Apache Cochise 21 Rauchsignale des Todes

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Dan Roberts

Rauchsignale des Todes

Apache Cochise

Band Nr. 21

Version 1.0

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Prolog

Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörder.
Waren sie das? Über alles, was in dieser Welt geschieht oder
früher einmal geschah, kann man so oder so urteilen.

Um objektiv zu sein, kann an dieser Stelle nur von

Unbefangenen ein Widerruf dieser Meinung über die Apachen
erfolgen. Unser Nachruf, sozusagen eine verspätete
Ehrenrettung dieses großen, stolzen und kämpferisch
veranlagten Volkes, das von der Steinzeit »über Nacht« in eine
erbarmungslose Zivilisation versetzt wurde, die sie nicht
begriff, wie auch die Umstände, die zum Untergang der roten
Rasse führten.

Man kann sagen, die damaligen Weißen und Mexikaner

waren alles andere als weitblickend, eher nur von einer
hyperhumanen Art, die dem Prankenschlag eines Panthers
glich. Bei den meisten Weißen war die Ausrottung der Indianer
eine beschlossene Sache, honoriert durch Prämien für einen
Apachen-Skalp.

Dachten und handelten die weißen Einwanderer mit ihrer

mitgebrachten zweitausendjährigen Kultur alle richtig, Kultur
und Zivilisation, gemessen an der der Apachen? Oder
bewegten sie sich in der klischeehaften Vorstellung des
Militärs vom »toten Indianer, der ein guter ist«?

Mitnichten. Zum Teil gab es vorausschauende und

mitfühlende Männer in der Army, die aber wegen ihrer
»Humanitätsduselei« nicht zu Wort gelangten, aber den
Untergang der roten Rasse voraussagten und mit den
Indianern fühlten.

Nicht alle waren sie ein Colonel Chivington, ein abenteuer-

und beförderungssüchtiger George Armstrong Custer. Fest
steht aber, daß der Massenmord an der indianischen Rasse von

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vielen Amerikanern heutzutage bagatellisiert und, wenn die
Sprache darauf kommt, mit einer lässigen Handbewegung
abgetan wird.

Auch die in wissenschaftlichen Disziplinen denkenden

Amerikaner können einen Rückblick auf die Zeit nach 1850 nur
schwer vertragen. Man sieht die in den Wüsten und Gebirgen
vegetierenden Stämme Arizonas nicht, und das beruhigt den
Durchschnittsamerikaner ungemein, weil er das ökologische
Harakiri, das man mit dem Land und seiner Urbevölkerung
trieb, nicht mit ansehen muß.

Zugegeben, die Stämme der Indianer, besonders die

Apachen, betrieben zu keiner Zeit Vorratswirtschaft,
ausgenommen die seßhaften und Ackerbau treibenden Pueblos
im Westen von Neumexiko und in den nordöstlichen Bereichen
Arizonas.

Lag hier der Untergang der roten Rasse begründet?
Sicherlich nicht, denn kein nomadisierendes Volk in Europa,

Asien oder Afrika konnte sich mit Vorratshaltung befreunden.
Gingen sie unter? Nein, sie gingen auf in den Völkern, deren
Gebiete sie okkupierten. Auch andere negative Aspekte – in den
Augen der Weißen – kann den Apachen nicht abgesprochen
werden. Sie waren nun einmal Naturkinder, einfache Nomaden
in einem riesigen Kontinent, der ihnen alles bot, was sie zum
Leben brauchten. Zu alten Zeiten war daher für die Apachen
die Welt noch in Ordnung. Erst als der weiße Mann mit seinen
überlegenen Waffen, mit Schnaps und seiner verfeinerten
Kultur und seinen ansteckenden Krankheiten kam, legte sich
das große graue Leichentuch über die Stämme und
Sippenverbände.

Ganz bestimmt wäre vor 100 und mehr Jahren

möglicherweise vieles ganz anders gekommen, wenn unter den
Militärs und in der Regierung in Washington nur ein einziger
Mann mit entsprechendem Weitblick und ohne Ressentiments
gegen die rote Rasse gewesen wäre.

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Es hat nicht an klardenkenden und verantwortungsbewußten

Leuten gemangelt, aber sie hatten nicht die Stimmengewalt im
Kongreß, die dazu notwendig gewesen wäre, den Indianern zu
ihrem Recht zu verhelfen.

Es ist nicht Aufgabe dieser Einleitung, anzuklagen und zu

richten, denn niemand von uns kann sagen, daß er es
womöglich hätte besser machen können. Sie alle in der
damaligen Zeit – Rote wie Weiße – waren Kinder einer harten
und erbarmungslosen Epoche, und sie waren Bewohner einer
rauhen Umwelt.

Die Serie APACHE COCHISE mit ihrem wahrhaft großen

Häuptling Cochise als Held ist die im Wesen und Charakter
authentische Aufzeichnung amerikanischer Geschichte, die in
Romanform für den deutschen Sprachraum noch nicht oder nur
in Kurzform gebracht wurde.

Die guten und schlechten Weißen, die anständigen Apachen

und die grausamen, tauchen namentlich in der Story auf und
geben der Geschichte einen dramatischen, wenn auch
makabren Hintergrund.

Ihr Martin Kelter Verlag.

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***

Die Beklemmung, die seit Wochen über der Besatzung von
Fort Bowie lag, wich nicht und wurde intensiver, als die
Wachen auf den Bastionen die Rauchzeichen im Norden über
den Hügeln pulsieren sahen.

Niemand unter den Weißen konnte die seltsamen schwarzen

Bälle und Striche lesen, die in den glasklaren Himmel stiegen
und in höheren Luftschichten zerflatterten.

Selbst die indianischen Scouts, die in blauen Uniformröcken

steckten, aber Kopftuch und Wüstenmokassins trugen,
schüttelten auf Befragen der Offiziere die Köpfe.

Es waren fremdartige Zeichen, die im Land der Apachen

niemand verstand. Nicht, daß man diesen schwarzen Bällen
eine Sprache zugrundelegen konnte, mitnichten. Sie waren
Symbole, aber solche aus einem fremden Gedankengut.

Schweigend standen Offiziere und Mannschaften auf den

Wällen und starrten in Nordrichtung, stellten sich Fragen nach
dem Sinn der Zeichen, die niemand beantwortete. Das hilflose
Schweigen war es schließlich, das die Männer zermürbte und
bedrückte.

Corporal Fitzgerald und Sergeant O'Connor, beide Iren mit

blauen Augen und brandroten Haaren, sahen sich mit ihren
Gläsern die Augen wund, gelangten aber zu keinem
zwingenden Schluß.

»Was meinst du, Amos, sind es Apachen?«
»Keine. Unsere roten Hengste könnten sie sonst lesen.«
»Vielleicht tun sie nur so?«
»Kann sein, aber ihre Gesichter verraten Angst, deswegen

bin ich der Meinung, daß sie's nicht können. Die leiden
genauso unter den fremden Funkern wie wir!«

»Gut gesagt, das mit den Funkern. Amos, ich glaube, wir

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gehen einem neuen Indianeraufstand entgegen.«

»In Fort Bowie sind wir sicher. Die Wälle sind unangreifbar

und höchstens mit Haubitzen zu bezwingen, und die haben die
Indianer nicht. Sonst stünden wir auf verlorenem Posten.«

Jones O'Connor, Dienstgrad Sergeant, wischte sich Schweiß

und Staub aus den Augen und starrte wieder durch das Glas.
Amos Fitzgerald bemerkte sein Zusammenzucken und stieß ihn
mit dem Ellbogen an.

»Gib her«, sagte er und streckte die Hand nach dem Fernglas

aus.

Jones gab es ihm. Fitzgerald stellte es auf seine Augenstärke

ein und blickte in die gleiche Richtung. Außer einer
Staubballung sah er nichts.

»Was hast du gesehen, du rothaariger irischer Teufel?«
»Zwei Reiter.«
»Wo, zum Kuckuck?«
»Warte, bis der Staub sich lichtet.«
Amos Fitzgerald wartete, aber der Staub wurde nicht dünner,

sondern zog mit den Reitern nordwärts. Es dauerte eine ganze
Weile, bis der Corporal etwas erkennen konnte. Zwei Reiter
trabten aus der Staubfahne und gerieten mit ihren Pferden auf
felsigen Boden.

Als Amos das Glas noch etwas schärfer einstellte, erkannte

er die Gesichter der Reiter. Einer von ihnen war ein noch
junger Weißer, der andere jedoch trug typische indianische
Merkmale und war ganz in weißes Wildleder gekleidet.

Corporal Amos Fitzgerald übertraf Sergeant O'Connor im

Zusammenzucken und schaute noch einmal lange und
sorgfältig durch das Glas. Die Rothaut blieb, der Weiße auch.
Seite an Seite ritten sie durch den Wüstenstreifen zur alten
Paßstraße.

»Alle Wetter, eine Rothaut! Ein Apache, wenn ich mich

nicht irre.«

»Du irrst nicht und hast gute Augen«, antwortete Jones

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O'Connor. »Hast du 'ne Ahnung, wer der Indsman ist?«

»Natürlich nicht, irgendeine Rothaut. Was soll's?«
»Ich glaube nicht, Amos«, antwortete der Sergeant. »Sieh

nur, wie der Kerl auf seinem Pinto sitzt. Das ist kein einfacher
Indianer, niemals! Das ist ein großer Häuptling, ein König
unter seinem Volk.«

»Du redest wie ein Waschweib, Jones. Könige gibt es nicht

unter den Rothäuten.«

»Ich sagte, wie ein König. Majestätisch, wenn du so willst.

Dieser Indianer ist absolute Spitzenklasse!«

»Spitzenklasse? Zur Hölle, was meinst du damit?«
»Du hast doch Augen im Kopf, nicht? Er reitet stets eine

halbe Pferdelänge vor dem Weißen. Er sitzt schließlich auf
seinem Pferd, als läge ihm die ganze Welt zu Füßen, und wenn
du einmal genau sein Gesicht studierst, mußt du doch
erkennen, daß der Mann etwas ist.«

»Okay, was?«
»Ein Häuptling, und kein geringerer. Möglicherweise

Cochise in Person…«

»Du spinnst! Cochise kommt nicht so weit nach Norden. Er

dirigiert seine Kriegerhorden von seiner Bergfeste aus und geht
nicht die Gefahr ein, von irgendeinem Trottel vom Pferd
geschossen zu werden.«

»Sollten wir das Erscheinen der beiden Reiter nicht dem

Alten melden? Vielleicht haben sie etwas mit den
Rauchzeichen zu tun, die Fort Bowie beunruhigen?«

»Die sind nur im Norden. Die beiden kommen aber aus

südwestlicher Richtung. Ich bin nicht ganz sicher, glaube aber,
sie haben weder die Paßstraße noch den Apachen-Paß
benutzt.«

»Kann sein, ist aber nicht wichtig. Ich wetze mal zum

Colonel und mache eine Meldung. Etwas dagegen?«

»Geh zum Wachoffizier, das erspart dir eine Blamage, wenn

der Colonel schon von den Reitern weiß.«

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Corporal Amos Fitzgerald empfahl sich mit einem trockenen

Kichern. Er lief über die östliche Bastion und betrat das
Holzhaus des Offiziers vom Dienst. Ohne anzuhalten stürmte
er an der Ordonnanz vorbei und wurde am Ende des Korridors
von einem scharfen Zuruf angehalten: »Wohin, zum Teufel,
Corporal?«

Amos blieb stehen, krachte mit den Hacken zusammen,

streckte die Brust heraus und grüßte militärisch.

»Ich möchte Captain Barnes eine Meldung machen,

Lieutenant – Sir.«

»Welche Meldung?«
Amos ging bis zu der halboffenen Tür des Ordonanzraumes

und warf einen Blick hinein. Lieutenant Farlow saß hinter
einem aktenbeladenen Schreibtisch und runzelte die Brauen.

»Zwei Reiter nähern sich dem Fort, Sir. Ein Weißer und eine

Rothaut.«

»Na und? Was ist daran so sonderbar?«
»Sergeant O'Connor und ich sind der Meinung, daß es sich

bei dem Indsman um Cochise handelt.«

»Donnerwetter! Sie meinen den Häuptling der Apachen?«
»Sehr wohl, Sir, genau den.«
»Dann allerdings…Warten Sie, wir gehen zusammen zu dem

Wachhabenden.«

Lieutenant Dusty Farlow stürmte vor Fitzgerald durch die

Tür, über den Korridor und riß dort eine Tür auf. Amos
Fitzgerald trat hinter ihm ein.

Captain Phil Barnes konnte man als alten Haudegen der

Indianerfront bezeichnen. Sein Gesicht war scharfgeschnitten,
sein Haar bereits ergraut, obwohl er noch nicht alt war. Er
rauchte seine Pfeife und beschäftigte sich mit einer
Mannschaftsaufstellung. Als der Lieutenant mit dem Corporal
in sein Zimmer stürmten, sah er auf und nickte Dusty Farlow
zu.

»Mächtig eilig heute, Lieutenant. Was gibt's?«

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»Corporal Fitzgerald möchte Ihnen eine Meldung machen,

Sir. Ist es erlaubt?«

Barnes warf Amos einen auffordernden Blick zu.
»Reden Sie frei von der Leber, Corporal. Was ist

geschehen?«

»Sir, Sergeant O'Connor und ich haben auf der Ostseite

Bastionwache. Wir sahen zwei Reiter. Einen Weißen und einen
Roten. Der Sergeant meint, daß es sich bei dem Indianer um
Cochise, den Häuptling der Apachen, handelt. Er gab mir den
Auftrag, Ihnen diese Meldung zu überbringen, weil er der
Meinung ist, daß Cochises Besuch hier am Nordpaß etwas mit
den Rauchzeichen zu tun haben könnte.«

Captain Barnes beugte sich leicht vor und schloß halb die

Augen. Bei ihm war das stets ein Zeichen von besonderer
Konzentration.

»Woraus schließen Sie, daß es Cochise ist? Haben Sie den

Häuptling schon einmal gesehen? Kennen Sie ihn?«

»Nein, Sir. Seine Haltung – ich meine, Sir, so sitzt nur ein

Reiter von königlicher Abstammung auf seinem Pferd… Ja,
Sir, das meine ich.«

Phil Barnes lächelte nachsichtig. Er stand auf, nahm seinen

Feidhut vom Haken und stülpte ihn auf den Kopf.

»Sehen wir uns Ihren König an«, sagte er und verließ das

Zimmer.

Als sie bei der Bastion ankamen und die sechs breiten Stufen

zu dem verdeckten Geschützstand hinaufgingen, sahen sie
O'Connor immer noch durch das Glas starren. Er grüßte zackig,
als die beiden Offiziere an seine Seite traten.

»Geben Sie mir Ihr Glas, Sergeant«, sagte der Captain.
Er sah hindurch, nickte, setzte das Glas ab, warf einen Blick

auf den Lieutenant und hielt das Glas wieder vor die Augen.

»Beim Heiligen Jupiter«, sagte er leise. »Das könnte er sein,

ja, das ist Cochise!«

Eine seltsame Erregung befiel den Mann in Uniform. Jones

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bemerkte, wie seine Hände zitterten und wie sich seine
Gesichtsmuskeln verkrampften. Unvermittelt und mit einem
heftigen Ruck setzte er das Glas ab und wandte sich an den
Lieutenant: »Machen Sie bitte sofort dem Colonel Meldung,
Lieutenant! Eile ist geboten, verstanden?«

»Sehr wohl, Sir. Soll ich Cochises Person bestätigen?«
»Ja! Geschwindschritt bitte, bevor sie am Fort vorbei sind.«
Farlow verschwand wie ein geölter Blitz. Nach kaum zwei

Minuten war er schon wieder zurück.

