachzusehen, wo das Gros bleibt.
Die Artillerie der Vorhut, I./Flda.79 unter Major von Fuchs war bei der Domäne Adamsheide angehalten
worden, da sich im Nebel keine Verwendungsmöglichkeit bot. Auf dem Gutshof hatten die 59er ihren
Verbandsplatz eingerichtet. Dicht dabei hielt ihr Tross. Dahinter, auf dem Weg der hinter der Domäne
vorbeiführt, standen die Batterien. So vergeht längere Zeit. Zur Infanterie bei Waplitz besteht keine
Verbindung, aber man hört den Gefechtslärm herüberschallen. Verwundete und Versprengte bringen schlechte
Nachrichten von vorn. Um der Infanterie wenigstens zu zeigen, dass die Artillerie zur Stelle ist und helfen will,
lässt Major von Fuchs vordersten Zug der 2. Batterie unter Leutnant Domansky am Nordrand von Adamsheide
auffahren und über Waplitz hinweg das Feuer eröffnen. Inzwischen war es 06:00 Uhr geworden. Die russische
Artillerie schweigt noch immer. Da, ganz plötzlich, hebt sich der Nebel. Nun nahm russische Artillerie von
Norden her auf nahe Entfernung Adamsheide unter schnell heftiger werdendes Schrappnellfeuer. Unter den
Bagagen und den Verwundeten brach Panik aus. Fahrzeuge vom Tross der Infanterie rasen zurück, vorbei an
den Batterien. Versprengte und Verwundete flüchten. Die hinterste (1.) Batterie unter Hauptmann Braun, die
noch auf der Höhe hält, geht selbsttätig in Stellung. Die beiden anderen müssen auf schmalem Weg, von
Gräben eingeengt, unter großen Schwierigkeiten im russischen Feuer kehrt machen. Ein Volltreffer schlägt in
eine Protze der 3. Batterie. Stangen und Pferde nebst Fahrern fliegen durch die Luft. "Kein Laut, keine Unruhe
in der Batterie. Nur ein kurzes Kommando. Als ich mich umsah wurden bereits Ersatzpferde herangeführt." So
berichtet der Regimentskommandeur Obstl. Marcus. Unter Zurücklassung einiger Munitionswagen gelang es,
die 2. und 3. Batterie etwa 1 km rückwärts in Stellung zu bringen. Inzwischen waren die 59er bei Waplitz dem
russischen Druck erlegen. Artilleriefeuer, auch von Süden und Südwesten (wahrscheinlich eigene Artillerie),
hatte ihren Widerstand gebrochen. Die Russen drängten auf Adamsheide nach. Gerade noch rechtzeitig bringt
Leutnant Domansky seine beiden Kanonen in Sicherheit. Hauptmann Braun bringt in heftigem feindlichen
Infanteriefeuer seine 1. Batterie (6 Kanonen) zurück. Die Reste der Maschinengewehr-Kompanie bilden eine
Nachhutstellung etwa 500 m südwestlich der Domäne Adamsheide und halten sie. Nördlich der Domäne wird
eine russische Artilleriestellung erkannt. Die 3. Batterie unter Hauptmann Rasmus schießt sich von
Wilhelmsdorf gegen sie ein. Das Feuer der russischen Artillerie lässt nach. Da platzen über ihren Köpfen erneut
Schrapnells.
Das Gros hatte sich nicht so wie befohlen zusammengefunden. Der Kommandeur der 74. Infanteriebrigade,
Gen.Mj. Reiser, hatte die nacheinander eintreffenden Teile bei Albrechtau gesammelt. Um 03:00 Uhr war er
zunächst nur mit 4/148 und I. und MGK/152 angetreten. Nach und nach folgten weitere Einheiten. Um 04:00
Uhr war die Poststation erreicht. Im Norden hört man Gefechtslärm bei Waplitz. Gen.Mj. Reiser setzt die beiden
vordersten Bataillone, die zur Hand hatte, östlich der Straße zum Angriff an. Major Marckstadt führt I./152 mit
MGK längs der Straße vor. Links neben ihm wird 4./148 eingesetzt, rechts schließt sich der Rest des I./148
unter Major Freyberg an. Ohne Feuer und ohne Verluste kommt man im Nebel bis auf etwa 400 m an den
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Südrand von Waplitz heran. Weiter links vorne liegen die 59er. Teile von ihnen reichen aber auch bis über die
Straße herüber nach Osten. Bald verlängert rechts III./148 unter Major Brehme, II./148 ist in zweiter Linie.
