Tannenberg 1914, Die Lage am 23 August 1914, Druckversion

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Die Schlacht bei Tannenberg

26. - 30. August 1914

Die Lage am 23. August 1914

Die 2. russische Armee (Narew -

Armee)

Nach bisherigen Erkenntnissen gehörten

zu dieser Armee, unter Führung des

Generals der Kavallerie Alexander

Samsonow, das I., VI., XIII., XV. und

XXIII. Korps und die 4., 5., 6. und 15.

Kavalleriedivision .

Die Armee hatte am Abend des 22.

August die Straße Soldau - Neidenburg

- Ortelsburg erreicht und war in

nordwestlicher Richtung

wieder

angetreten. Auf dem Westflügel mußte

auf deutscher Seite bis nach Rypin mit

starker Kavallerie gerechnet werden. Bei

Soldau wurden Teile des I. Korps

festgestellt. Die Mitte der Narew-Armee,

XIII., XV. und ½ XXIII. Korps, war von

Neidenburg her schon sehr nahe an das

deutsche XX. Korps herangekommen,

dass schon heute, oder spätestens

morgen, am 24. August, mit einem

Aufeinandertreffen gerechnet werden

musste. Der Ostflügel, der vom VI.

Korps gebildet wurde, schien noch

etwas zurückzuhängen. Hier hatte der

Gegner mit Kavallerie Johannisburg

erreicht und von Osten gegen die

Seesperren

vorgefühlt.

Durch

aufgefangene Funksprüche wurde der

Anmarsch des russischen II.Korps

festgestellt. Das Korps bewegte sich von

Lyck in nordwestlicher Richtung. Da es

sich östlich der Masurischen Seenkette befand, ging von ihm zunächst keine Gefahr aus.

Die 1. russische Armee (Njemen - Armee)

unter General der Kavallerie Pavel von Rennenkampf war durch Luftaufklärung am 22. morgens mit ihrem

Gros noch auf dem Schlachtfeld vom 20. festgestellt worden. Nur Vortruppen, zumeist Kavallerie, waren bis zur

Angerapp und Inster gefolgt und hatten diese bei Darkehmen und Nemmersdorf überschritten.

Durch die vorausgegangenen Kämpfe waren Einblicke in die Zusammensetzung und Stärke der Njemen -

Armee teilweise möglich geworden. Sie bestand aus mindestens drei Korps, einer Schützenbrigade und 5½

Kavallerie - Divisionen. Dahinter waren Verstärkungen angekommen. Man rechnete mit dem Gardekorps, von

dessen Abfahrt nach Wilna man wußte, und das man jetzt bei Pillkallen, hinter dem Nordflügel der Armee

annahm. Nördlich der Inster war bisher kein Feind festgestellt worden.

Die Absicht der russischen Führung zeichnete sich ab und wurde durch einen erbeuteten Befehl bestätigt.

Demnach sollte die Njemen - Armee die hinter der Angerapp vermuteten Deutschen angreifen, während die

Narew - Armee vom Süden her ihnen in den Rücken geht. Das abwartende Verhalten Rennenkampfs entsprach

jedoch nicht diesem Befehl. Es bestätigte die Friedensansicht des deutschen Generalstabs, wonach das

russische Heer in seinen Bewegungen langsam und schwerfällig sei und dass die Führung es nicht versteht,

eine sich bietende günstige operative Lage schnell auszunutzen.

Das XX. Armeekorps

unter General von Scholtz war durch die 20. und 70. Landwehrbrigade und Festungstruppen aus Thorn und

Graudenz, (General von Unger) verstärkt worden. Die Absicht, gegen den linken Flügel der Narew-Armee

vorzustoßen, musste wieder aufgegeben werden. Die Breite des russischen Vormarsches machte es unmöglich,

die aktiven Truppen, die eben noch bei Ortelsburg standen, rechtzeitig vor den russischen Westflügel zu

bringen.

