l i n junger Mann besucht ein geistliches Konzert und ge-nicik es: »In einem Oratorium kdnnF ich doch die halbe N.icht sitzen!« Glucklicherweise hat »Fraulein Stephanie« die Vereinbarung fur den heutigen Abend abgesagt, weil sie mit ihrem jiidischen Brautigam ausgeht, und: »ich liebe die Isiaeliten sehr«. Das Verhaltnis zu Stephanie ist ohnehin pl.uonisch, denn unsittliche Verhaltnisse passen dem Jting-ling nicht. Zum Militar hingegen wollte er schon ais kleiner Kub, »weil ich a tout prix das Vaterland habł verteidigen wollen, das doch immerfort in Gefahr ist«. Nach dem Ende des Konzerts fiihlt er sich im Gedrange an der Garderobę v(»m Blick eines dicken Herrn getroffen: »Ich hab5 in die-sein Blick gelesen, dass er sich denkt: Dummer Bub! ... h*izt mtisste ich eigentlich den Sabel ziehn und ihn tot-srlilagen ... Aber nein, ich schenk ihm das Leben und wer-de lieber selbst sterben, da ich mit diesem Flecken au£ mei-ikt Ehre nicht weiterexistieren kann - Dieser un-
wahrscheinliche Musterknabe ist, naturlich, die Selbstpar-ndie eines Autors, der fiir die lebensechte Originalfigur l»nse Kritiken, hamische Angriffe und schlieBlich eine veri-t.d>le Degradierung einstecken mu£te. Arthur Schnitzler (1X62-1931) hatte mit seinem Lieutenant Gustl (1900) die I lirę des k.u.k. Offizierskorps verletzt. Seine Novelle, Mit-te Juli 1900 entstanden und am 25. Dezember in der Weih-n.ichtsbeilage der Neuen Freien Presse abgedruckt, hatte die I Uirftigkeit ebendieses Ehrbegriffs ungeriihrt freigelegt. Die Absurditat des parodistisch gezeichneten Tugendbolds nucht die Differenz zwischen dem Selbstbild und der Realu. it des Offiziersstandes noch einmal deutlich: In der lan-
1 Arthur Schnitzler, Leutnant Gustl Parodie, undat. Manuskript aus dem Nachlali, 5 Seiten, Masch.; Mappe 167, BI. iii.
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