Fritz Skowronnek �r Kampf um die Scholle


Fritz Skowronnek

Der Kampf um die Scholle

1.

„Mensch, Karl, sei doch nicht so miesepeterig!“

„Ach, laß mich, Max.“

„M�cht'st mir nicht wenigstens sagen, was mit dir los ist? Siehst ja aus, als wenn dir die Petersilie verhagelt w�re. Red' doch `n Ton! Hat dich wom�glich ein Schuster beim Kneipen beklappt?... Nicht? Na, dann weiß ich wirklich nicht, was dir fehlt... Ich m�chte immer meine M�tze in die H�he schmeißen und schreien vor Vergn�gen. Denk mal, Karl, morgen fr�h stehen wir Vorturner mit R�nzel, Plaid und Wanderstock vor dem Gymnasium, und dann geht's los auf eine frische, fr�hliche Turnerfahrt. Erst nach L�tzen mit der Eisenbahn, dann auf dem Dampfer �ber den sch�nen, großen Mauersee nach Angerburg, dann nach Beynuhnen mit seinen herrlichen Kunstsch�tzen, und schließlich noch ein zweit�giger Marsch durch die sch�nste Forst, die man sich denken kann, zum Waldkater... Mensch, Junge, da kannst du so tr�bselige Gesichter schneiden?“

Der Angeredete, ein hochaufgeschossener J�ngling von achtzehn Jahren, dem der erste Flaum des zuk�nftigen Schnurrbarts auf der Oberlippe sproßte, zuckte die Achseln.

„Ich werde die Turnerfahrt der Prima nicht mitmachen.“

„Ach, red' doch nicht so `n dummes Zeug!“

„Ich red' ganz vern�nftig, lieber Max. Ich habe nicht das Geld dazu. Ich habe meinen Vater rechtzeitig um die dreißig Mark, die dazu notwendig sind, gebeten, habe aber bis heute weder Antwort noch Geld erhalten.“

„Wenn's weiter nichts ist! Dann hauchst einfach deine Pensionsmutter um die dreißig Gulden an... Der Alte wird nachher schon berappen.“

„Nein, Max... Na, ich will offen sein, aber sprich nicht dar�ber. Ich hab' das vorhin schon versucht, und da sagt mir Frau Wendt, daß der Vater schon das letzte Vierteljahr nicht die Pension f�r mich bezahlt hat. Sie kann oder will mir das Geld nicht geben.“

„Himmelkreuzmillionenschockschwerenotdonnerwetter… Entschuldige, lieber Karl, wenn ich als zuk�nftiger Theologe so gottesl�sterlich fluche: aber da schlage doch einer lang hin und der andere quer dar�ber. Was kann denn mit deinem Alten los sein?“

Der andere zuckte zusammen, als h�tte ihn bei diesen Worten ein Schlag getroffen.

„Ja, siehst du, das ist die Frage, die ich mir auch vorlege. Daß ich die Turnerfahrt nicht mitmachen kann, das w�rde ich schon verschmerzen. Aber mich qu�lt der Gedanke, daß zu Hause nicht alles in Ordnung ist.“

„Ach, geh' doch, Karl, du scheinst wirklich Neigung zu haben, dich mit solchen Gedanken selbst zu qu�len. Was kann denn dort los sein?“

„Vielleicht ist mein Vater krank oder...“ Er hielt inne und schauderte zusammen, als wenn er einen sehr traurigen Gedanken von sich abzusch�tteln versuchte.

„Weißt du, Max, seit dem Tage, wo mein Großvater von dem Pollacken mit der Axt erschlagen wurde, kann ich das geheime Grauen nicht los werden. Mir ist, als wenn unserer Familie noch mehr solch Unheil bevorsteht.“

„Das war doch nur ein trauriger Ungl�cksfall, den dein Großvater durch seine Heftigkeit, wie du mir erz�hlt hast, selbst verschuldet hat. Und dein Vater ist doch so ruhig und still...“

Karl sch�ttelte den Kopf. „Ich will dir alles sagen. Aber du mußt mir dein Ehrenwort geben, nicht dar�ber zu sprechen. Wie ich Pfingsten zu Hause war, hat mir mein Vater schon gar nicht gefallen. Er war gar nicht still; im Gegenteil, immer so aufgeregt, als wenn ihn eine geheime Unruhe befallen h�tte. Ich vermute, daß ihn schwere Sorgen qu�len. Schon nach dem Tode der Mutter fing die �nderung bei ihm an. Nun hat er in den letzten Jahren gebaut und gebaut, erst die große Scheune und dann den Stall und jetzt zuletzt das Wohnhaus. Ich f�rchte, er hat sich verbaut, denn bar Geld war nicht viel vorhanden, und die kleine Besitzung von 400 Morgen kann das allein nicht bringen.“

Kopfsch�ttelnd hatte der andere zugeh�rt. Sein frisches Gesicht, aus dem des Lebens Frohsinn leuchtete, hatte einen nachdenklichen Ausdruck angenommen.

„Na, dann h�tte der Alte doch wenigstens ein paar Worte schreiben k�nnen.“

Es war, als wenn dieses Wort seinem Kameraden den letzten Rest von Selbstbeherrschung geraubt h�tte.

Ein heftiges Schluchzen ersch�tterte seinen ganzen K�rper.

„Das ist es ja eben, was mich qu�lt, daß der Vater auch nicht eine Zeile geschrieben hat. Seit Pfingsten habe ich �berhaupt keinen Brief von ihm bekommen.“

„Aber, Mensch, dann h�tte ich doch einen Sonntag mich ausgesetzt und w�re nach Hause gefahren. Die paar Kilometer von der Bahn bis nach Gonsken h�ttest du ja auch zu Fuß machen k�nnen. Na, nu mach' dir nur keine Gedanken, und morgen kommst du mit. Daf�r werde ich sorgen!“

„Was willst du tun?“

„Sehr einfach: ich gehe zum Direktor und setze ihm deine Lage auseinander. Ist das nicht ein famoser Gedanke, den Direx anzupumpen?“

Der Gedanke gefiel ihm so gut, daß er laut auflachte und dann mit heller Tenorstimme zu singen begann: „Dann fahren wir nach Cyprus hinunter und pumpen die K�nigin an. Remblem...“

Als er das zweite Remblem singen wollte, klopfte es vernehmlich an der T�r. Schnell gefaßt, sang er statt dessen:

„Herein!“

Mit lachender Miene nahm er dem Brieftr�ger ein Schreiben ab. „Na, da siehst du ja, jetzt haben wir's. Poststempel Gonsken. Wenigstens geschrieben hat der Alte. Hoffentlich hat er auch den schn�den Mammon papiernerweise beigef�gt.“

Hastig hatte Karl ihm das Schreiben aus der Hand genommen. Beim ersten Blick auf die Handschrift war er kreidebleich geworden. Mit zitternden H�nden erbrach er das Schreiben. Beim Entfalten flatterte ein F�nfmarkschein heraus, den Max jubelnd in der Luft aufgriff und emporschwang. Im n�chsten Augenblick verwandelte sich seine frohe Laune in j�he Best�rzung, denn Karl hatte das Schreiben aus der Hand fallen lassen, sich aus einen Stuhl geworfen, den Kopf in die H�nde gest�tzt und schluchzte zum Gotterbarmen. Stumm nahm er den Brief von der Erde auf und las: „Lieber Karl! Erschrick nicht. Dein Vater ist erkrankt, und Deine Anwesenheit zu Hause dringend erforderlich. Lass' Dir vom Direktor Urlaub geben und komm' mit dem Nachtzug nach Hause. Auf dem Bahnhof wird das Fuhrwerk Dich erwarten. Dein Ohm Zenth�fer.“

Dem frohen J�ngling waren die Tr�nen in die Augen getreten. Sanft legte er den Arm seinem Freunde um die Schultern, aber w�hrend er ihm Mut und Trost zuzusprechen versuchte, zitterte ihm die Stimme. „Mein lieber Junge, man bloß nicht den Mut verlieren! So schlimm wird's ja nicht sein. Dein Vater wird schon wieder gesund werden!“

Mit einem energischen Ruck richtete Karl Miska sich auf. „Gib dir keine M�he, Max! Solche Dinge muß man allein tragen. Der Brief verschweigt mehr, als er sagt. Der Vater ist entweder schon tot, oder...“ Er biß die Z�hne zusammen, als wenn er alle Kraft aufbieten m�ßte, um nicht in rasender Angst das hinauszuschreien, was schon wie ein b�ser Alp wochenlang auf ihm gelegen hatte.

Es mußte wohl eine ganze Menge Willenskraft in dem jungen Menschen stecken. Denn ruhig, aber bestimmt hatte er die Begleitung des warmherzigen Freundes abgelehnt, war festen Schrittes zum Direktor gegangen und hatte sich unter Vorzeigung des Briefes f�r einige Zeit Urlaub erbeten. Dann hatte er seinen kleinen Koffer mit den notwendigsten Kleidungsst�cken gef�llt und war nach dem Bahnhof gegangen. Ruhelos wanderte er auf dem schwach beleuchteten Perron auf und ab, von einem Ende zum anderen. Am liebsten h�tte er einen der h�lzernen Laternenpf�hle umfaßt, seinen Kopf darangelegt und bitterlich geweint…

2.

Vor der T�r hatte Ohm Zenth�fer sich von ihm verabschiedet. Vergeblich hatte der alte, liebe Mann ihm zugeredet, zu ihm nach Hause zu kommen und den Abend in seiner Familie zu verleben. Karl hatte es bei allem Dank f�r die liebevolle F�rsorge des v�terlichen Freundes entschieden abgelehnt. Sollte er mit seinem verst�rten Wesen den Leuten zur Last fallen? Jedes Wort, das er aussprach, mußte er sich ja selbst f�rmlich abringen. Nein, solche Dinge muß der Mensch, wie er schon seinem Schulkameraden vor drei Tagen gesagt hatte, allein tragen.

Vor drei Tagen! Ihm kam es vor, als wenn die Schulzeit schon drei Jahre hinter ihm zur�ckl�ge. Es schien ihm ganz unfaßbar, daß er noch vor drei Tagen ein Sch�ler war, im Grunde seines Herzens ein frischer, fr�hlicher Gesell, eben nach der Prima versetzt, der mit ehrlichem Eifer auf die rote M�tze zusteuerte, das Zeichen des bestandenen Abiturientenexamens.

Und im innersten Winkel seines Herzens, da hatte schon leise die Hoffnung aufgekeimt, daß eine gewisse Jemandin ihm den ersten Albertus f�r die rote M�tze schenken w�rde. Sie trug zwar noch lange, blonde H�ngez�pfe und lachte aus ihren blauen Augen die Welt noch ganz unbek�mmert um ihre Zukunft an. Aber in zwei Jahren war sie eingesegnet, und dann w�re es wohl an der Zeit gewesen, ehe er zur Universit�t ging; sie du fragen, ob sie dereinst seine geliebte Frau Pfarrerin werden m�chte. Denn Geistlicher wollte er werden, schon um den Wunsch seiner �ber alles geliebten, leider zu fr�h verstorbenen Mutter zu erf�llen.

Ach, wenn die Mutter doch noch am Leben w�re! Vielleicht oder sogar wahrscheinlich w�re alles anders gekommen.

Mit m�den, langsamen Schritten war er die Steintreppe zum Hause emporgegangen, hatte seinen Hut und �berzieher im Flur an die Knagge geh�ngt und dann z�gernd die T�r zum Wohnzimmer ge�ffnet. Es war, als m�ßten die Eltern ihm entgegentreten, so wie einst vor Jahren, wenn er als fr�hlicher Tertianer nach Hause kam und jubelnd in die Stube sprang und nicht wußte, wem er zuerst um den Hals fliegen sollte, der Mutter, die schon die H�nde nach ihm ausbreitete, oder dem Vater, dem er erst die Pfeife aus dem Mund nehmen mußte, um ihm einen Kuß zu geben.

Die Sonne war eben untergegangen. Grellrot stand das Abendrot am Himmel und f�llte das große Zimmer mit blendendem Scheine. Noch nie war es ihm so groß und so leer erschienen. Ihm war, als wenn sein Denken aufgeh�rt h�tte, untergegangen w�re in ein unglaubliches, dumpfes Gef�hl, das wie eine schwere Last auf ihm lagerte. Ganz mechanisch ging er durch die Stube bis zur gegen�berliegenden Wand. Da hingen zwischen Rehkronen und Hirschgeweihen die Gewehre seines Vaters. Jahrelang waren sie das Ziel seiner gl�henden Sehnsucht gewesen. Er hatte es gar nicht erwarten k�nnen, bis er so weit erwachsen war, daß ihm der Vater die Erlaubnis, zur Jagd zu geben. erteilte. Im vorigen Herbste war er zum erstenmal mit zur H�hnerjagd gewesen. Da, mit dieser Flinte. Er nahm sie vom Nagel, klappte sie aus und sah durch die L�ufe. Mitten zwischen den Gewehren hing an der Wand sein Patroneng�rtel. Noch sieben Patronen waren darin... Eine einzige w�rde gen�gen...

In diesem Augenblick hatte er die Empfindung, als w�re er nicht allein in der Stube. Ihm war, als st�nde er selbst wie ein zweites Ich daneben, und diese Gestalt fl�sterte ihm zu: „Was zauderst du noch? Mach' doch Schluß, schmeiß` den ganzen Krempel von dir! Es ist ja nur ein Augenblick!“ Aber sein anderes Ich wehrte sich dagegen. Nicht mit Worten, nur mit dem Gef�hl. Er hatte den Großvater gesehen, der von dem Polen erschlagen worden war. Genau so w�rde er auch aussehen.

Und wenn die Leute auf den Schuß herbeilaufen w�rden, dann w�rden sie sagen: „Schade um den Karl!“

Bei diesem Gedanken flossen die beiden Gestalten seines Ichs wieder in eins zusammen. Ihn �berkam eine R�hrung, die R�hrung des Mitleids mit sich selbst. In all den Tagen war sein Auge trocken geblieben. Jetzt stellte er das Gewehr in die Ecke, lehnte den Kopf an die kalte Wand und weinte bitterlich. Hinter ihm ging die T�r. Der alte K�mmerer Pehlke war eingetreten, hatte die Scheunenschl�ssel an das große Schl�sselbrett geh�ngt und wartete nun still darauf, daß sein junger Herr ihn anreden w�rde. Aber er wartete vergeblich darauf. Das Abendrot war vergl�ht, die Schatten der Nacht waren in das Zimmer gekrochen. Nur ganz undeutlich sah er an der Wand neben den Gewehren seinen Herrn stehen. In der alten, treuen Seele mochte so etwas wie Verst�ndnis aufd�mmern. Vielleicht war es nur ein dunkles Ahnen, daß dem jungen Menschen da dr�ben die N�he der Gewehre gef�hrlich werden k�nnte.

Ein paarmal hatte er sich ganz vernehmlich ger�uspert, aber vergeblich. Also mußte er einen kr�ftigeren Anlauf nehmen.

„Junger Herr... junger Herr! Ich m�cht' mal fragen, wie das morgen wird... ich mein' mit der Wirtschaft.“

Keine Antwort.

„Junger Herr! Der Roggen auf dem Schlag am Teich ist trocken. Soll ich den morgen fahren lassen? Der Kuba mit dem Tiger kann hinterher harken. Und dann m�cht' ich vorschlagen: Wir kriegen zu morgen sechs Mann aus dem Dorf; die wollen wir an den Weizen schicken. Er ist knochentrocken und todreif.“

Noch immer keine Antwort.

Jetzt packte den alten Mann die Angst. Mit langen Schritten kam er durch die Stube: „Junger Herr! Karlchen! Red' doch e' Wort!“

Langsam drehte der J�ngling sich um: „Is gut, Pehlke. Wie du machst, is gut. Und jetzt kannst du gehen.“

„I, wo werd' ich, Karlchen! F�llt mir gar nicht eint Du k�nnt'st am End' noch e' Dummheit machen!“

Unwillk�rlich war Karl zusammengefahren. Das Wort aus treuem Munde hatte gesessen. Er h�tte auffahren m�gen und den Alten mit harten Worten anlassen; aber die Treuherzigkeit des grauhaarigen Mannes, der schon seinem Vater und Großvater gedient, entwaffnete ihn.

„Nimm man nich �bel, Karlchen, daß ich das gesagt habe. Aber mir fuhr das nur so raus. Na, nu sag` selbst, hab' ich nicht recht? Ein Ungl�ck ist ja �ber euch gekommen. Deinen Großvater hat der Pollack erschlagen, und deinem Vater hat der liebe Gott den Verstand genommen, aber selbst totgeschossen hat sich noch kein Miska!“

In seiner Herzenseinfalt hatte der Alte wieder das richtige Wort gefunden. Dem jungen Manne klang's in den Ohren, als wenn ihm jemand das Wort Selbstm�rder zugeschrien h�tte! Und eine zweite Stimme in ihm wurde wach, die wiederholte fortw�hrend: „Du Feigling!“ Mit langen Schritten begann er in der Stube auf und ab zu gehen. Wie aus weiter Ferne drangen die Worte des alten Mannes in sein Ohr:

„F�nfundf�nfzig Jahre, von meinem f�nfzehnten Jahre an, bin ich nun schon hier bei euch Miskas im Dienst, und mein Großvater hat mir erz�hlt, daß wir Pehlkes, so lange ein Mensch zur�ckdenken kann, bei euch K�mmerer gewesen sind. Du brauchst ja bloß die alte Familienbibel aufzuschlagen Da stehen sie ja alle aufgeschrieben, wie die Edelleute, einer hinter dem anderen, und immer ist die Besitzung vom Vater auf den Sohn gegangen. Und jetzt soll ich auf meine alten Tage noch einen neuen Herrn kriegen? Nein, Karlchen, das kannst du nicht wollen. Das mit der Dummheit, das habe ich vorhin so rausgesagt. Das traue ich dir auch gar nicht zu. Aber ich mein', du wirst hier nicht weggehen, wenn es dir auch schwer f�llt. Denn was wirst du mal deinem �ltesten Jungen sagen, wenn er dich fragt: Vater, weshalb hast du die Besitzung, die all die langen Jahre in unserer Familie gewesen ist, weggegeben?“

Jedes Wort, das der alte Mann sprach, kr�ftigte in dem jungen den Entschluß, der sich langsam in ihm emporrang: den Kampf des Lebens aufzunehmen; nicht nur den Kampf um das Dasein, sondern auch den Kampf um die v�terliche Scholle. So etwas wie Stolz, ein Stolz auf sein Geschlecht, quoll in ihm empor. Mochte der Blitz auch den alten Stamm getroffen haben: aus der Wurzel war ein junges, kr�ftiges Reis emporgeschossen, biegsam und z�h, das der Sturm wohl niederdr�cken, aber nicht brechen konnte! Aus dieser Empfindung heraus kam die Frage, die den Alten im ersten Augenblick �berraschte:

„Wie ist die Ernte dieses Jahr, Pehlke?“

„Gut, junger Herr, gut! Vielleicht k�nnt' man sogar sagen sehr gut, wenn wir alles trocken reinkriegen.“

„Willst du nicht morgen den Roggen einfahren?“

„Ja, junger Herr.“

„Wie lange wird es dauern, bis wir ihn dreschen k�nnen?“

„Hm. Na, wenn`s n�tig ist, dann k�nnen wir ihn vom Fuder gleich in die Maschine schmeißen.“

„Bei wem habt Ihr immer den Roggen verkauft?“

„Beim Hirschberg, junger Herr, in Lyck. Das ist ein anst�ndiger Jud'. Und das Geld zahlt er auf ein Brett aus. Wenn Sie wollen, k�nnen Sie morgen zu ihm fahren und ihm sagen: ich habe 300 Scheffel Roggen, die ich Ihnen in acht Tagen liefere; geben Sie mir das Geld daf�r. Sie kriegen's.“

„Und was wird der Weizen bringen, Pehlke?“

„Ich sch�tze aufs achte Korn, junger Herr, und der Weizen preist gut dieses Jahr.“

„Wann wirst du den Weizen hauen lassen?“

„Na, ich sagt' schon: morgen, junger Herr, aber Sie haben wohl nicht geh�rt. Mit sechs Mann.“

„K�nnt' man den auch schon dem Hirschberg verkaufen?“

„Aber ja doch, Karlchen. Du kannst e' ganz geh�riges St�ck Geld aus dem Getreide machen Aber bloß eins m�chte ich sagen: Die Saat m�ssen wir zur�ckbehalten. Denn unser Weizen ist gut, und was wir im n�chsten Fr�hjahr bezahlen m�ßten, das weiß man nicht.“

Frohen Mutes war der Alte eine Stunde sp�ter aus dem Herrenhause nach seiner Wohnung gegangen. Bis in die kleinsten Einzelheiten hatten sie den Stand der Wirtschaft und alles, was so drum und dran hing, besprochen. Der machte keine Dummheit mehr, der Karlchen. Der wußte jetzt, was er wollte. Und er wollte! Er wollte die Scholle festhalten, die sein Geschlecht seit Jahrhunderten besessen. Und er, der alte Pehlke, kannte das Geschlecht! Der eine war jach und heftig in seinem Temperament, der andere still und friedfertig, aber alles waren sie gute Wirte gewesen, die in redlicher Arbeit f�r sich und ihre Nachkommen sorgten und schafften. Auch der vorletzte, bis der liebe Gott ihm den Verstand getr�bt hatte… H�tte der Alte gewußt, wie schwer sein junger Herr noch in derselben Stunde mit sich zu ringen hatte, er w�re nicht so frohgemut nach Hause gewandert.

Hinter ihm war die Josepha gekommen, die alte K�chin, die nun auch schon weit �ber ein Menschenalter hinaus im Miskaschen Hause diente. Sie hatte nach Weiberart ihrem jungen Herrn all das B�se und Unangenehme aufgetischt, das seiner wartete: daß die Instleute schon ein Jahr und l�nger gar kein bares Geld, nur Naturalien als Lohn erhalten h�tten, daß die Kaufleute in der Stadt schon mehrmals den Vater gemahnt und mit der Klage gedroht. Und als die Alte gegangen, nachdem sie den Tisch abger�umt, da war die schwerste Stunde �ber den jungen Menschen gekommen. Da war die Erinnerung in ihm aufgelebt, wie Ohm Zenth�fer, der Jugendfreund seines Vaters, ihn nachts auf dem kleinen Bahnhof empfangen und ihm unterwegs so schonend als nur irgend m�glich die traurige Kunde beigebracht, daß sein Vater zwar leiblich gesund, aber von einer Wahnvorstellung befallen w�re, die ihn zur Leitung seines Anwesens untauglich mache. Kein Mensch h�tte geahnt, was kommen w�rde; als der Vater erst den Stall, der noch gute 50 Jahre h�tte stehen k�nnen, abbrechen ließ, um einen neuen auszuf�hren. Dann h�tte sich dieselbe Geschichte mit der Scheune und zuletzt mit dem Wohnhaus wiederholt. Er, Zenth�fer, habe schon damals den Verdacht gehabt, als wenn sein lieber Jugendfreund unter einer Wahnvorstellung handelte. Dann w�re es immer klarer hervorgetreten. Erst h�tte er dem Nachbar Walendy fast t�glich mit dem Vorschlag in den Ohren gelegen, er wolle ihm ein neues Wohnhaus aufbauen. Schließlich h�tte er sich den verlumpten Wirt Skok vorgenommen und ihm eingeredet, er w�rde ihm auf seine eigenen Kosten eine neue Scheune bauen. Der Kerl h�tte anfangs dazu gelacht, aber schließlich eingewilligt, als Miska ihm in vollem Ernst den Vorschlag machte, sich vor dem Notar in der Stadt zur Erbauung der Scheune zu verpflichten. Da habe er es f�r seine Pflicht gehalten, einzugreifen. Erst war es ihm ganz unfaßbar erschienen, was Ohm Zenth�fer ihm erz�hlte. Der Vater, sein ruhiger, kluger, verst�ndiger Vater... er mochte das landl�ufige Wort f�r diesen Geisteszustand nicht einmal in Gedanken h�ren. Aber es war kein Zweifel daran m�glich. Das hatte er am anderen Vormittag gesehen, als der Kreisphysikus kam, den Ohm Zenth�fer bestellt hatte, um den Vater auf seinen Geisteszustand zu untersuchen. Scheinbar vern�nftig, mit allen m�glichen Gr�nden, hatte er sein Vorhaben, dem versoffenen Skok eine neue Scheune zu bauen, verteidigt. Vergeblich hatte ihn Ohm Zenth�fer darauf aufmerksam gemacht, daß er ja nur mit der �ußersten M�he das Kapital zur Erbauung seines eigenen Wohnhauses aufgebracht h�tte...

Mit der Z�higkeit eines Geisteskranken hatte der Vater daran festgehalten, daß er dem verlotterten und verarmten Bauer die Scheune bauen m�ßte. Dann w�rde ein anderer Geist in den Kerl einziehen; er w�rde einsehen, daß er bisher schlecht gewirtschaftet habe und ein neues Leben anfangen. Dann war der Arzt ins Nebenzimmer gegangen und hatte �ber eine Stunde lang ein ausf�hrliches Gutachten niedergeschrieben. W�hrenddessen hatte er mit Ohm Zenth�fer beim Vater gesessen. Die beiden M�nner hatten sich �ber alles m�gliche, �ber die Wirtschaft, �ber Getreidepreise, �ber Vieh, kurzum �ber das, was den Landwirt in erster Linie angeht, unterhalten, und dabei hatte sein Vater genau so gesprochen, als wenn er nie ein Quentchen seines Verstandes eingeb�ßt h�tte! Und dann war die traurigste, die schrecklichste Szene gekommen, als die beiden M�nner dem Vater einredeten, daß dicht bei Allenstein auf einem großen Gut Geb�ude zu errichten w�ren, und die k�nne kein Mensch fertig bekommen, wenn er nicht mit seinem Rat und vielleicht auch mit der Tat dort eingriff. Begierig hatte der Kranke den Gedanken aufgenommen; noch an demselben Tage wollte er hinfahren; das ginge nicht, daß die Leute da in Verlegenheit blieben... Wenn es nur an ihm l�ge, er wolle gern helfen...

Wie ein Verzweifelter hatte der arme Junge dabei ausgeschrien. Da hatte der Vater sich zu ihm gewandt, ihm mit der Hand �ber das Haar gestrichen und gesagt: „Das freut mich, mein Jungchen, daß du so denkst. Die armen Leute k�nnen doch nicht in Verlegenheit bleiben. Ich werde gleich morgen hinfahren.“ Und freudig hatte er zugestimmt, als Ohm Zenth�fer ihm erkl�rte, da m�ßten sie auch dabei sein, er und Karl.

Das Herz krampfte sich zusammen, als die Erinnerung daran ihn packte. Als er den Ohm Zenth�fer nach dieser Szene hinausbegleitete, da war er ihm um den Hals gefallen und hatte laut aufgeschluchzt, und w�hrend der alte Freund seines Vaters ihn umfaßte und ihm freundliche Trostworte zusprach, da waren auch ihm aus den Augen die Tr�nen gerollt wie die Erbsen.

Heute fr�h hatte er vom Vater Abschied genommen.

Der saß schon ganz vergn�gt �ber allerlei Baupl�nen, die ihm die �rzte in der Anstalt angeblich zur Begutachtung vorgelegt hatten. Er hatte es f�r ganz selbstverst�ndlich erachtet, als ihm Karl mitteilte, daß er aus der Schule gehen und vorl�ufig nun zu Hause die Wirtschaft �bernehmen w�rde.

In wenigen Augenblicken durchlebte er immer und immer wieder die ganze Geschichte. Manchmal war es ihm zumute, als w�re der Vater gestorben, und er h�tte ihn heute begraben... das andere war ja nur ein b�ser Traum... Wenn er dann wieder zum vollen Bewußtsein der Wirklichkeit kam, dann f�hlte er f�rmlich den Wunsch in sich emporsteigen, daß der Vater wirklich tot w�re. Wenn er den leiblichen Tod gestorben w�re, etwa von einer Krankheit oder gar von einem Verh�ngnis, wie der Großvater, dahingerafft, dann w�re sein Bild in ihm lebendig geblieben, das Bild, wie er in der Vollkraft seiner Jahre ihm ein liebender Vater gewesen, zu dem er voll Ehrfurcht und Bewunderung emporschaute.

Aber jetzt, dieses Bewußtsein mit sich herumtragen, zu wissen, daß der Vater k�rperlich lebte und geistig tot war, das schien ihm in manchen Augenblicken schwerer, als Menschenkraft zu ertragen imstande ist.

3.

Sp�t erst nach Mitternacht hatte Karl sein Bett ausgesucht und dann stundenlang wie ein Toter geschlafen. Der jugendliche K�rper forderte nach den Aufregungen der letzten Tage sein Recht. Und mit der k�rperlichen Erfrischung begann sich auch sein Geist auszurichten. Das ist ja das herrliche Geschenk, das die g�tige, allweise Mutter Natur der Jugend in die Wiege gelegt hat, diese Elastizit�t des Geistes, dies Gemisch aus Leichtsinn und Hoffnungsfreudigkeit, das wohl von einem Schicksalssturm ersch�ttert, aber nicht ert�tet werden kann. Als er erwachte, stand die Sonne schon ziemlich hoch am Himmel. Auf dem Hofe war alles still und leer. Die Leute waren schon stundenlang an der Arbeit.

Er zog sich an, ließ sich von der alte Josepha einen Topf Milch und ein St�ck Grobbrot geben und ging, nachdem er dieses einfache Fr�hst�ck mit bestem Appetit verzehrt hatte, zum Ohm Zenth�fer. Der alte Herr war nicht mit ihm verwandt. Er war nur ein Spielkamerad und Jugendfreund seines Vaters. Aber in Ostpreußen ist es Sitte, daß die Kinder befreundeter Familien auf die Erwachsenen Ohmchen und Tante sagen.

Ohm Zenth�fer war eben vom Felde heimgekehrt und hatte einen anst�ndigen Appetit mit nach Hause gebracht. Er saß beim Fr�hst�ck und widmete sich mit Eifer und Ausdauer all den sch�nen Dingen, die auf einem ostpreußischen Gutshof zur Ern�hrung des Menschen vorhanden sind. Ob er wollte oder nicht, Karl mußte am Tisch Platz nehmen und zugreifen, denn Ohm Zenth�fer erkl�rte energisch, mit einem hungrigen Menschen sei viel schwerer zu verhandeln als wie mit einem satten. So nebenbei fragte er, was f�r Arbeiten der Pehlke heute angeordnet h�tte, und wunderte sich, als Karl dar�ber ganz genau Bescheid wußte. Das hatte er nicht erwartet oder gehofft. Schließlich kam der Moment, in dem er Messer und Gabel weglegte, sich den m�chtigen Schnurrbart wischte und sagte: „Nun, mein Junge, wollen wir mal vern�nftig �ber deine Zukunft sprechen. Hast du dir schon welche Gedanken dar�ber gemacht?“

„Gewiß, Onkel. Ich will die Scholle meiner V�ter festhalten; ich will wirtschaften! Und wenn du mir mit deinem Rat zur Seite stehen willst...“

„Langsam, powoli, ruhig Blut. Das will sehr reiflich �berlegt sein, mein lieber Karl. Hast du schon einen vollen �berblick �ber deine Lage?“

„Nein, Onkel.“

„Na, denn will ich dir mal ungef�hr sagen, was ich weiß. Deine vierhundert Morgen sind zum allergr�ßten Teil guter, kleef�higer Boden, auf dem auch Weizen w�chst. Sie sind bis auf die letzten zwei, drei Jahre, ehe dein Vater zu bauen anfing, in vorz�glichster Kultur gewesen. Was in dieser Zeit vers�umt ist, l�ßt sich ja bald nachholen. Die Ernte in diesem Jahr ist gut, du wirst daf�r ein St�ck Geld einnehmen. Aber wenn du vorw�rts kommen willst, dann muß davon ein nicht zu kleiner Posten zur Neubeschaffung von Vieh usw. verbraucht werden. Es wird dir also nicht zu viel zum Bezahlen von Schulden �brig bleiben. Und davon ist leider mehr vorhanden, als gut ist. Dein Vater hat das Gut bis �ber die Puppen belastet, und wenn man das Ding beim richtigen Namen nennen will, dann muß man sagen, dir geh�rt nicht ein Ziegel mehr von der ganzen Besitzung.“

„So schlimm habe ich's mir allerdings nicht gedacht, lieber Onkel. Aber wenn es auf irgendwelche Weise durchzusetzen ist, dann will ich die Besitzung zu halten suchen.“

„So, dich lockt wohl die Aussicht, hier den Herrn Gutsbesitzer zu spielen?“

„Nein, Onkel, damit tust du mir unrecht. Bei Gott, ich m�chte lieber auf der Schulbank sitzen und den Horaz lesen. Ich habe gern gelernt, Onkel, und mich auf das Studium gefreut. Wenn ich mich entschließe, hier zu bleiben, dann begrab` ich all die Gedanken, die ich mir bisher �ber meine Zukunft gemacht habe. Du weißt, es war der Wunsch meiner Mutter, daß ich Pfarrer werden sollte“

„Ja, mein Jungchen, das weiß ich. �brigens diese Hoffnungen m�ßtest du sowieso einpacken. Denn wenn du die Besitzung verkaufst, dann bleibt dir nicht so viel �brig, daß du acht Tage in Lyck leben kannst. Du m�ßtest dich also schon entschließen, einen Beruf zu erw�hlen, der dir sofort einen Unterschlupf bietet. Wie w�r's, wenn du auf einem großen Gut als Lehrling eintreten m�cht'st. Da k�nnte ich dich unterbringen.“

„Nein, Onkel, ich danke dir f�r deine F�rsorge. Aber lass' mich den Weg gehen, den ich mir vorgezeichnet habe. Zwing' ich es nicht, kann ich mein Erbe nicht f�r mich und meine Nachkommen erhalten, dann werde ich deine G�te in Anspruch nehmen. Aber ohne Kampf will ich das Erbgut meines Geschlechts nicht fahren lassen. Dann kann ich und keiner mir den Vorwurf machen, daß ich die Flinte ins Korn geworfen habe.“

Jetzt streckte ihm der alte Herr die Hand entgegen.

