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die Bukowina zur ósterreichischen Reichshalfte der Doppelmonarchie ge-hórt, Bessarabien war ein Teil des Zarenreichs gewesen), von Anfang an bestrebt, die Rechte einer staatstragenden Nation auszuuben und je schneller vergessen zu lassen, daB sie fruher ais Minderheiten behandelt worden Waren, obwohl sie aufgrund ihrer zahlenmaBigen Starkę regional jeweils ais Mehrheit uber Sonderrechte hatte verfugen mussen.
A
In der Zwischenkriegszeit gibt es mehrere grundlegende Aspekte und Vorbedingungen fur eine Beziehung zwischen dem rumanischen Staatsvolk und seinen Minderheiten:
I. Die staatsinternen Faktoren,
II. Die Faktoren europaischer Machtpolitik.
In beiden Fallen muB berucksichtigt werden, wie sich die tragende Sta-atsnation (Rumanen) und die ethnischen Minderheiten (Ungam, Deutsche, Juden, Ukrainer) selbst definierten, welches Fremdbild sie von den anderen entwarfen, wie sie bemuht waren, eine uberregionale Homogenisie-rung ihrer eigenen Gruppe und eine normgebende Verallgemeinerung der Beziehungen zur Staatsnation und der anderen Minderheiten zu erreichen. Auch die historischen Besonderheiten regionaler und uberregionaler Grup-penbeziehungen und -dynamik mussen beachtet werden.
I. Die staatsinternen Faktoren der Wechselbeziehungen:
Der zu betrachtende Zeitabschnitt ist fur Entwicklungsverlaufe sehr kurz bemessen. In einem knappen Vierteljahrhundert waren Kontinuitats-linien zwar fortsetzbar, Kontinuitatsbruche jedoch ihrerseits unvermeidlich. Durch die Unsicherheit der Zuordnung von Territorien die zwar 1920 ver-schiedenen Staaten zugewiesen worden waren, dereń Stabilitat und Integri-tat jedoch durch Volksentsclieide, durch das Diktat der GroBmachte bis zum Zweiten Weltkrieg immer wieder Korrekturen ausgesetzt war, wurde die staatliche und gruppenspezifische Determination gehemmt, in falsche Bah-nen geleitet und oft in Frage gestellt. Der Tendenz zur Herausbildung tota-litarer Strukturen, die von nationalistisch-fanatisierten Gruppen gefórdert und ausgebaut wurden, hatte ebenfalls negative Auswii-kungen auf die eth-nische Mehrheit und die Minderheitengruppen.
1. Fur das rumanische Staatsvolk ging es im dritten Jahrzehnt des Jahrhunderts zunachst darum, eine nationale Homogenitat in allen Gebieten des neuen Staates zu bewerkstelligen; die Unterschiede, die zwischen den Rumanen des Altreichs, Bessarabiens, der Bukowina, Siebenburgens und des Banats bestanden, gingen auf historische und regionale Sonderentwicklun-gen zuruck. In der Bukowina, wo die Rumanen oft auch den Landeshaupt-mann gestellt hatten, z.B. Jancu Lupul (1836—1922), war ein Dialog zwischen ihnen und den anderen Minderheiten eine bewahrte Tradition. In Bessarabien, wo die rumanische Oberschicht russifiziert worden war, wahrend die bauerlichen Schichten durch konfessionelle und bildungsmaBige Absti-nenz der russischen Assimilation Widerstand geleistet hatten, stand eine Ru-manisierung der russifizierten Elitę ins Haus, die auch die Behandlung