Tannenberg 1914, 30 August, Druckversion

background image

Die Schlacht bei Tannenberg

26. - 30. August 1914

Verfolgungskämpfe am 30. August

Der Kessel und die Entsatzversuche

Was macht Rennenkampf?

Gegen die Njemen-Armee unter

General von Rennenkampf

standen jetzt schon die 37.

Infanterie - Division (Gen.Lt. von

Stabs), das I. Reserve - Korps

(Gen.Lt. Otto von Below), die

Landwehr - Division Goltz (Gen.Lt.

Freiherr von der Goltz) und die 6.

Landwehr - Brigade (Gen.Mj.

Krahmer) zur Verfügung. Im Laufe

des Tages mussten weitere Kräfte

frei werden. Zunächst musste die

Einschließung der Narew-Armee

im Süden gedeckt werden. Auch

die für den Nachschub und

Abtransport

der

Beute

unentbehrliche

Bahnlinie

Deutsch-Eylau - Allenstein war zu

sichern. Gleichzeitig aber musste

die sich abzeichnende kommende

Schlacht gegen die Njemen-Armee

vorbereitet werden.

Je weiter sich Rennenkampf gegen

Westen vorwagte, um so

entscheidender konnte man ihn

treffen. Das Oberkommando der 8.

Armee

erwartete

seinen

Vormarsch in der allgemeinen Richtung auf Allenstein und wollte den ersten Anprall in einer Stellung

beiderseits dieser Stadt abfangen. Dann konnten im weiteren Verlauf des Kampfes die übrigen Teile der Armee

und die anrollenden Verstärkungen die Entscheidung gegen die russischen Flügel herbeiführen. Das Ziel

musste sein, auch diese russische Armee nicht nur zu schlagen, sondern zu vernichten. Dazu musste man sie

auf Königsberg und gegen das Kurische Haff werfen.

Tannenberg 1914, 30. August, Druckversion

http://www.tannenberg1914.de/druck/3_3008.htm

1 z 8

2011-01-29 23:26

background image

Der Armeebefehl für den 30. August

ordnete zunächst an, dass das I. Reserve-Korps zusammen mit der 37.ID und der 6. Lw.Br. den Ausbau einer

Stellung beiderseits Allenstein, Front nach Nordosten, beginnen solle. Die Lw.Div. Goltz hatte links daran

anschließend am 31. August die Sperrung der Seenlinie nordöstlich von Osterode gegen russische Kavallerie zu

übernehmen. Die dicht am Feind stehende 1. Kavallerie - Division sollte bei weiterem feindlichen Vormarsch

nach Süden auf Ortelsburg ausweichen. Mit diesen Maßnahmen gegen die russische Njemen - Armee gingen

Anordnungen Hand in Hand, den Kreis um die Reste der Narew - Armee enger zu ziehen. Das XVII.AK

(Mackensen) sollte weiterhin die Ostfront absperren, während das I.AK (François) ihm entgegen längs der

großen Straße Neidenburg - Willenberg und nördlich davon nach Osten vorzudrücken hatte. Vom XX.AK sollten

die 41.ID und 3.RD zunächst noch mitwirken, dann aber sollten auch diese Divisionen herausgezogen und bei

Kurken und Wuttrienen gesammelt werden. Den Festungstruppen und der 70. Lw.Br. (Unger) wurde bei

Waplitz (südlich Hohenstein) ein Ruhetag gewährt. Die 5. LwBr. (Mülmann) sollte zur Verfolgung des

russischen I. Korps von Soldau auf Mlawa vorgehen. Es wurden zwar von der Luftaufklärung russische Truppen

wieder auf dem Vormarsch gemeldet, aber man maß dem keine große Bedeutung bei. Nötigenfalls standen die

bei Waplitz ruhenden deutschen Truppen zur Unterstützung des I. Korps bereit. Nach Ausgabe der Befehle

liefen in der Nacht zum 30. August beim Armee - Oberkommando wichtige Nachrichten über die

Njemen-Armee ein. Viele Nachrichten waren jedoch durch die Ereignisse überholt. So sollte laut

aufgefangenem Funkspruch das russische IV. Korps, in der Front der Njemen-Armee das zweite von Süden,

von Friedland nach Westen auf Domnau marschiert sein. Tatsächlich waren das II. und IV. Korps schon am Tag

zuvor bis nach Bartenstein marschiert. Nördlich davon waren das III. und XX. Korps nur zögernd bis zur Linie

Friedland - Tapiau vorgerückt. Ein am Morgen aufgefangener russische Funkspruch ließ jedoch Zweifel

aufkommen, ob Rennenkampf überhaupt noch Angriffsabsichten habe. Das II. Korps sollte demnach "...beim

Abzug Eisenbahn und Telegraphen westlich der Linie Königsberg - Rastenburg, einschließlich Korschen und

Rastenburg, gründlich zerstören". Somit schien nur noch die Kavallerie der Njemen-Armee für ein Vorgehen

nach Westen in Frage zu kommen. Sie allein aber bedeutete für die deutschen Truppen kein ernste Gefahr.