„Junge, ich habe dich gepr�ft, und du hast bestanden. Ich f�rchtete, du w�rdest kleinm�tig sein, so daß ich dir erst ordentlich einheizen m�ßte. Nun sage ich dir: Ich halte es f�r m�glich, daß du dich in die H�he rappelst, und ich w�nschte, daß meine Jungens diese Liebe zur Scholle h�tten. Aber der eine sitzt in der Stadt als Lehrer, der andere ist Offizier, und keiner will die Klitsche in Masuren �bernehmen. Nun schick' mir mal heute abend den alten Pehlke her und komm' selbst mit, daß wir genau ausrechnen, was aus der Wirtschaft in den n�chsten Wochen zu machen ist und wieviel davon abgezahlt werden kann. Nun, Gott gebe dir Gl�ck, mein Junge. Noch eins. Ich will dir noch einen guten Rat geben. Besinnst du dich auf die Geschichte in deinem Kinderfreund von dem geheimnisvollen K�stchen?“

„Ach, du meinst, Ohmchen, die Geschichte, wie einer Besitzersfrau die Wirtschaft immer mehr zur�ckging, ohne daß sie wußte, warum?“

„Ja, die Geschichte meine ich. Wie eine kluge Nachbarin ihr ein geheimnisvolles, verschlossenes K�stchen gab, das sie in jeder Stunde auf einen anderen Platz ihres Hauses und Hofes hintragen mußte. Die Nutzanwendung daraus sollst auch du ziehen.“

„Ohmchen, ich dachte: ich bin jung und stark, ich k�nnte eine Arbeitskraft sparen und selbst �berall mitarbeiten.“

„Ja, das k�nntest du wohl, aber das w�re unpraktisch. Es ist viel richtiger, wenn du fortf�hrst mit dem K�stchen, in Haus und Hof hin und her wanderst, das heißt, �berall die Aufsicht f�hrst. Das ist mehr wert als k�rperliche Arbeit. Eine halbe Stunde mußt du bei den M�hern stehen, dann gehst du auf den Torfstich, dann nach Hause, siehst zu, wie abgestakt wird. Jede Metz' Getreide mußt du eigenh�ndig austeilen, von jedem Liter Milch, das in die K�che kommt, mußt du wissen, wo es bleibt. Die beiden Alten, der Pehlke und die Josepha, sind ehrlich und zuverl�ssig, aber auf das andere Volk ist kein Verlaß. Da muß man hinterher sein, wenn sie ihren Tagelohn verdienen sollen.“

Am Abend hatte Ohm Zenth�fer mit Hilfe des alten Pehlke in Karls Gegenwart eine ganz eingehende Sch�tzung der zu erwartenden Einnahmen aufgestellt. Die Gegenrechnung konnte er noch nicht machen, denn Karl hatte zwar im Schreibtisch ein ganzes B�ndel unbezahlter Rechnungen gefunden, aber ob das nun alles war, das wußte niemand. Dar�ber brachten indessen schon die n�chsten Tage ziemliche Gewißheit. Als es bekannt wurde, daß der alte Miska ins Irrenhaus gebracht worden war und der junge die Wirtschaft �bernommen hatte, liefen von allen Seiten wenig h�fliche Mahnungen ein; ja, einige besonders vorsichtige Gl�ubiger, die bereits eine ausgeklagte Forderung hatten, erschienen pers�nlich in Begleitung des Hausleerers mit dem blauen Kragen auf dem Hofe, um Vieh, Wagen und Maschinen zu pf�nden. Sie waren �berrascht und erstaunt, als Karl ihnen ihre Schuldforderungen bar bezahlte unter Vorbehalt der Nachpr�fung. Er war am Tage der Unterredung mit Ohm Zenth�fer sofort nach Lyck gefahren und hatte den Getreideh�ndler Hirschberg aufgesucht. Er kannte den Mann oberfl�chlich von der Schule her, denn er war mit seinem �ltesten Sohn Klasse f�r Klasse gleichzeitig ausger�ckt.

Der erste Empfang war f�r Karl nicht gerade ermutigend. Der gewiegte Gesch�ftsmann hatte die Roggenprobe sorgf�ltig gepr�ft, die Karl ihm vorlegte, und gemeint, er w�rde ihm gerne seinen ganzen Vorrat ablaufen. Darauf hatte der junge Mann sch�chtern die Bitte vorgebracht, ihm einige hundert Mark Vorschuß auf das Gesch�ft zu geben. Zuerst hatte Hirschberg in ganz bestimmter Form dieses Verlangen abgeschlagen.

„Dreschen Sie fleißig, Herr Miska, und was Sie mir schicken, werde ich bar bezahlen, genau nach dem Preise, den der B�rsenbericht f�r den Tag angibt, abz�glich der Bahnfracht nach K�nigsberg.“

Die tiefe Best�rzung, die bei diesen Worten auf Karls Gesicht deutlich hervortrat, mochte ihn nachdenklich stimmen.

„Sagen Sie selbst, Herr Miska, ob Sie an meiner Stelle so handeln w�rden, wie Sie von mir verlangen? Was weiß ich von Ihnen? Sie sind hier zur Schule gegangen, Sie sind ein fleißiger, ordentlicher Mensch gewesen, das weiß ich von meinem Sohn, der mit Ihnen auf die Schule gegangen ist. Aber ich weiß noch mehr. Ich weiß, daß die Besitzung Ihres Vaters �berschuldet ist. Sie verkaufen mir hier 300 Scheffel Roggen, m�chten wenigstens die H�lfte des Geldes schon daf�r haben, und inzwischen kommen die Gl�ubiger, legen Siegel `ran, und ich bin der Gemeierte. Hab' ich recht oder nicht?“

„Herr Hirschberg, das will ich ja eben vermeiden. Von ausgeklagten Forderungen sind etwa 600 Mark vorhanden. Wenn ich die bezahle und noch etwas Geld �brig behalte, um meinen Leuten, die auch Lohn verlangen, eine Abschlagszahlung geben zu k�nnen, dann habe ich so lange Ruhe, bis ich auch den Weizen gedroschen habe. Es sind auch 60 Fuder Klee da. Das will ich Ihnen alles vor dem Notar verpf�nden.“

�berrascht sah der Getreideh�ndler ihn an. „Wie kommen Sie zu diesen Gesch�ftskenntnissen, junger Mann?“

„Das hat mir Ohm Zenth�fer gesagt, heute fr�h, ehe ich wegfuhr, ich sollte Ihnen diesen Vorschlag machen.“

„So, so, der Herr Zenth�fer hat Ihnen das gesagt? Ein kluger Mann, ein umsichtiger Mann, der beste Landwirt im ganzen Kreis. Der hat Ihnen das gesagt?“

„Ja, Herr Hirschberg.“

„Nu, denn gestatten Sie, daß ich weiter frage: Hat er Ihnen nicht gesagt, Sie sollen den ganzen Krempel schmeißen und irgendwelchen anderen Beruf ergreifen als Landwirt?“

In den Augen des jungen Mannes leuchtete es auf.

„Nein, Herr Hirschberg, er hat meinen Entschluß gutgeheißen, den Kampf um die v�terliche Scholle aufzunehmen. Ich will festhalten, was meinem Geschlecht jahrhundertelang geh�rt hat. Ob ich's durchf�hren werde, das ist eine andere Frage. Aber den Willen dazu habe ich, Herr Hirschberg.“

„Das ist viel, was Sie sagen, das ist sehr viel, mein junger Freund. Aber nun werde ich Ihnen auch was sagen. Ihren Herrn Vater hat der liebe Gott mit einem schweren Schicksal getroffen. Er war ein guter Freund von mir. Wir haben manche Partie L'hombre beim Kelterborn zusammen gespielt, und ich habe nie geglaubt, daß der kluge Mann solche Dummheiten machen w�rde. Entschuldigen Sie, lieber Freund. Ich meine mit dem Wort was anderes; er konnte ja nichts daf�r, er hatte keine Verantwortung Und wenn das schwere Schicksal nicht �ber ihn gekommen w�re, dann w�rden Sie noch heute mit meinem Siegfried zusammen auf Prima sitzen. Na, es ist anders gekommen. Der liebe Gott hat Sie aus der Schule genommen und mitten in das Leben gestellt. Vielleicht wird es zu Ihrem Segen sein.“

Er wandte sich rasch ab, nahm aus dem Geldschrank ein Dutzend blauer Scheine und legte sie Karl auf den Tisch.

„So, mein junger Freund. Jetzt unterschreiben Sie hier noch die Quittung, und dann fahren Sie mit Gott nach Hause. Sie werden jetzt viel mit sehr schlechten Menschen zu tun haben. Da ist es gut, wenn Sie erfahren, daß es auch noch andere Menschen gibt. Es werden viele Leute kommen und Forderungen an Sie erheben. Da seien Sie hartn�ckig. Sie k�nnen nachweisen, daß Ihr Herr Vater schon jahrelang von der fixen Idee beherrscht worden, daß er nicht mehr ganz dispositionsf�hig war. Machen Sie auch den Einwand, es w�re m�glich, daß die Forderung bezahlt ist. Lassen Sie jeden schw�ren, daß er noch kein Geld bekommen hat. Es werden manche sein, die nicht werden schw�ren wollen. Und nun gr�ßen Sie Herrn Zenth�fer recht sch�n von mir. Tun Sie nichts, was er nicht vorher gutgeheißen hat. Die Erfahrungen, die schon ein anderer gemacht hat, braucht man nicht noch einmal zu machen. Außerdem: es ist billiger! Adieu, Herr Miska!“

4.

Die n�chsten Wochen vergingen wie im Fluge. Fr�hmorgens, wenn Pehlke zur Arbeit l�utete, saß Karl schon bei seinem Fr�hst�ck, das nach wie vor aus einem Topf Milch und einem St�ck Grobbrot bestand. Dann ging er auf den Hof, sah zu, wie die Knechte die Gespanne anschirrten, fuhr mit ihnen hinaus aufs Feld, wanderte zu Fuß wieder nach Hause, ging durch die St�lle, um nachzusehen, ob das Vieh sein Futter erhalten hatte, kam in die K�che, �berwachte das Ausmessen der Milch, die in mehreren großen Kannen zur Molkerei geschickt wurde, und besprach mit der alten Josepha, was f�r die Leute und ihn zu Mittag gekocht werden sollte. Anfangs wollte die treue Seele ihm noch ein Extragericht zu Mittag bereiten, und er hatte M�he, sie davon zu �berzeugen, daß die Kost, die den unverheirateten Knechten gereicht wurde, auch f�r ihn gut genug sei. Mit einemmal war ein frischer, flotter Zug in die Wirtschaft gekommen. Karl war eben hinten und vorn, und die Leute merkten, daß sie unter steter Aufsicht standen. Das allein gen�gte schon, um ihre Leistungen wesentlich zu erh�hen. Karl hatte nicht n�tig, einen oder den anderen anzufahren. Er h�tte es auch nicht getan, denn er war von Natur etwas sch�chtern und h�tte kaum die richtigen Worte gefunden, um einen l�ssigen Arbeiter anzutreiben.

Es war wirklich bewundernswert, was in diesen Wochen auf der Besitzung geleistet wurde. Mitten zwischen der Ernte und den Vorbereitungen f�r die Herbstbestellung hatte Pehlke die Dreschmaschine fleißig gehen lassen und so ziemlich alles Getreide ausgeklappert. An jedem Regentage fuhren die Reisewagen, hochbeladen, nach Lyck und lieferten Roggen und Weizen an Hirschberg ab. Der alte K�mmerer hatte die Sachlage ganz genau begriffen. Er wußte, wieviel es darauf ankam, die Gl�ubiger wenigstens zum Teil zu befriedigen, um sie davon abzuhalten, eine Zwangsversteigerung zu beantragen. Auf den Rest mußten sie eben noch warten.

Karl h�tte gern allen, die ihm eine Rechnung vorlegten, gleich das Geld auf den Tisch gez�hlt. Aber erstens hatte er es nicht, und zweitens durfte er keine Zahlung leisten, zu der nicht vorher Ohm Zenth�fer, der freiwillig die Vormundschaft �ber ihn �bernommen hatte, seine Zustimmung gegeben hatte. Es war ja die Frage er�rtert worden, ob es nicht besser sei, bei Gericht Karls M�ndigkeitserkl�rung zu beantragen. Unter den obwaltenden Umst�nden w�re die Einwilligung des Vormundschaftsgerichts wohl zu erlangen gewesen. Aber nach reiflicher �berlegung hatte Ohm Zenth�fer es f�r richtiger befunden, wenn er noch einige Zeit die letzte Entscheidung f�r alle Dinge in der Hand behielt. So mußten denn alle Forderungen zuerst bei ihm eingereicht werden, und mancher, der gegen den jungen Besitzer ohne jede R�cksicht vorgegangen w�re, scheute vor den sch�rfsten Maßregeln zur�ck, um es mit dem alten Herrn Zenth�fer nicht zu verderben, dessen Einfluß im Kreise sehr weit reichte. Auf die Dauer war aber die letzte Entscheidung nicht aufzuhalten. Die Handwerker, die noch von dem Hausbau her Forderungen hatten, taten sich zusammen, bestellten einen Rechtsanwalt als ihren Sachwalter und beschlossen, gemeinsam vorzugehen.

Gl�cklicherweise war der Rechtsanwalt ein alter, guter Freund Zenth�fers und einsichtig genug, dessen Urteil in dieser Sache als richtig zu erkennen.

Die Geschichte lag ja so einfach wie m�glich. Wenn die Handwerker ihre Forderungen einklagten und gegen Karl vorgingen, dann mußte die Besitzung zur Zwangsversteigerung gestellt werden, und was dabei herauskommen w�rde, konnte sich jeder an den f�nf Fingern abz�hlen. Dann fielen sie eben alle glattweg aus. Gaben sie dagegen dem jungen Besitzer vorl�ufig l�ngere Frist und begn�gten sich einstweilen mit den Zinsen, dann hatten sie Aussicht, in absehbarer Zeit zu ihrem Gelde zu kommen.

In der ganzen Umgegend wurde nat�rlich �ber das Schicksal, das das Haus Miska betroffen hatte, viel sprechen, und merkw�rdigerweise fand Karls heldenm�tiger Entschluß, sich den Besitz seiner V�ter aufs neue zu erk�mpfen, eine wenig g�nstige Beurteilung.

Die meisten meinten, der Versuch w�re aussichtslos, und der junge Mann t�te wirklich besser, irgend einen anderen Beruf zu w�hlen, anstatt die besten Jahre seines Lebens an ein so schweres Unternehmen zu setzen.

Manche, die sehr klug sein wollten, waren der Ansicht, daß der junge Mann sicherlich eine geheime Absicht verfolge. Wahrscheinlich wollte er die Gl�ubiger, solange es ging, hinhalten und inzwischen ein paartausend Mark aus der Wirtschaft beiseite bringen. Wenn ihm dann das Gut verkauft wurde, dann h�tte er seinen Zweck erreicht und die Gl�ubiger das Nachsehen.

Der alte Zenth�fer, dem alle diese Redereien zu Ohren kamen, war nicht sonderlich erbaut davon. Aber falsche Ger�chte, die mit tausend Zungen durch das Land schwirren, sind nicht leicht zu widerlegen. Am besten, man kehrt sich nicht daran. Will man aber den Kampf mit dem b�sen Gerede aufnehmen, dann muß man viele und treue Helfer haben. Und die hoffte Zenth�fer seinem Sch�tzling gewinnen zu k�nnen.

Eines Tages forderte er Karl auf, ihn zu der Sitzung des landwirtschaftlichen Kreisvereins in Oletzko zu begleiten. Ein Wanderlehrer w�rde einen Vortrag halten, aus dem er was lernen k�nnte. Der eigentliche Zweck war aber der, Karl mit einer ganzen Anzahl �lterer Landwirte in pers�nliche Ber�hrung zu bringen und dadurch das allgemeine Urteil �ber ihn zum Guten zu bringen, und er konnte sich auf seinen Sch�tzling verlassen. Seine Treuherzigkeit, sein bescheidenes, offenes Wesen mußten ihm �berall Zutrauen erwerben.

Der alte, erfahrene Herr hatte ganz richtig gerechnet. Die �lteren Mitglieder des Vereins, die noch den Vater gekannt und gesch�tzt hatten, zogen den Sohn ins Gespr�ch und freuten sich �ber seine frische Offenherzigkeit, mit der er erkl�rte, daß er nicht eher von der Scholle weichen w�rde, bis die Gl�ubiger ihm den Stuhl vor die T�r setzten. Als der Abend weiter vorr�ckte, nahmen die j�ngeren Gutsbesitzer Karl in ihre Mitte. Und auch dort wußte er sich Geltung zu verschaffen, denn er war kein Duckm�user und auch nicht auf den Mund gefallen. Bei diesem und jenem hatte auch Ohm Zenth�fer durch ein kluges, freundliches Wort Stimmung f�r seinen Sch�tzling gemacht.

Die Folge war, daß das Urteil �ber Karl v�llig ins Gegenteil umschlug, wie es ja so oft der Fall ist, wenn Menschen sich pers�nlich kennen lernen. Man fand es h�chst ehrenwert, daß er das Besitztum, das sein Geschlecht so lange besessen, nicht ohne Kampf verlieren wollte.

Auch nach einer anderen Richtung war der Abend f�r Karl von Erfolg gewesen. Der Herr Landrat hatte ihn ins Gespr�ch gezogen und ihn gefragt, weshalb er denn nicht seine M�ndigkeitserkl�rung bei Gericht beantragt h�tte. Gl�cklicherweise war Ohm Zenth�fer in diesem Augenblick zu den beiden getreten und hatte dem Landrat auseinandergesetzt, daß sein Sch�tzling noch zu wenig Erfahrung habe, um sich durch die verwickelten Rechtsverh�ltnisse hindurchzufinden. Aber wenn der Herr Landrat etwas f�r Karl tun wolle, dann m�ge er eine Neuabsch�tzung des Gutes in die Wege leiten. Die letzte Bonitierung habe vor dreißig Jahren stattgefunden. Inzwischen sei das Gut durch Karls Vater bedeutend in die H�he gebracht, alle Geb�ude seien neu aufgef�hrt. Da m�ßte sich doch eine betr�chtliche Erh�hung des Wertes und damit der Beleihungsf�higkeit ergeben. Er w�rde gern f�r diesen Fall die Aufgabe des Taxators �bernehmen.

Die F�rsprache war auf guten Boden gefallen. Schon nach wenigen Tagen fanden sich die anderen Mitglieder der Kommission bei Ohm Zenth�fer ein, und in �berraschend kurzer Frist war die neue Taxe fertig, die Karls Gut um mehr als ein Drittel im Werte erh�hte. Damit war die M�glichkeit gegeben, den vereinigten Gl�ubigern eine Art von Sicherheit zu bieten.

Der erste Ansturm war gl�cklich abgeschlagen. Am 1. Oktober hatte Karl alle Zinsen bis auf den letzten Pfennig bezahlt, das Pflegegeld f�r seinen Vater an die Anstalt abgesandt und dann allerdings kaum so viel �brigbehalten, um seinen Leuten zu Martini den Rest des Lohnes, den sie noch zu fordern hatten, zu bezahlen. Ein halbes Jahr war gewonnen. Aber was sollte zum Fr�hjahr werden, denn Karl hatte unter dem Zwange der Not mehr verkauft, als er eigentlich durfte. Schon zu Jakobi hatte Pehlke ihm den Vorschlag gemacht, allen verheirateten Instleuten zu k�ndigen und die leer werdenden Wohnungen zu vermieten. Im n�chsten Fr�hjahr w�rden ja genug Pollacken �ber die Grenze kommen, um die Bestellung der Sommersaat und sp�ter die Ernte durchzuf�hren. Karl hatte den Vorschlag rundweg abgewiesen. Er wußte ja, worauf der alte, treue Pehlke hinaus wollte. Aber das gerade wollte Karl nicht. Bis auf eine Familie, die im Herbst erst zugezogen waren, saßen die Leute schon seit Jahrzehnten im Dorf und waren ebenso lange auf seiner Besitzung t�tig gewesen. Entließ er sie jetzt aus dem Vertragsverh�ltnis, dann stoben sie in alle Winde davon. Die einen fanden vielleicht irgendwo in der Nachbarschaft ihr Brot, die anderen w�rden aber ihr B�ndel schn�ren und davonziehen nach Westen.

Pehlkes Anregung hatte aber bei ihm die Frage ausgel�st, ob die Leute sich nicht vielleicht freiwillig von ihm trennen w�rden. Sie wußten ja alle ganz genau, wie es mit ihm stand, und hatten manchmal sich mit einer geringen Abschlagszahlung begn�gen m�ssen, anstatt des vollen Lohnes, den sie verdient hatten. Ja seiner Ehrlichkeit war Karl von einem zum anderen gegangen und hatte ihm die Frage vorgelegt, ob er bleiben oder sich eine andere Stelle suchen wollte. Und da war nicht einer, der ihn verließ. Am deutlichsten hatte wohl der alte Stopka, der seit seiner Einsegnung auf dem Hofe war, dem Ausdruck gegeben, was die Leute dachten.

„Junger Herr!“ hatte er gesagt, „wir haben hier viele gute Tage verlebt; jetzt sollen wir Sie im Stich lassen, wenn's mal ein bißchen schlecht geht?“

Einige Zeit sp�ter sollte Karl zum zweitenmal erfahren, daß auch unter dem groben Wandkittel des masurischen Losmanns ein treues Herz schl�gt. Da war der alte Stopka des Abends nach der Arbeit zu ihm gekommen und hatte gesagt:

„Junger Herr! Was sollen die Leute den ganzen Winter �ber, ohne etwas zu tun, in der Stube liegen? Wir k�nnten doch ebensogut arbeiten. Und wir wollen arbeiten! Ich hab' das mit den anderen schon besprochen, und wir sind einig. Wenn Sie m�chten das Stubbenroden und das Holzr�cken in der Forst �bernehmen, dann brauchen Sie aus Ihrem St�ckchen Wald nichts rauszunehmen oder zu kaufen. Und mit dem Holzr�cken ist ein sch�nes St�ck Geld zu verdienen. Sie m�ssen man sich gleich aussehen und nach L�tzen fahren und mit den großen Holzhandlungen dort abschließen. Wenn's dort nicht wird, fahren Sie gleich weiter nach Lyck und sehen zu, daß Sie beim Oberf�rster den ganzen Schlag hier von Theerbude und Polommen bekommen“

Der Vorschlag des Alten kam so �berraschend, daß Karl im ersten Augenblick nichts erwidern konnte als er w�rde sich die Sache �berlegen. Aber er f�hlte sofort, daß sich vor ihm die M�glichkeit auftat, den Winter �ber das Geld zu verdienen, das er am ersten April f�r seine Gl�ubiger ben�tigte. Ohm Zenth�fer, zu dem er auch noch an demselben Abend hin�berging, war gleichfalls freudig �berrascht. Er hatte schon manchmal mit schwerer Sorge daran gedacht, wie sein junger Freund den Ostertermin �berstehen sollte. Wenn es ihm gelang, nur von einer großen Holzhandlung die Holzr�ckerei zu erhalten, dann konnte er mit seinen acht Gespannen den Winter �ber ein sch�nes St�ck Geld verdienen. Es fragte sich nur, ob der Verdienst nicht schon an einen anderen vergeben war. Da hieß es schnell handeln.

Schon am n�chsten Tage im ersten Morgengrauen setzte sich Karl auf den Wagen und fuhr nach L�tzen. Er hatte Gl�ck. Als er ziemlich zaghaft die T�r zum Kontor der großen Holzhandlung von Lehmann aufdr�ckte, stand ein junger Mann vor ihm, der ihn mit dem erstaunten, aber freudigen Zuruf begr�ßte: „Mensch, Karl, wo kommst du her?“ Es war Fritz, der �lteste Sohn des Hauses, der vor einem Jahr mit dem Einj�hrigen-Zeugnis von der Schule abgegangen war, um bei seinem Vater in die Lehre zu treten.

Ein Wort gab das andere, und in wenigen Minuten hatte Karl einen F�rsprecher gefunden, der ihm bei seinem Vorhaben den Weg ebnete. Ohne alle Verhandlungen hatte der alte Herr Lehmann, ein Gesch�ftsmann des guten, alten Schlages, ihm die Holzr�ckerei in der ganzen Oberf�rsterei �bertragen. Jetzt war sein Besuch in Lyck beim Oberf�rster �berfl�ssig, denn er hatte so viel Arbeit bekommen, daß er sie kaum mit seinen acht Gespannen bew�ltigen konnte. Beim Abschied hatte sein Schulkamerad ihm noch gesagt, er k�nne jederzeit einen Vorschuß bekommen, er brauchte nur ein paar Zeilen an ihn zu schreiben.

So war wieder alles anders gekommen, als Karl es erwartet hatte. Er hatte sich vorgenommen, den Winter �ber fleißig in seinen Schulb�chern zu studieren. Er wollte allein weiterarbeiten und sich so weit f�rdern, daß er, falls das Geschick ihn von Haus und Hof vertrieb, das Abiturientenexamen als Extraneus bestehen konnte. Aber zum Lernen kam er jetzt nicht. Er fuhr fr�h bei Tagesgrauen mit seinen Leuten in den Wald, legte �berall selbst mit Hand an, und wenn er abends m�de und abgearbeitet nach Hause kam, dann hatte er nur den einen Wunsch, schnell ein paar Happen zu essen und dann seine m�den Glieder im Bett auszustrecken.

Nach vierzehn Tagen, als er den Leuten den ersten Lohn zahlte, hatte er sein geringes Barverm�gen v�llig ersch�pft. Er setzte sich also hin und schrieb seinem Schulkameraden Fritz Lehmann nach L�tzen ganz genau, was er in dieser Zeit mit seinen Gespannen geschafft habe, und bat um einen kleinen Vorschuß. Schon am dritten Tage hatte er das Geld in der Hand. Ein Gef�hl der Sicherheit kam �ber ihn. Immer seltener wurden die Augenblicke, in denen er mit Wehmut an die sch�ne, sorgenfreie Schulzeit zur�ckdachte. Nur der Gedanke an das Weihnachtsfest trieb ihm manchmal die Tr�nen in die Augen. Schon in den letzten Jahren hatte er mit seinem Vater allein beim brennenden Weihnachtsbaum gesessen. Aber es war doch der Vater, der bei ihm saß, wenn auch still und schweigsam, wie es seine Gewohnheit war. Jetzt w�rde er mutterseelenallein ohne Baum dasitzen und tr�ben Gedanken nachh�ngen. Er wußte nicht, daß das Geschick ihm eine herzhafte Weihnachtsfreude zugedacht hatte. Als er eines Tages vom Walde nach Hause fuhr, sah er schon von weitem die Fenster seines Wohnhauses erleuchtet. Im ersten Augenblick kam so etwas wie ein Angstgef�hl �ber ihn. Er konnte sich gar nicht vorstellen, wer oder was da auf ihn wartete. Ein Besuch mußte es sein, denn sonst w�rde sich die alte Josepha nicht die M�he gemacht haben, die große H�ngelampe anzuz�nden. Es war wirklich ein Besuch, und ein sehr lieber. Als Karl in die Stube trat, fiel ihm sein Intimus von der Prima, Max Kerwin, um den Hals.

„Ist das nicht ein famoser Gedanke von mir, dich auf deiner Klitsche aufzusuchen? Du nat�rlich l�ßt von dir nichts h�ren. Wir dachten, du w�rdest zur Kneipe des S�ngerkr�nzchens wenigstens kommen. Wir haben dir doch `ne Einladung geschickt.“

Karl l�chelte. „Ja, das habt ihr, und ich danke euch daf�r. Aber kneipen und Feste feiern, das hat f�r mich, wenigstens vorl�ufig, aufgeh�rt. �brigens, wie lange bleibst du?“

„Na, wenn du mich nicht rauswirfst, die ganzen Feiertage �ber.“

„Wollen dich denn deine Eltern nicht zu Weihnachten haben?“

„Ach, lieber Karl, da will ich dir reinen Wein einschenken. Wir �lteren Kinder, meine Schwester und ich, f�hlen uns zu Hause �berfl�ssig, seitdem wir eine Stiefmutter haben. Du hast deine Eltern verloren, aber wenigstens noch dein Elternhaus �ber deinem Kopfe. Glaube mir, es ist viel schlimmer, wenn es einem Menschen so geht wie mir, wenn man sich im Elternhause nicht mehr zu Hause f�hlt. Am meisten tut mir ja meine arme Schwester leid. Die hat`s nicht leicht bei der Stiefmutter. Na, davon sp�ter... Nu sag' mir mal, alter Knabe, was hast du in dieser Zeit geschafft?“

Er trat ein paar Schritte zur�ck und musterte Karl von oben bis unten. „Nimm's mir nicht �bel, aber du siehst schon wie ein richtiger Bauer aus!“

„Das will ich als ein Lob einstecken“, lachte Karl.

„Wenn man den Tag �ber Holz r�ckt und selbst dabei Hand anlegt, dann kann man nicht wie ein feines Primanerchen aussehen.“

„Dann komme ich dir wohl ungelegen?“

„Ach nein, lieber Max! Ich freue mich so riesig �ber deinen Besuch, wie ich dir gar nicht sagen kann. Und so viel habe ich schon geschafft, daß meine Leute auch mal `n paar Tage ohne mich in den Wald fahren k�nnen. Nein, die Zeit, die will ich ausnutzen. Ich habe sie mir redlich verdient.“

Bis tief in die Nacht saßen die beiden Freunde plaudernd zusammen. Sie hatten sich so viel zu erz�hlen.

Erst hatte Karl seine Lage geschildert, wobei Max ihm von Zeit zu Zeit mit feierlicher Miene die Hand dr�ckte, und dann hatte Max das unersch�pfliche Thema gemeinsamer Schulerlebnisse aufs Tapet gebracht. Zwischenein wurde eifrig beratschlagt, was man mit den vierzehn Tagen Ferienzeit anfangen k�nnte. Max entwarf das Programm. Vormittags Jagd. Er hatte einen Jagdschein, den ihm der Vater allj�hrlich zum Geburtstag schenkte, vorsorglich mitgebracht und hielt es f�r selbstverst�ndlich, daß sein Freund als Besitzer einer eigenen Jagd diesem Punkt des Programms freudig zustimmen w�rde. Aber Karl sch�ttelte wehm�tig den Kopf.