Damit hat Oberst von der Osten sein 5. Westpreußisches Infanterieregiment Nr. 148 beisammen. Um 05:30
Uhr kommt Gen.Mj. Schaer von Waplitz her geritten und teilt Gen.Mj. Reiser selbst mit, dass seine Infanterie
anfange zu weichen. Dieser lässt, um zu helfen, die II./Flda.35, die inzwischen bei der Poststation aufgefahren
ist, nach Karte und Kompass in den Nebel hinein das Feuer auf Waplitz eröffnen. Vor Waplitz spitzt sich die
Lage immer mehr zu. Beim I./152 hat Major Marckstadt das Signal "Seitengewehr aufpflanzen" und "Rasch
vorwärts" blasen lassen, um das Abbröckeln der 59er zum Stillstand zu bringen. Seine MGK
(Maschinengewehr-Kompanie) feuerte von einer Anhöhe auf Waplitz. Gen.Mj. Reiser (74.Inf.Brig.) lässt seine
Infanterie zum Sturm antreten. Auch seine zwei letzten Bataillone, das II./148 und II./152 sollen ebenfalls
antreten. II./Flda.35 hat ihr Feuer nach vorne zu verlegen, auch I./Flda.35 eröffnet das Feuer nach Norden. An
Gen.Mj. Schaer (72.Inf.Brig.) wird mitgeteilt, die 74. Inf.Brig. sei im Begriff, mit vier Bataillonen Waplitz zu
stürmen. An die Division geht die selbe Meldung. Im Nebel ist jedoch nicht zu erkennen, ob es wirklich
vorwärtsgeht. Das I./152 hat schon den Friedhof bei der Kirche erreicht, da lässt es melden, es werde so stark
von eigener Artillerie beschossen, dass es bis auf 800 m vom Dorfrand wieder zurückgegangen sei. Dort liege
es jetzt zusammen mit den 148ern. Gen.Mj. Reiser lässt seine 6 Batterien sofort stoppen. Das Feuer vom
Süden geht aber trotzdem weiter. Es ist jetzt 06:30 Uhr, der Nebel beginnt sich zu verziehen. Bald gibt es
keinen Zweifel mehr, es schießt von Süden her auch russische Artillerie. Der Feind bei Bujaken, an dem man
sich bei Nacht und Nebel hatte vorbeidrücken wollen, ist erwacht. Jetzt gehen von dort auch russische
Schützen vor. Die Nahaufklärung hat im Nebel versagt. Ein Glück nur, dass die Brigade-Reserve II./152 die
Bewegung nach Norden eben erst angetreten hat. Sie muss der eigenen Artillerie den Rücken decken und den
Feind im Süden abwehren. Hier hatte man die Lage schon erkannt. Als Leutnant Beltz dem
Bataillonskommandeur zuruft: "Herr Major, hinter uns russische Schützen." will Major von Koeckritz das nicht
glauben. Doch auch Oberleutnant Schmitt, Chef der 5. Kompanie, hat die Gefahr erkannt, kehrt gemacht und
entwickelt sich nach Süden. Vom Waldrand etwa 1700 m südlich der Poststation schießt russische Infanterie.