Das Korps stand nun in einer vorbereiteten Stellung, die sich von 9 km südwestlich Gilgenburg bis 10 km

nördlich Neidenburg erstreckte.

Die 3. Reservedivision unter General von Morgen war inzwischen dem XX.AK unterstellt worden. Sie wurde

per Bahn nach Allenstein verlegt und hatte die Ausladungen fast beendet.

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Das I. Armeekorps

unter General von François Der Abtransport des I.AK hatte nach den ersten Anordnungen des

Oberkommandos am 24. August von Wehlau und Königsberg aus beginnen sollen. Um den Transport zu

beschleunigen und den Truppen lange Fußmärsche zu ersparen, hatte die Führung des Korps die

Abbeförderung unter dem Schutz der Hauptreserve Königsberg bereits am 22. vormittags in Insterburg und

westlich davon beginnen lassen. Durch verschiedene Schwierigkeiten im Bahnverkehr konnte jedoch der

Transport des Korps nach Deutsch-Eylau und Bischofswerder nicht vor dem 25. abgeschlossen werden.

Südlich davon, bei Strasburg, sammelte sich von der Festung Thorn kommend eine gemischte Brigade unter

dem Kommandeur der 5. Landwehrbrigade, Generalleutnant Mülmann.

Die Sperranlagen

Die Sperrbefestigungen in der Johannisburger Heide mussten aufgegeben werden. Die dort und bis zum

Spirding - See stehenden Truppen unter General Bacmeister bestanden aus Landsturm - Einheiten. Ältere

Jahrgänge über 40 Jahre.

Sie waren angewiesen, nach Norden, auf Lötzen auszuweichen und die 6.Landwehr - Brigade abzulösen. Diese

war bereits damit beschäftigt, die Landengen zwischen den Seen auch in Richtung Westen zu sichern. Die

Stadt Lötzen sollte besetzt bleiben, um die Landbrücken zu schließen und feindliche Truppen zu binden.

Die Ostgruppe der 8. Armee

Das I. Reservekorps und das XVII. Armeekorps waren vom Gegner auf ihrem Rückmarsch nicht gestört

worden. Sie lagen westlich der Linie Nordenburg - Insterburg.

Die 1. Kavallerie - Division (KD) befand sich nördlich dieser beiden Korps. Sie war einen Tag zuvor durch das

Jäger-Bataillon 2 verstärkt worden. In Folge der Anstrengungen im Grenzschutz und der letzten Gefechte war

die 1.KD völlig erschöpft. "In 3 Wochen keinen Ruhetag, zum Schluss Attacke und dreitägigen Ritt, zu wenig

Wasser, ohne Verplegung, Beschlag(Hufeisen) verbraucht, Pferde übermüdet, nur halbe Gefechtskraft,

Transport notwendig um Ruhetag zu gewinnen." lautete die Meldung.

Die Hauptreserve Königsberg deckte die Verladungen des I.AK bei Norkitten und Wehlau, während

Die 2. Landwehrbrigade und andere Truppen der Festung Königsberg die Deime - Stellung besetzt hielten.

Im äußersten Nordzipfel Ostpreußens, bei Heidekrug und Memel, hielt Landsturm einsame Wacht.

Der Angriffsplan

Für den neuen Oberbefehlshaber der 8. Armee und seinen Chef des Stabes stand von Anfang an der Entschluss

fest, die durch geographische Gegebenheiten bedingte Trennung der beiden russischen Armeen zu einem

entscheidenden Schlag gegen die Narew-Armee (General Samsonow) auszunutzen. Dieser Schlag konnte nur

gelingen, solange die Armee Rennenkampf im Norden noch weit genug von der Armee Samsonov im Süden

getrennt war. Die Zeit drängte, zumal auch für den Kampf selbst mehrere Tage in Ansatz gebracht werden

mussten. Daher war es nötig, die Narew-Armee schon naher der Grenze aufzuhalten. Mit jedem Schritt, mit

dem sie nach Norden Boden gewann, näherte sie sich der Njemen-Armee und beschränkte die