„Es war mir ja manchmal ganz komisch zumute, wenn ich �bers Feld ging und ein Volk H�hner oder ein Krummer vor mir rausging. Aber offen gesagt, ich mußte es bei meiner Lage f�r eine S�nde halten, f�nf Taler f�r einen Jagdschein auszugeben. Doch du kannst mit der Flinte rumstiebeln, soviel du willst...“

„Nein, mein Freund, das w�re nur das halbe Vergn�gen.“

„Na, dann werde ich mal leichtsinnig sein und mir einen Tagesjagdschein f�r einen Taler kaufen. Da k�nnen wir wenigstens drei Tage miteinander �bers Feld wandern.“

Jetzt fiel Max energisch ein: „Weißt du was? Dann veranstalten wir eine Treibjagd. Und am anderen Tage muß dein Ohm Zenth�fer auch eine machen.“

...Am Tage vor dem heiligen Abend fuhren die beiden Freunde nach L�tzen. Karl wollte mit Lehmann abrechnen und einige Eink�ufe zum Fest machen. Seinem alten Pehlke, der alten Josepha und auch dem alten Stopka, der ihm den guten Rat erteilt, wollte er eine Weihnachtsfreude bereiten. Mittags saßen sie im Hotel mit ihrem gemeinsamen fr�heren Schulkameraden Fritz Lehmann zusammen. Da ergab es sich von selbst, daß er zur Jagd eingeladen wurde. In der fr�hlichsten Stimmung wurde eine lustige Karte an den Herrn Primaner Siegfried Hirschberg nach Lyck losgelassen, in der er feierlichst f�r die Tage von Weihnachten bis Neujahr eingeladen wurde. Am zweiten Feiertag fr�h sollte ihn Karls Fuhrwerk abholen.

Es wurde ein recht vergn�gter Weihnachtsabend. Die beiden Freunde hatten sich selbst den Baum geputzt und mit Lichtern besteckt. Dabei hatten sich unwillk�rlich ihre Blicke getroffen, und einer hatte in dem Auge des anderen denselben Gedanken aufleuchten sehen. Die Erinnerung an vergangene Zeiten, als sie noch als fr�hliche Kinder aus den H�nden der Eltern die Bescherung empfingen, stieg in ihnen auf... Jetzt r�steten sie sich als einsame Menschen selbst den Baum zu.

Ohne ein Wort zu sprechen, hatten sie sich die H�nde entgegengestreckt, sich umschlungen und still versch�mt �ber ihr hervorbrechendes Gef�hl eine Tr�ne zerdr�ckt. Dann aber war der Frohsinn ihrer Jugend �ber die Traurigkeit Herr geworden, und w�hrend Karl die Lichter anz�ndete, setzte Max sich an das uralte Spinett, das mit seinem schwachen Stimmchen an l�ngst vergangene Zeiten erinnerte, und fang mit seiner frischen, pr�chtigen Tenorstimme: Stille Nacht, heilige Nacht! Zaghaft war Karl mit seinem kr�ftigen Baß eingefallen, aber schon nach den ersten T�nen wurde es in ihm freier, leichter.

…Er war auf dem besten Wege dazu, ein einsamer, stiller Mensch zu werden. Was hatte er auf der Schule tags�ber mit den Kameraden zu besprechen, zu plaudern gehabt! Und nun all die langen Wochen außer einer gesch�ftlichen Besprechung mit Ohm Zenth�fer nichts weiter als die notwendigsten Worte, die er mit seinen Leuten wechselte. Er f�hlte selbst, wie ihm der Besuch seines Freundes zum Segen wurde.

Mit dem Recht der Jugend warf er f�r einige Zeit all die Sorgen von sich ab, die ihn dr�ckten, und h�tte nicht der Gedanke an das Schicksal des Vaters ihn ab und zu an die Wirklichkeit erinnert, dann h�tte er sich f�r einen gl�cklichen Menschen halten k�nnen. Manchmal war ihm ganz merkw�rdig zumute, wenn er sich in Gedanken mit seinen Freunden verglich. Siegfried Hirschberg, der freudestrahlend am zweiten Feiertage eingetroffen war, und Max waren ganz verst�ndige J�nglinge, aber ihr geistiger Horizont reichte doch noch nicht weit �ber die Schulstube hinaus. Fritz Lehmann hatte von dem Ernst des Lebens auch noch nicht viel in sich aufgenommen. Er jammerte mit komischer Miene �ber den unertr�glichen Zwang, stundenlang auf dem Drehschemel sitzen zu m�ssen und große Zahlenreihen aufzurechnen... Und er? Er mußte sich manchmal f�rmlich dazu zwingen, den Gespr�chen seiner Freunde einiges Interesse abzugewinnen. Es kam ihm so vor, als wenn er in der kurzen Zeit zehn Jahre �lter geworden w�re. Wieviel geistige Frische und neuen Lebensmut ihm die munteren Gesellen ins Haus gebracht hatten, ahnte er nicht.

Ohm Zenth�fer war auf den Vorschlag, eine Treibjagd zu veranstalten, bereitwilligst eingegangen. So hatten sie denn einen Tag auf Karls Gebiet gejagt und am anderen Tage bei Ohm Zenth�fer. Am Abend hatten sie regelm�ßig Skat gedroschen und dazu stundenlang von der Schule geplaudert. Am Silvesterabend hatten sie bei einem kr�ftigen Urpunsch die alten Gebr�uche der Heimat ge�bt, hatten Zinn gegossen, �pfelschalen r�ckw�rts �ber die Schulter geworfen, um die Anfangsbuchstaben der Zuk�nftigen zu ergr�nden, hatten mit verbundenen Augen den Topf geschlagen und allerlei Kurzweil getrieben.

Am dritten Tage des neuen Jahres brachte Karl seinen Freund Max zur Bahn. Als der Zug sich in Bewegung setzte und der gute Junge noch aus dem Fenster die letzten Gr�ße ihm zuwinkte, da war es Karl, als habe die Jugend endg�ltig von ihm Abschied genommen. Was vor ihm lag, war durch keinen Sonnenstrahl erhellt. Einf�rmig grau lag die Zukunft vor ihm: ein weites Feld, wor�ber die grauen Wolken zogen; hier und dort ragte ein steiler H�gel auf, �ber den ihn sein einsamer Pfad f�hrte.

5.

Die drei Wintermonate waren Karl wie im Fluge vergangen. Sie hatten ihm nichts anderes gebracht als Arbeit, schwere Arbeit vom fr�hen Morgen bis zum sp�ten Abend. Aber der Segen war nicht ausgeblieben. Er hatte sich noch zwei Gespann Pferde kaufen und vier Arbeitsleute annehmen m�ssen. Aber daf�r hatte er auch ein sch�nes St�ck Geld verdient. Als er am 28. M�rz das letzte St�ck Bauholz aus dem Schlag an die Ablage ger�ckt hatte und abends die Schlußsumme aus seinen B�chern zog, da ergab sich ihm die freudige Gewißheit, daß er nicht nur seine Zinsen zum ersten April bezahlen konnte, sondern auch noch einige hundert Mark f�r den Sommer �brigbehalten w�rde. Die Abrechnung mit Lehmann, zu dem er am n�chsten Tage fuhr, wickelte sich mit Hilfe seines Freundes Fritz sehr schnell ab. Andere mußten wochenlang warten, bis die Abrechnung erfolgte. Er konnte mit Fritz in die Kneipe gehen, w�hrend der Buchhalter seine allerdings musterhafte Aufstellung pr�fte. Als er heimkam, hatte er das Bed�rfnis, seinen Leuten eine kleine Extrafreude zu bereiten. Obwohl sie bei ihm in Lohn und Brot waren, hatte er es doch f�r richtig gehalten, ihnen den orts�blichen Tagelohn gutzuschreiben. Sie hatten wohl bei Beendigung der Arbeit auf ein anst�ndiges Trinkgeld gehofft, aber daß ihnen ihr junger Herr jeden Arbeitstag regelrecht bezahlen w�rde, das hatten sie nicht erwartet. Karl hatte noch ein �briges getan. Er hatte dem alten Pehlke und dem Stopka eine neue Pfeife gekauft und von den anderen jedem zwei Pfund Kanaster gestiftet. Zum �berfluß hatte er noch f�r einen Taler eine Kiste Zigarren erstanden.

In feierlicher Erwartung hatten sich die Leute in seinem Wohnzimmer eingefunden. Der große Tisch war ausgezogen und durch einen Ansatz verl�ngert. Er war weiß gedeckt und mit St�hlen umstellt. In der Mitte prangte die Kiste Zigarren. Mit blitzenden Augen sahen die Losleute und Knechte auf die feierliche Veranstaltung. Erwartete der Herr G�ste, oder sollten sie es sein, f�r die diese Zurichtungen gemacht waren? Ja, es war f�r sie. Obenan hatte Pehlke Platz genommen. Er las aus seinem Notizbuch den Namen vor und sagte dazu, wieviel Tage jeder in der Forst gearbeitet hatte. Dann sagte der junge Herr: Das macht so und so viel und zahlte dem Vorgerufenen die Summe in blanken Silberst�cken auf den Tisch. Und als sie alle ihren Lohn in der Tasche hatten, erhob sich Pehlke:

„Kinder, unser junger Herr will heute das Erntefest mit euch feiern. Ihr wißt alle, weshalb das im Herbst nicht m�glich war. Das sollen wir heute nachholen. Nu setzt euch mal hier ran. Es wird was zu essen und auch zu trinken geben. Aber eins sage ich euch: Ein Hundsfott, wer sich bes�uft! Wer genug hat, der geht nach Hause.“

Es ist dem einfachen Menschen gemeinhin nicht gegeben, seinen Gef�hlen und Empfindungen in wohlgesetzten Worten Ausdruck zu geben. Aber dann pflegen die Augen zu sprechen, wenn auch der Mund stumm bleibt. Und w�re Karl so klug und welterfahren gewesen, wie er es nicht war, dann h�tte er die Sache nicht besser anstellen k�nnen. Ebensogut h�tte er im großen Gesindezimmer die Leute bewirten k�nnen. Aber es war ihm, als wenn er damit die Leute herabgesetzt h�tte, die treu den ganzen Winter �ber bei ihm geschafft hatten.

Und man glaube nur nicht, daß die einfachen Menschen es nicht empfanden, was es bedeutete, im Wohnzimmer der Herrschaft mit dem Herrn an einem festlichen Tische zu sitzen. Anfangs bedr�ckte sie das Ungewohnte. Nur allm�hlich l�ste die Festfreude ihre Zungen. Der da mitten unter ihnen saß, hatte nicht als Aufseher vor ihnen gestanden und ihre Arbeit �berwacht. Nein, mitten zwischen ihnen hatte er den Wuchtbaum mit der Schulter gehoben, hatte mittags genau so wie sie aus der Lischke das St�ck Speck und Grobbrot genommen und den Kornus aus dem H�rnchen getrunken, das bei ihnen reihum ging.

In vorger�ckter Stunde hatte Pehlke den Gef�hlen, die sie alle beseelten, in etwas ungelenker Rede Ausdruck gegeben. Rauh waren die Worte, aber sie kamen aus treuem Herzen, und w�ren es nicht arme, niedrig geborene Masuren im fernen Osten gewesen, dann h�tte man beinahe an eine Tafelrunde edler Ritter denken k�nnen, die sich in die Hand ihres F�rsten auf Leben und Tod zusammenschw�ren. Das Geld, das sie empfangen hatten, machte es nicht, auch nicht die festliche Bewirtung, die ihnen zuteil geworden war. Es war das Gef�hl der Zusammengeh�rigkeit, das sich langsam, aber fest in ihnen aufgebaut hatte Und das sprach Pehlke auch aus, als die anderen gegangen waren.

„Junger Herr, mir ist jetzt nicht bange. Wir sind zwar mit der Fr�hjahrsbestellung noch etwas zur�ck, aber das holen wir ein, lieber Karl. Wir schaffen mindestens das Doppelte wie auf anderen G�tern. Da ist nicht einer, der versagen wird. Aber eins m�chte ich noch sagen. Wenn Gelegenheit ist, dann traktier' mal die Weiber ordentlich mit Honigschnaps. Daf�r k�nnen wir sie in der Heuaust doppelt anspannen. Gut' Nacht, junger Herr!“

Der alte Pehlke hatte recht gehabt. Die Fr�hjahrsbestellung ging so flott vor sich, daß Karl sogar den Ohm Zenth�fer, der doch als der beste Landwirt im ganzen Kreise bekannt war, �berholte. Der alte Herr konnte sich nicht genug dar�ber wundern. Er war auch ein guter Herr, der seinen Leuten nicht �berlast tat, aber einen solchen Feuereifer beim Arbeiten, wie ihn Karls Instleute und Knechte entfalteten, hatte er noch nicht beobachtet. Und das machte ihm Freude. Er war mehrmals mit Karl �bers Feld gegangen, weil er im geheimen f�rchtete, sein Sch�tzling h�tte sich mit seinen Arbeitern, wie man so zu sagen pflegt, „zu gemein gemacht“. Aber seine Besorgnis war unbegr�ndet. Karl reichte zwar jedem Arbeiter, den er antraf, die Hand, aber wie er zu ihnen sprach, das war kein Bitten, sondern ein kurzes, bestimmtes Befehlen, wenn auch in der h�flichsten Form.

„Junge“, sagte er, als sie beide heimw�rts schritten, „dich hat der liebe Gott davor bewahrt, einen falschen Beruf zu ergreifen. Du bist der geborene Landwirt.“

Karl wehrte bescheiden ab. „Ach nein, Onkel, ich weiß am besten, was ich noch zu lernen habe. Wenn ich den alten Pehlke nicht h�tte, w�re ich aufgeschrieben. Ich weiß ja noch nicht, weshalb auf diesem Schlag Weizen und auf jenem Roggen stehen muß.“

„Na, laß man gut sein. Das wirst du ja so allm�hlich rauskriegen. Bis dahin wird ja der alte Pehlke vorhalten. Nun, mein Junge, denke ich, ist es Zeit, daß ich dich m�ndig sprechen lasse. Ich sehe wenigstens kein Hindernis. Wenn die Ernte einigermaßen ausf�llt, bezahlst du am 1. Oktober deine Zinsen und st�ßt ein St�ck Schulden ab. Den Winter �ber verdienst du das Geld f�r die Aprilzinsen. Na, und in acht bis zehn Jahren wirst du wohl auch die beiden letzten Hypotheken abgel�st haben.“

Ohm Zenth�fer hatte so gesprochen, wie es die meisten Landwirte gew�hnt sind, die im starken Gottvertrauen jedes Jahr darauf hoffen, daß der liebe Gott ihnen die v�llige Ernte zuwachsen l�ßt. Aber manchmal kommt es auch anders. Manchmal scheint es, als ob der alte Petrus etwas altersschwach geworden und nicht mehr imstande ist, jedem Landstrich so viel Regen und Sonnenschein zu geben, als er braucht. Kein Beruf ist ja so sehr auf die Gnade des Himmels angewiesen wie der des Landwirts. Da hilft kein Fleiß, keine Einsicht, keine Sorgfalt: das Wachsen und Gedeihen steht in der Gewalt eines H�heren, auf den die W�nsche und Hoffnungen des Menschen keinen Einfluß haben.

So war es auch in diesem Jahre. Bereits im M�rz hatte die Sonne und ein eifriger S�dwest allen Schnee weggezehrt, dann kamen starke Nachtfr�ste, die den weichen Boden zerrissen und die zarte Pflanze emporheben, daß ihre Wurzeln im Erdreich abrissen. In den Talsenken bildeten sich Teiche, die wochenlang auf der Saat standen.

Dann, im April, �ffnete der Himmel seine Schleusen, und es war, als wollten sie sich nimmer ersch�pfen und leeren. Da schwand unter dem Wasser die Wintersaat. Große Fl�chen lagen im Mai da, als w�ren sie nie von Menschenhand bestellt worden, und der Lenz, der holde Knabe, wie es so sch�n in Gedichtb�chern heißt, hatte noch heftig mit den Launen des griesgr�migen Alten, des Winters zu k�mpfen. Nach sch�nen warmen Tagen setzte der Wind um nach Nordosten, und von den eisigen Gefilden Rußlands kam ein kalter Hauch, der Schneest�rme mit sich f�hrte, so daß man drei, vier Tage die Schlitten vorholen mußte.

Es war zum Verzweifeln. Noch im Juni kamen Nachtfr�ste. Das ist in Ostpreußen nichts Ungew�hnliches. Aber in diesem Jahre war eine große Hitze, die acht Tage andauerte, vorhergegangen und hatte alle Pflanzen wie im Treibhause emporgetrieben. Der Roggen reckte schon seine �hren hinaus, und am anderen Morgen sah das Feld aus, als wenn ein W�rgengel dar�ber hinweggefahren w�re.

Karl wußte ganz genau, was ihm bevorstand. Er hatte alle Stellen, die das Wasser ausgelaugt, mit Sommergetreide bestellt. Aber gegen die Nachtfr�ste im Juni war er machtlos. Auch nach einer anderen Richtung hatte er Pech. In dem regelm�ßigen Wechsel der Felder waren die Kartoffeln auf schweren Boden gekommen. Er hatte sich zwar dagegen gestr�ubt und lange mit dem alten Pehlke verhandelt, ob man nicht entgegen allen landwirtschaftlichen Grunds�tzen die Kartoffeln auch in diesem Jahre auf Sandboden, der ein Viertel seines Gutes ausmachte, setzen k�nnte. Aber Pehlke war standhaft geblieben. Er hatte das Schema der Bestellung von seinem Herrn �bernommen und erachtete es fast f�r einen Frevel, die bew�hrte Fruchtfolge anzutasten. Karl empfand es schmerzlich, daß er nicht imstande war, gegen Pehlkes Anordnungen einen Einspruch zu erheben. Er hatte es im Gef�hl gehabt, daß die Kartoffeln in diesem Jahr auf schwerem Boden mißraten m�ßten. Aber um den Bewirtschaftungsplan umzustoßen, dazu h�tte er eine Erfahrung haben m�ssen wie etwa sein Ohm Zenth�fer, den er leider bei dieser Frage nicht um Rat angegangen war.

Es waren b�se Wochen, die Karl im Juni verlebte. Er mußte sich sagen, daß ein schweres Jahr f�r den Landwirt angebrochen war. Alte Besitzer, die einen Geldsack hinter sich hatten, mußten und konnten sich auf diese Eventualit�t gefaßt machen. Aber wie sollte er den Herbsttermin �berstehen? Er w�rde wahrscheinlich froh sein, wenn er so viel Getreide baute, um seine Leute und sein Vieh den Winter �ber zu ern�hren. Noch nie war ihm die Gef�hrlichkeit seines Berufes so sehr zum Bewußtsein gekommen. Er hatte ja der „Schweinerei“ auf seinem Gute m�chtig aufgeholfen. Mindestens 30 Faselschweine waren im Herbst zum Verkauf reif. Aber damit allein konnte er seine Verpflichtungen nicht bestreiten.

Mit der Zeit war ein gewisser Fatalismus bei Karl ausgebrochen. Er sagte sich, daß niemand besser wirtschaften k�nnte wie er... Wenn der Erfolg dem nicht entspr�che, dann w�re eben sein Kampf um die Schelle zu Ende. Eines Tages, als er eben zu Mittag nach Hause gekommen war und mit einer Schale dicker Milch nebst den dazu geh�rigen Pellkartoffeln seinen Hunger stillte, klapperte ein Fuhrwerk auf dem Steinpflaster des Hofes. Er sprang hinaus, um den Gast zu empfangen: Es war Herr Hirschberg aus Lyck.

„Guten Tag, Herr Miska. Erlauben Sie, daß ich bei Ihnen Rast mache? Ich habe heute schon einen langen Weg hinter mir. Darf ich bei Euch f�r mein Pferd um einen Armvoll Heu und f�r mich um ein Glas Wasser bitten?“

Die Pferde hatten nicht nur einen Armvoll Heu, sondern auch eine Krippe voll Hafer gefunden, und Herr Hirschberg, der streng nach den Vorschriften seiner Religion lebte, hatte sich mit zwei Eiern und etwas K�se ges�ttigt. Dann hatte Herr Hirschberg seine Zigarrentasche gezogen und Karl eine Zigarre angeboten, die nach seiner Aussage unter Br�dern 20 Pfennig kostete.

Karl hatte lachend den Kopf gesch�ttelt. „Herr Hirschberg, ich habe als Gymnasiast, wo einem das Rauchen wegen des Verbotes noch Spaß machte, nicht geraucht: jetzt k�nnte ich es ja, aber ich habe es noch nicht probiert, und es ist wohl besser, wenn ich auch der verlockenden Form einer „echten“ standhalte.“

„Wie Sie wollen, mein lieber Freund. Ich h�tte Ihnen gern eine Kiste Manuel Garcia mit Siegfried rausgeschickt, und damit komme ich ja auf den Zweck meines Besuches: Mein Siegfried tr�umt von nichts, als von einem mehrw�chigen Aufenthalt bei Ihnen. Nu m�ssen Sie sich das doch mal vorstellen. Sie sind nicht �lter wie mein Siegfried, und Sie leben hier als Junggeselle auf Ihrem Gute. Da k�nnte ein junger Mensch vielleicht schlechte Dinge lernen. Aber das glaube ich nicht. Sonst m�chte ich nicht mit Ihnen dar�ber sprechen. Also wollen Sie den Siegfried auf vier Wochen bei sich aufnehmen?“

„Herr Hirschberg, wir wollen offen dar�ber sprechen. Im Winter hatte meine alte Josepha `ne Gans, auch ein paar Enten abgew�rgt, dann schossen wir auf der Treibjagt einige Hasen. Es war also was zum Essen da. Wenn Ihr Sohn jetzt kommt, dann ist nichts davon vorhanden. Das Sonntagsgericht f�r mich ist ein St�ck Schinken in Schmand gebraten, und im �brigen n�hre ich mich von Milch und Grobbrot“

„Gut, lieber Freund! Das soll ein Wort sein. Mein Siegfried ißt in der Stadt so viel Delikatessen, daß ihm die R�ckkehr zu einer ganz einfachen Kost sehr dienlich sein wird. Also, wenn ich Sie nochmals darum bitten darf, dann stelle ich die Bedingung, daß mein Sohn auch nicht im geringsten von der Nahrung abweichen darf, die Sie sich t�glich erlauben. Wer so gesund und frisch dabei aussieht, der kann auf andere als Vorbild wirken.“

„Herr Hirschberg, Sie k�nnen sich wohl denken, welche Freude es mir machen wird, einen Schulkameraden wochenlang bei mir zu haben. Jetzt bitte ich Sie darum, daß Sie mir meinen lieben Freund Siegfried f�r den Juli herschicken. Die alte Josepha kann ja ab und zu unter den G�nsen und Enten ein kleines Blutbad anrichten.“

„Das will ich nicht. Das Einfache Ihres Lebens soll ja gerade f�r meinen Jungen wie Medizin wirken. Sind wir jetzt einig, mein junger Freund? Dann m�chte ich zu Ihnen noch �ber etwas anderes sprechen. Sagen Sie mal, wie wird es in diesem Herbst mit Ihrer Ernte werden?“

„Herr Hirschberg, rund herausgesagt: …Es wird gar nichts werden. Wenn ich, was ich auf dem Halm habe, einigermaßen trocken hereinbringe, dann wird es gerade hinreichen, meine Instleute und mein Vieh bis zur n�chsten Ernte durchzuf�ttern, aber zum Verkaufen auch nicht einen einzigen Zentner.“

„Hm, hm, Sie sprechen ein großes Wort gelassen aus, junger Mann! Ist denn Ihre Wirtschaft ganz allein auf die Halmfrucht angewiesen?“

„Nein, Herr Hirschberg, ich habe Gott sei Dank auch etwas f�r das Vieh tun k�nnen, aber das kann in diesem Jahr noch nicht zum Ausdruck kommen.“

„Sie weichen mir aus, lieber Freund! Ich m�chte wissen, was Sie in diesem Herbst m�glicherweise f�r Vieh einnehmen k�nnten?“

„Herr Hirschberg, das ist nicht der Rede wert; wenn's Gl�ck gut ist, vier- oder f�nfhundert Mark.“

„Und wieviel haben Sie zu bezahlen?“

„Mindestens das Vierfache.“

„Haben Sie sich schon irgend einen Plan oder einen Gedanken dar�ber gemacht, wie Sie sich das Geld beschaffen werden?“

„Nein, Herr Hirschberg. Nur einen Gedanken habe ich mir durch den Kopf gehen lassen: daß es aus ist, daß ich t�richt gehandelt habe, den Kampf aufzunehmen. Ich habe in den letzten Monaten wieder �ber meinen B�chern gesessen und glaube mindestens ebenso weit zu sein wie die Primaner, die mit mir zu gleicher Zeit versetzt wurden. Wenn ich jetzt auf die Schule zur�ckgehen k�nnte, dann h�tte ich nur noch ein Jahr, wie Ihr Siegfried, bis zum Abiturium“

„Papperlapapp! Schabbern Sie nicht, lieber Freund... Entschuldigen Sie das harte Wort... Alle Hochachtung. Ich will nichts dawider sagen, daß Sie gelernt haben, anstatt zu schlafen, wo Ihr junger K�rper das doch wohl verlangt hat. Doch davon kann gar keine Rede sein. Sie hat der liebe Gott jetzt vor eine Aufgabe gestellt, und Sie m�ssen diese Aufgabe durchf�hren. Jetzt m�chte ich Sie fragen: Ist das wahr, haben Sie Ihr Gut neu bonitieren lassen?“

„Ja, Herr Hirschberg.“

„Haben Sie die Papiere dar�ber?“

Karl ging zum Schrank, schloß auf und holte ein Aktenb�ndel hervor. „Hier, das ist die neue Sch�tzung.“

Herr Hirschberg setzte sich seinen Klemmer auf und studierte mindestens eine Viertelstunde lang das Aktenst�ck. Dann nahm er sein Augenglas ab, steckte es in die Tasche und sah Karl an.

„Die Bonitierung ist gl�nzend. Danach kann Ihr Gut noch mindestens sechs- bis siebentausend Mark Hypotheken tragen. Es ist nicht n�tig, daß Sie die ganze Summe aufnehmen. Es ist nur n�tig, daß Sie so viel Geld in die Hand bekommen, wie Sie brauchen, um den Oktobertermin zu �berstehen. Ich nehme an, daß Sie den Winter �ber so viel verdienen werden wie in diesem Jahr. Mein Freund Lehmann hat mir davon erz�hlt, also spreche ich wie ein Wissender. Also, Ihnen gesagt, ich gebe noch eine Hypothek von 3000 Mark“

„Herr Hirschberg, ich danke Ihnen vieltausendmal f�r das freundliche Anerbieten, aber ich kann es nicht annehmen. Kommt noch ein Jahr wie dieses, dann hilft mir kein Gott. Dann gehe ich mit dem weißen Stab aus dem Erbe meiner V�ter.“

„Das meinen Sie, junger Mann. Was denken Sie sich eigentlich? Meinen Sie, ich werfe mein Geld weg an Leute, die vor der Subhastation stehen? O nein! Sie werden vielleicht sp�ter verstehen, was ich Ihnen jetzt sage: Was ich verdiene, was ich schaffe, das tue ich als der Sachwalter meiner Kinder, denen ich einmal Rechenschaft schuldig bin �ber jeden Pfennig, den ich verschleudert habe. Und wenn ich Ihnen heute dieses Anerbieten mache, dann weiß ich auch, daß ich die Verantwortung daf�r trage. Also nehmen Sie an, Ihr Gut hat noch eine Hilfsquelle, die Sie bisher noch nicht entdeckt haben. Und wenn ich auch zur letzten Hypothek stehe, ich werde immer rauskommen.“

„Herr Hirschberg, Sie k�nnen meine Besitzung billiger haben, wenn Sie mir das Geld nicht geben und noch ein paar Monate warten.“

„O pfui, lieber Herr Miska! Das m�chte ich mir doch verbitten! Ich habe nicht den Ehrgeiz, mir einen Landsitz hier zu kaufen. Das h�tte ich auf anderen Stellen schon mehrmals tun k�nnen und mit mehr Erfolg. Auf die 400 Morgen, die Sie besitzen, verleckere ich mich wirklich nicht. Aber ich wiederhole nochmals: Ihr Gut hat eine Reserve, die Sie noch nicht kennen.“

„Herr Hirschberg, Sie meinen vielleicht meinen Wald? Da sind Sie im Irrtum. Die starken Eichen und die alten Kiefern hat mein Vater alle rausgeholt. Da sind nur noch Tannen, allerdings sch�ne, große, alte Tannen. Das Holz hat leider keinen Wert hier. Ich bin mit meinem Freunde Fritz Lehmann bei der Treibjagd durchgegangen, und der hat gesagt, ein paartausend Mark stecken da schon drin, aber die wird dir niemand geben, denn so billig wie in der K�niglichen Forst kann kein Mensch das Holz verkaufen.“

„Lieber junger Freund, ich habe meine Gr�nde daf�r, Ihnen noch nicht zu sagen, was ich denke. Sie m�ssen mir schon das Zutrauen schenken, daß ich das Gef�hl der Verantwortlichkeit habe f�r Gelder, die ich in anscheinend aussichtslose Spekulationen stecke. Ich sage Ihnen noch einmal: Ihr Gut hat mit den 60 Morgen Wald eine starke Reserve, und �ber deren Ausnutzung werden wir sprechen, wenn es Zeit ist.“

6.

Zu den Sommerferien war Siegfried gekommen, ein harmlos-gutm�tiger Mensch, der von der gesch�ftlichen T�chtigkeit seines Vaters nicht eine Spur geerbt hatte. Er lebte nur f�r seine B�cher und freute sich bereits auf die Zeit, wenn er auf die Universit�t kommen w�rde, um Medizin zu studieren. Der Ehrgeiz seiner Rasse war auch in ihm lebendig. Er wollte furchtbar fleißig sein und alles lernen, was die Wissenschaft ihm bieten konnte. Mit seinem harmlosen Geplauder machte er Karl das Herz schwer. Denn er weckte in ihm die Gedankenreihen, die er selbst einst gehegt...

Der Sommer vollendete, was die Nachtfr�ste im Fr�hjahr begonnen hatten. Es verging selten ein Tag, an dem es nicht stark regnete. Die Kartoffeln faulten bereits in der Erde, das Getreide lagerte, obwohl es nicht allzu dicht stand, und wurde durch immer neue Regeng�sse f�rmlich an den Erdboden gepreßt. Was noch aufrecht stand, konnte nicht reifen, denn es fehlte die W�rme.

Das schlechte Wetter fesselte die beiden Freunde viel ans Haus. Aber sie hatten keine Langweile. Denn Karl war auf den Gedanken gekommen, sich von Siegfried examinieren zu lassen. Im großen und ganzen hatte er ganz recht gehabt, als er sagte, er w�re durch sein Selbststudium so weit gekommen wie die Schulkameraden, die mit ihm zugleich nach Prima versetzt worden waren.

Hier und dort ergaben sich in seinen Kenntnissen L�cken, die sofort ausgef�llt werden sollten. So saßen denn die beiden J�nglinge stundenlang �ber den B�chern, Siegfried lehrend, und Karl als der eifrigste Sch�ler, den man sich denken kann.

Dieser Eifer entsprach der Stimmung, unter der Karl schon seit Monaten stand. Er wußte ja, daß er durch Siegfrieds Vater �ber den Herbsttermin und durch die Holzr�ckerei im Winter auch bis in den n�chsten Sommer durchkommen w�rde. Aber er sah jetzt weiter und tiefer in seine Lage. Wenn er mit dem Gelde, das Herr Hirschberg ihm geben wollte, auch einen Teil der Schulden bezahlte, so ging doch ein gutes St�ck davon nur durch Zinsen drauf, und die Tatsache ließ sich nicht aus der Welt schaffen, daß er eine neue Schuld zu den alten hinzugef�gt hatte. Er hatte eine neue Belastung seiner Besitzung vorgenommen, die doch auch verzinst werden mußte. Manchmal tr�stete ihn der Gedanke, daß ein so kluger Gesch�ftsmann wie Hirschberg ihm das Geld nicht angeboten haben w�rde, wenn er es f�r gef�hrdet hielt. Er h�tte es gern vermieden, die Hilfe anzunehmen. Aber es ging nicht anders. Die Ernte war total mißraten, sie war auch schlecht unter Dach und Fach gekommen. Der Roggen war auf den Hocken ausgewachsen, der Weizen wurde auf dem Halm �berreif, bekam dann, als er gem�ht war, einige Tage starke Hitze und streute so furchtbar, daß die dreifache Saat auf dem Felde liegen blieb. Mit einem Wort, Karl erntete nicht so viel, daß er seine Leute und sein Vieh den Winter �ber durchhalten konnte.

Ganz offen hatte er diese Dinge Herrn Hirschberg auseinandergesetzt, als er einige Tage vor dem ersten Oktober mit schwerem Herzen zu ihm fuhr. Der alte Herr hatte ihm aber Troß zugesprochen und ihm das Geld gegeben. Dann war Karl nach L�tzen gefahren, hatte von Lehmann wieder die Holzr�ckerei erhalten und noch mehr wie im vorigen Jahr, so daß er sich noch drei Gespann Pferde kaufen und einige Arbeitsleute annehmen mußte.