Das deutsche Armee - Oberkommando konnte seine ganze Aufmerksamkeit den Resten der Narew-Armee

zuwenden. Von dort lagen günstige Nachrichten vor. Um 09:00 Uhr morgens konnte man der Obersten

Heeresleitung melden: "Der Erfolg der 8. Armee ist ein vollständiger. Der Kommandierende General des

russischen XV. Korps ist gefangen genommen worden. Der Kreis der Verfolgung wird immer enger. Jetzt schon

viele Gefangene, es wird auf eine noch größere Zahl gehofft."

Entsatzversuche

Inzwischen hatten die Truppen ihre Bewegungen begonnen, um die eingeschlossenen Russen immer mehr

zusammen zu drängen.

Da traf etwa um 10:00 Uhr beim Oberkommando in Osterode eine Meldung ein, die ein Beobachtungsoffizier

der Feldflieger - Abteilung 14 des I.AK auf dem Neidenburger Marktplatz abgeworfen hatte: Eine lange Kolonne

aller Waffen war von Mlawa im Anmarsch auf Neidenburg, ihr Anfang um 09:00 Uhr nur noch 6 km südlich

der Stadt. Die ganze Kolonne sollte etwa 36 km lang sein. Also mindestens ein ganzes Korps. Als man beim

I.AK in Neidenburg per Telefon nachfragte, wurde dieses Gespräch durch dort einschlagende russische

Artilleriegeschosse unterbrochen. Man hatte somit keine Verbindung mehr zum I.AK.

Der am 26. und 27. August geschlagene Feind, vielleicht verstärkt durch neue Kräfte, griff wieder an. Dieser

Eindruck wurde noch bestärkt durch Nachrichten über das Vorgehen starker russischer Kavallerie gegen

Lautenburg an der Südgrenze weiter westlich. Sie sollte südlich dieses Ortes, bei Zielun, eine deutsche

Landwehr - Abteilung überfallen und 11 Geschütze erbeutet haben. Zwischen Lautenburg und Strasburg hatte

eine Kosakenschwadron den Bahnhof Radosk besetzt.

Kurz nach der Meldung des I.AK kam auch noch eine Meldung von der Feldflieger - Abteilung 16 über einen

Vormarsch der Russen auf Ortelsburg Es war etwa eine Infanterie - Division von Myschinjez und eine

Kavallerie - Division von Friedrichshof her im Anmarsch auf die Stadt beobachtet worden.

Es war kein Zweifel mehr, auf russischer Seite war ein groß angelegter Entsatzversuch in vollem Gange!! Eine

neue schwere Krise war völlig unerwartet hereingebrochen. Der errungene Sieg konnte zwar nicht mehr in

Frage gestellt werden, wohl aber schien es unsicher, ob man seine Früchte in vollem Umfang werde ernten

können. Das gleichzeitige Vorgehen der russischen Truppen auf Neidenburg und Ortelsburg bedrohte den vom

I. und XVII. AK um die Reste der Narew-Armee gezogenen Kreis ernsthaft. Der Kampf gegen den

eingeschlossenen Feind war noch nicht beendet. Flieger hatten noch um 05:30 Uhr eine russische Division im

Vormarsch aus der Gegend um Orlau nach Osten, um 05:50 Uhr Kampftätigkeit nördlich Muschaken und um

08:00 Uhr russisches Artilleriefeuer bei Gregersdorf beobachtet. Die deutschen Truppen des I.AK waren auf 35

km von Neidenburg bis Willenberg auseinandergezogen, die Truppen des XVII.AK standen, wie General von

Mackensen um 08:00 Uhr gemeldet hatte, im Raum Willenberg - Ortelsburg - Passenheim - Jedwobno, fast

ebenso weit verteilt.