»Sie möchten unverzüglich Colonel Davis aufsuchen, Sir!«
»Danke, Lieutenant. Sie, meine Herren Unteroffiziere,

bleiben auf Ihrem Posten und beobachten weiter.« Er grinste
breit und ein wenig süffisant, fuhr fort: »Jede Veränderung im
Vorfeld melden Sie an den Colonel, verstanden?
Ausnahmsweise dürfen Sie Lieutenant Farlow als Ordonnanz
benutzen.«

Er hüstelte, eilte die Bastionsstufen hinunter und verschwand

zwischen den Offiziersbaracken.

»Geben Sie mir das Glas, Sergeant«, brummelte der

Lieutenant ungehalten. Nach seiner Auffassung war der
Captain einen Schritt zu weit gegangen. Jones und Amos
verkniffen sich ein Grinsen und machten unbeteiligte
Gesichter.

»Sie reiten am Fort vorbei«, sagte Farlow näselnd. »Das sieht

aus, als könnte man sie tatsächlich mit den Rauchzeichen in
Verbindung bringen. Na, warten wir's ab, was der
Kommandeur entscheidet.«

Sie warteten und verfolgten den Weg der beiden Reiter dort

unten in der Ebene mit dem Fernglas.

*

In der Kantine für Mannschaften und Unteroffiziere war es
drückend heiß. Kein Luftzug bewegte die Tabakschwaden

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unter der Decke. Der Kantinenwirt hockte fett und schwitzend
hinter dem Tresen und schaute schläfrig den Fliegen nach, die
träge an ihm vorbeibrummten.

Zwei Mannschaftsdienstgrade und zwei Zivilisten hockten

getrennt an Tischen, kühles Bier vor sich, und schwatzten
lustlos drauflos. Manchmal warfen die Soldaten scheue Blicke
zum Ecktisch unter dem staubblinden Fenster. Aber sie drehten
ihre Gesichter immer schnell wieder weg, weil sie nicht
neugierig sein wollten.

Sie kannten die beiden Zivilisten nicht, hatten aber von ihrem

Eintreffen im Fort und den Umständen gehört, unter denen man
sie hergebracht hatte.

Einer von ihnen, hochgeschossen und schmalbrüstig wie eine

Zaunlatte, nannte sich Josuah Lemmon. Jedenfalls hatte er
diesen Namen dem Wachhabenden, der ihre Personalien
aufnahm, angegeben. Der zweite Mann, ein schielender
Bärtiger mit einer fliehenden Stirn und schütterem Haar, hatte
sich Hugh Bennet genannt. Und beide gaben an, von Apachen
überfallen und ausgeplündert worden zu sein. Sie hatten auch
von weiteren zwei Gefährten berichtet, die von den Apachen
getötet worden waren.

Alles in allem hatte man ihnen geglaubt und Hilfe angeboten.

Sie gaben an, in den Südzipfel Neumexikos zu wollen, um dort
nach Gold zu schürfen. Das alles klang glaubwürdig. Niemand
hatte Zweifel in ihre Worte gesetzt, und nun saßen sie in der
Kantine, schluckten Bier wie Wüstenboden Regenwasser und
erholten sich von den überstandenen Strapazen.

Die beiden redeten nicht viel miteinander, dafür drehten sie

eine Zigarette nach der anderen und hüllten ihren Tisch in
blauen Dunst. Aber wenn sie mal miteinander sprachen,
geschah dies einsilbig.

Wenn sie sich auch nicht direkt beobachtet fühlten, so

wurden beide jedoch von ihren schlechten Gewissen
hinsichtlich der Lügen, die sie dem Kommandanten von Fort

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Bowie aufgetischt hatten, geplagt. Hinzu kam noch die
Beengung in der Festungsanlage, die sie nicht gewohnt waren,
und die drückende Tageshitze.

Hugh Bennet und Josuah Lemmon wandten erst die Köpfe,

als die Tür aufsprang und ein paar dienstfreie Soldaten
hereinmarschierten, um ihren Durst zu löschen.

Einer der jungen Männer rief zu seinen sitzenden Kameraden

hinüber: »He, Jungs, könnt ihr raten, was ich soeben erfahren
habe?«

»Klar, können wir. Colonel Davis' Dackel hat soeben einen

Wurf Bernhardiner zur Welt gebracht!«

Unter brüllendem Gelächter setzten sich die jungen Soldaten

an den Rundtisch der vorher schon dagewesenen Kameraden.
»Mensch, spann uns nicht auf die Folter, du Scharfmacher.
Was hat dein müder Verstand aufgeschnappt?«

»Gibst du 'ne Runde aus, wenn ich's sage?«
»Aber sicher, draußen an der Pferdetränke. Kommt alle mit

und holt euch 'nen Vorschuß auf das Saufgelage!«

Das Gebrüll nahm kein Ende, selbst die beiden Outlaws

verzogen ihre Gesichter zu einem Grinsen. Das waren echte
Männertöne und brillante Witzelchen, wie sie unter Soldaten
üblich waren. Was aber kurz darauf erzählt wurde, machte die
beiden Banditen hellhörig und stocksteif. Hugh Bennet
wechselte sogar seine Gesichtsfarbe.

»Also, Jungs, hört alle mal gut zu. Vor dem Fort schleicht

eine Rothaut mit einem Weißen herum, und der Indianer soll
Cochise, der Häuptling der Apachen sein.«

»Blödmann!«
»Warum Blödmann? Glaubt ihr mir nicht?«
»Kein Wort.«
»Und weshalb nicht?«
»Weil Cochise nicht schleicht, schon gar nicht mit einem

Weißen. Dem zieht er höchstens den Skalp über die Ohren,
außer…«

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»Außer?«
»Ich denke an John Haggerty, unseren Chief-Scout. Die

beiden sollen dicke Freunde sein.«

»Den Blödmann gebe ich dir aus voller Brust zurück. Du

hast recht, Kanonier Abraham. Cochise hat aber noch einen
weißen Freund, er sitzt am Paß oder hält sich in Tombstone
auf. Er heißt Thomas Jeffords und wurde vor kurzem
Postmeister der US Mail. Die drei Männer sind wahre
Freunde.«

Hugh Bennet und Josuah Lemmon lauschten den Worten der

Soldaten, als verkündeten ihre Frotzeleien das Evangelium.
Kanonier Abraham gab sich noch nicht geschlagen. Mit dem
Füselier-Gefreiten nahm er es jederzeit auf.

»Wenn ich dich so reden höre, krieg ich 'ne Gänsehaut wie 'n

Reibeisen. Mann, Mann, du machst mich schwach!«

»He, Jungs, hört ihr das Gebrüll des Ochsenfrosches?« schrie

Füselier-Gefreiter Conan Bisbee und wandte sich an seinen
Nebenmann, dem er burschikos den Ellbogen in die Rippen
hieb.

»Hast du schon so was je gehört, Patrick? Daß die Kanoniere

immer so furchtbar angeben müssen. Dieser Hosenscheißer von
Rohrwischer will wissen, wen sich Cochise zum Freund
auserkoren hat. Hahaha! Abraham, du solltest dir mal dein
Gehirn blankwaschen lassen, damit's wieder besser
funktioniert.«

»Das funktioniert prima«, konterte Walt Abraham. »Bestens,

Mann! Du hast dir deins doch von unserem Kompanie-
Champion herausprügeln lassen, gleich nach der zweiten
Runde, Schlappschwanz!«

Conan Bisbee fuhr hoch, als hätte er eine Reißzwecke auf

seinem Sitz.

»Solche Anzüglichkeiten verbitte ich mir! In dem Match mit

Jeff Kean war ich unterlegen, stimmt, aber es war ein fairer
Kampf. Du kannst ja mal gegen mich antreten, Großmaul!«

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»Dann landest du genauso im Dreck wie bei Jeff.«
»Dieses Risiko nehme ich auf mich, Maulheld. Und dein

Risiko wird diesmal ein klein wenig größer sein als bei Kean.«

»Um wieviel größer, he?«
»Um den Unterschied zwischen mir und Jeff Kean.«
»Allmächtiger Manitu! Jetzt ist diese Wanze auch noch

größenwahnsinnig geworden. Bist du tatsächlich der Meinung,
daß du besser als der Fort-Champion bist?«

»Du kannst mich mal…«, sagte Bisbee anzüglich, stand auf

und verließ die Kantine. Brausendes Gelächter folgte ihm
durch die Tür.

Am Tisch der durstigen Soldaten wurde es ruhig. Hugh und

Josuah wechselten nachdenkliche Blicke. Hugh Bennet
murmelte unter vorgehaltener Hand:

»Hast du's gehört, Jos? Wenn es Cochise ist, wer ist dann der

Weiße?«

»Morg hatte ihn dort unten in den Canyons mit zwei Weißen

gesehen, stimmt, und von diesen beiden kann's einer sein.«

»Und wie ist uns der Rächer gefolgt?«
»Unsere Spur war ja deutlich genug.«
Lemmon schüttelte den Kopf und machte ein zweifelndes

Gesicht.

»Wir kamen mit der Patrouille in das Fort«, sagte er.
Hugh Bennet verstand, was er sagen wollte. Er hob sein

Bierglas und nahm einen langen Schluck. Danach stieß er erst
einmal lautstark auf, bevor er sich wieder seinem Kumpan
zuwandte und ein besorgtes Gesicht machte.

»Spielt wirklich keine Rolle, wie er uns gefunden hat. So

oder so, der Mann ist uns über. Es wird besser sein, wir
verschwinden, Jos.«

»Ohne Ausrüstung?«
»Der Colonel wird uns unter die Arme greifen, wenn wir ihm

versprechen, den ausgeliehenen Armeebesitz im nächsten Fort
abzuliefern.«

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»Und wo wäre das?«
»Irgendwo im Südzipfel von Neumexiko, klar.«
»Gibt es dort Forts?«
»Camps bestimmt. Es spielt keine Rolle, wo wir uns ehrlich

machen, Hauptsache wir kriegen Pferde und Ausrüstung.«

»Willst du mit dem Colonel sprechen?«
»Warum nicht? Ein ganz zugänglicher Mann, oder nicht?

Well, ich rede mit ihm.«

»Wann?«
»Heute abend. Wenn's klappt, hauen wir noch haute nacht ab.

Im Dunkeln kann selbst ein Cochise keine Spur finden.«

»Der Weiße?«
»Zählt nicht. Wir meiden die Paßstraße, weil wir gesehen

werden könnten. Ich würde sagen, wir nehmen den kürzesten
Weg nach Neumexiko und stoßen hinter den Peloncillo
Mountains nach Süden vor. Irgendwo werden wir schon auf die
verdammte Mine stoßen.«

Die beiden Outlaws schwiegen. Daß ihr Plan schon im

Ansatz zum Scheitern verurteilt war, konnten sie zu diesem
Zeitpunkt noch nicht wissen.

*

Colonel Jeff Davis wirkte auf einen Betrachter wie ein richtiger
Eisenfresser. Er hatte den Bürgerkrieg hinter sich, war während
der Kämpfe schnell avanciert und vom Lieutenant der
Kavallerie zum Colonel aufgestiegen.

Äußerlich sah er besser aus als manch ein anderer Offizier,

der sich lange in der Wüste aufgehalten hatte. Graues Haar
bedeckte sein Haupt, und wer seinem gepflegten Spitzbart die
nötige Aufmerksamkeit schenkte, glaubte sich in die Salons
nach New Orleans versetzt. Blaue Augen schauten recht
eindringlich und konnten verwegen blitzen, wenn es um
militärische Belange ging.

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Als seine Ordonnanz eintrat und Captain Phil Barnes, den

Wachoffizier, meldete, sah er nur kurz von seiner
Schreibtischarbeit auf und gebot dem Captain, Platz zu
nehmen.

»Sekunde, Captain Barnes. Lassen Sie mich bitte den Bericht

noch zu Ende schreiben.«

»Selbstverständlich, Sir.«
Nach wenigen Minuten war Colonel Davis mit seiner Arbeit

fertig und schob die Akte zurück.

»Was kann ich für Sie tun, Mr. Barnes?«
»Es geht um eine Meldung, Sir, die Corporal Fitzgerald und

Sergeant O'Connor machten. Beide wollen Cochise vor dem
Fort in Begleitung eines Weißen gesehen haben, und ich selbst
glaube auch, daß der Indianer Cochise ist, den ich durch das
Glas beobachtete.«

»Cochise? Wissen Sie, was Sie da sagen, Captain?«
»So stattlich und majestätisch kann nur Cochise, der

Häuptling aller Apachenstämme, sein, Sir. Meine Theorie, die
ich Ihnen vortragen möchte, muß nicht unbedingt stimmen, und
doch glaube ich, daß das Erscheinen des Häuptlings mit den
Rauchzeichen zusammenhängt, die wir seit Tagen auf den
Hügeln ringsum beobachten.«

Colonel Davis runzelte die Stirn.
»Das ist wenig wahrscheinlich, Captain. Wir müssen Cochise

mit etwas ganz anderem zusammenbringen, wie ich meine.
Denken Sie an die beiden Weißen, die gestern mit der
Patrouille ankamen. Was haben sie erzählt?«

»Sir, ich war bei der Vernehmung nicht zugegen.«
»Beide sagten einhellig aus, daß ihre Begleiter von Apachen

unter der Führung Cochises angegriffen und getötet wurden.
Lieutenant Powell hat es auch so zu Protokoll genommen.«

Davis musterte den Captain.
»Ist das glaubhaft, Mr. Barnes?«
»Sir, ich weiß es nicht.« Barnes zuckte mit den Achseln. »Ich

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habe die beiden Kerle nur kurz zu Gesicht bekommen und
würde sagen: rüde und hinterhältig, wenn nicht gewalttätig.«

»Auch meine Meinung. Irgend etwas stimmt an der

Erzählung dieser Männer nicht. Goldsucher, daß ich nicht
lache. Sie kommen mir eher wie Banditen vor.«

»Wir sollten ihre Angaben nachprüfen, Sir.«
»Das habe ich auch vor. Das Erscheinen des Häuptlings gibt

mir Grund und Gelegenheit hierzu. Nehmen Sie sich einen
Halbzug, Barnes, reiten Sie hinaus und sprechen Sie mit dem
Häuptling. Aber vorsichtig, bitte, sehr vorsichtig! Behandeln
Sie ihn wie ein rohes Ei und mit allen militärischen Ehren.
General Howard wird Sie persönlich vornehmen, wenn Sie
Cochise auch nur ein Haar krümmen.«

»Ich habe verstanden, Sir. Soll ich ihn zum Fort bitten?«
»Wenn er will, gern. Ich lasse ihn mit einem Ehrenzug

empfangen. Noch einmal, Barnes: Vorsicht, kein falsches
Wort, keine Anspielung auf etwas, was er mißverstehen
könnte. Dieser Mann ist uns allen über und kann binnen einer
Woche das ganze Land im Südwesten mit Krieg überziehen.«

»Sir, ich werde den Auftrag zu Ihrer vollen Zufriedenheit

ausführen.«

»Das erwarte ich von Ihnen. Gehen Sie jetzt!«
Barnes salutierte und verschwand. Er eilte in die Wachstube

zurück und befahl Lieutenant Lion, einen Halbzug Kavallerie
auf die Pferde zu bringen, und zwar innerhalb fünf Minuten.

Lion rauschte ab wie die rächende Nemesis persönlich.

Barnes hörte ihn beim Stall Befehle schreien. Sporen klirrten
auf den hölzernen Gehsteigen, dazu die stampfenden Schritte
der Kavalleristen. Die Männer liefen zum Stall und sattelten
ihre Pferde. In genau vier Minuten stand der Halbzug
ausgerichtet und hoch zu Roß vor der Wache.

Barnes trat heraus, grüßte Lieutenant Lion, der den Gruß

erwiderte und Meldung machte:

»Sir, Halbzug der dritten Kompanie unter Führung von

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Lieutenant Lion feldmarschmäßig angetreten!«

»Danke, Lieutenant! Lassen Sie ausreiten!«
Zwei scharfe Kommandos. Die Truppe schwenkte ein und

ritt über den Exerzierplatz zum Tor. Die Torwache öffnete und
salutierte. Captain Barnes setzte sich mit Lieutenant Lion an
die Spitze. Ihnen folgte ein Sergeant und der Hornist mit der
Standarte.