Der n�chste Winter verging wie der vorige in schwerer Arbeit, aber Karl fehlte dabei die Freudigkeit, die ihn im vorigen Jahre beseelt hatte. Er hatte auch alle Ursache, tr�be in die Zukunft zu blicken. Die Wintersaat war sp�t in die Erde gekommen und sehr schwach eingegr�nt. Wenn das Fr�hjahr nicht ganz g�nstiges Wetter brachte, dann stand auch f�r das n�chste Jahr eine ziemlich schlechte Ernte in Aussicht. Und dann? Immer h�ufiger hatte Karl mit dem Gedanken zu k�mpfen, ob es nicht besser w�re, das Ringen als aussichtslos aufzugeben. Wenn er diesen Entschluß nicht ausf�hrte, so geschah es nur aus dem einen Grunde: er hatte wenigstens vorl�ufig noch ein Heim und konnte bis zum n�chsten Herbst in seinem Selbststudium es so weit bringen, daß er sich zum Examen meldete. Dann w�rde Ohm Zenth�fer oder vielleicht auch Herr Hirschberg ihm mit einer Kleinigkeit unter die Arme greifen, daß er sein Studium beginnen konnte. Daß er es durchsetzen w�rde, darum war ihm gar nicht bange. Die gute, alte Albertina in K�nigsberg ist mit Stipendien und Freitisch f�r Theologen sehr freigebig, und wer ein bißchen fleißig ist und ein gutes Semestrale ablegt, kann als Theologe ohne Sorge sein Studium absolvieren. Eine Bedingung war allerdings dabei: Herr Hirschberg mußte seine Einwilligung dazu geben. Das Gut durfte nicht zur Zwangsversteigerung kommen, weil sein Wohlt�ter dabei sicherlich ausfallen w�rde.

Als dieser Gedanke allm�hlich feste Gestalt in ihm annahm, ging er mit der Energie, die er bisher bet�tigt hatte, an die Ausf�hrung. Er ließ die Leute �fter allein in den Wald fahren und saß w�hrenddessen zu Hause bei seinen B�chern. Einmal ging er zu Ohm Zenth�fer mit dem festen Entschluß, ihm seine Zukunftspl�ne zu erz�hlen. Aber er kam nicht dazu. Der alte Freund merkte wohl, worauf es hinausging, als Karl sein Klagelied begann und von seinen tr�ben Aussichten sprach.

Der alte Herr wurde ordentlich grob.

„Du bist wohl kleinm�tig geworden? Du willst die Flinte ins Korn werfen? Das habe ich nicht von dir erwartet. Du meinst, es geht dir zu langsam. Na, hast du denn gedacht, daß du in zwei bis drei Jahren alle Schulden bezahlen und noch wom�glich Geld auf die hohe Kante legen wirst? So viel Einsicht hast du doch schon besessen, als du den Kampf aufnahmst, daß ein weiter m�hseliger Weg vor dir liegt.“

„Nein, Ohmchen! Jetzt �bersehe ich erst, was noch vor mir liegt. Wenn ich damals diese Einsicht besessen h�tte, dann h�tte ich wahrscheinlich den Kampf nicht aufgenommen.“

„Ach, red' doch nicht so `n dummes Zeug. Ich begreife dich nicht. Damals hattest du keine Ahnung von der Wirtschaft, wußtest nicht, wie du �ber den n�chsten Winter r�berkommen w�rdest und hast dich doch in die Sielen gelegt. Jetzt hast du schon etwas von der Wirtschaft gelernt, hast die vorz�gliche Verbindung mit Lehmann, die dir in jedem Winter einen guten Verdienst sichert, und jetzt kommst du her und siehst aus wie ein alter Waschlappen. Sollst dich was sch�men, du Lorbaß! Ist das der Kampf um die Scholle deiner V�ter? Mart` doch erst ab, was das n�chste Jahr bringen wird. Oder hast du keine Liebe f�r deinen Beruf, hast du keine Freude an der Landwirtschaft?“

„O doch, Onkel. Ich hatte mich in den Gedanken hineingelebt, Pfarrer zu werden. Aber ebenso gern bin ich Landwirt.“

Karl sagte mit diesen Worten nur die Wahrheit. Er war wirklich mit Leib und Seele Landwirt. Jeder Halm, der aussprießt, bereitete ihm Freude, auf jedes St�ck Jungvieh, das er heranzog, war er stolz. Er �bersah den ganzen Betrieb und hatte so viel Erfahrung gesammelt, daß er auch ohne Pehlkes Hilfe die Wirtschaft h�tte leiten k�nnen. Nicht allzu viel, aber immerhin etwas hatte er sich mit den B�chern besch�ftigt, die er in der fachwissenschaftlichen Bibliothek seines Vaters gefunden hatte. Kurzum, er war auf dem besten Wege, ein t�chtiger Landwirt zu werden.

Der Zuspruch des alten Freundes hatte Karl wenig gen�tzt. Nur ein Wort war ihm im Ged�chtnis geblieben, das von dem „Schnell-reich-werden“. Er begann dar�ber nachzugr�beln. Sollte es nicht irgend ein Mittel geben, gr�ßere Ertr�ge aus seiner Wirtschaft herauszuholen? Freilich, auf kostspielige Experimente, die ein großes Anlagekapital erforderten, konnte er sich nicht einlassen. Sein Lehmboden h�tte ihm zum Beispiel die M�glichkeit gegeben, eine große Ziegelei anzulegen.

Aber dazu geh�rte ein Kapital von mehreren tausend Talern und eine Summe von technischen und gesch�ftlichen Erfahrungen, �ber die er nicht verf�gte. Solche Ideen mußte er also als undurchf�hrbar im ersten Keim ersticken.

Bei diesem Gr�beln war er nahe daran, ein Tr�umer zu werden. Er wanderte �ber das Feld, ohne etwas zu sehen, denn sein Kopf baute Luftschl�sser. Mitunter kamen ihm auch ganz phantastische Gedanke. Wenn er sich ein Lotterielos kaufte und das Gl�ck hatte, einen großen Gewinn zu tun... oder wenn er einen Schatz finden k�nnte… Er entsann sich aus seiner Kindheit, daß die Leute in der Gesindestube von Sch�tzen gemunkelt hatten, die von den Franzosen bei ihrem eiligen R�ckzug aus Rußland vergraben sein sollten.

Eines Tages, als er wieder einmal in tiefen Gedanken �ber sein Feld wanderte, kam er an dem kleinen Kirchhof vorbei, der seiner Familie geh�rte. Da lagen dicht beieinander die Gr�ber derjenigen, die vor ihm den Namen Miska gef�hrt und zu Ehren gebracht hatten. Auf der niedrigen Steinmauer, die den Raum einhegte, saß ein alter Mann, beide Arme auf den Kr�ckstock gest�tzt, und starrte mit seinen tr�ben Augen stumpfsinnig vor sich hin. Karl kannte ihn sehr gut. Das war der Ortsarme Dolinga, ein gebrechlicher Greis, hoch in den Siebzigern. Es war ein jammervolles Dasein, was der Alte f�hrte. Frau und Kinder waren vor ihm gestorben. Seitdem pilgerte er ganz allein durch die Welt. Ein kr�nkliches Weib, beinahe ebenso alt wie er, mit dem er im Armenhaus zusammen wohnte, wusch ihm ab und zu sein Hemd und setzte auf die Lumpen, die er tagaus, tagein, jahraus, jahrein trug, hin und wieder einen Flick. Das Mittagessen erhielt er reihum bei den Bewohnern des Dorfes, die ihm f�r das Abendbrot und das Fr�hst�ck noch ein St�ck Schwarzbrot mitzugeben pflegten. Fr�her hatte der Alte mit Korbflechten und Besenbinden noch ein paar Groschen verdient, aber schon seit Jahren war auch diese kleine Einnahmequelle versiegt, denn seinen H�nden fehlte die Kraft und seinen Augen das Licht, um auch diese leichte Arbeit zu verrichten. Es war eigentlich wunderbar, was den gebrechlichen Alten mit seinem siechen K�rper noch aufrechterhielt. Vielleicht war es die fixe Idee, die ihn nun schon seit Jahrzehnten nicht zur Ruhe kommen ließ. Fr�her hatten die Menschen �ber ihn gelacht, wenn er damit prahlte, er w�rde noch einmal einen großen Schatz heben und so reich werden, daß er alle Bauern des Dorfes auskaufen k�nnte. Aber schon seit langer Zeit zuckten sie nur mitleidig die Schultern und klopften bedeutungsvoll mit dem Finger an die Stirn, wenn der alte Dolinga an ihnen vor�berschlich nach dem Kirchhofe, auf dem er t�glich viele Stunden zubrachte. Auch Karl hielt ihn f�r einen harmlosen Irrsinnigen, vermied es aber, ihm zu begegnen. Denn der Anblick weckte in ihm stets die Erinnerung an das Schicksal des Vaters. Sicherlich w�re er auch heute im großen Bogen um den Kirchhof herumgegangen, wenn er nicht in so tiefen Gedanken gewesen w�re.

Mit einem kurzen Kopfnicken wollte er vor�bergehen. Doch der Alte humpelte ihm nach und ergriff seinen Rock�rmel, um ihn zu k�ssen. Unwillk�rlich blieb Karl stehen.

„Was willst du, Alter? Hast du irgend einen Wunsch?“

„Ach Gott, guter, gn�diger, junger Herr, wenn Sie doch bloß ein bißchen mit mir sprechen m�chten, bloß ein bißchen zuh�ren, ich m�chte Ihnen was erz�hlen.“

Dem jungen Manne wurde es unheimlich. Er murmelte etwas von: „Keine Zeit“, doch der Alte ließ ihn nicht los.

„Junger Herr Wohlt�ter, h�ren Sie mich man schon ein bißchen an. Ich weiß, Sie glauben, ich bin verr�ckt, aber das schabbern die Menschen bloß so im Dorfe. Ich weiß sehr gut, was ich will, und ich bin immer bei Verstand gewesen. Aber der liebe Gott hat mir das Ungl�ck gegeben, daß mir keiner glauben will.“

Karl nickte. Es war genau die Form, unter der sein Vater erkrankt war. Auch der Alte war anscheinend ganz vern�nftig bis auf den einen Punkt, wo die Wahnvorstellung einsetzte. Aber mochte er doch erz�hlen. Wer weiß, ob nicht doch etwas Tats�chliches daran war? Und Dolinga erz�hlte.

Sein Vater war in Gonsken geboren und aufgewachsen. Eines Abends — es war in der Zeit, als die ersten fl�chtigen Scharen der Franzosen aus Rußland zur�ckzukehren begannen, wurde an das Fenster der Chalupe geklopft, in der Dolingas Vater und noch eine Familie wohnte. In jeder Familie war noch ein Scharwerker. Alle vier M�nner mußten ihre Spaten nehmen und mit dem Trupp Franzosen, der das Haus umzingelt hatte, auf den Kirchhof gehen. Dort stand bereits ein einfacher, schmuckloser Sarg, f�r den sie die Grube schaufeln sollten. Als sie das getan, wollten die M�nner sich entfernen. Sie waren aber im Irrtum. Die Franzosen schleppten sie mit bis zum n�chsten Depot. Dort wurden sie, wahrscheinlich damit ihre Anwesenheit unter der Truppe nicht auffiele, in Uniform gesteckt, erhielten eine Muskete und mußten mitmarschieren. Schon nach wenigen Tagen versuchte einer von ihnen zu desertieren. Er wurde aufgegriffen und kurzerhand erschossen. Die anderen machten keinen Versuch mehr, zu entfliehen. So hatten denn die drei Masuren in der franz�sischen Armee den ganzen Befreiungskrieg mitgemacht, und schließlich war von ihnen nur Dolingas Vater �briggeblieben. Die beiden anderen waren in einer Schlacht gefallen. Bei einem Gefecht auf franz�sischem Boden wurde auch er verwundet. Als er nach langer Krankheit siech und matt aus dem Lazarett entlassen wurde, bettelte er sich mit M�he ins Rheinland durch. Dort erhielt er Arbeit und heiratete schließlich. Aber die Liebe und Sehnsucht zur Heimat ließ ihm keine Ruhe, und eines Tages machte er sich mit Weib und Kindern auf, um dorthin zu pilgern. Aber seine Kr�fte reichten nicht so weit. Er starb unterwegs, doch schon auf ostpreußischem Boden. Seine Frau bettelte sich mit den beiden Kindern, von denen das �lteste sieben Jahre alt war, bis nach dem Heimatsort ihres Mannes, nach Gonsken, durch. Als sie nach wenigen Jahren starb, vertraute sie ihrem �ltesten Jungen, der gerade eingesegnet war, das Geheimnis des Grabes an.

Lange Jahre hatte es in dem Knaben geschlummert. Dann begann es in ihm lebendig zu werden. Nun war aber die Frage, auf welchem Kirchhofe der Vorfall sich zugetragen hatte, ob auf dem Kirchhofe des Dorfes oder auf dem Miskaschen. Schließlich hatte sich in dem Manne die �berzeugung festgesetzt, daß nur der Miskasche Kirchhof in Betracht kommen k�nnte. Der Vater h�tte ja den Plan ohne Zweifel wiedergefunden, aber die Angaben, die er hinterlassen hatte, waren recht ungenau. Aber davon sagte der Alte nichts. Er behauptete mit großer Bestimmtheit, er w�ßte ganz genau, daß es nur das eingesunkene Grab sein k�nnte, das aus dem w�sten Teil des Kirchhofes lag, auf dem seit Menschengedenken niemand begraben worden war.

Auf Karl hatte die Erz�hlung des Alten einen ganz gewaltigen Eindruck gemacht. Denn sie gab den Tr�umen und geheimen Hoffnungen, die er in seinem Innern gen�hrt hatte, eine feste Richtung. Der Alte behauptete so steif und fest, daß nach Ansicht des Vaters in dem Sarge kein Toter gelegen haben k�nnte, denn er sei ganz unglaublich schwer gewesen. Es fiel ihm nicht ein, alle die Unwahrscheinlichkeiten zu pr�fen, die der Geschichte anhafteten. Nur eins war ihm aufgefallen: daß der Alte nicht schon fr�her unter der leichtgl�ubigen Bev�lkerung ein paar Helfershelfer gefunden hatte, die sich bereit erkl�rten, mit ihm in finsterer Nacht den Schatz zu heben. Doch dies Bedenken wußte Dolinga leicht zu zerstreuen. Die dummen Kerle waren alle so abergl�ubisch gewesen. Wenn sie wirklich das Grab aufgruben und die �berreste eines Toten darin fanden, dann zogen sie sich die Rache des Geistes zu, dessen Ruhe sie gest�rt hatten.

Das klang einleuchtend. Weshalb aber hatte der Alte sich ihm offenbart und nicht dem Vater? Auch diese Frage wußte Dolinga gen�gend zu beantworten. Er hatte Karls Vater mehrmals in den Ohren gelegen, das Grab zu �ffnen. Aber der hatte ihn ausgelacht und ihm schließlich eine Tracht Pr�gel versprochen, wenn er ihn nochmals mit der dummen Geschichte behelligen w�rde. Der Alte spielte dabei ganz offen darauf an, daß Karls Vater zu jener Zeit schon nicht mehr im vollen Besitz seiner Geisteskr�fte gewesen w�re, und vielleicht hatte dieser Hinweis, so schmerzlich er auch war, bei Karl die allergr�ßte Wirkung. Aus einer anderen Ursache konnte er es sich wirklich nicht erkl�ren, daß der Vater die M�glichkeit, aus seinen Geldschwierigkeiten herauszukommen, außer acht gelassen hatte.

In tiefen Gedanken wanderte Karl �ber das Feld nach Hause. Der Alte humpelte neben ihm her und redete fortw�hrend auf ihn ein. Sie brauchten ja niemand etwas von ihrer Absicht zu sagen, es w�re f�r einen kr�ftigen Menschen die Arbeit von einer Stunde, den Sandboden aus dem Grab zu werfen. Na, und wenn man schon nichts anderes fand als ein paar Knochen, dann w�re es auch noch so. Der Tote w�rde sie gewiß nicht bel�stigen. Denn wer einmal den L�ffel gelegt und mit den F�ßen voran zum letztenmal spazieren gefahren, der sei wirklich tot.

Noch einen Tag schwankte Karl. Als er am n�chsten Tage vormittags aufs Feld ging, f�hrten ihn seine F�ße, ohne daß er es beabsichtigt hatte, wieder nach dem Kirchhof. Da saß auch der Alte, als h�tte er auf ihn gewartet. Er ging von der Ostgrenze der Umfassungsmauer auf den Kirchhof und sieben Schritt nach Norden.

Auf dem Schnittpunkt dieser beiden Linien sollte das Grab liegen. Und richtig. Da war eine Stelle, die augenscheinlich fr�her einmal ausgegraben worden war.

Der Alte buddelte mit seinem Stock etwas in der d�nnen Grasnarbe und zeigte Karl, daß unmittelbar darunter heller Sand lag. Also hatte niemand sich um das Grab bek�mmert, niemand hatte einen H�gel aus fruchtbarer Erde dar�ber aufgeschichtet, um Blumen darauf zu pflanzen. Nun war Karl �berzeugt. Heute abend, wenn die Leute im Dorf zur Ruhe gegangen w�ren, wollte er den Schatz heben. Der Alte war ganz außer sich vor Freude. Er vergaß dabei nicht, sich von Karl ein reichliches Ausgedinge versprechen zu lassen. Weiter gingen ja seine W�nsche nicht, als noch ein paar Jahre gut zu essen und reichlich Schnaps zu trinken.

Der Tag verging f�r Karl in fieberhafter Aufregung. Noch nie waren ihm die Stunden so lang erschienen. Er hatte sich aus dem Stall einen neuen, scharfen Spaten geholt, und die Laterne, mit der er stets zur Nacht die Wirtschaftsgeb�ude revidierte, ordentlich instand gesetzt. Stundenlang hatte er, entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten, auf dem Sofa gelegen, bis ihm im Halbschlummer die Augen zufielen. Nur sein Kopf arbeitete weiter und zauberte ihm die pr�chtigsten Bilder vor... Und wenn's nur ein paartausend Taler w�ren, die er dort fand. Aber sicherlich waren mehr, viel mehr... Er begann in Gedanken abzusch�tzen, wieviel Goldst�cke wohl in einen Sarg hineingehen k�nnten, und kam dabei zu einer Zahl, bei der ihm ganz schwindelig zumute wurde.

Dann kamen wieder andere Gedanken. Wenn der Alte in seiner Einfalt plauderte? Das mußte verh�tet werden. Dolinga mußte fortan bei ihm in seinem Hause leben. Wie lange konnte es noch mit dem Alten dauern? Er w�rde doch, wenn er nur gen�gend Kartoffelinsky zu trinken bekam, Tag und Nacht betrunken sein.

Bei diesem Gedanken schauderte er zusammen und erschrak vor sich selbst. Wohin f�hrte ihn diese Gier nach Geld? Keimten da nicht schon Gedanken in ihm auf, die zum Verbrechen treiben konnten? Einige Augenblicke war er fest entschlossen, die ganze Schaugr�berei auf sich beruhen zu lassen, doch wieder und immer wieder kroch die Versuchung an ihn heran und gaukelte ihm die pr�chtigsten Bilder vor, bis er fest und traumlos einschlief. Als er erwachte, war es schon Nacht. Die alte Josepha hatte ihm sein Abendbrot auf dem Tisch im Nebenzimmer aufgestellt und die Lampe angesteckt. Er sah nach der Uhr; es war nicht mehr weit von Mitternacht. Hastig trank er einen Schluck Milch und schlich sich hinaus wie ein Mensch, der auf verbotenen Wegen wandelt. In der Ecke am Keller stand der Spaten.

Die Nacht war still, aber finster. Unbeweglich standen �ber der Erde die dichten Wolken. Nur hier und dort �ffnete sich f�r Augenblicke eine L�cke, durch die ein einzelner Stern blinkte. Als Karl auf dem Kirchhofe ankam, l�ste sich eine dunkle Gestalt von der Mauer. Es war Dolinga, der dort schon stundenlang gesessen und gewartet hatte. Beim Schein der kleinen Laterne begann Karl seine Arbeit. Schon nach den ersten Minuten trieb ihm die ungewohnte Arbeit den Schweiß aus allen Poren. Je eifriger er grub, desto unheimlicher wurde ihm zumute, und h�tte nicht der alte Dolinga mit gl�henden Augen am Rande der Grube neben ihm gekauert, mit aufgeregter Stimme fortw�hrend wiederholend, daß sie in einer Stunde sp�testens einen gewaltigen Schatz vor sich liegen haben w�rden, dann h�tte er jetzt noch den Spaten weggeworfen und w�re davongelaufen. Doch nun ging es nicht mehr. Jetzt konnte er nicht mehr zur�ck.

Er mochte eine Stunde gegraben haben; jetzt mußte er auf den Sarg stoßen. Selbst wenn die Bretter total vermodert und zusammengefallen waren, mußte doch von ihrem Inhalt etwas vorhanden sein. Aber nichts, gar nichts. Kein Holzsplitter, kein Knochen, kein Schatz!... Er ließ sich von Dolinga die Laterne geben und beleuchtete den Boden. Kein Zweifel: hier h�rte die lose Erde auf. Darunter lag eine feste Tonschicht, in die er nur mit der gr�ßten Anstrengung den Spaten hineintreiben konnte. Das Grab war leer.

Anfangs vermochten die beiden Schatzgr�ber diese Tatsache gar nicht in ihren Gedanken zu fassen. Der Alte starrte mit Augen in die Grube, aus denen der Wahnsinn sprach. Sein Mund murmelte Fl�che und Verw�nschungen, und aus den Augen kollerten ihm die Tr�nen. Mechanisch stocherte Karl mit dem Spaten an den Seitenw�nden herum. Sie waren fest wie Boden, der seit Jahrhunderten nicht ber�hrt worden ist. Ohne Zweifel, hier war keine Leiche begraben worden. Es war ein Sarg mit einem Schatz gewesen, aber wo war er geblieben? Wer hatte ihn gehoben?

Mit großer M�he schwang sich Karl aus der Grube. Ihm war ganz elend zumute. Am liebsten h�tte er auch weinen m�gen. Sein ganzer K�rper war von der Arbeit wie zerschlagen, und jetzt mußte er die aufgeworfene Erde wieder zur�ckschaufeln. Mit jedem Spatenstich voll Erde, den er hinabwarf, begrub er ein St�ck seiner Hoffnungen und Tr�ume. Eine Mutlosigkeit kam �ber ihn, wie er sie noch nie empfunden. Es war ihm, als h�tte er sein ganzes Lebensgl�ck, seine ganze Zukunft eingesargt. Als er am n�chsten Morgen nach einem unruhigen Schlaf voll schwerer Tr�ume erwachte, packte ihn die Reue und die Verzweiflung. D�stere, schwere Gedanken kamen �ber ihn, und sie waren viel hartn�ckiger als damals, als das Ungl�ck zum erstenmal auf ihn gefallen war.

Ein paar Tage schlich er im Hans umher, als wenn das b�se Gewissen ihn plagte. Auf das Feld ging er nicht hinaus. Er f�rchtete sich davor, den Kirchhof auch nur von weitem zu erblicken.

Am dritten Tage kam Ohm Zenth�fer. Schon der erste Blick aus seinen jungen Freund zeigte ihm, daß seine Vermutungen und Bef�rchtungen nur allzu berechtigt waren. Bleich, hohlwangig stand Karl vor ihm. Den mußte er ordentlich zurechtr�cken. Ohne alle Umschweife begann er:

„Also doch! Die Dummheit konnte nicht ungeschehen bleiben. Waren dir die paar Schritte bis zu mir zu weit, oder hast du kein Zutrauen zu mir, daß du nicht mehr kommen kannst, mich um Rat zu fragen?'“

„Was meinst du, Onkel?“

„Ach, tu` doch nicht so. Im ganzen Dorf klingert es ja schon, daß jemand mit dem alten Dolinga auf eurem Kirchhof nach einem Schatz gegraben hat, und dieser Jemand bist du und kein anderer. Versuche es nicht zu leugnen. Ich w�rde dir nicht glauben.“

„Ja, Onkel, ich bin es gewesen.“

„Na, dann h�ttest du dir auch vorher �berlegen k�nnen, daß der Sand, der beim Zuscharren des Grabes liegen bleibt, euer lichtscheues Tun verraten w�rde. Gl�cklicherweise weiß noch niemand, wer dem verr�ckten Kerl dabei geholfen hat, und selbst sagen kann er es nicht mehr. Er hat sich heute nacht das Halstuch umgebunden und sich am Bettpfosten aufgeh�ngt.“

Bei dieser Nachricht l�ste sich die Spannung, die Karl die Brust zugeschn�rt hatte, und er sank auf den n�chsten Stuhl, schlug die H�nde vors Gesicht und begann zu schluchzen, daß sein ganzer K�rper dabei erbebte. Mit einem Gef�hl grimmiger Befriedigung sah der alte Herr auf ihn nieder.

„So bleib' du mal noch ein Weilchen bei, mein Junge, das wird dir sehr dienlich sein: das wird dir eine Lehre f�rs ganze Leben geben. Ich habe heute fr�h schon an die Staatsanwaltschaft Bericht geschrieben, daß der Alte wahrscheinlich aus Lebens�berdruß seinem Leben ein Ende gemacht habe, und daß ein Verbrechen ausgeschlossen erscheint. Da wird wohl kaum noch eine Gerichtskommission herauskommen. Die Geschichte ist also tot und begraben. H�ttest du mich gefragt, dann w�re die Dummheit unterblieben. Solche Geschichten von vergrabenen Sch�tzen spuken hier viel in Ostpreußen herum. An den meisten ist nichts daran, und wo wirklich die Franzosen auf der Flucht einen Kriegsschatz vergraben haben, da sind sie in den n�chsten Jahren wieder hier erschienen und haben die angebliche Leiche mit milit�rischen Ehren nach der Heimat �bergef�hrt. Wer weiß, ob das nicht hier auch schon geschehen ist“

„Wahrscheinlich, Onkel, oder ganz gewiß, denn in der Gruft war nicht ein Span Holz oder Knochenreste.“

„Das ist dein Gl�ck, Karl, daß du keinen Toten in der Ruhe gest�rt hast. Ich bin nicht abergl�ubisch, aber sch�n ist es nicht, aus Habgier ein Grab auszubuddeln. Na, lass' nur, ich weiß, was dich getrieben hat. Aber nun zieh' auch die Lehre daraus. Sie ist so alt beinahe wie die Welt. Wenn du einen Schatz heben willst, dann grabe deinen Acker um im hellen Tageslicht, wenn die Sonne deinem Tun ihren Segen geben kann.“

7.

Am ersten Osterfeiertage war Siegfried in der roten M�tze zu Besuch gekommen. Alle sechs Mann, die mit Karl zugleich nach der Prima versetzt worden waren, hatten ihr Abiturientenexamen bestanden. Mit Stolz trug der J�ngling das Zeichen seiner neuen W�rde.

Sein ganzes Wesen war von einem freudigen Selbstbewußtsein durchleuchtet. Jetzt lag ja die Welt von ihm offen. Er wollte erst auf ein paar Semester nach K�nigsberg gehen, um dort fleißig zu arbeiten und einen guten Grund zu legen, dann weiter nach Berlin und vielleicht auch noch ein paar Semester nach W�rzburg. In der einen wie in der anderen Stadt hatte er unter den Professoren Verwandte. Er sah in seine Zukunft wie in einen goldenen Spiegel.

Anfangs l�ste dieser Besuch bei Karl recht schmerzliche Empfindungen aus. Zugleich aber best�rkte er ihn in dem Entschluß, zum Herbst auf alle F�lle den Versuch zu machen, das Examen als Extraneus in Lyck zu bestehen. Siegfried hatte ihm sowohl die schriftlichen Arbeiten wie den Gang der m�ndlichen Pr�fung genau erz�hlt und hatte selbst hinzugef�gt, daß Karl seines Erachtens das Examen ebensogut h�tte bestehen k�nnen wie die anderen. Im Herbst wollte er mit Beginn seiner Ferien wieder zu Besuch kommen und Karl wieder auf das Examen einpauken.

Auch der Max hatte sich die rote M�tze erobert. Er hatte allerdings zwei der schriftlichen Arbeiten „verbogen“, aber man hatte ihn, wie Siegfried etwas boshaft bemerkte, durchschl�pfen lassen, weil man wußte, daß er unter allen Umst�nden, Theologie studieren w�rde. Die tr�stliche Aussicht, die darin auch f�r ihn lag, wehrte Karl ganz energisch ab. Er wollte nicht unter diesem Schild in den Kampf ziehen.

Nach Siegfrieds Abreise saß er fleißiger denn je �ber seinen B�chern, ohne dar�ber seine Wirtschaft zu vernachl�ssigen. Die war ja sowieso unter Pehlkes Leitung in sicherer Obhut, und die Leute brauchten nicht angetrieben zu werden, als ob der Acker ihnen selbst geh�re. �brigens war die Kunde von Karls tatkr�ftigem Wirken bereits durch die ganze Gegend geflogen. Bei den Zusammenk�nften des landwirtschaftlichen Kreisvereins, dem Karl auf Zenth�fers Anraten beigetreten war, war schon mehrfach dar�ber gesprochen worden, und der alte Ohm hatte mit der ganzen Kraft seiner Autorit�t den Ausspruch getan, der Betrieb seines Sch�tzlings sei auf dem besten Wege, eine Musterwirtschaft zu werden. Kein hochmoderner Betrieb mit ungez�hlten Zentnern k�nstlichen D�ngers, sondern eine Wirtschaft nach gutem alten Schlag, die ihren D�nger selbst produzierte und nur an einzelnen Stellen mit den Resultaten der modernen Wissenschaft eingriff.

Wie sehr die Stimmung zu seinen Gunsten war, das merkte Karl am besten, als er in diesen Tagen einmal mit Ohm Zenth�fer zu einer gesch�ftlichen Sitzung des Vereins gefahren war. Von der Landwirtschaftskammer lag eine Anfrage vor, wie man dem verst�rkten Abwandern der Landarbeiter Einhalt tun k�nnte. Da hatte er auf Aufforderung des Vorsitzenden mitgeteilt, daß er seine Leute den Winter �ber besch�ftige und ihnen neben dem Deputat noch den vollen Tagelohn eines Holzarbeiters zahle. Er sprach bescheiden, wie es seiner Jugend geziemte, unterließ es aber nicht, am Schluß zu betonen, daß seiner Meinung nach in dem Mehrverdienst, den seine Leute den Winter �ber sich erarbeiteten, die Hauptursache lag, daß sie gegen alle Verlockungen der Abwanderung gefeit blieben.

Es wurde in der angeregten Debatte, die sich dar�ber erhob, allseitig anerkannt, daß darin viel Wahres liege, man bedauerte nur, daß man dem guten Beispiel nicht folgen k�nnte. Von hundert Besitzungen l�gen nicht zwei so g�nstig wie Gonsken, und dort h�tte auch nur Karl allein das Gl�ck, die Holzr�ckerei zu bekommen.

Die allgemeine Anerkennung, die dem jungen Mann von seinen Berufsgenossen zuteil wurde, und die er in der Art, wie man ihn behandelte, lebhaft empfand, vermochte es nicht, ihn von seinem Entschluß, das Abiturientenexamen zu machen, abzuwenden. Auf keinen Fall konnte ihm die Ausf�hrung dieses Vorhabens etwas schaden. Im Gegenteil! Sie sicherte ihn gegen die allerschlimmste Eventualit�t, wenn er, durch die Macht der Verh�ltnisse gezwungen, den Kampf um die Scholle aufgeben mußte. Und war das nicht n�tig, so mußte ihm doch die Energie, mit der er auf dieses Ziel losgegangen war, Achtung und Anerkennung einbringen.