Bei Neidenburg musste man mindestens auf ein russisches Korps rechnen, bei Ortelsburg war der Gegner

wahrscheinlich schwächer. Die Stoßrichtung auf Neidenburg war sehr bedrohlich. Durch sie konnte General von

François gezwungen werden mit seinem Korps (I.) nach Nordosten, auf Jedwobno, auszuweichen, um die

Truppen zu sammeln und neu zu ordnen. Andererseits konnte sich gerade daraus eine günstige Gelegenheit

ergeben, den russischen Vorstoß durch umfassenden Angriff abzufangen. Also mussten die Verstärkungen hier,

bei Neidenburg, angesetzt werden. In diesem Sinne ergriff das Armee - Oberkommando seine Maßnahmen. Die

Bereitstellung gegen die Njemen-Armee (Rennenkampf) musste zurücktreten. Alle verfügbaren Kräfte wurden

auf Neidenburg in Marsch gesetzt.

Die Abwehr der russischen Entsatzversuche.

Die 5. Landwehr - Brigade (Mülmann) bei Soldau, bekam den Befehl zum Marsch auf Neidenburg. (20 km) Die

um Waplitz (südlich Hohenstein) versammelten Festungstruppen unter General Unger (Landsturm und

Ersatzbataillone) und die Landwehr - Division Goltz bei Hohenstein wurden nach Süden in Marsch gesetzt. Das

XX.AK (Gen.Lt. Scholtz) erhielt Befehl, die nach Nordosten marschierende 41.ID (Gen.Mj. Sontag) nach Süden

abzudrehen. Die in der Gegend von Kurken stehende 3.Reserve - Division (Gen.Lt. von Morgen) sollte ihr über

Jablonken folgen. Abgesehen von den Truppen des I.AK wurden somit 4½ Divisionen gegen den neuen Feind

Tannenberg 1914, 30. August, Druckversion

http://www.tannenberg1914.de/druck/3_3008.htm

2 z 8

2011-01-29 23:26

background image

auf Neidenburg zusammengezogen.

Tannenberg 1914, 30. August, Druckversion

http://www.tannenberg1914.de/druck/3_3008.htm

3 z 8

2011-01-29 23:26

background image

Die Abwehr bei Neidenburg

Schon seit dem

Abmarsch des

I.AK von Soldau

hatte General von

François damit

gerechnet, dass

das geschlagene

russische I.Korps

wieder aufleben

oder auch neuer

Feind von Süden

her

auftreten

könne. Seit dem

29.

August

vormittags war

daher die 1.ID

(Gen.Lt.

von

Conta) mit der

Aufklärung nach

Süden beauftragt

und hatte dazu

Janowo besetzt.

Dass die gesamte

Reiterei

zur

Verfolgung nach

Osten entsandt

war, erschwerte

die Aufklärung.

Für heute sollte

die 2.ID (Gen.Lt.

von

Falk)

zunächst nur bis

Jägersdorf

-

Wallendorf

vorgehen,

außerdem hatte

sie ein Regiment

zur Sicherung von

Neidenburg zu

stellen. Die 1.ID

sollte sich, dem

Vorrücken der

2.ID

entsprechend, an

der großen Straße ostwärts weiter zusammenschieben. Als dann am 29. August abends die Fliegermeldung

einging, nach der eine " russische Kolonne aller Waffen" im Anmarsch von Mlawa her die Grenze südlich

Neidenburg erreicht hatte, schien Vorsicht geboten. Die Ausgabe der im Armeebefehl vom 29. August abends

gesteckten weiteren Verfolgungsziele machte General von François von dem auf Mlawa angesetzten

Lufterkundung abhängig. Um 09:15 Uhr wurde die erwartete Fliegermeldung auf dem Marktplatz in Neidenburg

abgeworfen: Mindestens ein russisches Korps war im Anmarsch. Seine Spitze schon unmittelbar vor der Stadt.

Die Meldung sorgte für Überraschung. General von François sah die Lage aber doch nicht allzu ernst an. Er

schätzte die Angriffskraft des anrückenden Feindes nicht hoch ein. Dem entsprechend lauteten seine

dringendsten Befehle. Er wollte die Verfolgung der eingeschlossenen Russen fortsetzen und gleichzeitig den

neuen Gegner abwehren.