Während sie den steinigen Weg hinab ins Tal ritten, kamen

die beiden Offiziere ins Gespräch. Barnes sagte: »Wissen Sie,
Lieutenant, wozu wir auserkoren wurden?«

»Keine Ahnung, Sir. Patrouille?«
»Ohne Packpferde und Proviant?«
»Ich wunderte mich bereits, Sir.«
»Es ist auch zum Wundern. Wir wollen Cochise ins Fort

geleiten.«

»Sie meinen…«
»Ja, er ist hier draußen, zusammen mit einem Weißen. Sie

lassen mich reden, verstanden? Kein Wort zuviel, keins
zuwenig, Lieutenant. Die Indianer sind empfindlich geworden,
und das nicht zu knapp.«

»Ich habe verstanden, Sir. Ich glaube, dort im Süden

kommen die beiden!«

Barnes beschattete die Augen mit der Hand und blickte in die

Richtung. Es war ein Tag wie aus einem Bilderbuch. Es war
Sommer, die Luft blau und ein wenig dunstig, kühl im
Schatten, heiß in der Sonne, still wie Watte hier draußen in der
Wüste.

Aus einem Chapparal-Dickicht und Bodendunst trabten zwei

Reiter und hielten Kurs auf den San Simon. Captain Phil
Barnes nahm sein Fernglas aus dem Futteral und sah lange
hindurch.

»Er ist es«, murmelte er. »Großer Gott, das ist tatsächlich

Cochise! Können Sie sich das vorstellen, Lieutenant, was
unsere Leute für Augen machen werden, wenn er das Fort

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besucht?«

»Hoffentlich nur Augen, Sir!«
»Was wollen Sie damit sagen?«
Lieutenant Lion zuckte unmilitärisch mit den Achseln.
»Ich mache mir so meine Gedanken, Sir. Immerhin hat

Cochise eine Menge Soldaten auf dem Gewissen, und das
könnte bei unseren Männern Haßgefühle auslösen.«

»Reden Sie keinen Unsinn, Lieutenant! Cochise ist ein roter

Gentleman mit Herz und Verstand. Mir ist kein Fall bekannt,
daß er sich an einem Massaker beteiligt hätte. Ich gehe sogar
noch einen Schritt weiter und behaupte, Cochise ist ein König
seines Volkes. Sehen Sie nur seine wahrhaft königliche
Haltung! Kein Indianer sitzt so auf seinem Pferd!«

Barnes reichte Lion sein Glas. Der Lieutenant blickte lange

hindurch und gab es nach einer Weile wieder zurück.

»Sie haben uns gesehen, Sir. Reiten Sie Cochise ein Stück

entgegen?«

»Das hatte ich vor. Lassen Sie die Männer in Einerreihe

antreten, den Blick auf die Ankömmlinge gerichtet, und lassen
Sie präsentieren, wenn ich Ihnen ein Zeichen gebe.«

»Auf welches Zeichen muß ich achten?«
»Achten Sie auf mein Kopfnicken. Gesprochen wird nicht,

verstanden? Wenn einer der Soldaten den Mund aufmacht,
verschwindet er für eine Woche im Jail.«

Barnes gab dem Pferd die Zügel frei und ritt nach Süden.

Cochise und der Weiße waren kaum noch hundert
Pferdelängen entfernt. Gespannt war Barnes, wie sich der
Häuptling verhalten würde.

Nach fünfzig Yards blieb der Captain stehen, Cochise war

nicht mehr weit entfernt. Der Weiße ritt ein paar Schritte hinter
ihm. Barnes zog seinen Säbel und salutierte. In seinem Rücken
blies der Hornist »Habt-Acht«.

Zwei Pferdelängen vor dem Offizier hielt Cochise sein Pferd

mit einem leichten Zungenschnalzen an und nickte freundlich.

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21

Er verstand die Zeremonie recht gut und wußte, daß der
Offizier ihn ehren wollte.

»Willkommen im Fort Bowie, Cochise!«
Cochise antwortete mit einem Nicken. Barnes fuhr fort:
»Ich bin Captain Phil Barnes, Wachoffizier im Fort. Darf ich

eine Einladung meines Vorgesetzten, Colonel Jeff Davis,
aussprechen?«

Cochise verstand sehr wohl die Worte des Offiziers und war

gespannt, was folgen würde. Er nickte zustimmend.

»Colonel Davis bittet den Häuptling aller Apachen in sein

festes Haus und würde sich freuen, wenn Cochise die
Einladung dann annehmen würde.«

Cochise bedankte sich mit einem Handzeichen. Wyatt Earp

kam an seine Seite und sagte zu Barnes: »Ich bin Wyatt Earp,
Sir, Berufsspieler, Herumtreiber und Satteltramp. Aber das sind
ja alle Zivilisten in den Augen des Militärs, nicht wahr?«

Barnes lachte, beugte sich im Sattel vor und reichte Wyatt

die Hand.

»Nicht unbedingt, Mr. Earp. Auch das Militär kann zwischen

einem anständigen Weißen und einem Gauner unterscheiden.
Sie erscheinen mir ein bißchen wild, aber sonst okay.«

»Danke«, erwiderte Earp und grinste.
»Wie kommen Sie zu dem Häuptling der Apachen?

Befreundet?«

»Das will ich nicht unbedingt behaupten, Captain.

Gemeinsame Interessen verbinden uns. Das kann morgen
schon anders sein.«

»Darf man über diese Interessen etwas erfahren?«
»Warum nicht? Cochise ist auf der Jagd, ich werde gejagt.«

Lachend beugte sich Wyatt vor. »Das verbindet, oder nicht?«

»Wer jagt Sie denn?«
»Der Sheriff aus Tombstone mit einer Posse.«
»Well, und wen jagt der Häuptling?«
»Zwei Weiße, die an der Ermordung einer Apachen-Sippe

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beteiligt waren.«

»Hugh Bennet und Josuah Lemmon?«
»How!« sagte Cochise in gutturalem Brustton.
Captain Phil Barnes runzelte die Stirn und fuhr fort: »Um die

beiden geht es? Sie sind im Fort. Wird Cochise der Einladung
Colonel Davis' folgen?«

»Ich werde dir folgen, weißer Häuptling«, antwortete

Cochise schlicht.

Er stellte keine Fragen, erbat sich kein freies Geleit und war

auch sonst nicht neugierig. Dazu war er viel zu stolz. Er ritt
einfach an und nahm Richtung auf die Front der Kavalleristen.
Barnes blieb an seiner Seite und nickte Lieutenant Lion zu.

Der Offizier riß seinen Säbel aus der Scheide und brüllte:
»Präsentiert – Säbel!«
Ein einziges ruckartiges Klingen brachte die Säbel aus den

Scheiden. Sofort kam der nächste Befehl: »Augen – links!«

Barnes legte die Hand grüßend an den Feldhut und ließ

Cochise höflichkeitshalber den Vortritt. Der Hornist stieß
wieder in sein Blasinstrument und blies »Willkommen
daheim«.

Im Vorbeireiten sah der Häuptling die Augen der jungen

Soldaten. Nirgendwo sah er Haß. Blaue, graue und braune
Augen blickten den legendären Häuptling der Apachen
freundlich und bewundernd an. Jedem in der langen Front
nickte Cochise zu, und in dieser Kopfbewegung erkannten die
Soldaten die große Würde des indianischen Führers.

Wyatt machte ein todernstes Gesicht. Das ganze Zeremoniell

kam ihm ein wenig lächerlich und abgeschmackt vor. Selbst
Sitting Bull waren zwanzig Jahre später nie solche
militärischen Ehren erwiesen worden, und keinem Häuptling
danach.

Hinter Cochise ertönte Lieutenant Lions nächster Befehl:

»Dritter Halbzug habt – acht! In Zweierreihe rechts schwenkt –
marsch!«

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Die Soldaten formierten sich und ritten hinter Cochise, Earp

und Captain Barnes her. Barnes schlug den Weg zum Fort ein
und war heilfroh, daß der Empfang so gut gelungen war.
Schließlich wurden in Fort Bowie nicht jeden Tag
Indianerhäuptlinge empfangen.

Wind kam auf und wirbelte Staub und Alkali über den Hang.

Der Wind brachte Gerüche aus dem Fort mit. Küchendunst
vermischte sich mit dem scharfen Ammoniakgeruch der Ställe.

Captain Barnes ritt neben dem Häuptling, dessen dunkle

Augen aufmerksam das Fort musterten. Als das zweiflügelige
Tor aufschlug und die Wache unter Gewehr zum Empfang
antrat, ertönte auf dem Paradefeld ein scharfes Kommando und
die langgezogenen Töne des Hornisten.

Allmächtiger, dachte Barnes. Der Alte hat die ganze

Garnison antreten lassen!

So war es. Drei Kompanien zu Pferd und zu Fuß standen im

Karree und präsentierten Gewehr und Säbel. Es war ein
malerisches Bild unter dem Sternenbanner, das bei allen
Beteiligten lange in Erinnerung haften bleiben würde.

Als Captain Barnes und Cochise durch das Tor ritten, kam

ihnen Colonel Jeff Davis auf einem schneeweißen Hengst
entgegen, die Hand grüßend am Hutrand.

Barnes fiel vor Überraschung fast aus dem Sattel, als die

Militärkapelle mit mächtigen Paukenschlägen und
Trompetentönen die amerikanische Nationalhymne anstimmte.

»Ich heiße Cochise, den Häuptling aller Apachenstämme, in

Fort Bowie herzlich willkommen! Ich bin Colonel Davis, der
Befehlshaber dieser Garnison!«

Cochise nickte, streckte die Rechte gerade aus und ließ sie

zur Brust zurückgleiten.

»Cochise dankt dem weißen Häuptling für sein Willkommen

und bittet ihn, Cochises Einladung in seinen Jacale
anzunehmen. Dem Häuptling dieses festen Steinhauses wird es
bei Cochise an nichts mangeln.«

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Davis stieg vom Pferd. Zwei Soldaten eilten herbei. Einer der

beiden wollte Cochise beim Absteigen helfen, aber der Jefe
war schneller. Mit einem Sprung stand er neben seinem Pferd.

Colonel Davis kam auf ihn zu und reichte ihm die Hand, die

angenommen und gedrückt wurde. Befehle prasselten über den
Paradeplatz. Die zweite Kompanie riß die Gewehre an die
Schultern und schossen einen Salut in den Himmel. Gewehr ab,
durchladen, Gewehr hoch und dann wieder der Befehl:

»Kompanie – Feuer!«
Dreimal hallte der Ehrensalut über die Festung. Cochise

nahm unbewegten Gesichts die hohe Auszeichnung an. Colonel
Davis und Captain Barnes führten Cochise vor die Front der
Offiziere. Die Musik spielte einen preußischen Marsch und
brach auf ein lautes Kommando jäh ab.

Wieder Befehle, schließlich rückten die Kompanien mit einer

Kehrtwendung in ihre Quartiere ab.

Cochise und Wyatt Earp standen mit Phil Barnes und

Colonel Davis in einer Gruppe beisammen. Davis wandte sich
an Wyatt Earp und fragte:

»Sie sind Wyatt Earp, nicht wahr, und Sie werden von einem

Aufgebot aus Tombstone verfolgt? Was haben Sie
ausgefressen?«

»Woher oder von wem wissen Sie das, Commander?«
Davis streckte die Brust heraus und wuchs um einen halben

Zoll.

»Mr. Earp, hier stelle ich Fragen und Sie antworten.«
Wyatt zuckte gleichgültig die Achseln. »So war's nicht

gemeint, Commander. Tut mir leid. Ich wurde in Tombstone in
eine Schießerei verwickelt und mußte in Notwehr einen Mann
töten, der mich vorher des Falschspiels beschuldigte.«

»Das ist mir berichtet worden. Spielten Sie falsch?«
»Ich bin ein Spieler, zugegeben, aber deswegen muß ich

nicht falsch spielen. Mir geht es um den Reiz des Pokerspiels,
Sir, und nicht allein um den Gewinn.«

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Jeff Davis überlegte. Seine Hand lag in der Bauchschärpe

seiner Paradeuniform mit dem langen Uniformrock.

»Es liegt kein Festnahmeersuchen von Seiten des Sheriffs in

Tombstone gegen Sie vor, Mr. Earp. Die Armee ist auch kein
Erfüllungsgehilfe für die Gesetzesausübenden der Territorien.
Sie bleiben auf freiem Fuß. Ich rate Ihnen aber, Ihre Sache mit
dem Sheriff zu bereinigen.«

»Danke«, murmelte Earp und grinste.
Colonel Davis drehte sich zu Cochise herum und deutete

einladend auf die Kommandantur.

»Ich habe eine Erfrischung herrichten lassen, Häuptling.

Dabei können wir uns ungestört unterhalten.«

»Über was?«
»Gibt es nicht genug Dinge, die mein und dein Volk

betreffen und geklärt werden müssen? Ich meine es gut mit den
Chiricahuas, das darfst du mir glauben, Cochise.«

Cochise neigte zustimmend den Kopf. Neben Colonel Davis

ging er hochaufgerichtet und gemessenen Schrittes auf die
Kommandantur zu. Davis beäugte ihn vorsichtig von der Seite.
Dieser Mann hatte jahrelang der mächtigen US Army getrotzt
und allen seinen Widersachern eine Nase gedreht.

Cochise überragte Davis um einen halben Kopf. Mächtig

sprang die Adlernase in dem intelligenten braunen Gesicht vor
und legte einen kräftigen Schatten vom Nasenflügel bis zum
Kinn. Was der Colonel an Cochise am meisten bewunderte,
war der mächtige Brustkasten und die Proportionen des
Häuptlings.

Die Legende um diesen Häuptling verdichteten sich von Jahr

zu Jahr mehr an der Grenze. Wenn Cochise ein Weißer
gewesen wäre, hätte man ihm letztlich noch einen
Heiligenschein aufgesetzt oder eine Fürstenkrone. Aber er war
kein Weißer.

Viele Soldaten gingen auf Cochises kurzem Weg zur

Kommandantur an ihm vorbei. In keinem Auge las der Chief

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Haß, Zorn oder Vergeltungswille.

Im Gegenteil. Mehr und mehr kam es dem Chiricahua so vor,

als hätten all die Gesichter mit den hellen Augen an
Vertrautheit zugenommen, als würde er sie schon Jahre
kennen. Mehr als zehn Jahre Krieg gegen die Weißen bleiben
nicht ohne Einfluß auf die Ansichten und Beweggründe bei
einem Indianerhäuptling. Es war ihm nicht vergönnt, in
Schablonen oder nach dem Gesetzbuch der Amerikaner zu
denken. Er konnte nur in der Rolle denken und handeln, die
ihm die Naturgesetze und die seines Volkes eingegeben hatten.

Captain Barnes überholte den Colonel, und Cochise riß die

Tür zu dem Steingebäude auf. Es war kühl im Haus, ein
leichter Luftzug hielt Fliegen fern.

Im Besuchszimmer war ein großer rechteckiger Tisch

gedeckt. Schüsseln, Teller und Bestecke lagen vor jedem Sitz.
Der Inhalt der Schüsseln verbreitete einen seligmachenden
Duft im Zimmer, der die Magensäfte der Weißen anregte.

Nur Cochise empfand nichts. Seine sprichwörtliche

Genügsamkeit gab nicht den geringsten Raum auf die
Vorstellung leiblicher Genüsse. Ein Stück Maultierfleisch war
für ihn eine Delikatesse, was dort in den Schüsseln dampfte,
kannte er nicht.

Zwei Soldaten in weißen Meßjacken rückten Stühle und

servierten. Colonel Davis hatte nicht die geringste Ahnung von
den Eßgebräuchen der Apachen und wußte auch nichts über
Tischsitten.