Major von Koeckritz setzt seine 3 Kompanien gegen sie an. Dicht dabei steht die 1./Flda.35. Die Geschütze
werden herumgeworfen, und schon blitzen drüben am Waldrand die Schrapnellwölkchen auf. Auch die weiter
hinten stehende 3. Batterie hatte das Manöver der 1. gesehen und macht ebenfalls kehrt. Auf 1000 m schießen
die Batterien, nur 500 m liegt die Infanterie vom Feind. Dieser wagt sich nach zweimaligem Versuch nicht
weiter vor. Obstl. Wilke, Kommandeur Feldartillerieregiment 35, ist bei der Post selbst zur Stelle. Er lässt außer
der I. Abteilung unter Major Weström auch Teile der II. Abteilung den Kampf gegen die feindlichen Batterien
im Süden und Südosten aufnehmen. Die Lage ist einstweilen gerettet.
Die Nachhut, die doch für alle Fälle gegen den Feind bei Bujaken bereit sein sollte, war noch weit ab im
Anmarsch. Die Versammlung war um 03:00 Uhr bei Wilhelmsdorf angesetzt. Das III./152 war gestern bei
Skottau im Kampfeinsatz und hatte dann in Thurau übernachtet. Inzwischen waren II./Flda.79 (leichte
Haubitzen, Kaliber 10,5 cm) und 1./Res.Fßa17 (schwere Haubitzen, Kaliber 15 cm) unter Sicherung durch
12./18, 7./152 und 2./Pi.26 im Nebel auf dem Sammelplatz angelangt. Um 06:10 Uhr kam der erste Hilferuf
des Infanterieregiments 59 von Waplitz, es könne sich ohne Unterstützung nicht mehr halten. Inzwischen
wusste man von dem Angriff der 74. Inf.Brig. auf Waplitz. Die III./152 erhielt Waplitz als Vormarschziel. Neue
Meldungen kommen von dort, sie zeigen den ganzen Ernst der Lage und veranlassen den
Divisionskommandeur zu dem Entschluss, den weiteren Angriff aufzugeben. Die Truppen sollen sich halten, wo
sie sind. Inzwischen war der Nebel völlig verschwunden. Schon zweimal hat das Artilleriefeuer aus nördlicher
Richtung den Divisionsstab zum Stellungswechsel gezwungen, jetzt steht er bei Wilhelmshof. So nach und
nach kommen die Schüsse auch aus Südosten. Die Infanterie meldet, sie werde von eigener Artillerie
beschossen. Auf Befehl des Divisionskommandeurs wird das Artilleriefeuer gestoppt.
Der Regiments-Adjutant / Flda.79 berichtet: "Ich bekam diesen Befehl und fegte mit meinem Pferd zu den
Batterien. Als ich, immer den Abschüssen nachreitend, in ihre Nähe kam, erheben sich plötzlich vor mir
erdfarbene Gestalten, zwei - vier - zehn, eine ganze Schützenreihe feuert auf mich. Zurück, so schnell das
Pferd laufen kann. Um mich pfiffen die Kugeln. Mach ein Wassergraben ist zu überspringen. Nur gut, mein
Pferd war darauf geschult." Beim Divisionsstab wollte man es nicht glauben. Vor zehn Minuten erst ist wegen
der Hiobsbotschaften aus Waplitz der Befehl ergangen, zu halten, wo immer man ist. Aber auch das scheint
jetzt nicht mehr möglich, denn Reserven gegen den Feind im Süden sind nicht zur Hand. Major Weniger,
Generalstabsoffizier/41.Inf.Div., schlägt eine Aufnahmestellung in der Linie Wronowo - Seythen vor, und so
wird um 07:30 Uhr der Rückzug befohlen.
Inzwischen sind die vier Haubitzen-Batterien der Nachhut (II./Flda.79 und 1./Res.Fsa.17) östlich Wilhelmshof
selbständig in Stellung gegangen und haben gegen russische Artillerie in Nord, Süd und Ost das Feuer
eröffnet. Nach und nach kommen die Batterien der I./Flda.79 aus Adamsheide zurück und gehen nahe der
II.Abt. in Stellung. Oberstleutnant Marcus lenkt das Feuer seines Regiment in geregelte Bahnen.
Zurück zum Infanterieregiment 59, das im Nebel fast drei Stunden alleine die Last des Kampfes gegen weit
überlegenen Feind trug.