Zu diesem Zweck sollten die noch bei Neidenburg stehenden Kräfte südlich der Stadt standhalten so lange es

ging. Die 2.ID sollte sich mit allen verfügbaren Teilen über Gregersdorf nach Süden wenden. Die 5.LwBr. sollte

nach eigenem Ermessen auf Kandien (südlich der Stadt) oder in den Rücken des Gegners weiter südlich

angreifen. Dann verlegte General von François seinen Gefechtsstand an die Straße östlich Gregersdorf. Die

Stadt lag unter russischem Artilleriefeuer.

Die Aufgabe, die das I.AK zunächst ganz alleine zu lösen hatte, war sehr schwierig. Vor ihm die noch

keineswegs erledigten Reste des russischen XIII., XV. und XXIII. Korps, im Rücken das vor drei Tagen bei

Usdau und Soldau geschlagene I. russische Korps im Anmarsch. Die eigenen Truppen nach viertägigem Kampf

in kleine Abteilungen aufgelöst und in der Bewegung durch die Wälder in Richtung Osten. Die eigene Kavallerie

weit voraus und nicht erreichbar. Wollte man die Einschließung fortführen, dann konnten beide Divisionen des

Korps nur Teile gegen den neuen Feind abgeben. Bis sie ihn zum Stehen brachten, konnte er Neidenburg

längst eingenommen haben. Francois rechnete daher mit dem vorübergehenden Verlust der Stadt. Er wollte

diese Kräfte so bereitstellen, dass er den Gegner dort am nächsten Tag von Osten und Westen in die Zange

nehmen konnte. Erst am Nachmittag erfuhr er, dass hierzu auch noch vom AOK 8 Verstärkungen angesetzt

waren.

Vom Mittag an, gelang es nach und nach, auf den Höhen südwestlich Gregersdorf 7 Bataillone und 20

Batterien, davon 8 schwere Feldhaubitzbatterien (Kaliber 15 cm), von beiden Divisionen des Korps gegen den

Tannenberg 1914, 30. August, Druckversion

http://www.tannenberg1914.de/druck/3_3008.htm

4 z 8

2011-01-29 23:26

background image

neuen Gegner zusammen zu ziehen. Den Befehl über diese Truppen führte Gen.Lt. von Falk.

Inzwischen wurde der Gegner südlich Neidenburg durch zwei Bataillone und zwei Batterien unter Major

Schlimm aufgehalten. Die Russen, ½ 3. Garde - ID, 1. Schützenbrigade und ½ 59. ID (Reserve), gingen sehr

vorsichtig vor. Sie wussten nicht, wie schwach die Deutschen hier waren, und entwickelten unter dem Schutz

starker Artillerie eine ganze Division oder mehr. Unterstützt durch starkes Flankenfeuer der bei Gregersdorf

stehenden schweren Artillerie konnte sich Major Schlimm bis zum Einbruch der Nacht halten. Damit war jede

Gefahr für die Einschließungstruppen abgewendet. Erst als die kleine deutsche Abteilung von Westen längs der

Neide überflügelt und umfasst wurde, wich sie durch Neidenburg hindurch nach Norden aus. Bei Dunkelheit

besetzten Teile der russischen 3. Garde-ID die Stadt.

Das Eingreifen der 5. Landwehr - Brigade hatte bis dahin noch keine Wirkung gezeigt. Gen.Lt. von

Mülmann hatte gerade den Vormarsch auf Mlava eingeleitet, als er vom AOK die Weisung erhielt, bei

Neidenburg zu helfen. Es war schon Mittag. So konnte die Landwehr erst vor dem Dunkelwerden die Gegend

von Groß-Koslau erreichen. Der Angriff über die Neide musste auf den nächsten Morgen verschoben werden.

Auch die vom AOK angesetzten Verstärkungen kamen am 30. August nicht mehr an den neuen Feind bei

Neidenburg. General Lt. Freiherr von der Goltz erreichte mit seiner Landwehr - Division Michalken, 10 km

nordwestlich Neidenburg. Die Festungstruppen des Generals von Unger waren bis Frankenau gelangt, 2 km

östlich daneben. Die 41.ID, 5 km entfernt, nordöstlich davon bei Seelesen. Die 3.RD bei Wuttrienen hatte den

Befehl erst so spät erhalten, dass Gen.Lt. von Morgen den Abmarsch auf den nächsten Tag verschob.

Hier wurde also eine neue Front nord - nordwestlich gegen Neidenburg gebildet. Zusammen mit den

ausgesonderten Truppenteilen des I.AK im Osten der Stadt und der 5.LwBr. im Westen, war man am nächsten

Morgen in der Lage, die Stadt Neidenburg von drei Seiten anzugreifen. Die hinzugezogenen Truppen des XX.AK

(41.ID, 3.RD, LwDiv.Goltz und Abt.Unger) wurden für diese Aktion Gen.Lt. von François unterstellt.