Eines Tages war er nach Lyck gefahren und hatte sich bei dem Direktor des Gymnasiums anmelden lassen. Der alte Herr, der ihm noch von fr�her her sehr wohlwollend gegen�berstand, war hocherfreut, als er den Zweck des Besuchs erfuhr. Er �ußerte nur einige Zweifel, ob Karl durch sein Selbststudium sich in allen F�chern gleichm�ßig h�tte f�rdern k�nnen. Er war jedoch beruhigt, als er erfuhr, daß Siegfried Hirschberg eine Kontrolle dar�ber ausge�bt und jetzt seinen Freund noch m�ndlich f�r das Examen einpauken wolle. Er hatte in der Zwischenzeit manches �ber seinen ehemaligen Sch�ler geh�rt, denn das Schicksal des jungen Miska war bereits in der ganzen Umgegend ein regelm�ßiges Gespr�chsthema. Ganz offen erkl�rte ihm Karl, er wolle das Examen nur machen, um gewissermaßen eine R�ckendeckung f�r alle F�lle zu haben; so lange es ihm jedoch irgend m�glich w�re, wolle er auf der v�terlichen Scholle sitzen bleiben. Auch das hatte der alte Herr r�ckhaltlos gebilligt.

Nach der R�ckkehr vergrub sich Karl mit Feuereifer in seine B�cher und wartete mit Sehnsucht auf Siegfrieds Ankunft und die Ank�ndigung des Termins zur schriftlichen Pr�fung. Eines Tages fand Ohm Zenth�fer ihn �ber seinen B�chern sitzen. Er steckte eine �berraschte Miene auf und sch�ttelte energisch den Kopf.

„Dacht` ich's mir doch, daß so was im Gange war!“

„Ja, Onkel, ich will unter allen Umst�nden das Examen machen.“

„Es w�re viel richtiger, wenn du dich um deine Wirtschaft k�mmern wolltest. Sie ist ja eingespielt wie eine Drehorgel, und der Pehlke steht noch immer seinen Mann. Aber wenn man sich so weit durchgerungen hat wie du und es mit Hilfe meines Maulwerks schon zu einem gewissen Ansehen unter den Berufsgenossen gebracht hat, dann braucht man nicht noch einmal Schuljungen-Vorstellungen zu geben.“

Unwillk�rlich mußte Karl lachen.

„Onkelchen, du hast dich ein bißchen verschnappt. Die Anerkennung, die mir zuteil wird, beruht wirklich nur zum allergr�ßten Teil auf deinem... wie du dich respektlos ausdr�ckst... Maulwerk`. Doch beruhige dich. Ich denke wirklich nicht daran, hier die Flinte ins Korn zu werfen. Nur eins mußt du mir zugestehen: Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß ich unterliege, und dann bin ich gegen alle Schicksalsschl�ge gewappnet, wenn ich mein Abiturium hinter mir habe. Du oder Herr Hirschberg, ihr w�rdet ja wohl beide f�r das erste Semester mir ein wenig unter die Arme greifen, und f�r die andere Zeit ist mir nicht bange. Also unter diesen Umst�nden wirst du mir hoffentlich deine Einwilligung nicht vorenthalten.“

„Nein, mein Junge. Jetzt will ich dir sogar aus vollem Herzen meinen Segen dazu geben. Ich stehe ja an deines Vaters Stelle hier, und es tut mir nur leid, daß mein guter Freund Gottlieb die Freude nicht mehr mitempfinden kann. Ich habe heute vom Direktor der Anstalt einen Brief bekommen… Er sagt nichts Neues. K�rperlich ist dein Vater noch ziemlich r�stig, aber die geistigen Kr�fte sind fast vollst�ndig von der einzigen Wahnvorstellung �berwuchert. Er hat die Erinnerung an die Vergangenheit fast v�llig verloren, sitzt �ber Bauzeichnungen, rechnet, geht in der Anstalt umher und mißt mit Hilfe eines ungef�hrlichen Schicksalsgenossen die Geb�ude. Ab und zu muß einer der jungen �rzte eine Stunde opfern und sich von ihm die Pl�ne zum Umbau vorlegen lassen. Dann ist er wieder befriedigt... Na, laß gut sein, mein Junge. Es ist nu mal nichts dagegen zu machen. Wenn du mit der roten M�tze wiederkommst, kannst du mal hinfahren: vielleicht, daß dein Vater doch noch eine Empfindung daf�r hat...“

Siegfried war endlich gekommen, und auch der Brief mit der Anzeige, daß die schriftlichen Arbeiten Mitte August beginnen w�rden. Die Tage vergingen wie im Flug, und als Karl am bestimmten Tage nach Lyck fuhr, gab ihm sein Freund die tr�stliche Versicherung mit auf den Weg, daß seine geistige R�stung mehr als hinreichen werde, die Pr�fung zu bestehen.

Karl hatte sich f�r die Tage der Klausurarbeiten bei seiner fr�heren Pensionsmutter einquartiert. Ohm Zenth�fer wollte w�hrend seiner Abwesenheit in der Wirtschaft nach dem Rechten sehen.

Die Primaner, die mit Karl zugleich ins Examen stiegen, schauten mit einem Gemisch von Ehrfurcht und Bewunderung zu dem gebr�unten, kr�ftigen jungen Mann auf, und die Lehrer behandelten ihn mit einer achtungsvollen Freundlichkeit. Es war ja auch ein Ereignis f�r die Schule, daß ein ehemaliger Z�gling, den das Schicksal mitten aus seinem Bildungsgang herausgerissen hatte, zur�ckkehrte, um sich aus eigener Kraft das Maturit�tszeugnis zu erringen.

Die Abende verlebte Karl meistens im Kreise der Hirschbergschen Familie. Siegfried hielt streng darauf, daß sein Freund w�hrend dieser Zeit kein Buch anr�hrte, damit er f�r die schweren Stunden der Klausurarbeit frisch bleibe.

Vergn�gt fuhr Karl am n�chsten Sonnabend ab. Er hatte die Empfindung, alle die Aufgaben gut gel�st zu haben. Der Direktor, der wohl schon einen Blick in die Arbeiten getan und auch von den Lehrern, denen die Korrektur oblag, ein Urteil eingeholt hatte, gab ihm den guten Rat, sich die Zeit bis zum m�ndlichen Examen nicht allzusehr anzustrengen. Es sei viel besser, wenn er mit frischem Geist dazu erscheine, als �berarbeitet und abgespannt. Der gute Rat wurde, wie so viele andere, nat�rlich nicht befolgt.

Am ersten September fand die m�ndliche Pr�fung statt. Der Schulrat, der dazu aus Gumbinnen her�bergekommen war, ließ sich den Extraneus, von dem ihm der Direktor schon erz�hlt hatte, vorstellen, reichte ihm die Hand und sprach ihm einen Gl�ckwunsch aus, der bei allen Lehrern ein verst�ndnisvolles L�cheln hervorrief. Auch Karl verstand es, was der freundliche alte Herr damit meinte. Von ihm schwand die Befangenheit, die jeden Menschen bei der ersten Pr�fung �berf�llt. Er gab seine Antworten frisch und offen und scheute sich nicht, das eine oder andere Mal einzugestehen, daß er bei seinem Selbststudium diesen Punkt nicht genauer erfaßt h�tte.

Gegen 3 Uhr nachmittags war die Pr�fung der 11 Examinanden beendet. Vor dem Gymnasium stand bereits Kopf an Kopf eine Menschenmenge, Sch�ler aus allen Klassen, die Pensionseltern und Angeh�rigen der Pr�flinge und noch viele andere, die nur das Interesse an dem Schicksal der jungen Menschenkinder dorthin gef�hrt hatte. Die da oben im Examen schwitzten, waren bisher nur die Primanerchen gewesen. wenn sie aber die rote M�tze aufsetzten, so waren sie die zuk�nftigen Herren �rzte, Richter, Lehrer, Pfarrer, und mancher von ihnen w�rde nach Beendigung seines Studiums in die Heimat zur�ckkehren, um sich die zur Frau zu holen, die er bis dahin auf den Schulfesten eifrig betanzt und an jedem Morgen bei dem Begegnen auf dem Schulwege mit freudigem Err�ten begr�ßt hatte.

Die kleine Landstadt lebte mit ihrem Gymnasium. Fast eine jede Familie hatte ein Kind auf der Schule oder einen Pension�r. Man kannte jeden Lehrer aus den Erz�hlungen seiner Sch�ler; ihre Spitznamen waren stadtbekannt. Man wußte auch, wie der oder jener in der Schule stand, ob er fleißig war, ob er versetzt wurde oder nicht. Schon wochenlang vorher waren die Aussichten eines jeden, der da oben im Examen saß, gr�ndlich er�rtert werden. Es war kein Geheimnis, daß dieser in Mathematik schwach war, und jener wahrscheinlich den deutschen Aufsatz „verbiegen“ w�rde. Das meiste Interesse hatte sich diesmal dem Extraneus zugewandt. Man kannte zwar seine �ußeren Schicksale, wußte aber nicht, mit welchen Aussichten er in die Pr�fung ging. Die Meinungen waren geteilt. Die einen wollten wissen, daß man jeden Extraneus mit der �ußersten Strenge behandle, um darzutun, daß nur ein regelechter Unterrichtsgang, wie er von der Schule erteilt w�rde, zur Reife f�hre, die anderen wiesen auf die Besonderheit des Falles hin und glaubten, daß die Lehrer gerade bei diesem Pr�fling eine ganz außerordentliche Milde beweisen w�rden. Aber alle stimmten darin �berein, daß es eine h�chst ehrenwerte Sache sei, daß der junge Mensch sich durch das Examen gegen alle Schicksalsschl�ge wappne.

So hatten denn viele Menschen, die Karl kaum von Ansehen kannten, in die Tasche gegriffen und einen großen goldenen Albertus gekauft, um ihn dem jungen Gutsbesitzer nach bestandener Pr�fung anzustecken. Es ist eine alte, pr�chtige Sitte dort oben im �ußersten Osten des deutschen Vaterlandes. Der goldene Albertus, das Wahrzeichen der K�nigsbergern Albertina, der den zuk�nftigen Musens�hnen an den Rock gesteckt wird, ist aus reinem Gold gefertigt und wird von jedem Goldschmied zu dem feststehenden Satz von 5 Mark wieder angekauft. Das hat schon manchem Studiosus �ber die erste, schwere Zeit hinweggeholfen.

Die Pr�fung war beendet. Die Examinanden hatten das Zimmer verlassen, denn die Lehrer wollten das Resultat feststellen. In etwas gedr�ckter Stimmung saßen die jungen Leute in dem Zimmer der Prima zusammen. So manche Frage war unbeantwortet geblieben, so manches Mal hatte der Herr Schulrat, wenn der Gefragte sein geringes Wissen durch einen reichlichen Aufwand von Worten zu verdecken suchte, mißbilligend den Kopf gesch�ttelt. Es war gar nicht ausgeschlossen, daß der eine oder der andere „rasselte“. Schon das erste Wort w�rde die Entscheidung bringen. Man wußte, daß der Herr Schulrat, wenn einer durchgefallen war, seine Rede stets mit dem Worte „Leider“ begann.

Jetzt steckte der Schuldiener den Kopf durch die T�r.

„Der Herr Direktor lassen bitten.“

Die vergn�gte Miene, mit der er diese Aufforderung hervorbrachte, ließ alle freudig aufatmen. Der Graubart, der nun schon so viele Jahre seines Amtes waltete und so viele Primaner zu der folgenschweren Entscheidung gerufen hatte, wußte sicherlich schon ganz genau, daß die allgemeine Freude durch kein „Leider“ getr�bt werden w�rde. Und richtig. Der Herr Schulrat begann: „Es gereicht mir zur gr�ßten Freude, daß Sie alle das Examen bestanden haben.“ Von dem, was danach kam, von der kurzen, kr�ftigen Ermahnung, die er den J�nglingen auf ihren Lebensweg mitgab, h�rte keiner mehr ein Wort. Mit freudegl�nzenden Augen sch�ttelten sie den Lehrern die Hand, und dann st�rmten sie, drei, vier Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter ins Freie. Nur bei Karl hatte das Ereignis kein Aufjauchzen der Seele ausgel�st. Es war ihm nur, als wenn ein W�rmestrom seinen ganzen K�rper durchflutete, vielleicht weil ihm die Tragweite des Ereignisses deutlicher zum Bewußtsein kam als den j�ngeren Gef�hrten. Ruhig nahm er die Gl�ckw�nsche des Direktors und des Schulrats in Empfang und schritt dann langsam die Treppe hinunter. Kaum war er aus dem Portal getreten, da warf ihm einer mit r�cksichtslosem Schwung den Hut vom Kopf, ein anderer warf sich an seine Brust. Es war Siegfried, der ihm mit feuchten Augen die rote M�tze aufsetzte Das heißt, von der roten M�tze sah man eigentlich schon nichts. Denn es war kein Fleck an ihr, der nicht schon von einem Albertus besetzt war. Und dann dr�ngten sich die Leute an ihn heran, fremde Leute, die er nicht einmal von Ansehen kannte, mit der einen Hand steckten sie ihm einen Albertus an den Frack, mit der anderen Hand klopften sie ihm auf den R�cken, weil sie seine rechte Hand nicht erwischen konnten, die unaufh�rlich unterwegs war, die von einem zum anderen ging, der gerade daran war, sie zu erhaschen.

Ehe er vom Schulhof ging, war sein Frack von den Rockklappen bis zu den Sch�ßen herab dicht bei dicht mit Albertussen bedeckt. Selbst auf der Vorderseite der �rmel hatten sie Platz suchen m�ssen, und mancher hatte ihn im �berschwang der Freude beim Anstecken ganz empfindlich gepickt. An Siegfrieds Seite schritt er die einzige, lange Straße hinab, aus der das St�dtchen besteht, bis zum Deutschen Tor, an dem seine Pensionsmutter wohnte. Sie war nicht mehr so gut auf den Beinen, sonst w�re sie pers�nlich vor dem Gymnasium erschienen. Sie hatte es sich aber ausbedungen, daß Karl den ersten Imbiß nach bestandenem Examen bei ihr einnehme. Aber bis er dahin kam, sollte noch eine Weile dauern. �berall standen die Einwohner vor ihren H�usern. Aus den weitgebauten Vortreppen waren Tische aufgestellt, auf denen allerlei gute Sachen zu einem Imbiß und Weinflaschen standen, und keiner der J�nglinge kam vorbei, der nicht mit einem Glas und einem Albertus begr�ßt wurde. Wie im Traum nahm Karl alle die Gl�ckw�nsche in Empfang. Die Albertusse begannen sich bereits auf seiner Weste anzusiedeln, weil sie auf dem Frack keinen Platz mehr fanden. Und immer neue gesellten sich dazu. Das war ein Kapital, was er an sich trug.

Zum Mittag hatte Herr Hirschberg ihn eingeladen. Als Karl mit Siegfried etwas versp�tet eintraf, wurde ihm eine neue �berraschung zuteil. Ohm Zenth�fer war da und auch der alte Pehlke. Die gute, treue Seele strahlte vor Gl�ck. Wahrscheinlich auf Anstiften des Ohmchens hatten die Arbeiter ein paar Dittchen zusammengelegt und ihm durch Pehlke ebenfalls einen Albertus stiften lassen. Karl bog die Nadel zweimal ein, um ihn sp�ter von der Menge der anderen unterscheiden zu k�nnen. Auch Ohm Zenth�fer hatte sich losgelassen. Er hatte sich aus K�nigsberg einen extragroßen Albertus verschrieben, von mindestens drei Zoll im Durchmesser, wie er f�r Extraf�lle von den Goldschmieden angefertigt wird. Er suchte aber vergeblich nach einem Pl�tzchen f�r dieses Prachtexemplar. Er mußte sich mit dem untersten Zipfel der Weste begn�gen, wo er wie das Schild eines Schmuckg�rtels breit und brastig dasaß.

Am Abend fand nach alter Sitte der Abiturientenkommers statt. Das Lehrerkollegium mit dem Direktor an der Spitze war nat�rlich vollz�hlig erschienen. Fr�here Sch�ler des Gymnasiums, die jetzt auf den Universit�ten die rote M�tze mit einer bunten vertauscht hatten, waren gekommen, um die „Muli“ f�r ihr Korps oder ihre Burschenschaft zu keilen. Dazu die m�nnlichen Angeh�rigen der mit den Abiturienten verwandten Familien. Die gr�ßte Zahl von „Angeh�rigen“ hatte Karl aufzuweisen. Denn Onkel Zenth�fer war auf den nicht ganz fernliegenden Gedanken verfallen, die Berufsgenossen vom landwirtschaftlichen Kreisverein zu dem Ehrentage ihres j�ngsten Mitgliedes einzuladen. Die beiden langen Tafeln vermochten kaum die Zahl der G�ste zu fassen. Karl war der Ehrenplatz neben dem Direktor zugefallen. Ihm war auch die Aufgabe geworden, auf die Rede des Direktors zu antworten und den Toast auf die Lehrer auszubringen. Er hatte sich darauf vorbereiten wollen, aber keine Zeit dazu gefunden. So sprach er denn frei vor einer gr�ßeren Versammlung zum zweitenmal in seinem Leben. Doch schon nach den ersten, etwas m�hsam hervorgebrachten S�tzen wich die Befangenheit von ihm.

Er hatte den richtigen Faden gefunden. Mit schlichten Worten dankte er der Schule und ihren Lehrern f�r alles, was sie ihm gegeben hatten. Wenn er auch als ein Extraneus das Examen bestanden habe, so k�nne er sich doch als vollg�ltiges Mitglied des Gymnasiums betrachten, denn nur die Anleitung, die gr�ndliche Durchbildung in allen F�chern, die ihm bis zur Prima zuteil geworden, habe ihn bef�higt, allein die zum Examen n�tigen Kenntnisse zu sammeln. Deshalb h�tten wohl die Kameraden ihm die Ehre dieser Antwort �bertragen, weil in seinem Bildungsgange am deutlichsten der Wert des empfangenen Unterrichts zum Ausdruck komme. So hatte er das Lob, das der Direktor ihm in seiner Rede freigebig gespendet hatte, mit seiner Wendung den Lehrern zur�ckgegeben, und mit freudigster Energie stimmte die ganze Korona in das dreifache Hoch auf den Direktor und das Lehrerkollegium ein.

Dann nahm ihn Ohm Zenth�fer in Beschlag, der in seiner Freude des Guten schon etwas zu viel getan hatte und sehr redselig geworden war. Er konnte sich �ber die F�higkeiten, die sein Sch�tzling eben entwickelt hatte, gar nicht genug wundern. Fortan mußte Karl neben ihm an der „scharfen Ecke“ sitzen bleiben, zu der sich die trinkfesten jungen Gutsbesitzer geschart hatten.

Die Anstrengungen des Tages waren etwas reichlich gewesen, auch in dem Genuß von Alkohol, und Karl hatte seit langer Zeit außer ein paar Gl�sern Bier, die er bei seinen Fahrten nach Lyck oder L�tzen notgedrungen genießen mußte, keinen Alkohol zu sich genommen. Trotzdem unterlag er ihm nicht. Als die Festesfreude etwas l�rmend geworden war, dr�ckte sich Karl und ging heim.

Als er am anderen Morgen erwachte, lag die rote M�tze vor ihm auf dem Deckbett. Seine Pensionsmutter mußte sie ihm leise hingelegt haben.

Es war vielleicht der sch�nste und feierlichste Moment, den er jetzt in seinem Dasein durchlebte. Goldene Zukunftstr�ume stiegen vor ihm empor. Er sah sich als Student der Universit�t wandeln, sah sich als junger Pastor auf der Kanzel, und vorn in der ersten Bank saß die Mutter und weinte Freudentr�nen. Als er die Augen schloß, um diesen Gedanken noch weiter nachzuh�ngen, stieg ein anderes Bild vor ihm auf: das Bild der Wirklichkeit. Wie er in seinem dicken Flausrock und den langen Stiefeln �ber das Feld schritt und abends m�de aufs Bett sank. Einsam in dem großen, weiten Hause... Es war ihm, als h�tte dies Leben keinen Inhalt mehr... Wenn er sich auch durchrang bis zum gefestigten Besitz der v�terlichen Scholle, was hatte er dann? Hatte das Leben dann noch einen Inhalt f�r ihn? Im ewigen Wechsel w�rde das S�en kommen und das Ernten, einmal besser, einmal schlechter. In engem Kreise w�rde sich sein Wirken abspielen, und er nichts anderes dabei als das Pferd in der Tretm�hle. Dann kam etwas wie Reue �ber ihn. Hatte Ohm Zenth�fer nicht recht gehabt, als er ihn ausschalt, beim erstenmal, da er ihm von seinem Plan Mitteilung machte? Was waren das f�r Gedanken, was hatte ihm denn die allgemeine Achtung und Wertsch�tzung eingebracht? Doch nichts anderes, als die Z�higkeit, mit der er das Erbe seiner V�ter verteidigte. Mit einem schnellen Griff hob er die rote M�tze von dem Deckbett, setzte sie sich auf den Kopf und begann sich anzuziehen. Er wollte heimfahren und endg�ltig mit all den sch�nen Tr�umen von Studieren usw. Schluß machen. Ein Notbehelf f�r die Zukunft, das sollte die rote M�tze sein, aber weiter nichts. Er hatte gerade nach einem trefflichen Fr�hst�ck bei seiner Pensionsmutter dem Kutscher den Befehl zum Anspannen gegeben, als Ohm Zenth�fer und Pehlke erschienen. Sie waren in einem etwas derangierten Zustand, hatten sich untergefaßt, um das schwankende Gleichgewicht durch gegenseitige Unterst�tzung aufzubessern, und erkl�rten energisch, sie w�rden jetzt mit Karl und seinem Fuhrwerk zun�chst nach der Waldschenke hinausfahren, wo der Fr�hschoppen stattfinde, und dann mittags mit dem Festzug nach Birkenwalde, wo die Kriegervereine des ganzen Kreises gemeinsam das Sedanfest feierten. Nur mit Widerstreben ließ sich Karl zu der Fahrt bewegen; aber er hatte die Widerstandsf�higkeit der beiden alten Klutenpedder untersch�tzt. Sie n�chterten sich bei dem fr�hlichen Gelage im frischen Waldesgr�n aus und waren nachmittags, ohne eine Stunde geschlafen zu haben, ziemlich repr�sentationsf�hig.

Es war ein richtiges ostpreußisches Volksfest, ohne die l�rmende Fr�hlichkeit, die sich in anderen Gegenden Deutschlands an solche Veranstaltungen zu heften pflegt. Aber daf�r war die ganze, große Gesellschaft wie eine Familie. Karl genierte sich ordentlich, mit seiner Unmasse von Albertussen durch die Menge zu gehen, denn er war der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit. Aber Ohm Zenth�fer ließ ihn nicht los. Es war, als wenn der alte Herr in der Anerkennung, die seinem Sch�tzling zuteil wurde, sich sonnte.

F�r Karl hatte dieser Tag noch eine besondere Bedeutung. Er sah das M�del wieder, von dem er einstmals, ehe das schwere Schicksal �ber ihn gekommen war, getr�umt, und von dem er gehofft hatte, daß es ihm die rote M�tze aufsetzen und dereinst seine Frau Pfarrerin werden sollte. Als sie zum erstenmal in Gesellschaft mehrerer Referendare und Offiziere an ihm vorbeigegangen war, hatte er sie gegr�ßt. Da war sie stehen geblieben, hatte ihm freundlich die Hand gereicht und ihm einen Gl�ckwunsch ausgesprochen. Und merkw�rdig! Die Begegnung hatte Karl ganz gleichg�ltig gelassen. Aus dem frischen, nat�rlichen Schulm�dchen war ein eitles, gefalls�chtiges Ding geworden, das trotz seiner sechzehn Jahren mit seinen Begleitern kokettierte, als w�re es in der großen Welt aufgewachsen und nicht in einem kleinen ostpreußischen Landst�dtchen. Es w�re vielleicht trotz alledem eine Frau Pfarrerin geworden, aber zu einer Landwirtin, wie Karl sie gebrauchte, zu einem treuen Weib, das mit ihm von fr�h morgens bis sp�t abends schaffte und seine Sorgen mit ihm trug... dazu geh�rte ein anderes Wesen.

Die Ernte im Herbst war sehr m�ßig gewesen. Nur mit Hilfe eines Vorschusses, den er sich zum ersten Oktober bei Lehmann erbat, war es Karl m�glich gewesen, seine Verpflichtungen zu decken. Er war in diesem Jahr nicht vorw�rts gekommen. aber auch nicht zur�ck. Er hatte eben nur wieder f�r ein Jahr die M�glichkeit seiner Existenz gewonnen.

8.

Am zweiten Tage nach dem Examen war Karl zum Besuche des Vaters nach Kortau gefahren. Die rote M�tze, die Weste und den Frack hatte er in den Koffer gepackt, um sich damit zu schm�cken, wenn er dem Kranken gegen�bertrat. Aufs h�chste erregt kleidete Karl sich im Zimmer des Direktors um. Man hatte ihn darauf vorbereitet, daß sein Vater, der doch kaum die F�nfzig �berschritten hatte und in seiner Erinnerung als ein starker, bl�hender Mann dastand, k�rperlich etwas zur�ckgegangen sei. Aber so schlimm hatte er sich diesen R�ckgang doch nicht vorgestellt. Der da im bequemen Lehnstuhl vor ihm saß, sah aus wie ein gebrechlicher Greis mit grauen Haaren, in denen schon das Weiß vorherrschte Die Gesch�ftigkeit seines Wesens, die ihn in den ersten Jahren ruhelos hin und her getrieben hatte, war von ihm gewichen; m�de und abgespannt saß er stundenlang da, ohne ein Wort zu sprechen. Als diese Ver�nderung zum Durchbruch kam, hatten die �rzte sie f�r ein g�nstiges Zeichen angesehen, aber vergeblich darauf gewartet, daß der arme Kranke eine Frage nach seinem Sohn oder nach seinem Gute tun w�rde. Sie wußten deshalb nicht, ob und wie das Erscheinen Karls in dem auffallenden Schmuck auf ihn eine Wirkung aus�ben w�rde.

Bei seinem Eintreten hob der Vater die Augen zu ihm, leere, glanzlose Augen, f�r deren Ausdruckslosigkeit sich schwer ein Vergleich finden l�ßt. Er sah aus wie ein Mensch, der, in tiefe Gedanken versunken, ganz mechanisch seinen Blick �ber die Umgebung hinschweifen l�ßt, ohne zu empfinden, was er sieht. Und noch etwas mehr lag in ihm, oder vielmehr fehlte darin: das Bewußtsein des eigenen Ichs, das man in dem Blick jedes Menschen findet, mag er geistig auch noch so niedrig stehen. Bei diesem Anblick krampfte sich Karl das Herz zusammen, die Tr�nen traten ihm in die Augen, und aus seiner Brust rang sich mit dem Ausrufe: „Vater, geliebter Vater!“ all die schmerzliche Liebe, die nimmer aufgeh�rt hatte zu hoffen und nun von einem hoffnungslosen Schmerz abgel�st wurde.

In seiner Aufregung entging ihm, was der Arzt, der mit ihm zugleich eingetreten war, zu seiner gr�ßten Freude bemerkte. In den Augen des Vaters begann es seltsam aufzuleuchten, ein grenzenloses Erstaunen malte sich auf dem Gesicht des Kranken, mit halbge�ffnetem Mund, der sprechen zu wollen schien, hob er sich halb im Lehnsessel empor. Laut weinend lag sein Sohn vor ihm auf den Knien und barg das Gesicht in seinem Schoß.

Da sprangen die Fesseln von seiner Seele, die Schatten wichen von seinem Geist, die ihn bis dahin von Vergangenheit und Gegenwart geschieden. Wie ein helles Licht �berflutete ihn die Erkenntnis, daß da sein Sohn vor ihm auf den Knien lag, geschm�ckt mit den Zeichen des gl�cklich bestandenen Abiturientenexamens. Leise umschloß er mit beiden H�nden das Haupt des Knienden, von dessen Locken die M�tze gefallen war; aus den Augen tropften ihm die Tr�nen. Zum erstenmal in seiner Krankheit weinte er.

�berrascht, beinahe erschrocken, hob Karl den Kopf. Aus den Augen des Vaters strahlte ihm das klare Bewußtsein entgegen.

„Vater, geliebter Vater, Gott hat dich mir wiedergeschenkt, ich bin es, dein Sohn Karl...“

War ein Wunder geschehen, oder hatte die Natur auf uns Menschen unerforschlichem Wege die geistigen Kr�fte entflammt, die in der Seele verborgen ruhten, daß sie die Fesseln sprengten, oder war es nur ein pl�tzliches Aufflackern, das bald wieder von der grauenvollen Nacht des Wahnsinns bedeckt werden w�rde? Karl wußte es nicht. Er machte sich auch in diesem Augenblick keine Gedanken dar�ber. Er war �bergl�cklich: denn mit verst�ndnisvollen Augen und ger�hrter Miene h�rte der Vater zu, wie er ihm in fliegender Haft die Vorg�nge w�hrend des Examens schilderte. Und dann fragte der Vater mit einer Stimme, aus der das volle Verst�ndnis sprach:

„Wer hat denn die Zeit �ber in Gonsken gewirtschaftet?“

„Ich, geliebter Vater! Ohm Zenth�fer hat mich unter seine Obhut genommen, und gute Menschen haben mir geholfen.“

Nun begehrte der Vater Genaueres zu wissen. Aus seinen Fragen ersah Karl, daß ihm das Bewußtsein seiner Handlungen schon bald nach dem Tode der Mutter, als er zu bauen begann, abhanden gekommen war. Er suchte alles im rosigsten Licht darzustellen, aber jetzt war dem Kranken mit der Klarheit der Gedanken auch die Sch�rfe des Urteils zur�ckgekehrt, und seine Fragen gingen auf alle Einzelheiten: wie stark das Gut belastet sei, wie er die Zinsen habe beschaffen k�nnen. Und dann kam der Moment, vor dem Karl sich f�rchtete. Er f�hlte f�rmlich, wie die Erkenntnis seiner geistigen Erkrankung mit unwiderstehlicher Gewalt auf den Vater herabsank.

Seine Fragen wurden seltener, bis sie ganz aufh�rten, so daß der Sohn nicht wußte, ob der Vater noch h�rte, was er sprach. Zusammengesunken saß er vor ihm da, die H�nde zwischen den Knien gefaltet, den Kopf tief nach unten gesenkt.

In diesem Augenblick erschien der Arzt, der still das Zimmer verlassen hatte, als der Kranke zum Bewußtsein gekommen war. Er nahm Karl mit sich fort. Jetzt war zun�chst einmal unbedingte Ruhe erforderlich, am besten ein langer Schlaf, den er durch ein sanft wirkendes Mittel herbeif�hren wollte. Morgen fr�h w�rde sich zeigen, ob der Hoffnungsstrahl noch fortleuchtete, ob man es mit einem vereinzelten lichten Moment, wie sie manchmal bei gutartigen Kranken austreten, zu tun hatte, oder ob die seelische Ersch�tterung stark genug gewesen sei, die Banden des Irrwahns zu sprengen. In fieberhafter Aufregung durchwachte der Sohn die Nacht. Erst gegen Morgen fiel er in einen unruhigen Schlummer. Eine bleierne M�digkeit lag auf seinen Gliedern; er glaubte zu vernehmen, wie die T�r aufging, aber er vermochte die Augen nicht zu �ffnen. Da schlug eine Stimme an sein Ohr. Noch glaubte er zu tr�umen, daß sein Vater an seinem Bett st�nde. Aber nein, er war es wirklich, der da vor ihm stand:

„Na, mein Junge, ich muß sagen, als Landwirt hast du einen gesunden Schlaf des Morgens.“

Mit dem Vater war auch der Direktor eingetreten. „Ja, Sie haben wirklich gut geschlafen, mein junger Freund. Nun ziehen Sie sich schnell an, und dann kommen Sie mit Ihrem Herrn Vater runter zu meiner Wohnung. Wir wollen zusammen fr�hst�cken.“

Er nickte beiden noch freundlich zu und ging. Karl aber sprang mit beiden F�ßen aus dem Bett und warf sich dem Vater an den Hals. Welch eine Verwandlung war mit ihm in dieser kurzen Zeit vorgegangen! Nicht nur geistig, sondern auch k�rperlich. Seine große Gestalt war straff aufgerichtet, seine Hand umspannte mit kr�ftigem Druck die des Sohnes.