Im Verlaufe des Nachmittags jedoch wunderte er sich immer

mehr, wie sehr der Chiricahua sich den Weißen anpassen
konnte. Seine Manieren hätten ausgereicht, ein Menü im
größten Hotel von New York einzunehmen.

Zum Essen wurde Wein geboten. Cochise lehnte ihn ab und

bat um Wasser. Als nach dem Essen Zigaretten angezündet
wurden, kam Davis auf das zu sprechen, was ihn interessierte.
Vorsichtig tastete er sich vor: »Cochise ist auf der Jagd?«

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»Cochise jagt weiße Männer. Zwei Verbrecher, die eine

Sippe der Chiricahuas umbrachten.«

»Du wirst sie töten?«
Cochise neigte den Kopf. »Sie sind dem Gesetz der

Chiricahuas verfallen. Kein Weißer darf Hand an sie legen.«

»Zwei von diesen Mördern halten sich im Fort auf.«
»Ich weiß es«, antwortete Cochise schlicht.
Colonel Davis warf über den Tisch einen langen Blick zu

Captain Phil Barnes hinüber.

»Ich kann sie dir nicht ausliefern, Häuptling, und bitte dich,

meine Handlungsweise zu verstehen. Wenn ich den Verdacht
habe, daß sie Mörder sind, muß ich sie dem Gesetz der Weißen
überantworten. Auch ich kann nicht, wie ich will, Häuptling.«

Über Cochises Antlitz glitt ein vergnügtes Lächeln.
»Das alles weiß ich, Häuptling der Weißen. Du brauchst sie

mir nicht zu geben, denn sie sind nicht mehr da.«

Davis gab sich einen Ruck. Seine eisgrauen Augen funkelten.
»Warum sollten sie nicht mehr im Fort sein? Sie waren vor

deiner Ankunft noch da.«

»Jetzt aber nicht mehr. Sie stahlen Pferde und Proviant und

verschwanden, als sie mich sahen.«

»Großer Gott! Häuptling, woher willst du das wissen?«
Cochise zuckte mit den Achseln und schwieg. Seine dunklen

Augen hingen an Colonel Davis' Gesicht, dann glitten sie
weiter zu Captain Phil Barnes und schließlich zu Wyatt Earp.
Wyatt zwinkerte mit den Augen und schwieg.

Davis aber, Commander von Fort Bowie, verfärbte sich und

wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, als ihm der
spontane Gedanke kam, daß Cochise seine Einladung nur
angenommen hatte, um die beiden Verbrecher aus dem Fort zu
treiben.

Hier konnte er sie nicht erreichen, das wußte der schlaue

Chiricahua, weil er die Gesetze und Ansichten der Weißen
kannte, aber wenn er die beiden mit legalen Mitteln aus der

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Befestigung vertrieb, unterstanden sie draußen in der Wüste
oder im Gebirge seiner Gerichtsbarkeit.

Davis stand halb von seinem Sitz auf und stemmte die Fäuste

auf den Tisch.

»Mr. Barnes«, schnarrte er mit blitzenden Augen. »Mr.

Barnes, überprüfen Sie sofort, was an den Worten des
Häuptlings wahr ist. Halten die beiden Kerle sich noch im Fort
auf, lassen Sie sie sofort in Eisen legen!«

Captain Barnes erhob sich hastig, salutierte und rannte

hinaus. Es dauerte keine zwei Minuten, da war er schon wieder
zurück. Aufgeregt blieb er in der Tür stehen und schnarrte
seine Meldung wie ein Uhrwerk herunter:

»Colonel – Sir, sie sind nicht mehr da! Cochise hatte recht.

Unter Mitnahme von drei Pferden, einem vollen Sack Proviant
und Munition sowie Wasserflaschen sind sie…«

»Schon gut«, winkte Colonel Davis müde ab. »Lassen Sie

zwei Patrouillen unter Führung von Scouts zusammenstellen
und die Kerle verfolgen.«

Cochises Hand schnitt durch die Luft.
»Es ist mein Land, weißer Häuptling, und das Land meiner

Väter. Ich werde sie verfolgen!«

Commander Davis senkte seinen Blick vor den blitzenden

Augen des Häuptlings, und seine Handbewegung nahm den
Befehl zurück. Eine zweite wies Captain Barnes auf seinen
Stuhl.

*

»Hölle und Teufel!« schnaufte Josuah Lemmon und,
verschluckte sich beinahe an seinem Bier. »Hugh, wirf einen
Blick durchs Fenster!«

Bennet beugte sich vor und blickte auf den Exerzierplatz.

Kaum war die Bemerkung Lemmons von seinen Lippen
gekommen, als ihm schon beim ersten Blick durch das

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Kantinenfenster das Grinsen gründlich verging. Er fuhr zurück
wie vor einem Gewehrlauf, der auf seine Augen zielte, hob sein
Glas an die Lippen und setzte es wieder hin, ohne einen
Schluck getrunken zu haben.

Erst nach einer langen Weile wagte er einen zweiten Blick

auf das Paradefeld, um sich davon zu überzeugen, daß er auch
richtig gesehen hatte. Er warf einen langen Blick auf Lemmon,
der sich verfärbt hatte.

Beide verstanden in diesem Augenblick den scharfen Befehl

des Feldwebels, der vor einer halben Stunde in die Kantine
gekommen war und die Soldaten von ihren Plätzen gescheucht
hatte.

Er hatte richtig gesehen, daran gab es keinen Zweifel. Durch

das Tor kam Cochise mit einem Weißen in Zivil und dem
Offizier der Wache, einen berittenen Halbzug im Schlepp.

»Das gilt uns«, flüsterte Josuah und schüttelte sich wie im

Fieber. »Was machen wir. Hugh?«

»Keine Minute länger warten, was sonst? Wir müssen weg,

bevor die Rothaut uns ausfindig macht.«

»Ob er weiß, daß wir im Fort sind?«
»Er weiß es, sonst wäre er nicht hier. Laß uns

verschwinden!«

»Wie? Wohin? Ohne Pferde und Proviant?«
»Quatsch! Wenn sich das Palaver dort draußen gelegt hat,

gehen wir zum Stall und satteln uns drei Pferde. Das mache
ich. Du begibst dich zur Ausrüstung und läßt dir vom Furier
einen Proviantsack und ein Paar Flaschen Wasser füllen.
Danach verschwinden wir so leise wie auf Katzenpfoten.«

»Du hast die Stallwache und die Torwache vergessen.«
Bennet winkte ab. »Habe ich nicht, Mann. Wenn wir uns

richtig bewegen und keine Angst zeigen, kommen wir weg.«

Er legte ein Geldstück auf den Tisch, drehte sich eine

Zigarette, zündete sie an und gab sich recht gelassen. Draußen
flauten der Lärm und die Kommandos ab, das Karree löste sich

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auf und die Männer verschwanden in ihren Unterkünften.
Nachdem sich das Paradefeld geleert hatte, schoben die beiden
Banditen ihre Stühle zurück und standen auf.

Gemeinsam verließen sie die Kantina. Draußen umfächelte

sie der Wind, der von Norden wehte und ständig umschlug. Er
brachte Staub und pulverfeinen Sand mit und ließ vertrocknetes
Unkraut zwischen ihren Füßen knistern.

Für beide Outlaws blieben immer noch genug Zweifel über

das Gelingen ihres Planes, so daß man sie trotz des
Nachlassens der Hitze hätte auswringen können, ehe sie das
niedrige Stallgebäude erreichten.

Sie stießen die Tür auf und traten schnell ein. Niemand war

anwesend. Die Stallwache war sicherlich beim Essenfassen.
Die Paradepferde standen alle abgesattelt in ihren Boxen und
äugten zu den Zivilisten.

»Ich mach das«, sagte Hugh Bennet rasch. »Kinderspiel!

Kümmer dich um den Proviant und vergiß das Wasser nicht.
Los, hau ab!«

Lemmon verschwand. Bennet sattelte drei braune

Kavalleriepferde, die er für folgsam und ausdauernd hielt und
stellte sie nebeneinander vor einen Halfterbalken. Kurz darauf
kehrte Josuah zurück und schwang zwei mittelgroße
Proviantsäcke. Über der Schulter hatte er drei Feldflaschen
hängen und einen prallen Wasserschlauch.

»Spielend ging das«, sagte er. »Jetzt nur noch die Torwache,

dann haben wir's geschafft.«

Hugh Bennet nickte. »Machen wir uns auf die Socken und

das im Geschwindschritt!«

Vor dem Stall hielt sich niemand auf. Die Besatzung war

beim Essen und machte sich für die allabendliche
Flaggenparade bereit. Beim Tor standen ein Corporal und zwei
Mannschaftsdienstgrade. Der Corporal kam ihnen ein Stück
entgegen, grüßte und gab das Zeichen zum Öffnen, als er die
Militärpferde sah.

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»Schon wieder hinaus in die feindliche Wüste?« fragte er

jovial.

Hugh klopfte ihm im Vorbeireiten auf die Schulter und

lächelte zu ihm hinab.

»Schon viel zu lange hier gewesen«, sagte er. »Danken Sie

dem Kommandanten noch einmal für die Hilfe, die er uns
angedeihen ließ. Adios, Corporal!«

»Macht's gut, Männer!«
Draußen waren sie und ritten in gemäßigtem Trab den

gewundenen Hangweg hinab. Hinter der nächsten Kehre gaben
sie den Pferden die Sporen zu fühlen und preschten los.

»Wohin?« schrie Lemmon.
»Osten! Immer nach Osten!« gab Hugh zurück und deutete

auf die fernen Berggipfel, die sich schwach aus dem
Bodendunst abhoben. In zwei Stunden würde die Nacht
hereinbrechen, und wenn sie weit genug von Fort Bowie
entfernt waren, konnten sie auf ein Entkommen hoffen. Die
Nacht verbarg alle Spuren, denn die Nacht war die beste
Freundin des Bösen und schützte Kinder des Teufels.

Das Land vor ihnen nahm zunehmend Wüstencharakter an.

Erosionsgestein und Geröll bedeckten den Wüstenstaub
fächerartig, und wenn sie zu den langgezogenen Hügelhängen
sahen, erkannten sie auch das dichte Chapparal-Dickicht und
die unzähligen Kakteen-Inseln.

Zwei Bussarde kreisten hoch am Himmel und spähten nach

Beute. Im Süden breitete sich Dunst aus, der beharrlich dem
leichten Wind Widerstand bot. Es war ein rauhes Land mit
einer kümmerlichen Flora und ohne eine nennenswerte Fauna,
die zur Abwechslung auf dem Küchenzettel beigetragen hätte.

Hin und wieder sahen sie ein Wüstenhuhn, aber die grauen,

kleinen Gesellen verschwanden so rasch in ihren Verstecken,
daß sich eine Jagd nicht lohnte. Füchse strichen durch die
Färberdisteln und blickten den beiden Reitern nach.

»Wann werden wir jenseits der Grenze sein?«

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»In zwei Tagen, Jos, aber die Apachen kennen keine Grenze,

und wenn, würden sie die unsichtbare Linie zwischen den
Territorien kaum respektieren. Beeilen wir uns!«

»Ob sie uns eine Patrouille nachschicken? Sie werden bald

merken, daß wir verduftet sind.«

»Ich fürchte keine Patrouille, obwohl sie sicher Apachen-

Scouts mitschicken. Angst habe ich nur vor Cochise.«

Die Abenddämmerung zog von Osten her über das Land und

verdrängte das Licht. Sie ritten mit ihrem Packpferd in diese
Dämmerung, die so übergangslos war wie ein herabhängendes
Tuch. Dunkelheit nahm sie auf und legte ihren schützenden
Mantel um die Reiter.

*

Beim ersten Silberstreifen am östlichen Horizont waren
Cochise und Wyatt Earp zum Ausreiten fertig. Das Gespräch
zwischen dem Häuptling und dem Commander Jeff Davis hatte
bis in die späten Abendstunden gedauert, aber Cochise hatte
dem weißen Häuptling auch nicht sagen können, was die
Rauchzeichen zu bedeuten hatten und wer die Signale in den
Himmel schickte.

Versehen mit viel Wasser und reichlichem Proviant, ritten

die beiden beim ersten Frühlicht los. Davis hatte sie
verabschiedet. Er stand auf dem Paradefeld und hielt die Hand
grüßend an den Feldhut. Cochise machte das Zeichen des
Friedens und ritt durch das Tor.

Sie mußten nicht lange suchen, bis sie auf die Spur stießen.

Der Häuptling der Apachen sah sie vom Pferd aus und ritt
geradewegs nach Osten. Der Sonnenaufgang überraschte die
beiden Jäger schon weit weg vom Fort.

Wyatt war an diesem Morgen mißmutig und einsilbig. Wenn

er an die kommende Tageshitze dachte, brach ihm jetzt schon
der Schweiß aus. Verstimmt musterte er den Apachen von der

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Seite. Er ahnte, was in Cochise vorging. Die beiden Outlaws
waren menschliche Bestien, ein paar Stufen unter der
bekannten Outlaw-Klasse im Südwesten von Arizona. Sie
konnten auf ihrer Flucht viel Unheil unter den indianischen
Nomaden anrichten, wenn sie Gelegenheit dazu hatten. Und da
es in diesem Landstrich nur Apachen gab, die mit ihren
Familien durch das Land zogen, war es Cochises Sache, sie zu
schützen.

Die Sonne kletterte, mit ihr die Hitze und der Staub. Sie

gerieten in ein ausgedehntes Feld von Kandelaber-Kakteen.
Zwischen den stacheligen Stämmen wuchs ein dichter Teppich
von Speerdorn und kleinstämmigen Kakteen. Die Fährte der
Outlaws führte mitten hindurch.

Cochise stieg ab und untersuchte die Hufabdrücke. Drei

Pferde, alle drei beschlagen. Eines der Tiere lahmte auf der
rechten Hinterhand. Als sich Cochise aufrichtete, sah er nach
Norden und Osten. Über allen Hügeln standen Rauchbälle.
Cochise beschattete die Augen mit der flachen Hand und
studierte die Zeichen. Anschließend schüttelte er stumm den
Kopf und bestieg sein Pferd wieder.

»Kannst du sie nicht lesen?« fragte Wyatt knurrig.
»Fremde Zeichen von einem Volk, das aus dem Norden

kommt.«

»Du kennst dieses Volk?«
Cochise schüttelte stumm den Kopf und blickte geradeaus.
»Wenn wir keinen anderen Weg nehmen, Chief, reiten wir

geradewegs zwischen die Rauchzeichen.«

»Hast du Angst? Dann geh!«
»Verdammt, ich habe nicht die geringste Angst, wenn es das

ist, was du unter Angst verstehst. Ich will mich nur nicht
unendlich lange in dieser trockenen Wüste aufhalten.«

»Bis zum Gebirge gibt es kein Wasser«, war Cochises

lakonische Antwort.

»Ich rede nicht von Wasser, sondern von der Hitze und dem

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höllischen Staub«, gab Wyatt bissig zurück. »Ich will von hier
weg, Chief. Weit weg!«

»Dann geh! Niemand hält dich.«
»Beim Satan…« Earp schwieg. Er ahnte, daß es dem

Häuptling der Apachen nichts ausmachte, an seiner Seite zu
reiten. Ebensogut aber konnte er auf dieses Privileg verzichten.

Mit jedem Schritt der Pferde kamen sie näher an die

Rauchzeichen heran. Sie hüpften sporadisch wie Bälle über die
Hügel und verflüchtigten sich in der Thermik.

»Rauchzeichen des Todes«, sagte Wyatt Earp und wischte

sich den Schweiß aus den Augen.

Cochise gab keine Antwort. Wyatt fluchte und nörgelte

weiter in der gleichen Tonart über die Hitze und die
Rauchzeichen und alles nur mögliche, was ihm an diesem
Morgen nicht behagte. Cochise wandte schließlich den Kopf,
und ihre Blicke kreuzten sich eine tödliche stille Sekunde lang.
Darauf folgte nur eine heftige Handbewegung und wieder ein
Kopfschütteln des Häuptlings. In dieser Bewegung sprach ein
gewisses Unbehagen mit, aber Wyatt merkte nicht, was die
Stunde bei dem Häuptling geschlagen hatte. Er räsonierte
weiter und wischte sich dabei ständig Schweiß und Alkalistaub
aus dem Gesicht.