Der wollte den Angriff mit versammelter Kraft führen. Den Befehl hierzu gab er am nächsten Morgen um 06:00

Uhr. Demnach sollte die 5.LwBr. über Saberau nach Osten vorgehen, die Lw.Div.Goltz und Abteilung Unger

westlich an Neidenburg vorbei auf Kandien. Die 41.ID sollte aus Richtung Norden Neidenburg nehmen. Die

3.RD über Grünfließ nach Süden angreifen, also östlich der Stadt. Dem Angriff dieser Division sollte sich dann

von Gregersdorf her die hier ausgesonderten Truppen der 2.ID anschließen.

Gen.Mj. Sontag (41.ID) hatte einem zuvor ergangenen Armeebefehl zufolge bereits um 05:00 Uhr antreten

lassen und war auf Neidenburg vorgegangen. Dieser Befehl hatte François erst später erreicht. Als die Truppen

der 41.ID im Morgengrauen die Stadt erreichten, war kein Feind mehr in der Stadt. Die russischen

Kommandeure hatten "Lunte gerochen." Sie hatten die Gefahr erkannt, ebenfalls eingeschlossen zu werden.

Nur die 5.LwBr., die bereits vor Tagesanbruch bei Saberau an die Neide herangegangen war, um hier den Fluss

zu überschreiten, hatte noch Feindberührung. Gen.Lt. von Mülmann erkannte beim Hellwerden den Gegner in

vollem Rückzug auf der großen Straße der Grenze zu. Er eröffnete mit seinen drei schweren Batterien das

Feuer. Seine Infanterie konnte ohne Brückengerät nicht mehr schnell genug übersetzen, um den

abmarschierenden Feind zu attackieren. Es konnten noch 1000 Mann gefangen genommen werden. 350

gefallene russische Soldaten wurden zusammen getragen und bestattet. Es waren im wesentlichen die

gleichen Einheiten, die am 26.,27. und 28. August bei Seeben, Usdau und Soldau geschlagen worden waren.

Tannenberg 1914, 30. August, Druckversion

http://www.tannenberg1914.de/druck/3_3008.htm

5 z 8

2011-01-29 23:26

background image

Die Abwehr bei Ortelsburg

Auch im Rücken

des XVII.AK kam

es inzwischen zu

Kampfhandlungen. General von Mackensen war seit dem Einschwenken gegen Westen doch nicht ganz ohne

Besorgnis wegen der Verhältnisse bei Ortelsburg. Dort war es am Abend zuvor zum ersten Zusammenstoß

gekommen. Der Kommandeur der 35.ID, Gen.Lt. Hennig, der seinen Truppen voraus nach Ortelsburg gefahren

war, hatte sich nur mit knapper Not der Gefangennahme durch die russische 4. Kavallerie - Division entziehen

können. Diese wollte, dem VI.AK vorausreitend, die Stadt wieder in die Hand nehmen. Als dann aber das

deutsche Infanterie - Regiment 176 und etwa gleichzeitig die 1. Kavallerie - Brigade (1.KD) vor der Stadt

eintrafen, war der Gegner wieder nach Südwesten zurückgegangen. Gen.Lt. Hennig war mit 1½ Bataillonen

wieder in die brennende Stadt eingerückt. Das war die Lage am 30. August morgens.

An diesem Tage wollte das Generalkommando des XVII.AK seine ganze Kampfkraft den eingeschlossen Russen

zuwenden. Als General von Mackensen aber um 11:00 Uhr vom AOK erfuhr, dass eine "lange Kolonne aller

Waffen" (Infanterie - Division) auf Ortelsburg marschiert sei und die Stadt vermutlich schon erreicht habe, sah

er sich doch genötigt, gegen diesen Feind stärkere Kräfte auszuscheiden. Er ließ seine nördliche, 36.ID Front

nach Osten nehmen. Die Truppen der weiter südlich stehenden 35.ID sollten die Absperrung gegen die

eingeschlossenen Russen allein aufrechthalten und nach Süden den Anschluss zum I.AK sicherstellen.