Lange bevor sie der Rückzugsbefehl erreichte, weicht die Infanterie von Waplitz schon zurück. Bei den 59ern
fing es an und pflanzte sich nach und nach auf die 74. Infanteriebrigade fort. Die Front bröckelt ab.
Verwundete kommen vorbei, einzeln, dann andere, die geführt, gestützt, getragen werden. Nun mischen sich
schon Unverwundete ein, keine Munition. Vorwärts geht´s nicht mehr. Immer dichter fegen die russischen
Schrapnells von hinten und von vorn, seit Mittag auch von der Seite her. Ein verwundeter Unteroffizier kommt
vorbei: "Da vorn nur Tote. Ein Leutnant ist noch da von der MG-Kompanie und hält mit einem halben Dutzend
Leute die Straße, sonst nichts!"
Schwer und verlustreich gestaltete sich der Rückzug aus der feindlichen Umklammerung. Artillerie,
Maschinengewehre und Schützen, einander gegenseitig unterstützend, halten den Gegner nieder. Es scheint,
als wäre dieser froh, dass er den Ansturm abgeschlagen hat, er drängt nur zögernd nach. Bis zuletzt hielten
einzelne Batterien des Feldartillerie-Regiment 35 bei der Poststation und deckten das Zurückgehen der
Infanterie. Die 4. Batterie unter Hauptmann Pitsch hatte sich schließlich verschossen. Die 5. war südlich der
Post bis dicht an die eigenen Schützen herangegangen, auf 600 m lag der Feind gegenüber. Ein Geschütz
Tannenberg 1914, Gefecht bei Waplitz, Druckversion
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musste die 5. Batterie unter Oberleutnant Gockisch liegen lassen, die 6. alle, denn ihre Protzen waren fort. Der
I. Abteilung unter Major Weström hatte sich die feindliche Infanterie bereits auf 200 m genähert. "Die letzte
kräftige Feuerwelle vor dem Abrücken und dann das Feuer der 2. Batterie ließ das völlig geordnete
Zurückkommen aller drei Batterien gelingen." Unter dem Schutz der Artillerie, begünstigt durch das
deckungsreiche Gelände und der Unentschlossenheit des Gegners, war es der Infanterie gelungen, sich der
drohenden Gefahr der Einkreisung und völligen Vernichtung zu entziehen. Als letzte Batterie hielt, bis alles in
Sicherheit war, die 6./Flda.79 unter Hauptmann von Borries in ihrer Feuerstellung südlich Wilhelmshof aus. Im
ganzen blieben 7 Geschütze liegen. Da der Feind nicht folgte, konnten sie tags darauf an derselben Stelle in
noch gebrauchsfähigem Zustand zurückgeholt werden.
Auf den Höhen westlich der Straße Wronowo - Seythen konnte Gen.Mj. Neugebauer die Batterien seiner 41.
Feldartilleriebrigade aufbauen. Hier konnte die zurückkommende Infanterie gesammelt und neu gegliedert
werden um die Höhenstellung zu besetzen. Die 41. Infanteriedivision war schwer erschüttert. Neben der Masse
der Artillerie waren lediglich das III./152 und III./18 verwendungsfähig. Der Kommandeur des III./18 hatte
die Aufräumarbeiten auf dem Kampfplatz von Vortag selbsttätig eingestellt und auf den Kanonendonner zu
marschieren lassen.
Die Gesamtverluste auf deutscher Seite wird mit 1300 Mann angeben. Nach russischen Angaben wurden 570
Gefangene gemacht. Davon wurden am Abend des selben Tages nördlich Waplitz von der 3. Reservedivision
150 Verwundete wieder befreit. Am Tag darauf bei Jedwobno 400 Mann durch die 36. Infanteriedivision.
(1)
2 Bataillone und 2 Eskatrons an die Abteilung Schmettau abgestellt, III./18 (ohne 12. Komp.) beim
Aufräumen des Gefechtfeldes vom 26. August.
© Eckhardt Dirks
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