W�hrend Karl sich anzog, ging der Vater mit starken Schritten in der Stube auf und ab. „Mein Junge, ich weiß alles. Ich weiß, daß mein Geist umnachtet war, schon lange vorher, ehe ich hier in die Anstalt kam. Ob der liebe Gott mir f�r den Rest meines Lebens die geistige Gesundheit wiedergeschenkt hat, oder ob es nur ein kurzes Aufflackern meiner Geisteskr�fte ist, das wissen wir nicht. Und mit diesem Gedanken soll und will ich mich nicht plagen. Heute bin ich frei und will Gott daf�r dankbar sein. Vielleicht war die Pr�fung nicht mir auferlegt, sondern mehr noch dir. Vielleicht war es nur der schwere Durchgang zu der großen Freude, die mir der Himmel schenkte, daß ich dich in diesen kurzen Jahren vom Ernst des Lebens zum Mann gereift wiederfinde und den Herzenswunsch erf�llt sehe, daß du nach mir kr�ftig im Besitz unserer V�ter wirken und schaffen wirft. Ich hoffe, der Arzt wird mir gestatten, mit dir nach Hause zur�ckzukehren Aber f�rchte nichts, mein Junge! Ich weiß sehr gut, daß meine T�tigkeit auf Erden hier ihren Abschluß gefunden hat. Du wirft der Besitzer von Gonsken bleiben und vollst�ndig selbst�ndig wirtschaften, wie bisher. So schnell als m�glich werde ich dir das Gut verschreiben, damit du auch formell gesichert bist. Wahrscheinlich werden mir noch manche schwarze Stunden nicht erspart bleiben. Das hat mir der Arzt gesagt. Aber dann hab' Geduld mit mir. Hoffentlich finde ich die Kraft, sie zu �berwinden. Die Freude wird mich aufrechterhalten.“

Noch diesen Tag und die folgende Nacht waren Vater und Sohn in der Anstalt geblieben. Wahrscheinlich wollten die �rzte erst sehen, ob die Besserung, von der alles ebenso �berrascht wie freudig bewegt war, anhalten w�rde. Und sie hielt an.

Am Abend, als der Vater sich zur Ruhe begeben hatte und sanft eingeschlummert war, hatte Karl noch eine lange Unterredung mit dem Direktor, der ihm auf alle F�lle eingehende Verhaltungsmaßregeln gab. An Ohm Zenth�fer wurde sofort das wunderbare Ereignis telegraphisch berichtet. Am Nachmittag meldete er auf demselben Wege, daß sie am anderen Tage mittags auf der Bahnstation eintreffen w�rden.

Auf der Fahrt hatte sich der Vater noch einmal eingehend nach allen Verh�ltnissen der Wirtschaft erkundigt, und w�hrend Karl erz�hlte, nahm er seine Hand und streichelte sie in wohlberechtigtem Vaterstolz. An der Bahn wartete das Fuhrwerk. Pehlke hatte es sich nicht nehmen lassen, seinen alten Herrn selbst abzuholen. Er glaubte noch nicht recht an das wunderbare Ereignis.

Aber als Vater Miska, zwar grau geworden, aber so stattlich und aufrecht wie fr�her, aus dem Abteil des Zuges stieg und ihm die H�nde entgegenstreckte, da st�rzten dem treuen Menschen die Tr�nen aus den Augen.

„Was granzt du, alter Esel?“

Bei dieser Anrede verzog sich Pehlkes Gesicht zu einem freudigen Grinsen. Jetzt hatte er wirklich die Gewißheit, daß sein alter Herr gesund zur�ckgekehrt war. Das merkte er an der herzerfrischenden Deutlichkeit, mit der er ihn ansprach.

Vor dem Wohnhause wartete Ohm Zenth�fer auf die R�ckkehr des Freundes. Die T�r war bekr�nzt. Am Eingang des Gartens erhob sich eine Ehrenpforte aus Tannenreisig, mit Fahnen verziert. Zu beiden Seiten der Pforte standen die Leute des Gutes, festlich gekleidet, auf der anderen Seite des Weges dr�ngten sich Kopf an Kopf die Einwohner des Dorfes. Im ersten Augenblick hatte Karl Bedenken, ob dieser freudige Empfang beim Vater nicht traurige Gedanken an die Vergangenheit ausl�sen w�rde. Und dasselbe Gef�hl hatte wohl auch Ohm Zenth�fer gehabt. Denn er hatte den Lehrer, der mit seiner Kinderschar den Gutsherrn durch einen Gesang empfangen wollte, energisch zur�ckgewiesen. Aber den Leuten konnte er es wirklich nicht verwehren, daß sie ihrer Freude an dem Ereignis Ausdruck gaben. Ihm ging es ja ebenso. Als sein alter Freund Gottlieb aus dem Wagen stieg, da verschlug ihm die Freude des Wiedersehens die Rede. Er konnte nur stumm die Arme ausbreiten und den heimgekehrten Freund an die Brust ziehen. Dann dr�ngten sich die Leute heran und streckten ihre H�nde aus. Die Weiber haschten nach einem Rockzipfel oder dem �rmel, um ihn nach slavischer Sitte zu k�ssen. Stumm sch�ttelte Vater Miska all die H�nde, die sich ihm entgegenstreckten Er hatte M�he, seiner Bewegung Herr zu werden.

Schon am n�chsten Tage fuhr er mit Karl in die Stadt, um ihm vor dem Notar das Gut zu verschreiben. Er hatte darauf bestanden, obwohl sich der Junge dagegen gestr�ubt und ihn gebeten hatte, die Leitung der Wirtschaft wieder ganz in die Hand zu nehmen. Und Karl hatte in dieser Angelegenheit ein ganz richtiges Gef�hl. Als er in den n�chsten Tagen mit dem Vater �ber das Feld wanderte, da wußten die Leute nicht, wen sie nun als ihren Herrn anzusehen hatten. Auch der Vater empfand das Zwiesp�ltige seiner Stellung und merkte zugleich, daß es ihm schwer fallen w�rde, so ganz, wie er es beabsichtigt hatte, hinter dem Sohn zur�ckzutreten. Doch davon ließ er sich nichts merken.

Ganz allm�hlich kehrten alle aus der Flut hochgespannter Empfindungen in die Allt�glichkeit des Lebens zur�ck. Karl hatte mit seiner R�ckerei begonnen; t�glich fuhr er mit seinen Leuten in den Wald und kehrte sp�t abends zur�ck. In der ersten Zeit plagte ihn die Furcht, wie er seinen Vater bei der R�ckkehr finden werde. Diese Besorgnis war leider nicht ganz unbegr�ndet, obwohl Karl kaum ahnte, was in seinem Vater vorging. Der alte Herr hatte wirklich bei der Entsagung auf jedes Eingreifen seine Kr�fte �bersch�tzt Wenn er am Tage durch die St�lle ging und die Geb�ude betrachtete, dann fiel es ihm schwer auf die Seele, daß er durch sein Bauen das Gut �ber Geb�hr belastet hatte, und ging er �ber das Feld, wenn ein paar Gespanne zu Hause geblieben waren, um D�nger zu fahren, dann wurde es ihm schwer, nicht einzugreifen und hier und dort mit einem kleinen Donnerwetter dreinzufahren. Die fixe Idee, die seine geistige Erkrankung herbeigef�hrt hatte, war wohl endg�ltig �berwunden, aber nicht selten kam eine schwere Stunde �ber ihn, in der das Bewußtsein seines Schicksals mit Zentnerlast auf ihn fiel. Dann saß er stundenlang dumpf br�tend irgendwo am Feldrain oder auf der Deichsel eines Wagens, der auf dem Hof stand: Pehlke, der nicht zum R�cken mitfuhr, hatte seinen alten Herrn dabei schon manchmal beobachtet und ihn angesprochen, um ihn aus seinen schweren Gedanken zu reißen. Auch Zenth�fer wußte darum und hatte wohl die richtige Ursache herausgefunden, daß sein Freund sich in der freiwillig �bernommenen Unt�tigkeit innerlich aufrieb. Doch als er einmal darauf anspielte und beim n�chstenmal ganz ernstlich riet, Gottlieb m�chte wenigstens den landwirtschaftlichen Betrieb v�llig in seine Leitung �bernehmen, da hatte er eine entschiedene Abweisung erfahren.

Bei diesem inneren Kampfe verfiel der alte Herr sichtlich, so daß die Ver�nderung auch dem Sohn nicht verborgen bleiben konnte. Doch diejenigen, die ihn dar�ber aufzukl�ren vermochten, schwiegen. Miska hatte ihnen das Versprechen abgenommen, nicht dar�ber zu reden.

9.

Bei der R�ckerei hatte Karl dies Jahr oftmals �rger. Er hatte seinen Betrieb wieder vergr�ßern und mehrere neue Leute einstellen m�ssen, darunter auch einen Stanislaus Szelinski, einen Polen, der vorigen Sommer mit den �brigen Feldarbeitern nach Preußen gekommen war. Er mußte wohl, wie man so zu sagen pflegt, zu Hause etwas „ausgefressen haben“, denn er ging zum Winter nicht mit seinen Landsleuten in die Heimat zur�ck, sondern blieb in Preußen. Ein junger, flotter Kerl von ranker, geschmeidiger Gestalt, mit brennend schwarzen Augen, der all den jungen M�dchen des Dorfes den Kopf verdrehte, wenn er Sonntags zum Tanz seine Konf�deratka aufsetzte und seinen pelzverbr�mten Schnurrock anzog. Der Bursche war anstellig und geschickt, aber bald stellte es sich heraus, daß er sich mit seinen Arbeitsgenossen nicht vertragen konnte.

Die Masuren haben, obwohl sie selbst aus slavischem Stamm entsprossen sind und einen polnischen Dialekt sprechen, eine un�berwindliche Abneigung gegen die unter russischer Herrschaft lebenden Polen. Und diese Abneigung geht so weit, daß sie die Bezeichnung „Polack“ als Schimpfwort gebrauchen. So konnte es nicht ausbleiben, daß bald Reibereien ausbrachen, die nicht selten in Schl�gereien auszuarten drohten. W�re der Pole friedfertig und bescheiden gewesen, dann h�tten die anderen ihn wohl unter sich geduldet. Nun aber h�nselten sie ihn auf alle m�gliche Weise, da sie wußten, daß er sich schon �rgerte, wenn sie seinen Vornamen Stanislaus nicht in der polnischen Form Stanislaw aussprachen. War der Kerl nun wirklich faul, oder wollte er damit seinen Widersachern einen Schabernack spielen, er schonte bei der Arbeit seine Kr�fte so sehr, daß er den anderen f�rmlich im Wege war. Und eines Tages, als Karl in Gesch�ften vormittags fortgefahren war und erst nachmittags in den Wald kam, hatte es deswegen sogar eine Schl�gerei gegeben. Bis dahin hatten die Leute geschwiegen. Jetzt kam Stopka selbst an ihn heran und verlangte im Namen und im Auftrag der anderen, Karl sollte den Polack entlassen. Er brauche keinen anderen daf�r einzustellen; sie wollten die Arbeit, die der Szelinski geleistet h�tte, noch auf ihre Schultern nehmen.

Karl suchte zu vermitteln. Er wollte den Burschen unter vier Augen ordentlich zusammenrucken. Vielleicht ginge es dann mit ihm. Am n�chsten Vormittag nahm er ihn beiseite und redete ihm gut zu. Herr Szelinski h�rte ihn an, als wenn die Sache ihn nichts anginge, und verteidigte sich mit keinem Wort, so daß Karl nicht wußte, wie seine wohlwollende Mahnung aufgenommen w�re. Schon nach wenigen Tagen sollte er dar�ber Gewißheit haben, als Stopka mit zwei anderen, �lteren M�nnern bei ihm erschien und die Entlassung des Polen forderte. Sie w�rden unter keinen Umst�nden mehr mit ihm zusammen arbeiten. Sie seien alle wie die Br�der zueinander und h�tten keine Lust, sich t�glich mit einem hergelaufenen Polacken zu zanken oder gar zu pr�geln. Unter diesen Umst�nden blieb Karl nichts �brig, als dem Verlangen seiner Leute zu willfahren. Er ließ sofort Herrn Szelinski holen, um ihn in Gegenwart der M�nner abzulohnen. Nun folgte eine unerquickliche Szene. Der Pole warf den Masuren vor, daß sie ihn aus der Arbeit treiben wollten, bloß weil er jenseits der Grenze geboren sei, und schimpfte wie ein Rohrsperling, so daß Karl sich beeilte, ihm das Geld auszuzahlen, um dem Auftritt ein Ende zu machen. Als der Bursche das Geld in der Tasche hatte, wurde er patzig, setzte seine Konf�deratka aufs Ohr und meinte in herausforderndem Tone, jetzt w�rde er ganz offen sagen, weshalb er hier rausgeworfen w�rde. Die Herren w�ren eben �berall gleich. Die armen Leute m�ßten f�r einen Hundelohn bei ihnen schuften, und ihre Weiber wollten sie auch noch f�r sich haben.

Im ersten Augenblick verstand Karl diese Frechheit nicht. Stopka dagegen war sofort zugesprungen und hatte den Burschen im Genick gepackt. „Du verdammter Polack, was meinst du damit? Was sagst du auf unseren Herrn?“

„Na, tut doch nicht so, als ob Ihr nicht wißt, daß ich mit der Auguste hier vom Hof versprochen bin. Und das scheint dem gn�digen Herrn nicht zu passen. Deshalb lohnt er mich aus. Ihr seid ja bloß die Schafsk�pfe, die ihm dabei den R�cken decken.“

Jetzt w�re es dem Polacken schlecht gegangen, wenn Karl nicht seine Ruhe bewahrt h�tte. Aber es war ihm das Schicksal seines Großvaters in die Erinnerung gekommen. Auf sein Geheiß ließ Stopka den Szelinski los und ging nach der K�che, um die alte Josepha samt der Auguste zu holen. Vor all den Zeugen wollte er diesen b�sen Handel durchfechten. Es widerstrebte ihm nur, selbst Fragen, die n�tig wurden, an die Margell zu tun. Doch das besorgte Stopka. Er f�hrte die Weinende an der Hand herein, stellte sie dem Polen gegen�ber und fragte sie eindringlich, was sie mit dem Lorbaß zu tun habe. Mit stockender Stimme erwiderte sie, sie wollten sich heiraten.

„So, so! Und der Kerl behauptet, der junge Herr ginge dir nach. Ist das wahr?“

Das M�del sah dem Alten voll ins Gesicht. „Da sei Gott vor, daß ich so etwas sagen k�nnte. Nicht mit einem Auge hat der junge Herr mich angesehen.“

„Wann wollt ihr denn heiraten?“

Die Margell antwortete: „Na, wir dachten schon zu Fr�hjahr!“

„Du bist doch bis Martini hier im Dienst?!“

Das M�del schlug verlegen die Augen nieder. „Ja, aber vielleicht h�tt' mich der Herr schon vorher gehen lassen m�ssen.“

Nun hielt es Karl an der Zeit, einzugreifen und reinen Tisch zu machen.

„Wenn es so mit dir steht, dann gehst du sofort aus dem Hause, noch heute. Hier ist das Lohn bis zum Fr�hjahr. Dein Dienstbuch kannst du dir morgen von der Josepha holen.“

„Herr“, meinte Stopka, als er das Brautpaar, das auf der Stelle eine lebhafte Auseinandersetzung begann, hinausbegleitet hatte, „das war das beste, was Sie tun konnten. Mir tut nur die arme Margell leid, daß sie den Polacken heiraten muß. Na, sie hat's ja selbst gewollt. Aber machen Sie sich weiter keine Sorge darum. Die Auguste findet jetzt noch �berall Arbeit bis zur Hochzeit, und wenn ihr der Kerl ausr�ckt, dann hat sie auch nichts verloren.“

„Das scheint mir aber ein ganz gef�hrlicher Bursche zu ein.“

„Ach, Herr, die Hunde, die bellen, beißen nicht. Und bis Sie eine andere gefunden haben, kann meine Tochter auf den Hof zur Aushilfe kommen.“

Im Fr�hjahr hatte Karl mit Herrn Szelinski nochmal einen kleinen Auftritt. Der Bursche, der das M�del inzwischen geheiratet hatte, erschien auf dem Hof und sprach Karl um Arbeit an. Er hatte sich den Winter �ber bei den Bauern so durchgestoßen, aber nirgends lange ausgehalten. In seiner Gutm�tigkeit h�tte Karl den Menschen, der jetzt ganz bescheiden zu bitten verstand, vielleicht angenommen, wenn nicht der Pehlke dazugekommen w�re und ganz entschieden dagegen Einspruch erhoben h�tte. Sofort kehrte der Pole seine wahre Natur wieder heraus und fing zu schimpfen an. Das w�re ja ein neuer Herr, dem seine Leute vorschrieben, was er zu tun und zu lassen habe. Drohend und schimpfend ging er vom Hof.

�ber der Sorge um den Vater hatte Karl den Auftritt bald vergessen. Der alte Herr verfiel sichtlich. Er ging selten noch aus der Stube. Meistens saß er in seinem Lehnstuhl und br�tete still vor sich hin. Sein Interesse um die Wirtschaft und alles, was um ihn vorging, schien g�nzlich geschwunden zu sein. Er h�rte zu, wenn Karl ihm Bericht erstattete, tat aber selten eine Frage. Der Sohn konnte sich diesen Zustand nicht erkl�ren. Auch Ohm Zenth�fer konnte oder wollte ihm keine Auskunft geben. Er riet ihm nur, den Vater so viel wie m�glich f�r die Wirtschaft zu interessieren, ihn wom�glich t�glich in den Schlitten zu setzen und mit ihm �ber das Feld oder durch den Wald spazieren zu fahren. Daß der Vater noch mit den alten Wahnvorstellungen zu k�mpfen habe, das hielte er f�r ausgeschlossen.

Der Rat war leichter gegeben als befolgt. Denn Vater Gottlieb weigerte sich entschieden, auszufahren. Er bat nur, man m�chte ihn in Ruhe lassen.

Als das Fr�hjahr kam und die Sonne w�rmer zu scheinen begann, besserte sich sein Zustand ein wenig. Er machte kurze Spazierg�nge auf das Feld und sprach auch, wenn er zur�ckkam, dar�ber, wie er sich freute, daß die Saat so gut �ber den Winter gekommen war. Eines Tages war er weiter als gew�hnlich gewandert, bis zum Walde. Sein Herz krampfte sich zusammen, als er die vielen Stubben sah. Hier hatten uralte Kiefern gestanden, dort eine Gruppe m�chtiger Eichen. Wo waren sie geblieben? Hatte Karl sie zu Geld gemacht?... Pl�tzlich kam die Erinnerung �ber ihn. Er war es ja selbst gewesen, der das sch�ne St�ck Wald so verw�stet hatte.

Und mit der Erinnerung kam seine schwarze Stunde �ber ihn. Er setzte sich auf einen Stubben und br�tete still vor sich hin. Es waren keine klaren Gedanken, die ihn peinigten, nur das dumpfe Schmerzgef�hl, die Trauer um sein zerst�rtes Leben. Kalt strich der frische Ostwind �ber den Berg und durchschauerte ihn bis aufs Mark, aber er hatte nicht mehr die Kraft, sich zu erheben und heimw�rts zu gehen.

Erst kurz vor Mittag kam Karl von einem Gang in die Nachbarschaft zur�ck und erfuhr, daß sein Vater seit morgens weg w�re. Die Leute sagten ihm, daß sie den alten Herrn in der Richtung nach dem Walde h�tten �bers Feld gehen sehen. Von Angst getrieben, ließ Karl sofort einen Wagen anspannen und fuhr dem Vater nach. Er fand ihn zusammengesunken auf einem Stubben sitzen, und in diesem Augenblick schoß vor ihm wie ein Blitz die Erkenntnis aus. Jetzt wußte er, was den Vater dr�ckte!

Der Vorfall hatte die Katastrophe ausgel�st oder wenigstens beschleunigt. Der alte Herr hatte sich, wie man so zu sagen pflegt, bis auf den Tod erk�ltet und fieberte stark, als er ins Bett gebracht wurde. Der Arzt war sofort geholt werden. Er hatte energisch eingegriffen, den Kranken in ein nasses Laken gewickelt und zum Schwitzen gebracht, so daß bis zum Abend der erste Anprall der Krankheit gehoben war.

F�r den ersten Augenblick war wohl das �rgste abgewendet, doch dem Kr�fteverfall vermochte der Arzt nicht Einhalt zu tun. Er konnte dem Kranken nicht die Lust am Leben wiedergeben, die in vielen F�llen weit mehr wert ist als alle Arznei. Vater Miska war lebensm�de. Die einzige Freude, die ihm fern Dasein noch bieten konnte, die Freude an dem frischen Wirken des Sohnes, hatte er genossen. Jetzt konnte er getrost sein m�des Haupt zur Ruhe betten. Sein Sohn und Nachfolger hatte sich mit starken Knochen in die Sielen gelegt, und wenn Gott ihm seinen Segen gab, dann w�rde das Geschlecht der Miska auf der V�ter Scholle dauern.

Mit aller M�he und allen Mitteln, die �rztliche Kunst anzuwenden vermag, suchte Karl die drohende Katastrophe abzuwenden oder wenigstens hinauszuschieben. Der Vater war ein geduldiger Patient. Er nahm alles, was man ihm reichte, zwang sich dazu, die St�rkungsmittel zu genießen, die ihm vorgesetzt wurden, obwohl er wußte, daß alles vergeblich war. Wie eine Blume, die der kalte Hauch des Winters gestreift, welkte er dahin. Nur ab und zu, wenn Karl an seinem Bette saß und ihm von der Ernte sprach, die gut ausfallen werde, stieg leise in ihm der Wunsch auf, daß es ihm verg�nnt sein m�chte, noch einige Jahre dem emsigen Schaffen seines Kindes zuzuschauen. Im n�chsten Augenblick jedoch zerrann schon die Empfindung. Ihm fehlte die geistige Kraft, der Wille zum Leben.

Als die Sense zum ersten Male auf dem Felde durch die reifen Roggenhalme rauschte, trat der Schnitter Tod an das Bett des Gutsherrn. Jede Minute, die er sich aus der Wirtschaft, die jetzt seine volle Kraft in Anspruch nahm, wegstehlen konnte, hatte Karl am Bett des Vaters zugebracht. Er hatte wohl die Hoffnung aufgegeben, das Verh�ngnis aufhalten zu k�nnen. Aber so nahe hatte er sich das traurige Ereignis nicht vorgestellt. Vom Felde hatte er eine Handvoll der sch�nsten und l�ngsten �hren mitgebracht und dem Kranken aufs Bett gelegt. Eine Weile hatte der Vater mit geschlossenen Augen dagelegen, bis er die N�he des Sohnes f�hlte. Der Anblick der reifen �hren, die ihren Daseinszweck erf�llt hatten, mochte in ihm den Gedanken an das Ende ausl�sen. Er f�hlte, daß seine Stunde gekommen war.

„Richte mich empor, mein Sohn. Es ist Zeit, daß ich dir sage, was noch zu sagen ist... So, ich danke dir! Und nun neige deinen Kopf, damit ich meine H�nde darauf legen kann. Du bist mir allezeit ein guter, gehorsamer Sohn gewesen, und nie hast du mir einen ernsthaften Kummer verursacht. Daf�r danke ich dir. Hadere nicht mit Gott, mein Sohn. Das Schicksal, das er mir auferlegt, war die Pr�fung f�r dich. Jetzt weiß ich, weshalb er mich in die Tr�bsal der geistigen Umnachtung geworfen hat: um mir die Freude zu bereiten, mir zu zeigen, daß Gottes Segen auf dir ruht. Nimm auch meinen Segen! Du hast der Mutter Wunsch nicht erf�llen k�nnen. Das werde ich ihr sagen, wenn ich oben mit ihr zusammentreffe. Und es ist besser so. Nur die Geschlechter dauern auf Erden, die fest auf ihrer Scholle sitzen und mit der Liebe zur Natur die Ehrfurcht vor dem Sch�pfer bewahren. Gott segne dich, mein Sohn!“

Langsam ließ der Sterbende sich in die Kissen zur�ckgleiten, seine Hand blieb auf dem Kopf des Sohnes ruhen. Unbeweglich kniete Karl vor dem Bett seines Vaters. Er f�hlte, wie die Hand aus seinem Haupte schwer wurde und kalt... Er richtete sich empor, um noch einen Blick aus den treuen Augen zu erhaschen... sie waren geschlossen. Ohne Kampf war der Vater in das bessere Jenseits hin�bergeschlummert.

10.

Die Rede des Geistlichen am Grabe hatte Karl wunderbar getr�stet und gest�rkt. Der weißhaarige Prediger, der den Verstorbenen eingesegnet, getraut, den Sohn getauft und eingesegnet hatte, sprach nur aus, was alle Anwesenden empfunden, daß es eigentlich als eine große Gnade Gottes zu betrachten gewesen sei, daß der Verstorbene aus seiner geistigen Umnachtung erwacht, sich noch einige Monate an der T�chtigkeit des Sohnes habe erfreuen k�nnen. Es war ein sehr stattliches Leichengefolge. Die Arbeiter hatten es sich nicht nehmen lassen, den weiten Weg vom Gutshause bis zum Kirchhofe den schweren Sarg auf ihren Schultern zu tragen. Von weit und breit waren die alten Freunde und die Berufsgenossen des Verstorbenen herbeigeeilt, um dem Manne, der sich manchem als getreuer Nachbar erwiesen hatte, das letzte Geleit zu geben. Die Mitglieder des landwirtschaftlichen Kreisvereins waren erschienen. Der Lehrer des Dorfes hatte unter seinen Kollegen ein Doppelquartett zusammengebracht das am Grabe sang. Nach der Beerdigung hatten sich die Anwesenden, die zum Teil von weither gekommen waren, noch zu einem Imbiß im Trauerhause versammelt, wie es dort im Osten Sitte ist, und auch manch einer von den alten Freunden des Vaters hatte Karl beiseite genommen, um ihm noch ein freundliches, kluges Wort mit auf den Lebensweg zu geben.

Es war Abend, als die letzten G�ste abfuhren. Mit geziemenden Worten hatte sich Karl bei jedem f�r die freundliche Teilnahme bedankt. Der erste, heftige Schmerz war vor�bergerauscht und nur das dumpfe Gef�hl zur�ckgeblieben, das nur von der Zeit �berwunden wird. Aber außer diesem Gef�hl trug Karl noch eine bittere Empfindung mit sich herum. Solange der Vater lebte, selbst als er sich noch im Irrenhause befand, war der junge Mann sich nicht so verlassen vorgekommen. Es war doch noch einer seines Namens, seines Geschlechts da. Jetzt stand er mutterseelenallein auf der weiten Erde, und es war ihm, als wenn eine innere Stimme ihn fragte, wozu er denn �berhaupt noch auf der Welt sei. Er sprach sich dar�ber zu seinem Freunde Max Kerwin aus, der mit seiner Schwester Anna zum Begr�bnis gekommen war. Die Geschwister wollten einige Tage in Gonsken bleiben und ihm Gesellschaft leisten, damit er sich in den ersten Tagen nicht so furchtbar vereinsamt vorkommen m�chte. Max meinte, das Gef�hl sei noch ein �berbleibsel aus alten Zeiten, in denen einem einzelnen das Ansehen daraus erwuchs, daß er als Glied einer großen, einflußreichen Familiengemeinschaft dastand, die in guten und b�sen Tagen fest zusammenhielt und gemeinsam ihre Ziele verfolgte.

„Sieh mal, mein Junge, draußen im Reich, und namentlich in den Großst�dten, da mag es schon anders sein; da hat die moderne Entwickelung dies Gef�ge zertr�mmert, da schwimmt jeder einzelne allein im Strom, da sind die Familiengemeinschaften auseinandergerissen. Der eine Sohn des Hauses wird hierher gew�rfelt, der andere dorthin. Bei uns in Ostpreußen ist es ja noch anders. Da halten sogar unter den Bauern die Sippen noch fest zusammen. Selten, daß mal ein anderer Mensch in diese Sippen einheiraten darf.“

„Bei mir ist es doch wohl etwas anderes, lieber Max! Dies Gef�hl habe ich nie gekannt, denn sowohl Vater wie Mutter hatten keine n�heren Verwandten. Ich f�hle mich eben verlassen, weil ich keinen Bruder, keine Schwester habe. Die Familien meines Namens, die hier in der Umgegend sitzen, m�gen ja von altersher mit mir verwandt sein; aber der Zusammenhang ist uns verloren gegangen, wir kennen ihn nicht mehr.“

„Ich kann Ihnen nachempfinden, Herr Miska“, meinte jetzt die Schwester des Freundes. „Wir beiden Geschwister erleben ja gerade in diesen Tagen etwas �hnliches. Wir haben noch ein Elternhaus, unser Vater lebt, und doch ist uns der Zusammenhang mit ihm verloren gegangen durch die Stiefmutter. Ich will der Frau keine Schuld geben, ich will alle Schuld auf mich nehmen, aber die Tatsache bleibt doch bestehen, daß uns durch sie der Vater entfremdet ist.“

„Ja, darin hat meine Schwester recht“, fuhr Max fort. „Die Stiefmutter behandelt uns wie Eindringlinge, und der Vater tut nichts dazu, diesen Gegensatz zu mildern. Ich komm' schon dar�ber hinweg, denn ich bin ja nur wenige Tage im Jahr zu Hause, aber die arme Anna hat f�rchterlich darunter gelitten. Jetzt habe ich sie so weit, daß sie sich entschlossen hat, aus dem Hause zu gehen und sich eine Stellung zu suchen, bis ich mein Studium beendet habe und sie zu mir nehmen kann. Sie hat zu Hause in der Wirtschaft t�chtig zugreifen m�ssen und wird ihren Platz in der Welt schon ausf�llen. Wenn es dir recht ist, bleiben wir ein paar Tage bei dir. Es kann ja nicht lange dauern, bis Anna eine Stelle gefunden hat.“

Nun begann eine Reihe sch�ner Tage f�r die drei jungen Menschenkinder, und h�tte nicht die Trauerstimmung in Karl die Freude ged�mpft, dann h�tte er sagen k�nnen, daß er noch nie so froh gewesen wie in dieser Zeit. Anna hatte die innere Wirtschaft sich angesehen und bei ihrer Erfahrung bald herausgefunden, wo die bessernde Hand angelegt werden konnte. Schon am zweiten Tage hatte sie der alten Josepha die Leitung des Hauswesens abgenommen, und zum erstenmal empfand Karl das Behagen, das eine t�chtige Hausfrau auch in einem einfachen Hausstande um sich zu verbreiten vermag. Der Tisch war zu jeder Mahlzeit gef�llig gedeckt und mit einem Blumenstrauß geschm�ckt. Er saß nicht mehr allein am Tisch, das Essen schmeckte ganz anders, das heißt viel besser, als es die Josepha zubereitet hatte, deren Kochkunst nur gerade f�r die geringen Anspr�che der unverheirateten Knechte ausreichte. In all den Jahren hatte der junge Mann kein Auge f�r ein weibliches Wesen gehabt. Jetzt begann zum erstenmal die frische, gesunde Nat�rlichkeit einer Frau auf ihn zu wirken. Anna war nicht gerade sch�n zu nennen. H�tte die Polizei ihr Signalement ausstellen sollen, dann h�tte es darin heißen m�ssen: Nase, Mund: gew�hnlich; Augen: blau. Besondere Kennzeichen: fehlen. In diesem Punkt allerdings w�re die Beschreibung nicht genau gewesen. Doch das kann die Polizei ja nicht wissen. Anna war von klein an allzeit lustig und fr�hlich gewesen, mit einem deutlichen Anflug von Schalkhaftigkeit, der ihr unter dem schweren Druck der Verh�ltnisse im Elternhause in den letzten Jahren abhanden gekommen war. Jetzt lebte er wieder auf und durchgl�hte ihr ganzes Wesen.

Wie die Kinder lebten die drei zusammen. Als der Weizen eingefahren wurde, �bernahmen sie ein Gespann, Karl stakte die Garben, Anna stand auf dem Finder, und Max harkte nach und fuhr weiter. Und wenn sie abends nach getaner Arbeit fr�hlich plaudernd zusammensaßen, dann wunderte sich Karl �ber sich selbst, daß er einer jungen Dame gegen�ber so wenig sch�chtern war. Mit den Schwestern seines Freundes Siegfried hatte er manchmal ein paar Worte gewechselt Doch schon nach den ersten Augenblicken war ihm nichts mehr eingefallen, was er h�tte sagen k�nnen. Mit der Anna war das ganz was anderes. Mit der sprach er wie mit einem guten Kameraden, weihte sie in alle seine Sorgen und Zukunftspl�ne ein und war gl�cklich, wenn sie ihm verst�ndnisvoll zunickte. Der Gedanke, daß Anna eine junge Dame in heiratsf�higem Alter war und in ihrem zwanglosen Umgang etwas anderes sehen k�nnte als einen rein freundschaftlichen Verkehr, kam ihm nicht. Max hatte allerdings einige Male bemerkt, wie die bei den sich „rot anstickten“, wie Onkel Br�sig sagen w�rde. Und das erf�llte ihn mit großer Freude. Vorl�ufig aber behielt er seine Gedanken f�r sich. Wenn sich zwischen den beiden, die ihm wie f�reinander geschaffen erschienen, obwohl Anna f�nf Jahre �lter war wie Karl, etwas anspann, dann war es gut, solche keimenden Empfindungen nicht zu st�ren.