Inzwischen war aber bei Ortelsburg, ohne dass es dem Generalkommando zunächst bekannt wurde, der Kampf

schon seit 05:30 Uhr wieder im Gange. Russische Infanterie und Kavallerie, wohl je eine Division stark, hatten

die Stadt im Osten und Norden umschlossen und auch schwere Artillerie (12 cm - Haubitzen) eingesetzt. Die

schwache deutsche Infanterie, 1 ½ Bataillone vom 9. westpreußischen Infanterie - Regiment Nr. 176,

ohne Maschinengewehre und ohne Artillerie, wehrte sich gegen die feindliche Übermacht nur mit Mühe. Die

Hoffnung auf ein Eingreifen der 1.KBr., die am Abend vorher wieder 15 km nach Mensguth zurück geritten war,

erfüllte sich nicht. Dagegen kam vom Süden unerwartete Hilfe vom I.AK. Das Jäger-Regiment zu Pferde Nr.

10 unter Oberstleutnant Berring (2 Schwadronen, 1 Batterie = 6 Feldkanonen, Kaliber 7,7 cm) eilte, von

Willenberg kommend, den bedrängten Waffengefährten vom XVII.AK zu Hilfe. Dies brachte die erste

Entlastung. Bald darauf griff auch Gen.Mj. von Hahn, der mit einer Vorausabteilung der 35.ID schon bis dicht

vor Willenberg vorgestoßen war und nun mit 3 leichten Feldhaubitz - Batterien (18 Haubitzen Kaliber 10,5 cm)

wieder nach Ortelsburg zurückjagte, in das Gefecht ein. Damit war der Besitz der Stadt zunächst gesichert.

Mittags gaben die Russen den Kampf auf und zogen ab. Die russischen Entsatzversuche waren gescheitert.

Tannenberg 1914, 30. August, Druckversion

http://www.tannenberg1914.de/druck/3_3008.htm

6 z 8

2011-01-29 23:26

background image

"Während Verzweiflung den Umklammerten ergreift, hat Mattherzigkeit die Tatkraft desjenigen gelähmt, der

Befreiung hätte bringen können. Auch in dieser Beziehung bestätigen die Ereignisse auf dem Schlachtfeld von

Tannenberg die alten menschlichen und soldatischen Erfahrungen."

(Hindenburg)

Ebenso wie bei Neidenburg und Ortelsburg wurden aber auch die kleineren russischen Vorstöße an anderen

Stellen abgewiesen. Zwischen Strasburg und Lautenburg, an der Südgrenze, war der Bahnhof Radosk schon

am 30. August morgens von den Russen wieder geräumt worden. Die Nachrichten von der Vernichtung einer

deutschen Landwehrabteilung bei Zielun stellten sich als falsch heraus. Diese Landwehr - Abteilung, von der 5.

Lw.Brigade, hatte die russische Kavallerie abgewiesen. Wenn auch unter schweren Verlusten. Geschütze

gingen keine verloren.

Auch auf dem Nordflügel der deutschen 8. Armee hatten die russischen Reiterdivisionen, die am 30. über

Heilsberg und Landsberg vorgingen, keinen Erfolg. Die Orte an der Bahn Allenstein - Mehlsack - Königsberg

wurden vom deutschen Landsturm und einigen Ersatztruppen unter dem Etappen - Inspekteur, Gen.Lt. von

Heuduck, gehalten. Ein letzter Vorstoß der russischen 1.KD gegen Allenstein wurde am 31. August früh

morgens durch Teile der 6.Lw.Br. abgewiesen.

Die Gefangennahme

Während bei Neidenburg und Ortelsburg die russischen Entsatzversuche abgewehrt werden, vollendete sich

das Schicksal der eingeschlossenen Russen. Der Ring war dünn. Auf der 50 km langen Strecke von Muschaken

über Willenberg bis Jedwobno standen in unübersichtlichem Gelände im ganzen nur 29 deutsche Bataillone,

die durch vorausgegangene Kämpfe geschwächt waren. Ein Durchbruchsversuch der Russen war möglich und

wurde auf deutscher Seite auch erwartet. Er wurde nirgends mit Nachdruck unternommen. Die russischen

Massen stießen sich auch an kleinen deutschen Abteilungen ab und bogen immer wieder ostwärts aus. Bis sie

letztendlich ohne Munition und ohne Verpflegung, führungslos und völlig erschöpft an der Möglichkeit des

Entkommens verzweifelten und sich zu Tausenden ergaben. Von geschlossenen Truppenkörpern ist nur die

halbe 6.KD aus der Einkreisung entkommen, die andere Hälfte war beim I.Korps außerhalb des Kessels.