Mit einem plötzlichen Ruck hielt Cochise seinen Pinto an. Er

starrte auf einen runden Hügel vor sich, kaum zweihundert
Yards entfernt, und Wyatt sah, wie sich seine Muskeln über
den Wangenknochen anspannten.

»Tod und Teufel!« flüsterte er verhalten und wischte noch

einmal seine tränenden Augen ab. »Sind das Apachen,
Chiricahuas?«

Ein grimmiges Lächeln überflog Cochises Miene.
»Wenn das Chiricahuas wären, würdest du längst nicht mehr

leben, Hellauge.«

»Indianer, die die Rauchzeichen machen?«
»Warten wir es ab.«

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Cochise ritt wieder an, den aufgeregten Weißen im Schlepp.

Drei Reiter hielten auf der Hügelkuppe. Der mittlere trug eine
bis zum Boden reichende Federhaube. Die beiden anderen
rechts und links von dem fremden Häuptling trugen ihr Haar zu
einem hohen Kamm geschoren, den sie mit den Flaumfedern
des Graureihers geschmückt hatten.

Die Indianer machten grimmige Gesichter, rührten sich aber

nicht von der Stelle. In ihrem Rücken stiegen schwarze
Rauchbällchen in die Höhe, die nach ein paar Metern
zerflatterten.

Cochise nahm keine Notiz von den fremden Rothäuten, die

sich auf seinem Land aufhielten. Er ritt in ein gewundenes
Hügeltal und folgte unverdrossen der Spur. Sie merkten beide,
wie ihnen die Augen der drei Rothäute folgten, und bei Wyatt
brach wieder der Schweiß aus. Schweiß des Unbehagens und
der Angst.

Aber Cochise tat, als seien die fremden Indianer gar nicht

vorhanden und ritt in aufrechter Haltung. Das Gewirr der
Kakteen wurde von einer Kolonie Chollas abgelöst, die sich
sogar an den Hügelhängen hinauf erstreckten.

Vorsichtig lenkte der Häuptling sein Pferd zwischen die

Kugelkakteen, wohl wissend, wie giftig die Stacheln dieser
seltsamen Flora waren. Schon manches Pferd, von den
Stacheln geritzt, mußte getötet werden.

Zufällig warf Wyatt einen Blick nach Süden. Über diesem

Wüstenteil hing eine Staubwolke, die nach Norden in
Bewegung war. Wo Staub in der Luft hing, waren meistens
auch Reiter. Er machte Cochise darauf aufmerksam.

»Schon gesehen«, erwiderte der Häuptling. »Weiße.«
»Das Aufgebot aus Tombstone?«
Cochise nickte. Ein schwaches Lächeln überflog sein

Gesicht, das sich aber sofort darauf wieder in seine
maskenhafte Strenge zurückzog.

»Sie suchen immer noch nach dir, Hellauge.«

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»Nach wem denn sonst?« knurrte Earp wütend. »Nach dir

doch nicht.«

Der Pfad zwischen den Chollas wurde mit jedem Schritt

enger. Ganz plötzlich weitete er sich zu einem Rund. Sechs
hochstämmige Kakteen standen in der Arena und streckten ihre
Arme wie flehend nach allen Seiten hin aus.

Wie auf ein Kommando hielten Earp und Cochise ihre Pferde

an. Zuerst glaubten sie, an Halluzinationen zu leiden. Sie
trauten beide ihren Augen nicht und rieben sie immer wieder
vom Alkalistaub frei. Das Bild, das sie sahen, war für einen
Weißen ekelhaft genug.

Schwärme von Fliegen sandten ein tosendes Brummen aus,

schossen pfeilschnell über die Lichtung und ließen sich auf den
drei Leichen nieder. Sie hingen mit dem Kopf nach unten wie
Gekreuzigte, und ihre Schädel waren mit geronnenem Blut
bedeckt wie ihre Körper.

Alle drei waren Apachen-Scouts. Sie trugen die blauen

Militärjacken, an den Beinen derbe Beinkleider und Mokassins
an den Füßen. Keiner von ihnen lebte mehr. Sie mußten
unsägliche Marterqualen erlitten haben, und Wyatt, der sie so
hängen sah wie Schlachtvieh, beugte sich zur Seite und erbrach
sich.

Selbst Cochise hatte viel von seiner braunen Gesichtsfarbe

verloren. Wenn er auch viel härter als der Weiße im Nehmen
war, so stieß ihn das Bild genauso ab wie Earp.

Beide Reiter stiegen von ihren unruhigen Pferden und

näherten sich der Wolke von Fliegen. Fliegen aller Art,
vorwiegend Schmeißfliegen, die sich unwillig summend von
ihrem Opfer trennten, als Lebende in die Runde traten.

»Großer Gott, wer hat so etwas tun können?«
»Weiße.«
»Unmöglich!«
»Es waren Weiße«, sagte Cochise bestimmt und deutete auf

Stiefelabdrücke im Sand »Welche Weiße? Die zwei Kerle, die

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wir verfolgen?«

»Nein, andere Weiße. Die Mörder der Chiricahuas sind

vorbeigekommen, aber schnell weitergeritten.« Cochise deutete
auf eine kaum sichtbare Fährte ein paar Schritte entfernt.

»Ich glaube, es waren die Indianer dort auf dem Hügel.«
Cochise warf einen Blick über die Schulter. Der Hügel war

leer.

»Nein, kein Indianer ermordet einen anderen Indianer auf

diese Art. Das haben bestimmt weiße Männer getan.«

»Aber wer?« schrie Earp angewidert. »So viele Weiße gibt es

doch hier gar nicht!«

Der Häuptling gab keine Antwort. Er schritt die Kakteen ab

und blickte den Toten in die Gesichter. Dabei murmelte er
Namen und Sippenbezeichnungen, die Earp jedoch nicht
verstand.

»Bringen wir sie unter die Erde«, sagte er mit leiser Stimme.
Cochise zog sein Messer und schnitt die Fesseln an den

Hand- und Fußgelenken durch. Schwer stürzten die Toten zu
Boden.

»Krieger der Apachen erhalten ein indianisches Grab«,

antwortete Cochise und zeigte auf herumliegende
Steinbrocken. Wyatt Earp verstand und fing an, mächtige
Steine heranzuwälzen. Die Fliegen wurden zur Plage und
quälten den emsig Fluchenden, der sich an den scharfkantigen
Felsbrocken die Finger blutig riß.

Nach einer halben Stunde hatten beide so viele Steine

herangeschafft, daß sie darangehen konnten, das Grabmal zu
errichten. Sie legten die Toten nebeneinander und schichteten
die Brocken rings um sie in die Höhe.

Als die Arbeit getan war, nahm Wyatt Earp seinen Hut ab

und drehte ihn in den Händen. Mit der Schließung des
Monuments ließ auch die Fliegenplage nach.

Cochise entfernte sich von der Stätte und schlug große

Kreise, während Wyatt Earp mit dem Hut in der Hand vor dem

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Steinhaufen stand. Er wirkte so blaß wie ein Gespenst.

Cochise kehrte zurück und riß Wyatt aus seinen Gedanken.

Er deutete auf die Fußabdrücke und sagte mit kehliger Stimme:

»Weiße. Sechs.« Dabei hob er die gespreizte Rechte und

hielt den Zeigefinger der linken Hand in die Höhe.

Ungläubig schüttelte Wyatt den Kopf, dabei blickte er an

dem Häuptling vorbei, zuckte zusammen und erstarrte zur
Steinsäule. Übergangslos spürte er die Trockenheit in seinem
Mund, und als er krächzend seine Warnung hervorstieß, klang
sie tonlos:

»Cochise, hinter dir… Allmächtiger, sie haben uns

überrascht!«

Über das braune Gesicht des Häuptlings glitt ein leichtes

Zucken wie Wetterleuchten. Lächelte er?

»Den Häuptling der Apachen überrascht niemand, auch nicht

die fremden Indianer. Ich weiß, daß sie da sind.«

Langsam drehte er sich herum. Der Indianer mit der

Federhaube war abgestiegen und hielt sein Pferd am Zügel.
Seine Begleiter blieben auf ihren Ponys. Cochise blieb nach
zehn Schritten stehen und machte das Handzeichen des
Friedens, das erwidert wurde.

Stille breitete sich aus, nicht einmal die Pferde schnaubten

oder scharrten mit dem Vorderhuf. Earp ging zu der Gruppe,
ständig darauf gefaßt, ziehen oder schießen zu müssen. Mit
hochgezogenen Brauen sah er die beiden Indianer
gestikulieren. Sie unterhielten sich in der Zeichensprache, und
es sah nicht so aus, als würden sie an kriegerische Handlungen
denken.

Wyatt blieb hinter Cochise stehen und musterte den Roten

unter der Schlepphaube. Seine hohe Stirn verriet Verstand und
Wille, sein breites Kinn Kraft und physische Stärke.

Nach einer Weile drehte sich Cochise zu Earp herum und gab

eine kurze Erklärung ab, die Wyatt nur wenig befriedigte, weil
er die Gebräuche der Indianer zu wenig kannte.

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»Sechs Skalpjäger überfielen Scouts und schlugen sie nieder.

Sie banden die Apachen an die dornigen Säulen und
skalpierten sie.«

»Warum, Cochise, warum nur? Was taten die Scouts den

fremden Weißen?«

»Nichts«, war die lakonische Antwort. »Indianer hatten

Skalps.«

»Verdammt! Ist das nicht zum Auswachsen? Wegen einem

Skalp tötet man doch keine Menschen!«

»Doch, Skalpjäger, Hellauge. Wania-taka, der Häuptling der

Cheyenne, sah zu. Er konnte nichts für seine roten Brüder tun,
weil die Weißen in der Überzahl und besser bewaffnet waren.«

»Wania-taka, was heißt das schon wieder?«
»In der Sprache der Cheyenne heißt das Geistbüffel. Er ist

Häuptling der Süd-Cheyenne.«

»Und du hast das alles damit herausgefunden?« Wyatt

machte ein paar Bewegungen mit den Händen und gestikulierte
wie ein Affe unter einem Bananenbaum.

Über Cochises strenges Gesicht glitt der Widerschein eines

inneren Lächelns. Er nickte.

»Damit. Mit der Zeichensprache, die alle Indianer der

Prärien, Wüsten und Gebirge verstehen. Du glaubst es nicht?«

»Muß ich doch, oder?«
»Kein Krieger muß das glauben, was ein Häuptling sagt,

wenn er nicht davon überzeugt ist.«

Wyatt Earp hatte seine Abfuhr. Cochise wandte sich wieder

dem fremden Häuptling zu und redete mit ihm in der
Zeichensprache. Earp stand müßig dabei und konnte kaum
seine Ungeduld beherrschen.

Inzwischen kletterte die Sonne ihrem höchsten Punkt

entgegen und strahlte eine infernalische Hitze auf die Erde, die
selbst den Bewohnern dieses Landes den Schweiß aus allen
Poren trieb. Besonders in den Hügeltälern und Canyons war es
heiß wie in einem Backofen. Kein Lufthauch bewegte die

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gesenkten Köpfe der in Blüte stehenden Disteln und Kakteen.

Der Herbst nahte, und der Sommer ging trotz seiner

Tageshitze zu Ende, das war nicht zu übersehen. Cochise
palaverte noch immer mit dem Cheyenne-Häuptling und schien
sich nur für dessen Informationen zu interessieren.

Unbeweglich hielten die beiden kahlgeschorenen Krieger auf

ihren Ponys und ertrugen die Hitze in stoischem Gleichmut. Es
dauerte lange, bis die beiden Häuptlinge ihre Unterhaltung
beendeten, dabei war außer wenigen Grunztönen kein einziges
Wort gefallen. Cochise wollte sich abwenden und machte das
Zeichen des Friedens und des Abschieds, als er unerwartet
trommelnde Geräusche hörte.

Er blieb stehen und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf

das weiterfahrende Hügeltal. Ein indianischer Reiter stob um
die Kehre und hielt bei der Gruppe um den Häuptling an. Mit
hastig hervorgestoßenen Kehllauten und Händeschwenken in
westlicher Richtung gab er Wania-taka einen langatmigen
Bericht.

Geistbüffels Gesicht blieb dabei unbeweglich und so

ausdruckslos wie das eines gotischen Wasserspeiers. Als der
Krieger fertig war, drehte sich der Häuptling zu Cochise um.
Wieder begann das Spiel der Hände, Finger und Ellbogen.

Cochise nickte und bedankte sich mit ein paar Handzeichen.

Earp, der vor Ungeduld fast platzte, drehte sich eine Zigarette,
brannte sie aber nicht mehr an, als er den Häuptling der
Apachen sagen hörte: »Weiße sind im Anmarsch, viele Weiße
aus der Stadt, die ihr Tombstone nennt.«

»Schon wieder das Aufgebot?«
»Die Cheyennes mit ihren Arapahoe-Freunden halten sie auf.

Es sind die Männer, die unter dem weißen Häuptling mit dem
Stern reiten.«

»Sheriff John Hallifax mit seinen Deputys«, knurrte Wyatt

und sah mißtrauisch nach Westen. »Wegen der Hügel konnte er
jedoch die Posse nicht sehen. »Laß uns verschwinden, Chief,

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bevor es hier ganz brenzlig wird.«

»Die Arbeit ist getan, wir reiten.«
Cochise ging zu seinem Pferd, bestieg es und grüßte den

fremden Häuptling. Wyatt ritt hinter ihm her in das Hügeltal
hinein und bemerkte, daß der Jefe die Richtung geändert hatte.

»Wohin geht der Weg, Chief?«
Cochise deutete nach Sonnenaufgang. »Ich folge den

Spuren«, sagte er. »Skalpjäger und Mörder der Apachen
werden aufeinanderstoßen.«

»Ernstlich?«
»Das Gift der Schlangen wirkt nicht bei Schlangen.«
Wyatt verstand, was der Häuptling der Apachen sagen

wollte. Er bedeckte die Augen mit der Hand und suchte die
seitlichen Hügeltäler ab, ohne jedoch ein lebendes Wesen zu
entdecken.

*

Hugh Bennet trank während des Reitens ein paar Schlucke aus
der Feldflasche, verkorkte sie und hing sie an das Sattelhorn.
Josuah Lemmon holte auf und ritt an seiner Seite.

»Gräßlich, diese Hitze! Wie lange wollen wir das noch

durchhalten?«

»Was meinst du?«
»Ich rede von einer Pause. Meinen Magen fühle ich schon

nicht mehr, so leer ist er.«

»Pause? Essen? Bist du wahnsinnig, Jos?«
»Warum soll ich wahnsinnig sein? Essen und trinken muß

doch jeder, wenn er bei Kräften bleiben will.«

»Aber nicht, wenn ein Cochise auf der Fährte reitet. Mann,

du hast 'n Verstand wie 'ne Mücke.«

»Mein Magen fragt nicht nach meinem Verstand, wenn er

knurrt.«

Die Hügel wollten kein Ende nehmen. Das Land war

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menschenleer, steinig, sandig und bedrückend. Die Sonne
brannte auf ihre Haut, die im Alkali badete. Mißmutig warfen
die Pferde die Köpfe hoch und schnaubten, um den Staub aus
ihren Nüstern zu blasen.

Ein Mesquite-Chapparal tauchte vor Hugh und Jos auf und

füllte die gesamte Talbreite aus. Eine Sekunde lang glaubte
Bennet dort eine Bewegung zu sehen. Als er jedoch noch
einmal hinschaute, war nichts mehr zu sehen. Die Stelle wirkte
grau, staubig und braun wie vorher.