Die Geschwister hatten in mehreren Zeitungen inseriert, und allm�hlich begannen Offerten einzulaufen, die gemeinsam ge�ffnet und mit großer Spannung gelesen wurden. An jeder hatte Karl etwas auszusetzen. Die eine Stelle war zu weit weg, dort wurde zu wenig Gehalt geboten, hier waren die Anforderungen zu groß. Er wurde ordentlich beredt dabei. Eines Tages entfuhr ihm unwillk�rlich die �ußerung, wenn er ein alter Herr w�re, dann w�re es ja am besten, wenn Anna bei ihm bliebe und ihm die Wirtschaft f�hrte. Mit M�he verbiß Max bei diesen Worten das fr�hliche Lachen, das in ihm aufstieg, und mit großer Genugtuung beobachtete er, wie die beiden sich ansahen, rot wurden und eine Weile ganz verlegen dreinschauten. Endlich kam doch eine Offerte, an der nichts auszusetzen war. Eine kr�nkliche junge Frau suchte eine erfahrene Wirtschafterin, die ganz selbst�ndig den Haushalt leiten k�nnte. Sie bot ein ansehnliches Gehalt, und die Stelle war ganz in der N�he, also kein Grund vorhanden, sie auszuschlagen. Auf jeden Fall mußte Anna wenigstens hinfahren, um sich pers�nlich von den Dingen, die in dem Briefe so sch�n beschrieben waren, zu �berzeugen. Sie brauchte sich ja nicht auf der Stelle zu binden. Das hatte Max, der seine geheimen Pl�ne verfolgte, ihr ausdr�cklich zur Bedingung gemacht.

Am n�chsten Tage fuhr Anna mit einem Einsp�nner ab, einen kleinen H�tejungen als Kutscher. Karl hatte ihr sein bestes Gespann mit dem Kutschwagen geben wollen, obwohl er es in der Wirtschaft sehr gut brauchen konnte. Beim Mittagessen kamen die beiden Mannsleute sich ganz vereinsamt vor. Besonders Karl empfand deutlich, wie sehr ihm die Schwester seines Freundes fehlen w�rde, wenn sie die Stelle annahm. Max umlauerte ihn und wartete auf die passende Gelegenheit, die Sache zur Sprache zu bringen, die ihn ganz ernstlich besch�ftigte. Und er fand sie, als Karl ihm so ungeschickt die Suppe zureichte, daß ein großer Fleck auf dem reinen Tischtuch entstand. Als wenn sie schon mehrmals �ber dies Thema gesprochen h�tten, begann er:

„Na, siehst du, es fehlt ein weibliches Wesen hier im Hause. Du mußt heiraten, mein Junge!“

Bei diesen Worten err�tete sein Freund bis �ber die Ohren. Was Max sagte, das hatte er ja soeben selbst gedacht. „Ich bin zu jung dazu.“

„Das glaubst du doch selbst nicht! Du hast einen anderen Entwickelungsgang durchgemacht als die Durchschnittsmenschen, und deine Wirtschaft schreit ja geradezu nach einer Frau. Sieh mal, wie das hier anders geworden ist, seit meine Schwester ihre Hand reingesteckt hat. Soll die Schlamperei wiederkommen? Die alte Josepha ist stumpf; wer weiß, wie lange sie noch vorhalten wir.“

„Das ist alles ganz gut und richtig, was du sagst, mein lieber Max! Nur vergißt du eins. Ich bin nicht in der Lage, eine Frau in dies Haus zu f�hren, das mir eines Tages �ber dem Kopf zusammenst�rzen kann. W�re ich so weit, daß nach menschlicher Berechnung eine Katastrophe ausgeschlossen w�re, dann h�tte ich wohl nicht nur das Recht, sondern sogar die Verpflichtung, mir eine Frau zu suchen. Denn darin hast du recht, daß meine innere Wirtschaft unter diesem Zustande leidet.“

„Du siehst die Sache von einem falschen Gesichtspunkt an, mein Junge. Wieviel M�nner heiraten ohne die Gewißheit, daß sie gegen jeden Schicksalsschlag gesichert sind? Das kann �berhaupt kein Mensch wissen, was ihm die Zukunft bringen wird, und die Verantwortung tr�gst nicht du, sondern das M�del, dem du die Frage vorlegen wirst, ob sie ihr Schicksal an das deine kn�pfen will. Als ehrlicher Kerl wirst du ihr nat�rlich reinen Wein einschenken, und sagt sie „Ja“, nun dann stemmt ihr euch eben Schulter gegen Schulter und tragt gemeinsam, was der Himmel euch noch schickt, ob Freud' oder Leid.“

Eine Weile hatten sie schweigend nebeneinander gesessen und sich nur mit dem Essen besch�ftigt. Dann legte Max Messer und Gabel weg und sah den Freund an.

„Was sollen wir beide wie die Katzen uns den heißen Brei herumschleichen, wir wissen ja doch, um was es sich handelt: um Anna!` Ich weiß zwar nicht, wie du dar�ber denkst, aber nach meiner Ansicht w�re sie die gegebene Frau f�r dich. Sie hat �ber sechstausend Taler Mutterteil, ist t�chtig in der Wirtschaft, das hast du ja gesehen. Mit dem Geld rappelst du dich raus, und dann ist der Zustand gegeben, den du voraussehen willst: nach menschlichem Ermessen werdet ihr euch in die H�he arbeiten und zuletzt ein ganz vergn�gtes Dasein miteinander f�hren“

„Du vergißt die Hauptsache, lieber Max, ob deine Schwester mich haben will! Sie m�ßte mich schon sehr lieb haben, wenn sie aus einem Joch ins andere kriechen sollte.“

„Na, erlaub' mal, lieber Junge, so schroff wollen wir die Sache doch nicht hinstellen. Hier arbeitet sie dann doch f�r sich. Das ist doch kein Joch, sondern eine Erl�sung aus unertr�glichen Verh�ltnissen, und sicher einer abh�ngigen Stellung vorzuziehen. Aber mir scheint, du bist etwas bl�de und m�chtest dir nicht gern einen Korb holen, was meiner Meinung nach ausgeschlossen ist. Die meisten jungen Leute scheinen vor dem Heiraten genau so eine Scheu zu haben wie vor dem ersten Examen. Erst wenn die ersten Fragen getan und beantwortet sind, verlieren sie die Furcht. Das wird auch bei dir der Fall sein. Ich kann es dir �brigens nachempfinden, daß es etwas peinlich sein muß, wenn man einer jungen Dame Herz und Hand zu F�ßen legt und mit einem „Nein“ heimgeschickt wird, mag es auch in Seidenpapier eingewickelt sein. Damit du nicht in diese Verlegenheit gelangst, will ich bei meiner Schwester mal auf den Busch schlagen: Ja oder Nein?... Du l�ßt mich `ne halbe Stunde predigen und machst nicht den Mund auf. Wom�glich bin ich von einer ganz falschen Voraussetzung ausgegangen. Vielleicht ist dir meine Schwester ganz gleichg�ltig?“

H�tte er gewußt, was in Karl bei seinen Worten vorging, so w�re er nicht auf diese Vermutung gekommen. In seinem Freunde wogten Gedanken und Empfindungen, die sich schwer in Worte fassen ließen. In Anna war ihm das erste weibliche Wesen entgegengetreten, das er n�her kennen lernte. Aber welcher Art die Gef�hle waren, die er ihr entgegenbrachte, hatte er bis zur Stunde noch nicht gewußt, oder er war sich dar�ber nicht klar geworden. Und nun sollte er sich nicht nur dar�ber entscheiden, sondern auch noch �ber die weit wichtigere Frage, ob er das Schicksal dieses M�dels an das seine ketten d�rfe. Er stand auf und ging mit großen Schritten in der Stube auf und ab. Das Herz schlug ihm bis zum Halse hinaus. Jetzt sah auch Max den Kampf, der in seinem Freunde wogte. Er mochte f�hlen, daß er ein wenig zu schnell vorgegangen war. Aber wenn seine Schwester heute abend zur�ckkehrte mit der Absicht, die Stelle anzunehmen, dann war es doch Zeit, die Sache zur Entscheidung zu treiben. Kam es zu einer Verst�ndigung zwischen den beiden, dann w�re es doch t�richt gewesen, die Hochzeit auf Monate hinauszuschieben. Weshalb sollte seine Schwester sich dann noch lange unter fremden Leuten rumstoßen und Karl auf seinem Gutshofe allein hausen? Er sprach es aus, was er dachte, und f�gte hinzu:

„Nun �berleg' dir mal die Sache, aber nicht allzu lange. Denn wir sitzen schon vierzehn Tage dir auf dem Leder, und es ist Zeit, daß wir unseren Wanderstab weiter setzen.“

Es war ziemlich sp�t, als Anna zur�ckkehrte. Den ganzen Nachmittag und Abend �ber hatten die Freunde von allerlei gleichg�ltigen Dingen geredet und nicht von dem, was ihre Gedanken fortw�hrend besch�ftigte. Bei all seiner Unerfahrenheit hatte Karl doch das Gef�hl, als m�ßte er sich sehr gewissenhaft pr�fen, ob er die Schwester seines Freundes wirklich liebte. Er sch�tzte ihre wirtschaftliche T�chtigkeit, ihr ganzes Wesen ber�hrte ihn sympathisch. Es war nur die Frage, ob nicht jedes andere weibliche Wesen, das er zum erstenmal so kennen lernte wie Anna, auf ihn denselben Eindruck gemacht haben w�rde. Der gute Junge... er war ja in Liebessachen noch so g�nzlich unerfahren. Er wußte nicht, was es bedeutete, daß sein Herz so ungeduldig schlug, daß es vor Freude h�pfte, als die Hunde draußen anschlugen, wie der Wagen �ber das Steinpflaster rasselte. Mit langen Schritten st�rzte er hinaus und hob Anna aus dem Wagen, und ehe er sie noch zur Erde setzte, da hatte er schon die Frage getan, ob ihr die Stelle gefallen habe. Lachend hatte Max ihn beobachtet. Jetzt wußte er, wie es um seinen Freund stand. Schon der n�chste Moment gab ihm recht. Anna war von der Reise m�de gewesen und hatte nichts weiter gesagt, als daß sie keinen ernstlichen Grund h�tte, die Stelle nicht anzunehmen.

Schon beim Morgengrauen fuhr Karl aus dem Bett und weckte seinen Freund mit der Frage, ob er nicht einen Gang aufs Feld mit ihm tun wolle. Ganz heimlich wollten sie davonschleichen und zum Fr�hst�ck wiederkehren. Doch als sie die T�r zum Wohnzimmer �ffneten, stand bereits die Kaffeemaschine dampfend auf dem Tisch, und daneben saß Anna, als h�tte sie von dieser Fr�hpromenade gewußt. Auf dem Wege durch die Felder blieb Karl pl�tzlich stehen und streckte Max die Hand entgegen.

„Ich will deinen Vorschlag annehmen, lieber Freund. Jetzt weiß ich, daß ich deine Schwester liebe und es nicht ertragen k�nnte, wenn sie hier wegginge, um sich einen Dienst bei fremden Menschen zu suchen. Willst du mir helfen, so werde ich's dankbar annehmen, wenn du, wie du sagtest, bei Anna auf den Busch klopfen willst.“

St�rmisch fiel ihm der Freund um den Hals. „Ich kann mir keine gr�ßere Freude denken, als wenn aus euch beiden pr�chtigen Menschen ein Paar w�rde.“

Der eine war weitergegangen aufs Feld, der andere hatte sich umgedreht und war nach Hause zur�ckgekehrt. Unterwegs �berlegte Max, wie er seinen Auftrag am besten ausf�hren k�nnte. Er hatte ja gar keinen Zweifel daran, daß seine Schwester den Freund liebgewonnen hatte. Sie kannte ihn nicht erst aus den vierzehn Tagen ihres Beisammenseins, sondern schon seit Jahren hatte der Bruder ihr vorgeschw�rmt von seinem Freunde, der, aus der Schule gerissen, jung und mutig den Kampf mit den widerw�rtigsten Verh�ltnissen aufgenommen und daneben noch Zeit gefunden hatte, sich zum Abiturientenexamen durchzuringen. In ihren Tr�umen hatte sie ihn sich ja etwas anders ausgemalt. So einen b�renstarken Menschen, der alles vor sich niederwirft, was ihm in den Weg tritt, eine Herrennatur... Nun hatte sie einen stillen, bescheidenen J�ngling gefunden, dem man eigentlich auf den ersten Blick nicht ansehen konnte, was in ihm steckte. Doch dieses Wesen hatte ihr wohl mehr zugesagt als die Gestalt ihrer Tr�ume.

Erst in den letzten Tagen war der Gedanke in ihr aufgetaucht, daß sie dem Freunde ihres Bruders mehr sein k�nnte als eine allt�gliche Bekanntschaft. Sie hatte sich sogar die Frage vorgelegt, wie sie sich dazu stellen w�rde, wenn Karl ihr seine Hand antragen sollte. Sie war ja nicht mehr so jung, um nicht zu merken, daß sie ihm nicht gleichg�ltig geblieben war. Aber daß die Entscheidung so nahe bevorstand, hatte sie doch nicht gedacht.

Ihr guter Bruder hatte entschieden zum Diplomaten wenig Geschick. Denn anstatt sie mit harmloser Miene vorsichtig auszuforschen, ob bei ihr die vermutete Neigung zu Karl vorhanden sei, sprang er ihr mit der Frage um den Hals, ob sie Karl heiraten wolle?

Das M�del erschrak. Das war sicherlich doch wieder einer von Maxens dummen Streichen. Wahrscheinlich hatte er seinen Freund gepreßt, ihm wom�glich ihre Mitgift als K�der hingehalten, bis der gute Mensch eingewilligt hatte, dem heimatlosen M�del einen Unterschlupf zu bieten. Vergeblich beteuerte Max, daß Karl sie liebe, so ganz richtig liebe. Anna entließ ihn sehr ungn�dig mit der Weisung, daf�r zu sorgen, daß sie hier wegk�men. Sie w�rde jedenfalls sich wom�glich noch heute im Dorfe ein Fuhrwerk mieten und hinfahren, um die Stelle anzunehmen.

Der Studiosus fiel aus allen seinen Himmeln. An die M�glichkeit, daß sein Schwesterlein „Nein“ sagen k�nnte, hatte er nicht gedacht. Ganz verbl�fft schlich er hinaus, um Karl aufzusuchen und ihm von dem unerwarteten Resultat seiner Sendung Mitteilung zu machen. Der Verlobungskandidat war schon auf dem Hofe. Die Ungeduld hatte ihm draußen keine Ruhe gelassen. Noch ehe sein Freund den Mund auftat, sah er ihm den Inhalt seiner Botschaft an.

„Es ist also nichts mit deinem Projekt! Das h�tte ich dir vorhersagen k�nnen. Ich habe eben kein Gl�ck. Nur ab und zu leuchtet mir so'n kleiner Strahl auf, bloß damit ich um so deutlicher erkenne, wie schwarz es um mich ist. H�tt'st du nicht die Geschichte anger�hrt, dann w�re ich mir �ber meine Empfindungen vielleicht noch nicht klar geworden, wenigstens jetzt noch nicht. Oder wenn du nicht anders konntest, dann h�ttest du erst deine Schwester fragen k�nnen, ehe du mit mir dar�ber zu sprechen anfingst.“

„Damit es so aussieht, als wenn ich dir meine Schwester aufdr�ngen will. Ich kann sie dir doch nicht auf dem Pr�sentierteller entgegenbringen. So was �hnliches hat mir �brigens Anna auch gesagt.“

Jetzt wurde Karl hellh�rig. „Sag' das noch einmal, mein Junge! Hat Anna dir f�r mich ein glattes „Nein“ mitgegeben, oder war sie vielleicht nur b�se, weil sie f�rchtete, du h�ttest sie mir aufdr�ngen wollen?“

„Bei Gott, Karl, du hast recht! Sie hat wohl das Peinliche der Situation empfunden, das mir jetzt auch zum Bewußtsein kommt.“

„Was ist denn dabei peinlich?“

„Na, erlaub' mal, lieber Freund! Da kommt ein Geschwisterpaar zu einem unverheirateten jungen Mann auf Besuch, und der Bruder fragt ihn kurz und b�ndig: Willst du meine Schwester heiraten?... Ich habe sie zur Vorsicht gleich mitgebracht“

Nun mußte Karl laut und herzlich auflachen. Von dieser Seite aus betrachtet, hatte der Vorgang entschieden etwas Komisches. Max hatte nur einen Umstand vergessen, der diese Entwickelung der Dinge nur ganz nat�rlich erscheinen ließ: ihre enge Freundschaft!

„Du vergißt, daß wir wie zwei Br�der miteinander stehen! Und das muß auch dein Schwesterlein einsehen. Gib mir die Hand, mein Junge, jetzt will ich mein Gl�ck versuchen. Ich denke, ich werde es bei einem Zipfel erwischen.“

Mit ein paar S�tzen nahm er die Stufen der Freitreppe und verschwand im Flur. Im Wohnzimmer fand er Anna. Sie erhob sich bei seinem Eintritt und suchte hastig die Spuren der Tr�nen zu verwischen, die ihr im Auge standen. Ihr war das Herz schwer. Auch ihr war es bei den Worten des Bruders erst v�llig klar geworden, wie sie Karl liebte. Und jetzt mußte sie ihn abweisen. Es ging nicht anders! Was sollte er von ihr denken? Am besten, wenn sie Karl gar nicht dazu kommen ließ, ihr einen Antrag zu machen. „Lieber Herr Miska“... sonst hatte sie ihn meistens nur Karl genannt... „ich bitte, mir nicht die Dummheit meines Bruders zuzuschreiben, ich bin ganz unschuldig daran... nicht mit einem Wort habe ich ihm dazu Anlaß gegeben.“

Ohne ein Wort zu sagen, trat Karl ihr n�her und streckte beide H�nde nach ihr aus. All die sch�nen Worte, die er ihr sagen wollte, waren wie weggeblasen, die Kehle wie zugeschn�rt. Nur die Augen sprachen und flehten so beredt, wie es sein Mund nie und nimmer gekonnt h�tte. Vor diesem unerwarteten Angriff streckte sie die Waffen... denn nun begann in ihr der Verb�ndete dieses J�nglings zu sprechen, der vor Liebe und Aufregung bebend vor ihr stand. Der Blick seiner guten, treuen Augen bezwang all ihre Bedenken. Wie mit Blut �bergossen stand sie da, den Kopf gesenkt... In Liebessachen hatte Karl noch gar keine Erfahrung, das war aber in diesem Falle auch gar nicht n�tig. Er h�tte blind sein m�ssen, um nicht zu f�hlen, daß seine stille Werbung kein Hindernis fand. So machte er denn k�hn noch einen Schritt, bis seine Arme sich sanft um die Geliebte schlossen und ihr Kopf an seine Brust sank.

Wer weiß, wie lange sie in seliger Vergessenheit so dagestanden h�tten, wenn nicht Max, den schon die Ungeduld verzehrte, den Kopf zur T�r hereingesteckt h�tte.

In einem Jubelruf entlud sich seine Freude. „Karl, Schwager! Kinder, jetzt seid ihr mir doch nicht mehr b�ses. Ich habe doch recht gehabt!“

Wie ein paar ertappte S�nder waren die beiden auseinandergefahren. Beide standen sie da und wagten nicht, sich anzublicken.

„Was ist denn mit euch los! Vor mir braucht ihr euch doch nicht zu genieren!“

„Wir haben noch kein Wort miteinander gesprochen“, gestand Karl treuherzig. Nun mußte Max laut auflachen.

„Ihr habt noch kein Wort miteinander gesprochen? Na, eigentlich habt ihr trotzdem die Sache am richtigen Ende angefangen!“

Seine Stimme nahm einen ger�hrten Ton an.

„Nun denkt, daß ich an Stelle meines Vaters hier stehe, und kommt her, daß ich euch meinen Segen gebe.“

Eine Stunde sp�ter wanderte das Brautpaar gl�ckstrahlend von Max begleitet zu Ohm Zenth�fer. Sie hatten sich gr�ndlich �ber alles und jedes ausgesprochen. Max hatte zwar gemeint, mit der Umarmung sei alles schon erledigt, aber Karl hatte darauf bestanden, seiner Braut, denn das war sie doch nun, seine Verh�ltnisse ganz klar darzulegen, um sie vor die Frage zu stellen, ob sie ihr Schicksal an das seine kn�pfen wolle. Trotz des Ernstes der Situation hatte Max furchtbar dabei gelacht und sie damit geneckt, daß sie die Verlobung sozusagen r�ckw�rts durchmachten. „Erst umarmt ihr euch, und dann stellt ihr fest, ob ihr euch �berhaupt nehmen wollt.“

Bei Ohm Zenth�fer wurde die Verlobung gefeiert. Der alte Freund war von dem Geschehnis nicht sonderlich �berrascht, aber sehr erfreut. Er hatte sich schon seine Gedanken dar�ber gemacht, als er die beiden so zutraulich miteinander verkehren sah und im geheimen diesen Ausgang herbeigew�nscht. Was konnte Karl Besseres passieren, als eine t�chtige, liebe Frau zu bekommen, die ihm eine gute Mitgift ins Haus brachte?! Daß sie ein paar Jahre �lter war als ihr Zuk�nftiger, war nach seiner Ansicht kein Hindernis f�r eine gl�ckliche Ehe, und Karl war nach seinem schweren Schicksal zu einem Manne gereift, dem eine Frau ruhig auf den Lebensweg folgen konnte.

Es war elf Uhr geworden. Sie hatten noch einmal das Glas erhoben und auf eine gl�ckliche Zukunft angestoßen. Karl und Max r�steten sich zum Heimweg. Anna sollte, wie es nun einmal die Sitte erfordert, bei Zenth�fers bleiben. Da begann der Nachtw�chter auf seinem Horn Feuerl�rm zu blasen, und schon im n�chsten Augenblick lief der Ruf durch die Dorfstraße: „Feuer! Feuer!“ Erschreckt sprangen sie vors Haus. Am anderen Ende des Dorfes, wo Karls Hof lag, schossen die Feuergarben empor. Schon liefen einzelne M�nner und Weiber die Straße entlang.

Wo brennt's? Herrgott, das kann doch nur der Miskasche Hof sein. Der Umschwung vom h�chsten Gl�ck zum tiefsten Ungl�ck kam zu pl�tzlich. Er h�tte gar nicht zu fragen brauchen. Er hatte es gewußt, als er vor die T�r hinaustrat, daß es nur bei ihm brennen k�nnte. Und jetzt gerade mußte es brennen! Die Scheune mit Getreide bis zum Dachfirst vollgestopft, die St�lle voll Vieh... Wie eine L�hmung kam es �ber ihn, die Kniee zitterten unter ihm, so daß er sich am Zaun halten mußte, um nicht umzusinken. Nur einen Augenblick, dann siegte sein Wille �ber die Schw�che. Mit einem Satz schwang er sich �ber den hohen Zaun und sprang in langen S�tzen die Straße hinunter. Die M�nner, die an ihm vor�berliefen, um die Spritze zu holen, riefen ihm zu: „Die Scheune brennt!“

Zum Ungl�ck war heute nicht wie sonst im Herbst der Wind zum Abend eingeschlafen, sondern nach Osten herumgegangen und hatte mit frischer Kraft eingesetzt.

Mit einem Blick �bersah Karl, als er auf dem Hof ankam, daß alles verloren war. Die alte Spritze war, wie gew�hnlich auf den D�rfern, verstakt, der Schlauch undicht. Dazu Wassermangel! Denn die lang andauernde Trockenheit, die in der Ernte so angenehm gewesen war, hatte das Wasser im Dorfteich versiegen lassen. Fast einen Kilometer weit mußten die Wassertonnen zum See fahren, und wenn sie in rasender Fahrt wiederkehrten, dann war die H�lfte ihres Inhalts hinausgeschleudert.

Wie ein Verzweifelter hatte Karl gek�mpft. Von der Scheune war nichts zu retten. Es galt nur, den Stall zu halten. Das Vieh, was darin steckte, br�llte wie wahnsinnig und arbeitete an den Ketten. Vergeblich versuchten die Knechte, wenigstens den Pferden und den K�hen S�cke um die K�pfe zu binden und sie dann hinauszugeleiten. Karl stand als Erster oben auf der Leiter und suchte die brennenden Garben, die der Wind von der Scheune her�bertrug, mit dem Feuerhaken herunterzureißen. Hinter ihm stand Stopka und schwang den Eimer. Sie f�hlten, daß ihr Bem�hen vergeblich war, daß die furchtbare Glut, die der Wind mit sich f�hrte, sie vom Dache vertreiben w�rde. Schon sprang hier und dort unter den Dachpfannen die Flamme hervor. Karl wollte nicht weichen!... Die Funken hatten ihm das Gesicht und die Kleider versengt...

Es war eine grauenhafte Szene, das Toben der wildgewordenen Tiere, das Schreien der aufgeregten Menschen, das Heulen der Weiber, das Brausen der himmelhoch aufstrebenden Flammen.... Wie im Traum h�rte Karl den Ruf: „Zur�ck! Runter! Das ganze Dach brennt!“ Er f�hlte, wie ihn jemand am Rock r�ckw�rts zog, und als er den Fuß auf den Boden setzte, da war die Stelle, wo er eben gestanden, ein Feuermeer.

Mit vieler M�he war es gelungen, das Wohnhaus zu retten. Die Fenster waren zwar von der Hitze gesprungen, auch ein Teil des Dachstuhls war verbrannt. Aber als die Gluten des Stalles in sich zusammensanken und die Hitze nachließ, hatte das Wasser wenigstens an dieser Stelle das Feuer besiegt.

Von den umherliegenden D�rfern und G�tern waren die Spritzen gekommen. So gelang es auch, die zun�chstliegenden Geh�fte zu sch�tzen. Karl allein hatte das Ungl�ck getroffen. Wie nat�rlich, war gleich beim Ausbruch des Feuers die Entstehungsursache er�rtert worden. Es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß es b�swillig angelegt war, und der Verdacht fiel alsbald auf den Polacken, den Szelinski, der angeblich schon am Morgen desselben Tages nach Westfalen abgereist sein sollte. Trotzdem hatten ihn ein paar M�nner, die sp�t aus der Stadt heimkehrten, vor dem Dorfe getroffen. Er kam aus der Richtung der Miskaschen Scheune, aus der eine Viertelstunde sp�ter die Flammen hervorbrachen. Kein Zweifel: der Kerl hatte sich ger�cht!

11.

Als der Morgen graute, r�ckten die Spritzen ab. Nur eine Brandwache war zur�ckgeblieben. Auf dem Hofe sah es grauenvoll aus. Der Boden war von dem vergossenen Wasser zu einem dicken Brei geworden, der von Tausenden von Menschentritten durchknetet war. Hier lag ein Haufen halbverbrannter Wagen und Schlitten, dort stand ein Fuder Getreide, das man gerettet hatte. Aber wie? Halb versengt, ganz mit Wasser durchtr�nkt... Von der Scheune war nur wenig mehr vorhanden als ein Haufen Steine, aus dem noch kleine Rauchwolken aufstiegen. Vom Stall standen noch die Umfassungsmauern. Wie ein Pesthauch kam es aus ihnen heraus, war doch all das Vieh elendiglich in den Flammen umgekommen. Es w�re vielleicht m�glich gewesen, die K�he und die Pferde zu retten, wenn man sofort, als die ersten Flammen aus der Scheune aufzuckten, daran gegangen w�re, sie herauszuf�hren. Als das Geschrei der Menschenmenge den Hof f�llte und die Hitze von der Scheune sich f�hlbar machte, da waren die Tiere wild geworden und hatten allen Versuchen, sie aus dem Stall zu ziehen, den hartn�ckigsten Widerstand entgegengesetzt. Dann hatte das Dach des Stalles zu brennen angefangen. So rapid war die Katastrophe verlaufen, daß kein Mensch sich an einen �hnlichen Vorgang erinnern konnte... Auch der Obstgarten war vernichtet. Im vorderen Teil hatte die Hitze die B�ume versengt, hinten hatte das rohe Volk, das sich lachend und johlend um die Ungl�cksst�tte dr�ngte, die B�ume gepl�ndert, starke �ste abgebrochen und den ganzen Gem�segarten wie ein Brett festgetreten.

Karl war als der Letzte vom Hofe gegangen und hatte sich an den Schreibtisch gesetzt. Es war ihm, als h�tte das Feuer auch in seiner Brust gew�tet. Mit peinigender Sch�rfe kam ihm ein Satz ins Bewußtsein, den er neulich in einem Buche �ber Landwirtschaft gelesen hatte: „Wenn man in einer gut eingebauten Besitzung den Wert der Geb�ude genau absch�tzt und den Anschaffungswert eines jeden lebenden oder toten Inventarst�cks dazurechnet, dann bleibt gemeinhin vom Verkaufswert nicht ein Pfennig f�r Grund und Boden �brig.“ Dieser Satz, auf seine Lage angewendet, sagte ihm, daß er jetzt ein Bettler sei. Ja, vielleicht noch mehr. Er hatte eine Unterlassungss�nde begangen, die sich jetzt bitter r�chte. Er hatte nicht die Versicherung erh�ht, die noch f�r die kleinen Geb�ude, wie sie vor dem Neubau dastanden, galt; er hatte die Ernte nur mit einer winzigen Summe versichert, die etwa dem entsprach, was er nach dem Verkauf des Getreides an Vorrat f�r den Winter behielt. W�re das Ungl�ck nur vierzehn Tage sp�ter eingetreten, so h�tte er wenigstens das Geld f�r die reiche Ernte in der Tasche gehabt, denn er hatte sich bereits, um m�glichst schnell vorw�rts zu kommen. eine Dampfmaschine gemietet und wollte in vier, f�nf Tagen die Drescharbeit erledigen.

Ganz mechanisch schloß er die Schublade des Schreibtisches auf, in der die Versicherungspapiere lagen, und begann zu rechnen. Was er an Schaden erlebt hielt, w�rde kaum dazu hinreichen, die abgebrannten Geb�ude in Holz wieder auszuf�hren, und woher sollte er das andere Geld nehmen? Die Zinsen und die Abschlagszahlung f�r die Gl�ubiger?

Nein, jetzt war's aus, endg�ltig aus mit dem Kampf um die Scholle; und die Leute, denen er das Geld schuldete, konnten ihm obendrein den Vorwurf str�flichen Leichtsinns machen. Er hatte wirklich nicht an diese M�glichkeit gedacht, daß ein Brand ihn zum Bettler machen k�nnte, und w�re ihm der Gedanke gekommen, wer weiß, ob er nicht aus falscher Sparsamkeit die hohen Versicherungspr�mien gescheut h�tte? Ja, wenn er schon verheiratet gewesen w�re und das Geld seiner Frau hinter sich gehabt h�tte... Aber jetzt war doch daran nicht zu denken. Jetzt mußte er als anst�ndiger Mensch vor Anna hintreten und ihr das Wort zur�ckgeben. Sie w�rde wohl selbst Bedenken tragen, jetzt noch ihr Schicksal mit dem seinigen zu verbinden, und wenn sie hochherzig genug war, an dem Verl�bnis festzuhalten, dann mußte er auf der L�sung bestehen. Es w�re ja unverantwortlich gewesen, das Geld noch in die Besitzung zu stecken. Es w�rde ja gerade hinreichen, neu zu bauen und das ganze Inventar frisch zu kaufen. Aber dann? Dann war er ebenso weit, wie er angefangen hatte, und die n�chste schlechte Ernte warf ihn von Haus und Hof. Und ihn nicht mehr allein, sondern auch das Wesen, das er an sich gekettet hatte.

Er ging in sein Schlafzimmer, wo an der Wand die rote M�tze hing, und holte die Pappschachtel hervor, in der er seine Albertusse aufbewahrt hatte. Das war ja ein kleines Verm�gen, groß genug, um ihm �ber die erste Zeit des Studiums wegzuhelfen. Die hellen Tr�nen fielen ihm dabei aus den Augen. So war nun doch gekommen, was er bei all seiner frischen, energischen T�tigkeit immer im geheimen gef�rchtet hatte; als Besiegter ging er aus dem Hause seiner V�ter.