Ansonsten gelang es im ganzen etwa 2000 Mann vom XIII. und XV. Korps, aus der Umklammerung zu

entkommen.

Die Masse der Gefangenen fiel dem I.AK an der großen Straße Neidenburg - Willenberg in die Hände. Schon

am 29. und in der folgenden Nacht waren hier über 7000 Gefangene gemacht worden. Am 30. früh ergaben

sich bei Reuschwerder nach schwachen nächtlichen Durchbruchsversuchen dem 3. Bataillon des

ostpreußischen Infanterie - Regiment Herzog Karl von Mecklenburg - Strelitz Nr. 43, 17 000 Mann !! mit 30

Geschützen. Dabei befanden sich der Kommandierende General des XIII. Korps, Gen.Lt. Klujew, und 8 weitere

Generale.

In der selben Gegend war auch der Kommandierende General des XV. Korps, Gen.Lt. Martos, den Truppen der

1.ID in die Hände gefallen. Weitere 11 000 Russen mit 41 Geschützen ergaben sich, ebenfalls am frühen

Morgen des 30. August, nach geringem Widerstand bei Willenberg der Abteilung des Generalleutnants von

Schmettau.

Inzwischen drückte der Kommandeur der 1. Infanterie - Brigade (1.ID/I.AK), Gen.Mj. von Trotha, mit 4

Bataillonen und 4 Batterien nördlich von Muschaken nach Nordosten vor. Dahinter und links von ihm folgte in 2

Kolonnen die 3. Inf.Brig. (2.ID/I.AK) unter Gen.Mj. Mengelbier. Bei der 1. Inf.Brig. kam es nachmittags

südwestlich Malgaofen zu einem kurzen, aber schweren Kampf mit russischen Abteilungen. Gen.Mj. von Trotha

und 2 Bataillonskommandeure fielen. In unübersichtlichem Waldgelände beschossen sich dabei auch deutsche

Truppen gegenseitig. Der Kommandeur des Inf.Reg. 41, Oberstleutnant Schönfeld, selbst verwundet,

übernahm die Führung und brachte den verlustreichen Kampf zum Abschluss. Die schon gefangenen Russen

waren teilweise entwichen, fielen dann aber anderen deutschen Truppen in die Hände. Die 3. Inf.Brig. brachte

2500 Gefangene ein.

Was vor den Truppen des deutschen I.AK nach Osten auswich, wurde die Beute des XVII.AK. Das Husaren -

Regiment Nr.5 (36.ID) in Kaltenborn hatte am 30. August früh vor den anrückenden russischen Massen

ausweichen müssen. Der Gegner wandte sich von Kaltenborn nach Südosten und lief nun über Wallendorf auf

die Sperrabteilungen der 35.ID zu. Bei Malgaofen fielen 1000 Mann und ein General in die Hände des 3.

Bataillons vom Inf.Reg. 21. Dessen 1. Bataillon hatte inzwischen seit Tagesanbruch den Strom der fliehenden

Russen bei Kannwiesen nach Süden abgewendet und dabei ebenfalls 1000 Gefangene gemacht. Als dann hier

der Kommandeur der 70. Inf.Brig., Gen.Mj. Schmidt von Knobelsdorf, eintraf, befahl er das Vorgehen gegen

die nunmehr über Saddek auf Reuschwerder abziehenden Russen. Daraufhin ergaben sich bei Saddek weitere

russische Massen. Das pommersche Infanterie - Regiment von Borcke Nr.21 machte an diesem Tage 12.400

Gefangene, dabei 3 Generale, und 69 Geschütze wurden eingebracht.

Am Abend des 30. August befanden sich in dem großen Einschließungsring außer den Gefangenen nur noch

Versprengte, die sich in den nächsten Tagen nach und nach ergaben oder aufgebracht wurden. Einige kleine

Trupps mögen durch die Maschen geschlüpft und entkommen sein.

Bilanz

Der Umfang der Beute, und damit die volle Größe des Erfolges, ließ sich erst nach und nach übersehen. Am

Abend des 30. August meldete General Ludendorff der Obersten Heeresleitung insgesamt erst 30 - 40.000

Gefangene, von denen 25.000 bereits abbefördert seien. Tags darauf konnte Generaloberst von Hindenburg an

seinen Obersten Kriegsherrn melden:

"Euerer Majestät melde ich alleruntertänigst, dass sich am heutigen Tage der Ring um den größten Teil der

russischen Armee geschlossen hat. XIII., XV. und XXIII. Korps sind vernichtet. Es sind bis jetzt 60.000

Gefangene, darunter die Kommandierenden Generale des XIII. und XV. Korps. Die Geschütze stecken noch in

den Waldungen und werden zusammen gebracht. Die Kriegsbeute, im einzelnen noch nicht zu übersehen, ist

außerordentlich groß ......"