Bewegungsfreiheit der deutschen Armee zwischen den beiden russischen. So mussten die Truppen des XX.AK

unter General von Scholtz trotz der feindlichen Überlegenheit in ihrer Stellung ausharren, bis das I.AK unter

General von François und die Verstärkungen aus den Festungen heran waren. Bei diesen aber musste alles

getan werden um das Eintreffen zur Schlacht aufs äußerste zu beschleunigen. Daher erhielt das I.AK Befehl,

die ausgeladenen Truppen gleich bis in die Linie Neumark - südlich Löbau vorzuschieben und dorthin

aufzuschließen. Der Vormarsch sollte sofort nach beendeter Ausladung der fechtenden Truppen erfolgen.

Ging General Samsonow in den nächten Tagen zum Angriff gegen General von Scholtz vor, dann war das I.AK

zum Stoss in seine Westflanke und vielleicht auch in seinen Rücken bestimmt. In diesem Sinne wurde General

von François unterrichtet, der sich auf der Durchfahrt in Marienburg beim Oberbefehlshaber meldete. Dabei

wurde festgestellt, dass das I.AK erst am 26. August mittags in den Kampf eingreifen könne. Das XX. Korps

wurde angewiesen, dem entsprechend seine Kräfte zu schonen, insbesondere die 3. Reserve-Division (Gen.Lt.

von Morgen) bei Allenstein zunächst zurückzuhalten.

Da die russische Narew-Armee mit 5 aktiven Korps und 4 Kavallerie - Divisionen allein schon den gesamten

deutschen Kräften in Ostpreußen überlegen war, musste auf deutscher Seite der letzte Mann und das letzte

Geschütz zur Schlacht herangeholt werden. Was von den Besatzungen der Weichselfestungen noch irgendwie

im Felde verwendbar war, vor allem die bespannte Artillerie dieser Festungen, sollte mitwirken. Dazu musste

die Südgrenze westlich Soldau, trotz des dort drohenden russischen Kavallerie - Einfalls, entblößt werden. Die

heranrückenden Festungstruppen (5. Landwehrbrigade unter Gen.Lt. von Mülmann) hatten den Angriff des

I.AK in der Südflanke zu begleiten.

Schwierig war die Frage, wie die Ostgruppe (XVII.AK und I.Res.K) weiter zu werwenden sei. Ein Abmarsch

unmittelbar westlich der Seen, wie er seinerzeit dem Generalobersten von Moltke für die ganze 8. Armee

vorgeschwebt hatte, kam bei der jetzigen Lage überhaupt nicht mehr in Betracht. Man wollte aber doch

möglichst starke Teile zum Kampf gegen die Narew-Armee heranziehen. Wie stark sie sein würden, hing vom

Vormarsch der Njemen-Armee ab. Diese galt es durch schwache Kräfte abzuwehren.

Südlich dieser Ostgruppe sollte die Festung Lötzen, auch Boyen genannt, die Sperrung des Seengebiets

übernehmen. Sie selbst sollte durch Ausbau von Stellungen auch gegen einen Angriff von Westen gesichert

werden. Der Kommandant der Festung, Oberst Busse, musste mit seinen eigenen Kräften und dem

Landsturm aus der Johannisburger Heide (Bacmeister) auskommen. Ihm standen damit im ganzen nur 4½

Bataillone (davon mehr als die Hälfte Landsturm) 1 Schwadron und eine Anzahl älterer Geschütze zur

Verfügung.

Im Norden engten die Pregel- und Deime-Linie, als vorgeschobene Stellung der Festung Königsberg, den

Vormarsch der russischen Njemen-Armee ein. Diese Stellungen waren noch im Ausbau. Die zu ihrer Besetzung

bestimmte Hauptreserve der Festung hatte zunächst noch die Verladung des I.AK zu decken. Im übrigen war

sie für ihre neue Aufgabe verfügbar und wurde dazu dem Gouverneur der Festung, Gen.Lt. von Pappritz,

wieder unterstellt.