»Mesquite! Hölle und Teufel, wie kommen wir dort durch?«
»Für die Gäule kein Problem«, antwortete Jos übellaunig.
»Okay, dann reite mal voran. Mal sehen, wie es dein Zosse

schafft.«

Lemmon zuckte gleichgültig die Achseln. Hugh hatte sich in

der letzten Zeit zu sehr angewöhnt, ihn zu bevormunden und zu
maßregeln. Das gefiel ihm nicht. Wütend schnellten seine
Blicke wie springende Sandvipern über das Dickicht. Der
Chapparal war verfilzt und dornig durch den Speerdorn, der
seine langen Ranken wie Bänder durch den Mesquite wob.

Josuah Lemmon riskierte es. Mit einem Schnalzlaut gab er

dem Pferd die Zügel frei und trieb es in den Chapparal. Die
einzelnen Büsche standen nicht so dicht wie er geglaubt hatte.
Jos Lemmon kam gut vorwärts und gelangte unbeschadet durch
den Grüngürtel. Er richtete sich im Sattel hoch und winkte
Bennet mit seinem Hut. Gleich darauf verriet das Knacken und
Brechen von Holzwerk, daß ihm Hugh folgte.

Auch Bennet kam durch und warf einen forschenden Blick

zurück. Die Ranken hatten sich jedoch wieder geschlossen und
versperrten die Sicht in das zurückgelassene Tal.

»Weiter!« keuchte er. »Bei der nächsten Baumgruppe halten

wir an und legen eine Pause ein.«

Aber die gemeinte Baumgruppe war nirgendwo zu sehen und

wahrscheinlich in traumhaft weiter Ferne. Dafür sahen die
beiden Outlaws etwas anderes. Vor ihnen, keine zehn Meter

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entfernt, schraubten sich drei Individuen mit angeschlagenen
Gewehren aus einem zweiten Dickichtstreifen.

Hugh Bennet brachte sein Pferd mit hartem Zügelruck zum

Stehen und glotzte die Kerle an, als wären sie soeben einem
Pfuhl der Hölle entstiegen. So sahen sie auch aus, genauso
schmutzig und verwahrlost, mit tagealten Bartstoppeln und
einer Kleidung, die man bestenfalls nur als Lumpen bezeichnen
konnte. Nur ihre Waffen waren in Ordnung, das sahen
Fachleute wie Bennet und Lemmon auf den ersten Blick.

»Kommt runter und bewegt euch, Hombres!« befahl einer

mit näselnder Stimme. »Schlank-schlank-dalli!«

Bennet zögerte und kalkulierte trotz seines trägen Gehirns

die Chancen einer Schießerei ein. Daraus wurde nichts. Eine
Stimme in seinem Rücken riß ihm den Gedankenfaden brutal
ab.

»He, habt ihr nicht gehört, was Schlank-Schlank euch

befohlen hat? Runter von den Schindmähren!«

Hugh wandte den Kopf. In ihrem Rücken standen drei

weitere Reiter mit entsicherten Waffen.

»Hat keinen Sinn«, flüsterte Hugh Jos zu und schwang ein

Bein über die Pferdekruppe. Auch Lemmon stieg ab. Sie sahen
sich sechs verwahrlosten Kerlen gegenüber, die blutige Skalps
an ihren Sätteln hängen hatten. Beide dachten sich ihren Teil
und schwiegen.

»Wer seid ihr?«
Hugh antwortete: »Reiter, Reisende.«
»Wohin geht denn die Reise?«
»Irgendwohin, nur fort von hier.«
»Und warum so eilig, Söhnchen?«
In der Stimme des rüden Kerls, den der andere Schlank-

Schlank genannt hatte, kräuselte sich eine
schleimigschleichende Frage, die Bennet und sein Busenfreund
nicht überhörten.

»Ein Chiricahua ist uns auf den Fersen«, sagte er und tat, als

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werfe er ängstliche Blicke in die Runde.

»Eine Rothaut? Welche?«
»Kein geringerer als Cochise.«
Das wiehernde Gelächter der sechs Rohlinge warf Hugh fast

auf den Rücken.

»Hört, hört«, meckerte ein zweiter Mann, der genauso

schmutzig und abgerissen aussah wie die anderen. »Cochise
persönlich gibt sich die Ehre, diesen beiden Vollidioten den
Skalp abzuziehen. Ich war der Meinung, Rabbit, wir täten das,
oder irre ich?«

Rabbit, ein schmalbrüstiger Vierziger mit Dackelbeinen,

zeigte zwei Reihen brauner Zahnstummel.

»Werden wir auch, werden wir«, meckerte er wie ein

Ziegenbock. »Den Schieler nehme ich mir selbst vor, wenn's
genehm ist?«

Ein dritter, der mit angeschlagenem Gewehr auf einem

grauen Pferd saß, stieß den Lauf wie eine Comanchenlanze in
Richtung Josuah Lemmon und brüllte: »Und ich mir die
Zaunlatte, Jungs! Seht euch mal ein bißchen um. Vielleicht
sind noch ein paar von dieser Sorte in der Nähe.«

»Hallo, Rainbow ist endlich aufgewacht! Mann, du bist so

dämlich wie ein Haufen Pferdeäpfel! Was willst du mit einem
blonden Skalp, he? Meinst du, die Greaser sind so blöd wie
du?«

Rainbow, der Mann mit einer breitgeschlagenen Nase und

Blumenkohlohren fletschte sein schadhaftes Gebiß.

»Werd ja nicht frech, Bronco, was verstehst du schon davon,

wie blöde die Greaser sind? Noch zahlen sie ganze fünfzig
Dollar für einen Skalp, wenn man erklärt, daß er von einem
Apachen ist.«

»Mein Gott, was wollen die von uns, Jos?«
Hugh Bennet schien wie vor den Kopf geschlagen. Er hatte

das Gefühl, er müsse sich nun einschalten, brachte es aber nicht
fertig, den rüden Dialog der Kerle zu unterbrechen. Wer und

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was sie waren, wußte er, aber nicht, was sie von ihnen wollten.
Weiße skalpierten doch keine Weißen.

Hugh und Jos wußten, daß die anderen die besseren Trümpfe

hatten. Ihr Leben stand auf dem Spiel, wenn es nicht gelang,
die Kerle von ihrem Vorhaben abzubringen und ihnen
einzutrichtern, daß sie gemeinsam am gleichen Strick zogen.
Hugh nahm allen seinen Mut zusammen und sagte:

»Es stimmt, Cochise ist hinter uns her. Zwei von uns hat er

bereits geschnappt und ausgelöscht. In seiner Begleitung ist ein
Weißer, den wir nicht kennen. Wenn die beiden uns hier
überraschen, sind wir geliefert. Laßt von uns ab und verduftet.«

Der Mann, den ein anderer Rabbit genannt hatte, beugte sich

auf das Sattelhorn und grinste Hugh ins Gesicht.

»Was habt ihr denn ausgefressen, Jungs, daß euch der große

Cochise verfolgt?« Im gleichen Atemzug wandte er sich an
Bronco. »He, Bronco, was meinst du, was die Mexikaner für
Cochises Skalp ausgeben werden?«

Bronco, der mit richtigem Namen ganz anders hieß,

erwiderte: »Eine ganze Menge, denke ich.«

Rabbit wandte sich wieder an Hugh.
»Ich stellte dir eine Frage. Was habt ihr ausgefressen?«
Mit dieser Frage gab er Hugh die Chance, sich ebenfalls in

die Runde einzukaufen.

»Wir legten ein paar von seiner Sippe um, um an ihre Pferde

heranzukommen.«

»Aha!«
»Was aha?«
»Wo war das?«
Hugh wies nach Südwesten.
»In einem Canyon. Wo? Das weiß der Teufel! Die Canyons

sehen alle gleich aus und haben keine Namen.«

Drei Kerle stiegen ab und näherten sich Hugh und Josuah.

Sie nahmen ihnen die Revolver ab und zogen die Gewehre aus
den Sattelhalftern.

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»Kann stimmen«, sagte ein fünfter, noch namenlos. »Hab'

was in Tubac läuten hören. Ihr wart das also!«

Hugh nickte und fühlte Oberwasser. Schlagartig hatte sich

die Situation geändert. Die Blicke der sechs Kerle wurden
freundlicher, und endlich kletterte auch der Rest von den
Pferden. Bronco sagte: »Wir machen eine kurze Rast, Jungs.
Ich denke, ein Palaver wird einiges klären. Können wir uns ein
Feuerchen leisten, Schlank-Schlank?«

»Lieber nicht. Wenn der Freund dort drüben uns nicht belog,

riecht ein Indianer wie Cochise Holzrauch auf eine Meile.
Machen wir's heute kalt.«

Sie banden ihre Pferde an einen Dornenbusch und setzten

sich im Kreis auf die Erde. Proviant und Wasser hatten sie
genügend, und als sie sich gesättigt hatten, kam ein Gespräch
in Fluß, das von gemeinen Ausdrücken nur so triefte.

Hugh Bennet fragte: »Was kriegt ihr für einen Indianerskalp,

und wo, wenn man fragen darf?«

»Zwischen dreißig und fünfzig Dollar. Sie nennen es

Abschußprämie. Und wo? In Nogales, wo sonst?« Grinsend
setzte Rainbow hinzu: »Im mexikanischen Teil von Nogales,
klar. Die Greaser lassen sich so was schon einiges kosten,
damit sie Ruhe vor den Rothäuten haben.«

»Die Apachen, die ihr skalpiert, waren Scouts der US

Army.«

»Waren sie? Na schön, sieht man es den Kopfhäuten an, daß

ihre Besitzer blaue Uniformen trugen?«

Hugh Bennet wies schlimmere Gedanken mit einer

Kopfbewegung von sich.

»Und was wird sein« – er lachte laut und angewidert – »ja,

was wird sein, wenn den Spics mal 'ne Kopfhaut von einem
Nicht-Apachen vorgelegt wird? Zum Beispiel von einem
Mexikaner?«

»Den bezahlen sie auch«, die Kerle lachten. Rabbit setzte

hinzu: »Schon vorgekommen, damals beim großen Boom, als

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man noch bis zu hundert Dollar Prämie für einen
schwarzhaarigen Skalp auf den Tisch blätterte.«

Hugh nahm alle seine Kühnheit zusammen und fragte

Rainbow, den er noch für den humansten der Bande hielt: »Ihr
seid also Skalpjäger, was? Habe davon gehört. Dachte aber,
daß das Geschäft seit Mangas Coloradas Zeiten vorbei ist.«

»Nicht nur Skalpjäger«, feixte Bronco. »Wir nehmen alles,

was wir kriegen können. Auch mal 'ne Bank, wenn's in den
Kassen klingelt.«

Hugh Bennet fühlte die Hitze des Tages und die glutheiße

Sonne auf seinen Rücken brennen. Ganz wohl fühlte er sich bei
dem Gedanken nicht, mit diesen Männern zu reiten.
Möglicherweise kam er in ihrer Gesellschaft vom Regen in die
Traufe, er und Jos Lemmon.

Für den Augenblick blieb ihnen beiden keine andere Wahl.

Sechs Schießeisen mehr garantierten ihnen nahezu freies Geleit
bis über die Grenze von Neumexiko.

Hugh und Josuah warfen sich einen sprechenden Blick zu

und drehten ihre Gesichter schnell wieder weg. Jos hatte jedoch
das kurze Augenblinzeln Hughs bemerkt. Er schwieg weiter
und überließ dem gerisseneren Hugh die Verhandlung.

Der sechste Mann, dessen Namen sie auch nicht kannten,

stellte die Frage: »Reitet ihr mit uns, Freunde?«

»Wenn ihr uns haben wollt?«
»Zwei Schießeisen mehr können eine Menge ausrichten,

wenn's mal hart auf hart kommt. Bin einverstanden.«

»Ich auch«, grunzten die anderen im Chor.
Sie waren alle fertig mit ihrer frugalen Mahlzeit und

bereiteten sich zum Weiterritt vor. Einer nach dem anderen
stand auf und ging zu seinem Pferd.

*

Es wurde dunkel, als Cochise und Wyatt den Chapparal hinter

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sich ließen und auf das Lager stießen. Die Fährte hatte den
Häuptling der Apachen genau an diese Stelle geführt. Er stieg
vom Pferd und studierte beim letzten Tageslicht die Spuren.

Als Wyatt Earp hinzutrat, deutete Cochise zu Boden und

sagte: »Acht.«

Wyatt, noch immer übellaunig und unfreundlich, knurrte

respektlos: »Wieso acht? Kannst du nicht mehr zählen, Chief?«

Cochise richtete sich auf und sah Earp an. In seinem Blick

lag so viel entschlossene Abweisung, daß es den Spieler kalt
überlief. Er fühlte förmlich, wie sich auf seinem Rücken eine
Gänsehaut bildete und bis zum Hals hinaufkroch.

In diesem Augenblick wurde er sich seiner eigenen Kleinheit

gegenüber diesem Indianer bewußt und kroch in sich
zusammen. Er ahnte ganz tief in seinem Herzen, daß ihn
Cochise längst durchschaut hatte, und daß er im Falle einer
Auseinandersetzung dem Chiricahua in jeder Hinsicht
unterlegen sein würde.

Mit gesenktem Blick murmelte er eine Entschuldigung, die

Cochise zwar nicht wörtlich verstand, aber als solche
akzeptierte.

»Es sind acht Reiter, die das Lager nach Sonnenaufgang

verließen. Sie trafen sich hier und ritten gemeinsam weiter.«

»Das wird schwer für dich werden, Chief.«
»Zwei oder acht, wo ist der Unterschied?«
Wyatt verstand. Zwei oder acht spielten wirklich keine Rolle,

wenn sie nach und nach ausgelöscht wurden, immer einer
hübsch nach dem anderen, still und leise mit dem Messer oder
dem Tomahawk.

»Machen wir hier Lager?«
Cochise nickte. Er gab sich mit den Spuren noch nicht

zufrieden und folgte der breiten Fährte ein ganzes Stück weiter,
während Earp Feuerholz von den Büschen brach.

Als Cochises Schatten über Wyatt fiel, brannte das Feuer

bereits und trennte die heraufziehende Abenddämmerung.

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Cochise versorgte zuerst die Pferde, bevor er sich am Feuer
niederließ und seinen Proviant auspackte.

Earp briet Pfannkuchen und kochte Kaffee. Ein lieblicher

Duft zog durch den Chapparal und wurde mit dem lebhaften
Abendwind davongeweht. Von seiner Gewohnheit
abweichend, ergriff Cochise nach dem Abendessen das Wort
und berichtete seinem weißen Gefährten von der Absicht
Geistbüffels, eine neue Bewegung unter den Plains- und
Gebirgsindianern ins Leben zu rufen.

Wyatt verschlang das letzte Stück Pfannkuchen und richtete

sein Augenmerk auf den Häuptling.

»So was wie 'ne neue Religion?«
»Keine Religion, unsere Götter genügen uns, und von eurem

Gott wollen die Indianer auch nicht viel wissen. Der
Geistertanz ist eine Art Ritual, das den roten Mann innerlich
festigen soll und ihn gegen die Kugeln der Weißen feit.«

»Ist doch alles Quatsch!« sagte Wyatt in seiner burschikosen

Art, die aber weder böse noch zynisch gemeint war. »Gegen
Kugeln gibt es keine Abwehr.«

Cochise zuckte die Achseln und blickte nachdenklich in die

züngelnden und knisternden Flammen. »Du hältst nichts
davon, wie? Die Krieger der Apachen brauchen keinen
Geistertanz, wenn sie gegen die Weißen kämpfen. Wir haben
unsere eigene Art zu tanzen, bevor wir in den Kampf ziehen.«

Earp wußte hierauf nichts zu erwidern und beschäftigte sich

mit der Reinigung seiner Bratpfanne.

Als die Sonne vollends im Meer aus Dunst und

nachdrängender Dunkelheit versank, hörten sie im Westen
Schüsse. Earp sprang auf die Füße und ließ vor Schreck die
Bratpfanne fallen. Cochise rührte sich nicht.