Lauter Ruf schreckte ihn aus seinem Sinnen auf. Ohm Zenth�fer war mit Anna und Max gekommen, hatte die ersten Zimmer leer gefunden und rief jetzt mit lauter Stimme: „Karl, Junge, wo bist du?“ Gleich darauf wurde die T�r zum Schlafzimmer ge�ffnet. Der Onkel steckte den Kopf hinein.

„Mensch, wie siehst du aus, du bist ja noch ganz schwarz und verr�uchert, und dein Rock voller L�cher. So kannst du deiner Braut nicht unter die Augen kommen. Nun mach` dich mal fein!“

Der Ton dieser Worte, in dem nichts von wehleidigem Bedauern lag, wirkte auf Karl wie ein belebender Hauch. Der Onkel, der doch seine Verh�ltnisse ganz genau kannte, schien seine Lage gar nicht f�r so verzweifelt anzusehen. Schnell warf er die Kleider ab und fuhr in die große Waschsch�ssel.

Anna war inzwischen in die K�che gegangen, die Margellen schliefen noch, nur die alte Josepha saß in einer Ecke und nickte. Die alte, treue Seel war auch die ganze Nacht auf den Beinen gewesen; jetzt hatte sie die M�digkeit �bermannt. Aber erst hatte sie vorsorglich am Herde Feuer gemacht und Wasser aufgesetzt. Schnell hatte Anna den Kaffee gemahlen und Brot und Butter hervorgeholt, um den Fr�hst�ckstisch zu decken. Als Karl im Wohnzimmer erschien, sah es so gem�tlich und einladend aus, und h�tte er nicht am Gesicht und den H�nden die kleinen Brandwunden gef�hlt, dann h�tte er glauben k�nnen, getr�umt zu haben. Und ehe er sich's versah, hatte seine Braut ihre Arme um seinen Hals geschlungen und ihn herzlich abgek�ßt.

Diese Umarmung, dieser Kuß sagten Karl mehr als lange Auseinandersetzungen. Das M�del, das sich ihm verlobt hatte, war gewillt, auch im Ungl�ck treu zu ihm zu stehen, und die beiden M�nner, die ihm jetzt am n�chsten standen, der alte Freund und der zuk�nftige Schwager, wußten bereits darum und waren damit einverstanden. Da w�rde er einen schweren Stand haben. Aber er wollte fest bleiben.

Zuerst berichtete Ohm Zenth�fer, daß er als Amtsvorsteher sich bereits um die Ursache des Feuers gek�mmert habe. Es sei kein Zweifel, das Szelinski der Brandstifter sei. Die beiden M�nner, die ihn auf der Landstraße dicht vor dem Dorfe trafen, h�tten ihn ganz genau erkannt. Er habe bereits �berallhin telegraphiert, um den Kerl, wenn er irgendwo die Eisenbahn bestieg, festnehmen zu lassen. Das gab Karl Veranlassung, zu schildern, wie er den Polacken auf das Verlangen seiner Leute habe entlassen m�ssen, wie er dann nochmals wiedergekommen sei und ihn um Arbeit angesprochen h�tte. Das sei wohl die gen�gende Erkl�rung f�r die Beweggr�nde der Tat.

So war das Gespr�ch von Anfang an in ruhige Bahnen gelenkt. Dann erst ging Ohm Zenth�fer auf die wichtige Frage ein, was nun geschehen solle. Karl holte das Blatt, auf dem er gerechnet hatte.

„Wollt Ihr Euch mal die Zahlen ansehen? Hier steht ungef�hr, was die Geb�ude, das Inventar und das verbrannte Vieh wert gewesen sind; so viel betr�gt die Versicherungssumme; so viel habe ich am 1. Oktober zu zahlen. Und nun zieht die Rechnung. Da fehlen rund 6000 Taler, um die Wirtschaft in den vorigen Stand zu setzen und auszubauen. Das bedeutet: Karl Miska geht mit dem weißen Stab in der Hand und einem Haufen Schulden aus dem Hause seiner V�ter.“

Polternd fiel Ohm Zenth�fer ein: „Was red'st du da? Von Schulden kann nicht die Rede sein. Denn du haftest pers�nlich nicht mit einem Pfennig. Das sind alles Schulden, die auf dem Grundst�ck ruhen. Davon kann also keine Rede sein.“

„Nein, Onkel, aber moralisch hafte ich daf�r. Zum mindesten f�r die 3000 Mark, die mir Herr Hirschberg gegeben hat.“

„Das ist Gef�hlssache, dar�ber wollen wir nicht streiten. Erst muß hier Klarheit geschaffen werden! Willst du jetzt die Flinte ins Korn werfen?“

„Der Ausdruck, lieber Onkel, durfte in diesem Falle nicht zutreffen. Ob ich will oder nicht, ist hier nicht die Frage. Es ist eben aus.“

„Du vergißt, lieber Schwager“, warf jetzt Max ein, „daß jetzt Anna mit ihrem Geld einspringt“

„Nein, Max, nein, Anna! Davon kann gar keine Rede sein. Es w�re unverantwortlich von mir, das Geld in die Ungl�ckswirtschaft zu stecken. Ich weiß alles, was ihr dagegen sagen k�nntet. F�r mich ist das eine ausschlaggebend: daß mich die n�chste Mißernte unweigerlich dahin zur�ckschleudert, wo ich angefangen habe. Liebe Anna, ich habe heute fr�h schon mit mir gek�mpft und gerungen, ob ich dir dein Wort zur�ckgeben soll. Jetzt bin ich davon abgekommen. Willst du zu mir halten, bis ich mein Studium beendet habe und in Amt und Brot bin?“

Jetzt h�tte Anna ger�hrt auf ihn zufliegen und ihm unter Tr�nen um den Hals fallen m�ssen. Aber merkw�rdig: sie dachte gar nicht daran. Sie blieb ruhig sitzen und streckte ihm l�chelnd die Hand entgegen. „Nein, Karl, das will ich nicht! Ich will hier bleiben und mit dir unser Heim hier aufbauen!“

Karl sch�ttelte den Kopf. „Das habe ich gewußt, daß du mir dies Anerbieten machen willst. Ich muß aber bei meinem „Nein“ bleiben. Ich habe den Mut verloren. Ich weiß nicht, ob ich noch die Energie besitze, den Kampf von neuem aufzunehmen. Laßt mich doch, qu�lt mich nicht, ich kann wirklich nicht!“

Ohm Zenth�fer hatte sich w�hrend dieser Auseinandersetzung schon mehrfach vernehmlich ger�uspert. Jetzt brach er los.

„Das habe ich von dir nicht erwartet, daß du jetzt schlapp werden wirst. �brigens haben wir diese Bedenklichkeiten von deiner Seite vorausgesehen. Auch daf�r ist Rat, und du kannst Gott danken, daß du ein so treues, hochherziges Weib bekommst. Also, wenn du weggehen willst, um zu studieren, dann wird ein anderer deine Aufgabe hier vollenden, ein viel forscherer Kerl, als wie du je gewesen bist. Hier steht er! Ja, schau' sie nur an, sie l�ßt Gonsken nicht fahren. Du brauchst keinen Finger mehr zu r�hren. Du kannst ruhig studieren gehen; wir werden hier weiterwirtschaften. Und die Sache ist furchtbar einfach: Deine Braut �bernimmt die Besitzung, wie sie jetzt steht und liegt, mit allen Aktiven und Passiven. So, und wenn du dich satt studiert hast, dann kannst du herkommen und dich ins warme Nest setzen. Na, wie gef�llt dir das? Ein sehr bequemer Ausweg f�r dich!“

�berrascht, zweifelnd sah Karl von einem zum anderen. Das war ja, als wenn die drei Verb�ndeten, die ihm gegen�berstanden, den Schlachtplan vorher ganz genau besprochen hatten. Anna war zu ihm getreten und hatte ihn umgefaßt.

„Es ist mein voller Ernst, lieber Karl! Wir haben ganz genau gewußt, daß du in deiner Hochherzigkeit meine Hilfe zur�ckweisen, mir sogar die L�sung unseres Verl�bnisses freistellen w�rdest. Ich denke gar nicht daran, dazu habe ich dich viel zu lieb!“

Es hatte noch eine ganze Weile gedauert, bis Karl sich gefangen gab. Den Ausschlag gab Annas ganz bestimmte Versicherung, daß sie die Besitzung kaufen w�rde, selbst wenn es zur Subhastation k�me. Daran konnte er nicht vorbei. Das durfte er nicht zugeben, daß seine Braut in die Presche sprang, wenn er die Flinte mutlos von sich warf.

„Jetzt haben wir dich, wo wir dich haben wollten“, meinte Ohm Zenth�fer zum Schluß ganz vergn�gt.

„Du glaubst, du bist ein Pechvogel! Im Gegenteil! Du f�llst immer, wie die Katze, auf die F�ße. Mir scheint, der liebe Herrgott dort oben verfolgt mit all den Schicksalsschl�gen, die er dir schenkt, einen ganz bestimmten Plan. Du wirst systematisch erzogen, mein Jungchen! An dieser Pr�fung bin ich �brigens nicht ganz schuldlos. Ich h�tte daran denken k�nnen, ob du gen�gend versichert bist. Und nun noch die Frage: Wann wollt ihr Hochzeit machen? Nach meiner Meinung habt ihr keine Ursache, damit zu warten. Gerade jetzt, in den n�chsten Wochen und Monaten, wird es sehr n�tig sein, daß eine Frau hier im Hause nach dem Rechten sieht. Ich werde euch einen Stall einr�umen, damit ihr etwas Vieh einstellen k�nnt, und bis zur Hochzeit bleibt Anna bei mir.“

Noch an demselben Tage hatte Anna an ihren Vater geschrieben, ihm alles mitgeteilt und um seinen Segen gebeten. Die Antwort darauf lautete nicht anders, als man erwartet hatte. Der Vater schrieb sehr k�hl, sie w�re ja m�ndig und k�nnte ohne seine Einwilligung tun und lassen, was sie wollte. Andernfalls h�tte er Einspruch erheben. Dem Briefe waren die n�tigen Papiere und ein Scheck von 4000 Mark beigef�gt, der Annas Aussteuer darstellte. Die Hochzeit wurde ganz still im kleinen Kreise begangen. Vormittags fuhr das Brautpaar mit Ohm Zenth�fer und Max als Trauzeugen nach Schwentainen. Am Nachmittag fand die Trauung in der Kirche statt.

Auf dem Hofe herrschte reges Leben. Schon am zweiten Tage nach dem Brande war Karl nach Lyck gefahren und hatte sich bei Herrn Hirschberg einen Vorschuß auf die Versicherungsgelder geben lassen, deren Auszahlung sich noch einige Monate hinausz�gern w�rde. Dann hatte er mit einem Bauunternehmer den Vertrag �ber den Neubau des Stalles abgeschlossen. Der bis zum Winter noch unter Dach und Fach sein sollte. Die Scheune brauchte ja erst im n�chsten Fr�hjahr gebaut zu werden. Denn das wenige Getreide, das noch auf dem Felde stand, konnte auch in Stoggen gesetzt werden. Das Holz zum Neubau hatte ihm Lehmann sehr billig zum Selbstkostenpreise abgelassen, das Sparrenzeug konnte er aus seinem St�ck Wald nehmen.

Neuer Mut war �ber Karl gekommen. So schlimm, wie er sich die Sache anfangs vorgestellt hatte, war es doch nicht. Wenn er sich etwas bei dem Neubau einschr�nkte, w�rde er von der Mitgift seiner Frau nur die H�lfte verbrauchen. Der Rest konnte auf die hohe Kante gelegt oder zur Abzahlung von Schulden verwendet werden. Von dem Gelde f�r ihre Aussteuer hatte Frau Anna auch nur ein Drittel verbraucht.

So kam der 1. Oktober heran. Karl war schon in geheimer Sorge. Sie hatten noch vor der Hochzeit die H�lfte der Wertpapiere, die Anna besaß, dem Bankier nach K�nigsberg geschickt, mit dem Auftrage, sie zu Geld zu machen. Das konnte doch keinen Schwierigkeiten begegnen. Seine Frau hatte vor zwei Jahren, als sie m�ndig geworden war und das Vormundschaftsgericht ihr die pupillensicheren Papiere einh�ndigte, auf den Rat des ihrer Familie befreundeten Bankiers in K�nigsberg die Dokumente verkauft und sich daf�r Aktien einer Berliner Hypothekenbank gekauft. Nach der Ansicht ihres Beraters waren die Papiere todsicher und jederzeit leicht in Geld umzusetzen. Sie brachten, da sie ganz regelm�ßig von Jahr zu Jahr stiegen, weitaus mehr Zinsen als m�ndelsichere Hypotheken, so daß Anna nach dem Stand der Aktien jetzt �ber mehr als siebentausend Taler verf�gte.

Seit einigen Tagen schien es Karl, als wenn seine Frau etwas dr�ckte. Einmal war es ihm sogar, als ob sie verweinte Augen habe. Er konnte sich das nicht erkl�ren. Nicht der leiseste Mißton war bis dahin in ihrer jungen Ehe vorgekommen. Im Gegenteil! Jeder Tag hatte ihnen eine Freude gebracht, die sie immer inniger verband. Wie der verbrannte Giebel ihres Hauses gerichtet, wie die Fundamente zum neuen Stall gelegt worden waren, wie die Milch von den neugekauften K�he zum erstenmal in das Haus kam und zum erstenmal das Futter f�r die frischgekauften Schweine hinausgetragen wurde: das alles waren so erhebende Momente in ihrem Leben gewesen, daß sie dann vergn�gt, oder besser gesagt, innerlich froh bewegt, sich um so enger aneinander geschlossen hatten.

Daß mit den Wertpapieren seiner Frau etwas nicht in Ordnung sein k�nnte, daran dachte Karl gar nicht. Vielleicht war irgend eine kleine Kursschwankung eingetreten und der Bankier in seiner Gewissenhaftigkeit wollte sie vor�bergehen lassen, um keinen Verlust an dem Verkauf der Papiere herbeizuf�hren Er scheute sich davor, mit seiner Frau dar�ber zu sprechen, um sie nicht in Unruhe zu versetzen.

Am ersten Oktober jedoch war die Sache nicht l�nger hinauszuschieben. Als er von einem Gang ins Feld zum Fr�hst�ck nach Hause kam, hatte er sich vorgenommen, nach K�nigsberg zu telegraphieren, um wenigstens Gewißheit zu haben, wenn er die Gl�ubiger und Zinsenempf�nger noch f�r ein paar Tage vertr�sten m�ßte. Er fand seine Frau in Tr�nen aufgel�st am Tische sitzen. In der Hand hielt sie das Zeitungsblatt, auf dem Tische lag ein erbrochener Brief, an seine Frau gerichtet. Er war von dem Bankier in K�nigsberg, und darin stand mit d�rren Worten, daß die Direktoren der Hypothekenbank in Berlin unter dem Verdacht großartiger Unterschlagungen verhaftet worden seien. Er h�tte die Papiere sofort nach Berlin geschickt, um sie dort verkaufen zu lassen. Aber man m�ßte dort bereits von der bevorstehenden Katastrophe eine Ahnung gehabt haben. Denn die Papiere seien sprungweise von Tag zu Tag heruntergegangen, und jetzt nach der Verhaftung der Direktoren nichts mehr wert als ein St�ck Makulatur.

Einen Augenblick mußte Karl sich an der Tischkante halten. Er hatte das Gef�hl, als st�rze das Dach seines Hauses �ber ihm zusammen, als loderten rings um ihn die Flammen, wie damals, als er aus der Leiter stand. Unwillk�rlich kamen ihm die Worte des Onkels ins Ged�chtnis: „Du bist wie eine Katze, die immer auf die F�ße f�llt.“ O ja, er w�rde jetzt auch auf die F�ße fallen, aber anders, als Ohm Zenth�fer gemeint hatte. Dann kam ihm das Bewußtsein, daß seine Frau ja noch viel h�rter von diesem Schicksalsschlage betroffen sein m�sse als er. Sie war es doch gewesen, die ihn, wenn auch in gutem Glauben, in diese furchtbare Situation gebracht hatte. Das gab ihm die Besinnung wieder. Er hatte schon so viel Kraft, seine Frau zu tr�sten, als sie sich vor Verzweiflung weinend an seinen Hals warf. Es h�tte sich doch nichts ge�ndert. Im Gegenteil! Das g�tige Schicksal h�tte ihm das Gl�ck, das seiner wartete, nicht nur von ferne gezeigt, sondern ihm sogar einen Vorgeschmack davon gegeben. Was sei denn verloren? Das bißchen Geld?... Jetzt m�ßten sie eben seinen alten Plan ausf�hren, er nach K�nigsberg gehen und studieren und sie eine Stellung als Wirtschafterin annehmen, bis er eine Pfarrstelle gefunden. Unter den Kollegen im Kreisverein seien einige hochm�gende Herren. Mit deren Empfehlung w�rde man ihn in Anbetracht seines Schicksals wohl noch vor der Zeit zum Examen zulassen, wenn er sich recht fleißig zeigte.

So redete er auf seine kleine Frau ein, die in der Tat ganz verzweifelt war und sich im stillen die f�rchterlichsten Vorw�rfe machte. Anstatt ihr Geld an sicherer Stelle stehen zu lassen, hatte sie es in Papieren angelegt, bloß um eine bessere Verzinsung zu erzielen. Aber auch dar�ber versuchte Karl sich zu beruhigen. In diesem Sinne sei der Mensch nicht verantwortlich f�r seine Handlungen. Wenn die Tat an sich berechtigt und nicht unehrenhaft sei, k�nne niemand sich �ber die Folgen Vorw�rfe machen.

Den ganzen Vormittag hatten sie nach allen Seiten hin und her er�rtert, wie sich jetzt ihr Lebensplan gestaltete. In der Hauptsache waren sie sich ja einig. Es fragte sich nur, was mit dem Gut geschehen sollte, ob Karl freiwillig die Subhastation beantragen mußte. Er wollte doch nicht mehr, selbst wenn es gegangen w�re, den Winter �ber in Gonsken sitzen, sondern sofort nach K�nigsberg, um nicht das Semester an der Studienzeit zu verlieren. Und als seine Frau in die K�che gegangen war, um das Mittagsbrot zu bereiten. da hatte er sich hingesetzt und gerechnet und gerechnet, bis ihm der Kopf heiß wurde. Aber es ging nicht! Selbst wenn die Gl�ubiger ihm eine Frist bewilligten und er durch vermehrte T�tigkeit den Winter �ber das Geld f�r beide Raten verdiente, dann blieb die Sache trotzdem eine Kr�pelei. Dann mußte er sich bis auf den letzten Pfennig verausgaben, um nur die allernotwendigsten Ger�te, Wagen usw. anzuschaffen. Nein, es war schon besser, er machte jetzt unter die Rechnung einen Strich und zog das Fazit. Er hatte sich nichts vorzuwerfen. Er brauchte nicht mit Bitterkeit an die verflossene Zeit zur�ckdenken. Er hatte sich t�chtig erwiesen, sich die allgemeine Achtung erworben, und sicherlich w�rde ihm auch von allen Seiten die Teilnahme bei dieser Wendung seines Schicksals nicht fehlen. Dar�ber konnte er beruhigt sein. Ein paarmal mußte er die Z�hne zusammenbeißen, wenn er an die n�chsten Jahre dachte. Als Junggeselle w�rde er einsam in der großen Stadt hausen, sein liebes Weib getrennt von ihm in dienender Stellung. Das war bitter: das hatte er vom Schicksal nicht verdient.

Kurz nach Mittag kam Pehlke, um sich mit seinem Herrn f�r die n�chsten Tage zu besprechen. Sie wollten ja doch zusammen auf den Jahrmarkt nach Oletzko fahren, um dort Pferde und wenigstens ein paar gute Milchk�he noch zu kaufen. Dann sollte Karl weiter nach L�tzen, um mit Herrn Lehmann f�r den Winter wieder abzuschließen. Das war vielleicht der schwerste Moment, als er dem Alten auseinandersetzen mußte. daß es nun zu Ende sei, wirklich zu Ende. Und dann stand ihm noch ein Gang bevor, der ihn mindestens ebenso schwer d�nkte: er mußte zu Herrn Hirschberg und ihm die Verh�ltnisse klar machen. Tief im Innersten seines Herzens fand er dabei eine Ecke, an die er w�hrend der ganzen Jahre nicht ger�hrt hatte. Darin bewahrte er die Erinnerung an ein Wort auf, das Herr Hirschberg ihm einst zu Beginn ihrer n�heren Bekanntschaft gesagt hatte: in dem Gute stecke noch eine Reserve, noch eine Kraft, die herausgeholt werden k�nnte. Vielleicht war es nur eine Redensart gewesen, um ihm damals Mut zu machen, und selbst wenn es etwas mehr gewesen w�re, wenn Herr Hirschberg wirklich noch eine Hilfsquelle erschließen k�nnte, so w�rde er dazu wohl die Hand nicht mehr bieten k�nnen.

Am Nachmittag waren beide zu Ohm Zenth�fer gegangen, um ihn mit der Sachlage bekannt zu machen. Der alte Herr hatte gewettert und dann mit Karl noch einmal alle Verh�ltnisse bis ins kleinste er�rtert, in der Hoffnung, daß sich doch noch ein Ausweg finden w�rde. Doch schließlich hatte er Karl zustimmen m�ssen und Karl gleichzeitig f�r die erste Zeit des Studiums bereitwilligst seine Hilfe zugesagt. Das war ja nun nicht n�tig. Denn sie hatten ja noch die 2000 Mark von der Aussteuer. Die geh�rten seiner Frau; auf die hatte kein Gl�ubiger Anspruch. Aber mit Dank wurde der Vorschlag angenommen, daß Frau Anna bei Zenth�fers bleiben sollte, um der alten Dame, der bei ihrer V�lligkeit das Wirtschaften schon sehr schwer war, die Leitung des Hauswesens abzunehmen.

Im Abendgrauen ging das Paar nach Hause. Sie wollten noch heute mit den Vorbereitungen beginnen. Karl hatte ja in den n�chsten Tagen noch genug zu tun, um die gesch�ftlichen Angelegenheiten abzuwickeln, die dieses Ereignis mit sich brachte.

Vor dem Hause hatten sich all die Arbeiter mit Pehlke und Stopka an der Spitze versammelt. In ihnen allen war nur ein Gef�hl lebendig: die Trauer um den Verlust ihrer geliebten Herrschaft.

Vielleicht, wenn sie ihn bitten w�rden, sie nicht zu verlassen, dann w�rde der junge Herr sich bestimmen lassen, doch hier zu bleiben. Der Pehlke hatte ja gemeint, es ginge, wenn auch schwach. Und das sprach der alte Stopka aus. Die M�nner hatten die M�hen abgenommen; einige von den Frauen weinten. Es war so feierlich wie bei einem Gottesdienst. Und sicherlich war es auch eine Art Gottesdienst, wie diese Liebe und Anh�nglichkeit aus den treuen Seelen emporquoll. Da war keiner unter ihnen, der nicht ohne Bedenken das letzte Hemd hergegeben h�tte, wenn er damit das Unheil h�tte abwinden k�nnen.

Noch nie war Frau Anna bei aller R�hrung auf ihren jungen Mann so stolz gewesen als in diesem Augenblick. Sie f�hlte, wie nahe ihm dieser Auftritt ging. Noch einmal streckte die heimatliche Scholle die Hand nach dem Manne aus, der sein Herzblut f�r sie eingesetzt hatte... Vergeblich!...

Nur mit M�he hatte sich Karl so weit beherrscht, um den Leuten sagen zu k�nnen, daß er nicht gehen w�rde, wenn ihn nicht das Ungl�ck zw�nge. Und als er dann jedem einzelnen die Hand reichte und sch�ttelte, war ein Weinen und Jammern geworden, das in ihm wieder den Wunsch aufgehen ließ, es m�chte sich noch ein Weg finden lassen.

Die Leute standen noch auf einem Haufen zusammen, als ein Wagen auf den Hof fuhr. Es war Herr Hirschberg. Schon beim Aussteigen rief er ihnen zu: „Kinder, geht nur ruhig nach Hause. Es ist alles in Ordnung. Eure Herrschaft bleibt! Daf�r verpf�nde ich euch mein Wort!“

Erst ein Augenblick der gr�ßten �berraschung... dann suchte die Freude einen Ausweg und machte sich in sehr kr�ftigen Hochrufen auf den Retter in der Not Luft.

Karl hatte sich im Wohnzimmer still auf einen Stuhl gesetzt, seine Frau stand neben ihm, hatte seinen Kopf an ihre Brust gelegt und strich ihm tr�stend mit der Hand �ber die Haare. Doch was war das? Dieses freudige Hochrufen! Und in demselben Augenblick wallte in Karl ein Gef�hl auf, das alle seine Entschl�sse �ber den Haufen warf. Wie ein Bergwasser, das die Fesseln sprengt, brach sich die Hoffnung in ihm Bahn, die er mit so vieler M�he, unter Ausbietung aller Vernunftgr�nde, einged�mmt hatte. Er wußte, wer da kam.

„Herr Hirschberg!“

„Ja, ich bin es, mein lieber Freund. Und das ist ja wohl Ihr liebes Frauchen, das ich von Herzen hier begr�ße. Hoffentlich komme ich nicht zu sp�t, um Sie vor �bereilten Entschl�ssen zu bewahren. Ich war heute in K�nigsberg bei meinem Bankier. Ich habe auch einen sch�nen Posten Hypothekenaktien. Das mag Ihnen ein Trost sein, daß ein so gewiegter Gesch�ftsmann, f�r den ich mich halte, sich die Finger daran verbrannt hat. Bei meinem Bankier erfuhr ich auch, daß es Ihnen ebenso geht wie mir. Na, Gott sei Dank sind`s nur ein paar tausend Taler und nicht der Rede wert.“

Unwillk�rlich mußte Karl l�cheln. Der Verlust dieser paar tausend Taler bedeutete ja f�r ihn den wirtschaftlichen Zusammenbruch.

„Doch nun zur Sache, lieber Freund“, fuhr Hirschberg fort. „Sie haben es wohl vergessen, was ich Ihnen vor langer Zeit einmal sagte, daß in Ihrem Gute noch eine sehr starke Hilfsquelle verborgen ist, die wir jetzt anbohren wollen. Ich hatte fr�her keine Zeit, diesen Plan durchzuf�hren, oder offen gesagt, ich wollte erst mal sehen, wie Sie sich erproben w�rden. Nun, Sie haben die Probe bestanden. Doch ehe ich weiterspreche, verehrte junge Frau, Sie haben sicherlich von der Hochzeit her noch eine Flasche Wein im Keller. Es bespricht sich besser, wenn man nicht so trocken da sitzt, sondern sich ab und zu die Zunge anfeuchten kann.“

Mit zitternden H�nden hatte Anna eine Lampe angesteckt, w�hrend Karl wie der Blitz in den Keller flog. Er brachte zur Vorsicht seinen ganzen Vorrat, das heißt zwei Gr�ngesiegelte, mit. Die Gl�ser standen schon auf dem Tisch; es wurde eingeschenkt, dann erhob Herr Hirschberg sein Glas: „Und nun lassen Sie uns anstoßen auf die Firma Miska und Hirschberg, Schindelfabrikation en gros.“

Tief bewegt hatten die beiden ihm Bescheid getan. Dann hatte Herr Hirschberg ihnen seinen Plan auseinandergesetzt. Er hatte bis dahin dr�ben �ber der Grenze in Rußland einen Wald von etwa 100 Morgen zu Schindeln verarbeitet. Jetzt wurden die Arbeiter dort frei und sollten schon in den n�chsten Tagen nach Gonsken �bersiedeln. Nach einer vorl�ufigen Sch�tzung steckte in den sechzig Morgen Wald, die Karl besaß, ein sch�nes Kapital, das sie im Laufe von zwei Jahren herausholen w�rden. W�hrend sie noch mitten in der Besprechung waren, erschien Ohm Zenth�fer. Er war gekommen, um zu tr�sten und Mut zuzusprechen, und fand eine Gesellschaft, die vor Gl�ck strahlte.

In diesem Sommer war ich bei meinem Freunde Karl Miska zu Besuch. Er steht mit festen, markigen Knochen auf der dauernden, wohlgegr�ndeten Erde, auf der Scholle seiner V�ter. Nicht ganz aus eigener Kraft hat er sie behauptet. Dazu war der Rat und die Hilfe guter Freunde und getreuer Nachbarn erforderlich. Aber sie war es doch, die im letzten Grunde alles hergab.

Fr�h am Morgen war ich ausgegangen, um an einem Teich Karpfen zu angeln. In den Jahren, die ich nicht in der Heimat gewesen war, hatte sich dort um Gonsken eine Drainagegenossenschaft gebildet. Der Abfluß des Wassers ging zwischen den Bergen durch, auf denen sein Wald ehemals gestanden. Als umsichtiger Wirt hatte er mit leichter M�he einige Teiche anlegen k�nnen, aus denen ich ein paar fette Schuppentr�ger zum Mittagsmahl herausholen sollte.

Es war noch fr�h am Morgen. �ber den Bergen, �ber die jetzt der Pflug ging, kam die Sonne empor, ringsum sangen die V�gel: es war ein Tag, an dem jedem Menschen vor Freude das Herz aufgehen muß. Kaum hatte ich meine erste Angel ausgeworfen, als sich ein kleiner, von der Sonne verbrannter Junge zu mir gesellte: der �lteste Spr�ßling meines Freundes. Nat�rlich hieß er Max.

„Junge, wo kommst du her? Bist du nicht in der Schule?“

„Nein, ich bin dem Herrn Lehrer durchgebixt. Ich will bei dir angeln lernen, Ohmchen.“

Das tat er denn auch. Aber das Vergn�gen sollte nicht lange w�hren. Mit langen Schritten kam �ber den Berg sein Vater daher, legte ihn �bers Knie, zog ihm die H�schen stramm und bewies ihm schlagend, daß er reum�tig nach der Schule zur�ckzukehren habe.

Dann warf sich Karl Miska neben mir ins Gras. „So'n Lorbaß! Weißt du, was der fertig kriegt? Der geht in den Roßgarten, wo die zweij�hrigen Remonten stehen, lockt eine mit `nem St�ck Zucker ran, legt ihr dabei `nen Strick ins Gebiß, und im n�chsten Augenblick sitzt er oben. Nat�rlich geht das wie die wilde Jagd hin und her. `s ist mir nur wunderbar, daß der Schlingel dabei nicht schon mal das Genick gebrochen hat.“

Sein Ton klang grollend, aber aus den Augen leuchtete ihm dabei der Vaterstolz. Nach einer Weile fuhr er ruhiger fort:

„Du hast mich gestern gefragt, wie mir denn nun eigentlich jetzt so zumute ist, und ich bin dir die Antwort schuldig geblieben. Jetzt will ich's dir sagen. Als Hirschberg mir geholfen hatte, kam eine wunderbare Stimmung �ber mich. Der Kampf war zu Ende. Ich brauchte nur das Geld einzustreichen, konnte alle meine Gl�ubiger bezahlen. Ich habe alle Hypotheken bis zur Landschaft abgestoßen. Aber es fehlte mir etwas. Es war mir, als wenn mein ganzes Dasein keinen Inhalt mehr h�tte. Mir fehlten die Sorgen, der Stachel, der mich vorw�rts trieb. Und weißt du, daß gerade damals die allerschwersten Zweifel �ber mich kamen, ob ich wirklich die n�tige Liebe zu meinem Beruf, zur Landwirtschaft h�tte? So jahraus, jahrein in regelm�ßigem Wechsel s�en und ernten und Vieh heranziehen und verkaufen, gut leben, auf die Jagd gehen, Geld auf die hohe Kante legen... Ja, ein anderer, der w�rde gl�cklich sein. Ich qu�lte mich in Gedanken �ber meinen Zustand. Ich f�rchtete sogar... Nun, du wirst ja schon wissen, was ich meine.“

„Wenn du so dar�ber sprechen kannst, dann hat sich deine Ansicht doch entschieden ge�ndert!“

„Ja, lieber Freund, mit einem Schlage. Als ich da eines Tages von einer Reise nach Lyck zur�ckkam, war dieser Lorbaß, dieser Schlingel, eingetroffen. Naseweiß, wie er nun einmal ist, hatte er uns mit seiner Ankunft �berrascht. Und als ich in die Stube trat und mir das feine Stimmchen zum erstenmal entgegenschallte, da, lieber Freund, empfand ich es, daß mein Leben wieder einen Inhalt bekommen hatte. Da war wieder die Sorge da, die Sorge um den kleinen Erdenb�rger. Jetzt weiß ich, wof�r ich gek�mpft habe.“

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