Die Gesamtzahl der Gefangenen wuchs schließlich auf 92.000 an, dabei 13 Generale. 350 Geschütze wurden

erbeutet. Die blutigen Verluste wird man auf etwa 50.000 Mann veranschlagen dürfen. Von den Korps der

russischen Mitte waren das XIII. und XV. ganz, das XXIII. zur Hälfte vernichtet. Aber auch die Flügel, das

russische I. und VI. Korps, hatten schwer gelitten.

Tannenberg 1914, 30. August, Druckversion

http://www.tannenberg1914.de/druck/3_3008.htm

7 z 8

2011-01-29 23:26

background image

Tagesbefehl

des Oberbefehlshabers Paul von Hindenburg am Ende der Schlacht:

01. September 1914

"Soldaten der 8. Armee.

Die vieltägigen Kämpfe auf den weiten Gefilden zwischen Allenstein und Neidenburg sind beendigt. Ihr habt

einen vernichtenden Sieg über fünf Armeekorps und drei Kavallerie - Divisionen errungen. Mehr als 60 000

Gefangene, ungezählte Geschütze und Maschinengewehre, mehrere Fahnen und viele sonstige Kriegsbeute

sind in unseren Händen. Die geringen, der Einschließung entronnenen Trümmer der russischen Narew-Armee

fliehen nach Süden über die Grenze. Die russische Wilna-Armee hat von Königsberg her den Rückzug

angetreten. Nächst Gott dem Herrn ist dieser glänzende Erfolg Eurer Opferfreudigkeit, Euren unübertrefflichen

Marschierleistungen und Eurer hervorragenden Tapferkeit zu danken. Ich hoffe, Euch jetzt einige Tage

wohlverdienter Ruhe lassen zu können, dann aber geht es mit frischen Kräften wieder vorwärts. Mit Gott für

Kaiser, König und Vaterland, bis der letzte Russe unsere teure, schwergeprüfte Heimatprovinz verlassen hat,

und wir unsere sieggewohnten Fahnen in Feindesland hineingetragen haben.

Es lebe Seine Majestät der Kaiser und König.

Der Oberbefehlshaber v. Hindenburg."

Aus diesen Tagen ist auch eine kleine Anekdote überliefert:

Als Hindenburg erfährt, dass der russische Oberbefehlshaber Nikolej Nikolejewitsch auf seinen Kopf 500.000

Goldrubel ausgesetzt hat, bemerkt er nur: "Und ich gebe auf seinen Kopf noch keine 5 Groschen."

© Eckhardt Dirks
page: http://www.tannenberg1914.de
mail: webmaster@tannenberg1914.de
Nachdruck und Verbreitung von Text und Bildern unter Angabe der Quelle erlaubt.

Tannenberg 1914, 30. August, Druckversion

http://www.tannenberg1914.de/druck/3_3008.htm

8 z 8

2011-01-29 23:26


Wyszukiwarka

Podobne podstrony:
Tannenberg 1914, 29 August, Druckversion
Tannenberg 1914, 28 August, Druckversion
Tannenberg 1914, Die Lage am 23 August 1914, Druckversion
Tannenberg 1914, 24 25 August 1914, Druckversion
Tannenberg 1914, Lage am 26 August, Druckversion 1
Tannenberg 1914, Gefecht bei Waplitz, Druckversion
Tannenberg 1914, Lahna und Orlau, Druckversion
Tannenberg 1914, russische Heeresgruppe Nordwestfront, Druckversion
Bitwa Tannenberg 1914
biografia Aureliusza Augustyna (30 str)
30 Św Augustyn (Aurelius Augustinus), Wyznania, księga I, IV, VI, oprac Joanna Ziółkowska
30 Struktury zaleznosci miedzy wskaznikami zrow rozw K Chmura
30 Wydatki rodziny
30 Tydzień zwykły, 30 środa
Fizyka 0 wyklad organizacyjny Informatyka Wrzesien 30 2012
POWIAT AUGUSTOWSKI wskaźniki
geolog ogolna 30

więcej podobnych podstron