»Man schießt! Das Aufgebot kommt!«
»Die Männer mit den eisernen Sternen auf der Brust werden

vertrieben.«

»Was meinst du, Häuptling, mit vertrieben? Von wem?«

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»Von Cheyennes und Arapahoes.«
»Deine roten Freunde legen sich mit bewaffneten Weißen

an?« klang es ungläubig und wenig überzeugt.

»Ich sagte es. Es wird nicht viel Blut fließen, Hellauge.

Cochise will keine bewaffneten Weißen in seinem Land.«

Wyatt überdachte die Worte des Häuptlings und konnte

nichts Falsches an ihnen sehen. Ihm fiel ein großer Stein vom
Herzen, plötzlich fühlte er sich wieder gelöst und frei von dem
Zwang, stets auf der Hut sein zu müssen und hinter jeden
Busch zu schauen.

»Ich danke dir, Cochise.«
Eine wedelnde Handbewegung war die ganze Antwort des

Jefe. Seine dunklen Adleraugen durchdrangen die Finsternis
und suchten nach Leben zwischen den Stauden. Kein Laut
drang von außen zu dem Feuerkreis und beunruhigte die beiden
Männer.

Wyatt war innerlich am Jubilieren und hatte sowieso kein

Auge für seine Umgebung. Wenn die Posse geschlagen wurde
und ihn nicht mehr verfolgte, konnte er später Gelegenheit für
eine Rehabilitation finden. Der Sheriff von Tombstone würde
ihn bestimmt anhören, wenn seine erste Wut über die
Schießerei verraucht war.

Zeugen hatte Wyatt genug. Die beiden Rausschmeißer hatten

jede Phase der Auseinandersetzung mit angesehen und konnten
durch das Gesetz gezwungen werden, eine richtige Aussage zu
machen. Sheriff John Hallifax war ein gerechter Mann und als
unbestechlicher Gesetzesmann im ganzen Südwesten bekannt.

»Chief, warum hast du das für mich getan?«
»Du bist kein schlechter Mensch, nur leichtsinnig und zu

schnell zum Töten bereit. Aber du hast nichts gegen Indianer,
das habe ich herausgefunden.«

»Danke«, sagte Earp und feixte von einem Ohr zum anderen.

»Was meinst du wie der Kampf dort im Westen ausgehen
wird?«

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»Die Weißen müssen sich zurückziehen, aber sie werden

keine Verluste haben. Cochise will nicht, daß noch mehr Blut
fließt.«

»Allmächtiger! Der Häuptling der Apachen kann kein Blut

mehr sehen! Das geht über meinen Verstand!«

»Um Recht zu fordern und zu erhalten, muß nicht immer das

Blut der Weißen oder des roten Mannes vergossen werden«,
erwiderte Cochise schlicht. »Mangas Coloradas, der große
Häuptling der Apachen, dachte wie ich. Es wird erst Friede
geben, wenn man aufhört, aufeinander zu schießen.«

Der Spieler Earp zweifelte an seinem Gehör. Er schüttelte

den Kopf und fragte sich, ob er richtig verstanden hatte.
Cochise legte Reisig nach, holte seine Deckenrolle und breitete
sie abseits vom Feuer auf dem harten Steinboden aus.

Wyatt folgte seinem Beispiel und schlief schnell ein. Als er

mitten in der Nacht ohne zwingenden Grund einmal aufwachte,
glitt sein Blick zu Cochise. Aber der Häuptling war nicht mehr
da. Die Decken lagen zurückgeschlagen am Boden, von
Cochise fehlte jede Spur.

Wyatt Earp stand auf und band sofort seinen Revolvergurt

um die Hüften. Sein nächster Weg war zu den Pferden. Sie
standen beide an ihrer alten Stelle und hatten sich während der
Nacht nicht von der Stelle gerührt.

Suchend machte Wyatt eine Runde um das Lager, ließ keinen

Busch, kein Steinversteck aus. Er sah nichts von Cochise, hörte
nichts und konnte sich auch nicht erklären, wo der Häuptling
geblieben war.

Spuren gab es bei dem diffusen Sternenlicht nicht zu sehen,

auch bezweifelte der Spieler und Revolvermann, daß er solche
gefunden hätte. Ein Apache hinterließ keine sichtbaren
Fußabdrücke, wenn er sich auf Feindgebiet bewegte. Und
Feindgebiet war das hier in Anbetracht der Nähe der weißen
Mörder.

Wie ein Blitzstrahl durchzuckte es Earp. Cochise hatte sich

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deswegen entfernt, weil er die Weißen beobachten und
herausfinden wollte, wer die anderen sechs waren, die sich mit
den Verfolgten getroffen hatten.

Er ging zurück und setzte sich vor das erloschene Feuer. Was

wohl aus dem Aufgebot geworden war? Außer dem
sporadischen Gewehr- und Revolverfeuer am Abend hatten sie
nichts mehr von der Schießerei gehört und somit keine
Ahnung, wie der Kampf ausgegangen war.

Cochise glitt lange nach Mitternacht in das dunkle Lager und

stand hinter Wyatt, ohne daß dieser seine Anwesenheit
bemerkte. Als der Häuptling sich räusperte, fuhr Wyatt in die
Höhe und zog blitzschnell seinen Colt.

»Ah, du…! Kannst du nicht weniger lautlos sein, um mich

nicht zu erschrecken?«

»Ein Krieger erschrickt nicht, er handelt.«
»Ich bin ein Weißer und kein verdammter Apache!«
Cochise setzte sich und stocherte mit einem Stock in der

erkalteten Asche.

»Wo warst du? Bei den Weißen?«
»Bei Krieger. Ulzana wird sie jagen.«
»Was, Ulzana? Du bist doch ihr Jäger.«
»Ulzana jagt, Cochise tötet.«
In diesen lakonisch ausgesprochenen Worten lag eine so

düstere Drohung und zwingende Entschlossenheit, daß es den
Weißen wieder kalt überlief.

Um die lastende Stille zu überbrücken, sagte er: »Es ist noch

lange nicht Tag. Was machen wir?«

»Schlafen.«
Cochise erhob sich, ging zu seinen Decken und versank

sofort in Schlaf. Wyatt saß noch eine Weile bei der Feuerstelle,
aber schließlich wurde es ihm zu langweilig. Er spuckte in die
Asche und ging dann zu seiner Deckenrolle.

*

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John Hallifax ritt immer an der Spitze seines Aufgebotes. Auch
heute ließ er es sich nicht nehmen, den Trupp grimmig
dreinschauender Männer persönlich anzuführen.

Die Hügellandschaft und die Erfolglosigkeit, den

vermeintlichen Mörder zu fangen, machte ihn nervös und
gereizt. Ein übriges taten die Hitze und die vielen Fliegen, die
wie Pfeile durch die Landschaft zischten und alles stachen, was
Blut in den Adern hatte.

Er spürte förmlich die Unzufriedenheit seiner Männer, die es

satt hatten, noch länger in der Wildnis herumzureiten, und das
ohne Erfolg. Jeder von ihnen sehnte sich nach seiner Familie,
nach einem weichen Bett und nach einem kühlen Drink.

Aber die Spur lag vor Hallifax deutlich zu sehen, und die

Spur führte tiefer in die Hügel. Der Jagdinstinkt erwachte in
dem Sheriff und gab ihm die nötigen Kräfte zurück, seine
Befehle gegenüber den Leuten durchzusetzen.

Es überraschte ihn daher, als im letzten Glied der Reiterschar

ein lauter Ruf ertönte, obwohl er verboten hatte, über Gebühr
Geräusche zu erzeugen.

»He, Sheriff!«
Hallifax hielt an und warf einen Blick zurück. Die Reiter

schlossen auf und zügelten ebenfalls ihre abgekämpften Tiere.
Der letzte Reiter aus Tombstone trieb sein Pferd auf die
Gruppe zu und deutete mit ausgestreckter Hand auf einen
entfernt liegenden Hügel.

»Indianer, John!«
Alle Köpfe drehten sich nach Norden. Sie sahen ihn, den

Roten mit der Federhaube, und sie sahen die beiden anderen
mit dem Haarkamm. Entsetzen kehrte bei ihnen ein und machte
sie stumm.

»Allmächtiger, Indianer!«
»Rothäute, verdammt!«
So klang es in den Reihen der verstörten Weißen. Ein

anderer murmelte erblassend: »Apachen! Cochises

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Chiricahuas!«

»Blödsinn!« fauchte Hallifax. »Das sind doch keine

Apachen, und Chiricahuas schon gar nicht!«

»Sie beobachten uns.«
»Na und? Jeder Weiße, der in diesem Land reitet, wird von

Indianern beobachtet. Das ist ihr gutes Recht, würde ich
sagen.«

»Die wollen etwas von uns!«
»Drei Rothäute gegen zehn bewaffnete Weiße, daß ich nicht

lache!«

»Wo drei sind, können auch mehr sein. Hinter dem Hügel…«
»Halt deinen Mund, Snuffles, und mach mir nicht die Leute

kopfscheu.«

Die Sonne schickte sich an, in einem Meer aus Bodendunst

und Staub zu versinken. Wie graue Schlangen krochen die
ersten Schatten durch die Hügeltäler. Nur auf den Hügeln lag
noch voller Sonnenglanz und vergoldete ihre Kuppen.

»Was sollen wir tun?« fragte Patrick Duffy, seines Zeichens

Schmied in Tombstone. »Weiterreiten?«

»Klar«, erwiderte Hallifax. »Die Spur ist heiß, kaum drei

Stunden alt. Diesmal kriegen wir ihn.«

»Oder er uns.«
»Wie meinst du das, Jefferson?«
Der Schankkellner aus Tombstone wies auf den Hügel.
»Das siehst du doch, Sheriff. Oder hast du Tomaten auf den

Augen?«

Eddy Danvers, der jüngste unter den Reitern, murmelte so

laut, daß es jeder hörte: »Wir reiten in eine komplette Falle.
Jeder weiß es, nur der Sternträger nicht.«

Hallifax wirbelte herum. Auf seiner Nasenwurzel stand eine

steile Falte.

»Du trägst auch den Stern, Ed! Wenn du was zu sagen hast,

dann tu's laut und deutlich, daß wir alle deine Dummheit
verstehen können!«

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Danvers zog den Kopf ein und legte seine Hände

geflissentlich um das messingbeschlagene Sattelhorn.

Alle schauten sie auf Hallifax und zogen die Stirn kraus. Sie

mochten ihn, den Sheriff, sie mochten ihn schon wegen seiner
Ehrlichkeit und deswegen, weil er unbestechlich und gerecht
war. Aber sie ließen sich aus lauter Patriotismus und
Anhänglichkeit nicht in den sicheren Tod führen.

Hallifax konnte sich nicht entschließen, den Weg

fortzusetzen oder anzuhalten. Die drohenden Gestalten oben
auf dem Hügel redeten eine zu deutliche Sprache. Die
Entscheidung wurde ihm abgenommen, als auf allen
Hügelkuppen ringsum berittene Indianer erschienen. In diesem
Augenblick erst wußte der Sheriff mit konsequenter
Bestimmtheit, daß der Weg an dieser Stelle nicht mehr
weiterführte.

Er drehte sich im Sattel, sah die betretenen und ängstlichen

Gesichter der Männer, die ihre Pferde am Zügel im Kreis
drehten, und er sah noch etwas anderes: Auf jedem Hügel
hielten berittene und bewaffnete Indianer, aber auch aus den
Tälern drängten sie heran, und diese Krieger kamen zu Fuß.

Die Falle wurde ihm aber erst offenbar, als ein Pfeil in sein

Sattelhorn klatschte und auf den Hügeln Gewehre sprachen.
Kugeln sirrten wie gereizte Hornissen vorbei, und weit hinter
den ersten Hügeln stießen die schwarzen Bälle der
Rauchzeichen in die dunsterfüllte Abendluft.

»Zeichen des Todes!« kreischte ein kleiner und

schwächlicher Mann aus dem Aufgebot.

»Sie bringen uns alle um und skalpieren uns!« brüllte ein

zweiter in hellem Entsetzen.

»Mäuler halten!« schrie Hallifax wütend. Er durfte nicht

zulassen, daß Panik ausbrach und die Leute in heilloser Flucht
das Weite zu gewinnen suchten. Das wäre das Ende der Posse
gewesen.

John Hallifax richtete sich im Sattel auf und schwenkte

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56

Aufmerksamkeit gebietend den Hut. Er brüllte:
»Zusammenbleiben, Jungs! Keiner entfernt sich vom
Haupttrupp, verstanden? Wer auch nur ein paar Meter ins
Abseits gelangt, ist erledigt! Wir ziehen uns geordnet und
kämpfend zurück!«

Pfeile schwirrten mit singendem Geräusch vorbei, vom

Abschuß der Gewehre unterstützt. Seltsam genug war jedoch,
daß keines der Geschosse traf. Die Indianer mußten miserable
Schützen sein oder blind. Auf diese Entfernung hätte jede
Kugel und jeder Pfeil treffen müssen.

»Zurück!« brüllte ein Mann aus der Posse.
Hallifax rief: »Langsam absetzen, Jungs! Wenn ihr schießt,

verwundet sie nur!«

»Warum, zum Teufel?« fragte ein Mann und riß den

Revolver hoch.

Hallifax schlug ihm vom tänzelnden Pferd aus den Colt aus

der Hand und schrie ihn an: »Du bist so dämlich wie du lang
bist, Norg Botton! Siehst du nicht, daß sie noch keinen von uns
getroffen haben, obwohl wir auf die kurze Entfernung längst
tot sein müßten?«

»Und was bedeutet das, Sheriff?«
»Daß sie uns nur vertreiben und nicht töten wollen.«
Das Schießen flaute ab. Sekunden darauf drangen noch ein

paar sporadisch abgefeuerte Schüsse durch die Hügeltäler und
ließ die konfusen Weißen wieder zur Vernunft kommen.

Norg Botton trat heran.
»Was befiehlst du, Sheriff? Bleiben oder umkehren?«
»Umkehren. Unsere roten Freunde wollen uns nicht. Morgen

reiten wir zurück. Gott sei Dank, Jungs, daß das Abenteuer so
glimpflich abgegangen ist!«

Im nächsten Hügeltal schlugen sie ein Lager auf und stellten

Wachen aus. Ein Lagerfeuer schickte grauen Rauch in den sich
verdunkelnden Himmel.

Ruhe kehrte im Lager ein.

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57

*

Der Schrei des grauen Wolfes riß die Banditen wie auf ein
Kommando auf die Beine. Steine, abgeschossen aus den
berüchtigten Apachen-Schleudern prasselten gegen Felsen und
in den Chapparal. Auf den Steinhagel folgte das Rasseln aus
rotierenden ausgehöhlten Kürbissen und wieder Wolfsschreie.

»Geht das schon wieder los?« brüllte Hugh Bennet und riß

seinen Revolver aus dem Halfter.

Rabbit lief über den felsigen Platz und schlug Hugh den Colt

aus der Hand.

»Bist du wahnsinnig geworden, Narr?«
»Warum wahnsinnig? Willst du dich wehrlos abschlachten

lassen?«

»Warte erst mal ab, bis sie sich zeigen.«
Aber Ulzana und seine Horde zeigte sich nicht. Er dachte

nicht daran, sich den Kugeln der Weißen auszusetzen und blieb
in Deckung. Zu ihm gestoßen waren Chihuahua und Antonio,
dessen indianischer Name Natitaso hieß, was soviel wie
Roßschweif bedeutete.

Sie waren nun fünf zu allem entschlossene Krieger, die

Cochises Befehl blindlings gehorchten. Ulzana behielt die
Gruppenführung, obwohl Chihuahua im Alter und der
Rangstufe eine Treppe höher stand.

Die beiden zerknitterten Alten mit Gesichtern wie

verschrumpelte Kartoffeln konnte man in allen Listen und
Tücken und im Guerilla-Krieg als die Krieger ansehen, die die
meiste Erfahrung im Kampf gegen die Weißen besaßen. Sie
dienten jüngeren Kriegern stets als Vorbild und Ansporn zu
höheren Leistungen.