Zwischen dem Seengebiet und dem Pregel blieb dann ein immer noch 60 km breiter Raum frei. Hier mussten

wahrscheinlich Teile der Ostgruppe, vor allem die 1. Kavallerie - Division, zur Deckung gegen die russische

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Njemen- Armee stehenbleiben. Das XVII. AK sollte daher am 24. August zunächst hinter die Alle zurückgehen.

Von dort konnte man es unter dem Schutz einer Nachhut je nach der Lage weiter leiten, wenn möglich gegen

den rechten Flügel der Narew-Armee. Das I.RK (Reserve-Korps), unter Gen.Lt. von Below, wurde schon jetzt in

dieser Richtung angesetzt. Die 6. Landwehr - Brigade (Gen.Mj. Krahmer) sollte aus Lötzen zu ihm heranrücken.

Als aber die Abendmeldungen von der Front ergaben, dass die Njemen-Armee (Rennenkampf) wieder nur

einen ganz kurzen Marsch nach Westen gemacht und die Linie Darkehmen - Ischdaggen (auf halbem Weg

Gumbinnen - Insterburg) nur mit kleineren Abteilungen Kavallerie überschritten hatte, da entschloss sich das

Armee - Oberkommando, beiden Korps der Ostgruppe jetzt schon eine mehr südliche Richtung, auf Allenstein,

zu geben. Der Abstand vom Feind, der nur einen starken Tagesmarsch betrug, musste durch größere

Marschleistung erweitert, an der Alle voraussichtlich ein Teil des XVII. AK zurückgelassen werden, um mit der

1.Kav.Div. zusammen das Abbiegen nach Südwesten zu verschleiern und die nachdrängenden Russen

aufzuhalten. Dem entsprechend erhielt das I.RK Befehl, schon am 24. August über Schippenbeil hinaus

möglichst weit Gelände zu gewinnen, um am 25. über Seeburg hinauszukommen. Dem XVII.AK wurde für den

25. der Weitermarsch nach Friedland über Bartenstein in Aussicht gestellt. Im weiteren Verlauf der

Bewegungen mussten die beiden Korps damit die rechte Flanke der Narew-Armee treffen.

Diese Anordnungen des Generals von Hindenburg am Nachmittag und Abend am Tag seines Eintreffens in

Marienburg setzten fast die gesamten östlich der Weichsel verfügbaren Truppen zum Angriff auf die

Narew-Armee in Bewegung. Zum 26. August sollten sie, wie am Abend des 23. der Obersten Heeresleitung

gemeldet, "beim XX. Armeekorps zum umfassenden Angriff " vereinigt werden.

11½ Dvisionen Infanterie sollten zur Entscheidungsschlacht heranrücken, nur 1½ Dvisionen (Hauptreserve

Königsberg mit 2. Landwehr - Brigade) und die 1. Kavallerie - Division die Njemen-Armee abwehren.

Und doch ließ das neue Oberkommando auch bei größter Kühnheit des Angriffsplanes die nötige Vorsicht nicht

außer Acht. So wurde gleichzeitig die Frage erwogen, was geschehen solle, wenn der Schlag gegen die

Narew-Armee mißlang. Auch dann wollte man versuchen, sich östlich der Weichsel zu behaupten. Die

Flussübergänge sollten für das Eingreifen der später von Westen erwarteten Kräfte offen gehalten werden.

Dazu bekam der General der Pioniere, Gen.Mj. Kersten, den Auftrag, schon jetzt eine Stellung in der

allgemeinen Linie Graudenz - Deutsch-Eylau - Elbing zu erkunden.

Der Tagesbefehl, durch den General von Hindenburg den Truppen die Übernahme des Oberbefehls bekannt

gab, enthielt, getreu den Grundanschauungen des alten deutschen Heeres, nur die schlichten Worte: "Wir

wollen zueinander Vertrauen fassen und gemeinsam unsere Schuldigkeit tun."

© Eckhardt Dirks
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