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3 die literatur der justiniaemischen zeit 87

freilich nicht vergessen werden darf, daC das siegreiche Christentum ein viclfaltig hellenisiertes, in gewissen Beziigen auch romanisiertes Chris-tentum darstellte, das sich von dem Urchristentuin des 1. und der ersten Halfte des 2. Jahrhunderts erheblich abhob5. Ebenso unbestritten ist aber auch, daB dank des die Kultur der romischen Kaiserzeit beherrschen-den Klassizismus1 und des durch ihn gepragten Prinzips der Imitation ungezahlte nicht nur in formaler, sondern auch in inhaltlicher Beziehung antike Elemente in der Literatur und Kunst konserviert wurden in Zeiten, in denen die ideologisch-religiosen Yoraussetzungen datur langst nicht mehr bestanden. Daruber braucht indes kein AYort verloren zu werden, weil die Beispiele datur ohne Zahl sind; hier soli vielmehr gezeigt werden, daB die Justinianisehe Restaurationspolitik, welche ipso facto der die antike Tradition verkorpernden Krafte bedurfte, dadurch ungewollt oder gewollt unchristliche, wenn nicht gar antichristliche Tendenzen forderte und daB sie, vor die Entscheidung gestellt, dem ausgesprochenen Reprasentanten der heidnisehen Antike vor dem ebenso ausgesprochenen Reprasentanten des Christentums den Vorzug gab.

Unter den Ileltern Justinians bei dem Yersuch, das Imperium Ro-manura zu restaurieren, ist zuvorderst der Jurist Tribonian zu nennen legitimi operis nostri minister 2, den der Kaiser selbst ebenso wie andere Zeitgenossen wegen seiner ungewohnlichen Bildung zu ruhmen wuBte; ais Inlialt dieser Paideia wird die Antigua sapientia genannt3. In der Tat hat die Tradition, die sich in der Suda, jenem materialreichen Worter-buch aus der zweiten Halfte des 10. Jahrhunderts, niederschlug, Tribonian Werke in einer Vielzahl von Wissensgebieten zugeschrieben, darunter die Vita eines unbekannten 4 5 Philosophen Theodotos und einen Dialog iiber die Gliickseligkeit. In der gleichen Tradition aber findet sich der bereits bei Hesychios Illustrios im 6. Jahrhundert vorgepragte Satz : OuToę 6 Tp(,pcoviav6ę "EXXyjv u7c^p^e xal a&eoę xod <xXXÓTpi.oę xaTa toxvttt)<; tćóv KptaTiavcov 7rtar£coę 10 („Dieser Tribonian war ein Heide und ein Gottloser und stand dem Christentum ganz fern“). DaB der nuchterne Jurist der christlichen Spekulation abhold war, wird man aus dieser Notiz mit Sicherheit schlieBen dtiilen, ebenso fun-diert ist aber auch der SchluB, daB Tribonians kaiserlichem Herrn dessen Geistesart nicht unbekannt geblieben sein kann. Indes war diesem der Fachmann ob seiner Fahigkeiten derart unentbehrlich geworden, daB er ihn zwar wahrend des Nika-Aufstandes der Volkswut opferte, um ihn jedoch, sobald die Erhebung niedergeschlagen war, in Ehren zui'iick-zm‘ulen. Aber hort es sich nicht angesichts aller dieser Umstande wie

1

In knappster Form dazu Robbe bei Irmscher, Das gro/3e Lczikon der Antike, iMun-clien, 1974, 571 f. Zur Entwicklung und Differenzierung der einschlagigen Forscliiingen vgl. Wolfgang Ilormann, ,,Saeclllum‘^ 4, 1953, 274 ff.

6    Christ — Sclimid. a.a.O. 507, stellen die gesamte Entwicklung der grieehisclien Literatur vom 2. Jahrhundert an unter das Signum Klassizismus.

2

Constitutio Cordi 2 (Corpus iuns cioitis, Ed. ster. 5., 2, Codex Iustianus, ed. Paulus Krueger, Berlin, 1892, 4); vgl. W. EnBlin in : Paulys Rcalcncyclopadie der classischcn Alter-tumswisscnschaft, Neue Bearbeitung (= RE), 2. Reihe, 12. Halbband, Stuttgart, 1937, 2419.

3

   Constitutio Tanta 17 (Corpus iuris 1, Institutiones, recogn. Paulus Krueger, Digcsta, recogn. Theodorus Mommsen, 1889, XXV).

4

   W. Capelle in RE, 2. Reihe, 10. Halbband, 1934, 1958.

5

   Suidac Lexicon, ed. Ada Adler, 4, Leipzig, 1935, 588.



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