Anders als Victorio, dem hitzköpfigen Mimbrenjo, gingen

sie mit Bedacht vor, wenn es galt, Weiße zu überraschen und
niederzumachen. Heute allerdings hatten sie keinen Befehl zum
Kriegführen, heute waren sie Treiber und Jäger, aber ihre

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Waffen hatten zu schweigen und stumm zu bleiben.

Ein neuer Steinhagel trieb die Weißen bis zu den Klippen

und nagelten sie dort fest. Zwei Pferde folgten, und schließlich
wieder der Hetzruf des grauen Wolfes. Rainbow und Bronco
schossen ihre Colts leer, ohne mehr zu treffen als Steine und
Unkraut.

»Stellt das Feuer ein«, raunte Schlank-Schlank Bronco zu,

und ein Schweigen, das dicker war als Moornebel, senkte sich
auf die Lichtung herab.

»Halunken, zeigt euch!« rief Nevada, der Revolvermann.
Ulzana tat ihm nicht den Gefallen. Ein haargenau gezielter

Stein traf Nevada an der Schulter und ließ ihn unter Schmerzen
aufstöhnen.

»Wir machen uns aus dem Staub«, schlug Hugh Bennet vor.

»Macht ihr mit?«

»Wird uns nichts anderes übrigbleiben. Wie machen wir's?«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Zwei müssen sie mit ihren Kanonen aufhalten, sonst

kommen wir nicht ungerupft davon. Die Rothäute halten sich
gut in Deckung und halten uns mit ihren Steinschleudern
nieder.«

»Okay, du und ich bleiben zurück. Die anderen rennen zu

den Gäulen und fegen davon, als peitsche sie der Teufel mit
seinem Schwanz. Einverstanden?«

»Geht in Ordnung«, erwiderte Rainbow und untersuchte die

Trommel seines Revolvers. »Auf geht's, Jungs, haut ab!«

Sechs Männer sprangen aus ihren Deckungen und rannten zu

den Pferden. Ebenso viele geschleuderte Steine folgten ihnen.
Die Männer schafften es aber, ihre Tiere zu erreichen,
schwangen sich in die Sättel und stoben davon, als seien
sämtliche Furien der Antike hinter ihnen her.

»Was jetzt?« wollte Rainbow wissen. »Wer sind die

Indianer?«

»Chiricahuas, Cochises Spezialeinheit«, grinste Hugh

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59

schwach. »Wenn der Häuptling bei ihnen ist, haben wir keinen
leichten Stand.«

»Aber gute und schnelle Waffen.«
»Die haben sie auch, lautlose Waffen. Cochise ist

gefährlicher als eine Klapperschlange. Die rasselt erst, bevor
sie beißt. Cochise beißt und vergißt das Rasseln.«

»Bewegt sich dort nichts zwischen den Kakteen?«
Hugh knurrte: »Sehe nichts.«
»Dort drüben bei der Yucca!«
Mitten in dem Kakteen- und Speerdorn-Chapparal wuchs

eine einzelne Yucca, den Blütenstengel mehr als drei Meter in
die Höhe gereckt, die stacheligen Blätter abwehrbereit nach
allen Seiten ausgestreckt.

Hugh Bennet nahm die Yucca aufs Korn. Er sah nichts, so

sehr er sich auch Mühe gab. Er stieß Rainbow mit dem
Ellbogen an und nickte mit dem Kinn zu einer Ansammlung
von Felsbrocken hinüber.

»Ich denke, hinter dem Schutthaufen stecken sie. Wenigstens

einer oder zwei. Soll ich mal ein bißchen Blei hinüberschicken,
mit den besten Grüßen von Rainbow?«

»Das laß lieber bleiben. Mit Munition muß gespart werden,

und wenn wir nur ein paar Steine treffen, nützt das auch
nichts.«

»Wie ist eigentlich dein richtiger Name? Doch nicht

Rainbow?«

»Nein. Rainbow nennt man mich, weil ich immer von den

Regenbogen in meiner Heimat erzähle. Meinen richtigen
Namen habe ich vergessen, er tut auch nichts zur Sache.«

»Hast du Grund, ihn zu verschweigen?«
»Ein Mann, der seinen Namen nicht genannt haben will, hat

immer Gründe, mein Freund.«

»Bei den anderen ist's ebenso, nicht wahr?«
Rambow nickte finster.
»Mit denen kann man alle auskommen, aber nimm dich vor

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60

Nevada in acht. Hast du gesehen, wie der seinen Revolver
trägt? Der kann mit seinem Schießeisen umgehen wie 'ne
Jungfrau mit 'nem Kochtopf.«

Hugh erinnerte sich an den sechsten Mann, dem er bisher nur

wenig Beachtung geschenkt hatte. Er war ihm klein, bucklig
und unscheinbar vorgekommen. Nun hörte er gerade das
Gegenteil.

»Ist er wirklich so gut?« fragte er, nur um etwas zu sagen.
»Noch besser. Der schießt einer Fliege im Flug ein Auge aus,

darauf kannst du dich verlassen, Hugh.« Rainbow räusperte
sich. »Ich sage dir, Nevada ist einer der Besten an der Grenze.
Der nimmt's sogar mit Wild Bill Hickock auf.«

»Na, na…«, erwiderte Hugh, wechselte aber dann schnell das

Thema. »Was hältst du davon, wenn wir verduften? Zu sehen
kriegen wir keinen Apachen, wenn er nicht gesehen werden
will. Klar, hauen wir ab!«

Rainbow warf einen letzten Blick auf das Dickicht und

antwortete grunzend: »Einverstanden. Verzupfen wir uns.«

Sie sprangen auf und rannten gemeinsam zu der Lichtung,

wo ihre Pferde in der Sonne dösten. Kein Pfeil und kein Stein
folgte ihnen, nicht einmal ein Ruf wurde laut.

Hastig stiegen sie auf und zerrten die Tiere in Reitrichtung.

Am späten Nachmittag stießen sie auf die anderen. Die
Outlaws hatten sich bei einem Wasserloch niedergelassen und
versuchten vergeblich, ein paar Tropfen Trinkwasser aus der
morastigen Brühe herauszufiltern. Rabbit empfing sie.

»He, Jungs, alles in Ordnung in eurem Rücken?«
Hugh schwang sich aus dem Sattel, warf Josuah Lemmon

einen abgezirkelten Blick zu und setzte sich in seiner Nähe auf
einen Stein.

»Wie war's?« wollte Lemmon wissen.
»Sie griffen uns nicht an, wenn du das meinst. Und was ist

hier?«

»Unser Wasser wird knapp. War auch ein höllisch heißer

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61

Tag. Aber aus der Tinaja läßt sich nicht mehr als ein Fingerhut
voll herausholen. Weißt du was?«

»Sag's.«
»Wir trennen uns wieder von den anderen. Zu zweit kommen

wir besser und schneller vorwärts.«

»Wenn wir aber von den Apachen angegriffen werden, sind

wir auch nur zu zweit. Ich halte nichts von deiner Idee.«

Er hatte kaum ausgesprochen, als wieder der grauenhafte

Wolfsschrei ertönte. Ein Hagel von Steinen prasselte auf das
Lager und verletzte Schlank-Schlank am Kopf.

Er sprang auf die Füße und brüllte voller Wut: »Haut ja ab,

verdammtes Mordgesindel, schlank-schlank-dalli!«

Ein höhnisches Heulen war die ganze Antwort. Steine flogen,

meisterhaft geschleudert, und schließlich ertönte das scharfe
Keckern der Rasseln.

Die Kriegsrasseln waren es letztlich, die die Männer mehr

entnervten als die Wolfsschreie oder die geschleuderten Steine.
Fluchend rannten sie zu ihren Pferden, warfen sich in die Sättel
und rasten in südliche Richtung davon.

»Hölle und Teufel, die reiten in die verkehrte Richtung!«

heulte Hugh Bennet. »Nach Osten, ihr Idioten, nicht nach
Süden!«

Ein Stein traf ihn an der Schulter und warf ihn auf den

Rücken. Triumphgeschrei von Norden, aus Osten und Westen.
Noch weitere Steine prallten klirrend an den Felsen ab.

»Hat's dich erwischt, Hugh?« brüllte Josuah Lemmon und

rannte geduckt zu Bennet, der sich gerade wieder erhob.

»Mann, war das 'n Ding! Los, machen wir, daß wir

fortkommen!«

Taumelnd schwang sich Hugh in den Sattel und zerrte sein

müdes Pferd in die Richtung der geflüchteten Skalpjäger.
Josuah Lemmon folgte ihm. Sie schafften mehrere Meilen,
hatten jedoch stets das Gefühl, die Chiricahuas in ihrem
Nacken zu haben.

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»Merkst du was?« brüllte Hugh dem Reitwind entgegen.
Josuah schrie zurück: »Was soll ich merken? Daß wir nach

Süden reiten? Das fühlt ein Blinder mit dem Krückstock!«

»Sie wollen uns an einer bestimmten Stelle haben. Dort

wartet diese mörderische Rothaut und macht uns den Garaus.«

»Meinst du Cochise?«
»Wen sonst? Ich sage dir, dieser rote Bastard vergißt nichts.«
Josuah Lemmon fühlte einen Schauder nach dem anderen

über seinen Rücken gleiten. Weit voraus tauchten die
nördlichen Ausläufer der Dragoon Mountains auf. Auf halbem
Weg stand eine Staubsäule in der Luft und verteilte sich in
höheren Luftschichten.

»Ich sehe sie«, rief Bennet und mäßigte die Gangart seines

ausgepumpten Pferdes.

»Wen, verdammt? Das Gebirge?«
»Auch die Dragoons, klar. Ich meine die Männer, denen wir

uns anschlossen.«

»Von mir aus können die zum Teufel gehen!«
»Das tun sie auch – mit uns zusammen.«
»Oho! So leicht wird es Cochise nicht mit mir haben!«
»Mit mir auch nicht. Aber gegen seine Hinterlist kommen

wir nicht an. Apachen sind Guerilla-Kämpfer und verstehen es,
sich unsichtbar zu machen.«

»Laß nur«, der andere lachte, »eine 45er Kugel macht sie

schon sichtbar.«

Beide schwiegen von nun an und trabten nach Süden. Angst

im Herzen, von Furcht gejagt.

*

Die Sonne ging als rotes Wagenrad unter und hinterließ
lediglich Tageswärme, Dunst und die Ahnung auf einen frühen
Herbst. Lange Schatten krochen von den Hügeln herunter und
streckten die Finger nach allem aus, was Licht war.

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63

Cochise und Wyatt Earp näherten sich den Dragoons von

Norden und sahen trotz der heraufziehenden Dunkelheit die
Konturen des schroffen Gebirges mit seinen Schluchten und
Canyons. Und sie sahen noch etwas, als sie die Hügel verließen
und in die kurze Ebene vor dem Gebirge hineinstießen. Einen
Lichtpunkt nahe an der Basis der ersten felsigen Hänge, die
sich mit ihren Geröllhalden bis weit hinauf zu den Gipfeln
zogen. Cochise hielt an und deutete auf den flackernden Punkt,
der wie ein heller Stern in der Abenddämmerung hing.

»Feuer.«
»Well, Feuer, da gehe ich mit. Aber wessen Feuer?«
Kurz antwortete Cochise: »Böse weiße Männer.«
»Machen wir Rast?«
Der Häuptling zeigte auf einen Einschnitt in der Landschaft,

der bei der Gruppe von Bäumen endete.

»Dort ist Wasser.«
»Glaube ich nicht, die Pferde hätten es längst gewittert.«
Cochise lächelte nur und änderte die Richtung. Nach einer

halben Stunde gelangten sie an die Erdfalte und hielten an.
Cochise musterte die dunkle Grabenlandschaft und trieb seinen
Pinto wieder in einen kurzen Trab.

Er ritt die Böschung hinab und überließ es Wyatt Earp, ihm

zu folgen. Der Graben war nichts weiter als eine vor vielen,
vielen Jahren stattgefundene Absenkung, an der wahrscheinlich
ein Beben schuld war.

Die dunkle Silhouette der Baumgruppe wurde sichtbar.

Cochise lenkte sein Pferd hinüber und stieg ab.

»Ich sehe kein Wasser«, sagte Earp ungeduldig. »Hier gibt es

so wenig Wasser wie auf dem Mond.«

Cochise kniete sich wortlos in den Sand und fing an, mit den

Händen eine Grube auszuheben. Er war kaum einen Fuß tief
gekommen, als sich der Sand dunkel färbte. Er kratzte und grub
weiter. Wasser drang plötzlich von unten her in die Grube.

»Tatsächlich!« Wyatt Earp staunte und machte kugelrunde

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Augen. Dann kamen ihm Bedenken. »Ist das Wasser auch
trinkbar?«

Cochise schöpfte mit der hohlen Hand und führte sie an die

Lippen. Das Wasser war klar und frisch und schmeckte süß.

»Laß mich mal«, sagte Wyatt, kniete sich neben dem

Häuptling in den Sand und machte es wie er.

»Grandios!« rief er aus. Wirklich ganz ausgezeichnet!«
Inzwischen hatte sich so viel Wasser angesammelt, daß sie

Feldflaschen und Schläuche füllen konnten. Danach kamen die
Pferde dran.

»Machen wir ein Lagerfeuer?« fragte der Spieler.
Cochise antwortete: »Nein, sie könnten es sehen.«
»Was, hier im Graben?« folgerte Wyatt erstaunt.
»Riechen. Eine gute Nase riecht ein Lagerfeuer auf eine

Meile. Indianer noch weiter.«

Earp sagte nichts mehr und beschäftigte sich mit den

Pferden. Er sattelte sein Tier ab und hing ihm den Futtersack
um. Als er sich Cochises Pinto näherte, biß das Pferd nach ihm.
Er ließ es in Ruhe und ging zu seinen Decken und
Satteltaschen zurück. Cochise war mal wieder verschwunden.

Verwundert und erregt blieb Wyatt stehen und starrte in die

dichter werdende Dunkelheit. Kojoten heulten in der Ferne.
Nicht weit von ihm entfernt bellte ein Wüstenfuchs.

Um ihn herum war ein Huschen und Knistern und Rascheln,

daß er unwillkürlich seinen Colt zog und den Hahn spannte.
Als er die Ursache der Bewegung erkannte, lächelte er
verschämt und ließ seinen Revolver wieder verschwinden.

Kleintiere waren auf der Jagd, um zu fressen, aber sie

wurden von größeren selbst gejagt und gefressen, und so
mancher piepsender Todesschrei verklang in der Nacht.

*

Cochise lief inzwischen leichtfüßig wie eine Antilope über den

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Wüstenstreifen zum Gebirge und nutzte jede noch so kleine
Deckung, um sein Ziel zu erreichen.

Der Feuerschein wurde heller. Schon hörte er Stimmen,

Pferde wiehern und zwei Männer miteinander streiten. Die
letzten fünfzig Yards legte er gebückt zurück, bevor er sich auf
die Erde legte und zu einer blühenden Yuccastaude kroch, die
ihn völlig verbarg. Etwa zehn Yards vor ihm lagerten rund um
das Feuer acht Weiße.

Cochise erkannte die beiden Mörder seiner Sippe. Er sah sie

faul auf ihren Decken liegen und ballte grimmig die Hände. So
sehr er auch den Lagerkreis absuchte, Wachen konnte er nicht
entdecken. Er wunderte sich, daß die Verbrecher keine Posten
aufgestellt hatten. Er ließ seine Blicke nach rechts gleiten.

Auf dieser Seite grenzte ein Sumachgebüsch an die Yuccas

und bildete einen halben Ring um das Lager. Cochise verließ
die Deckung der Yuccas und kroch zu dem dichtblättrigen
Dickicht, das besseren Schutz gegen Sicht versprach, wenn
einer zufällig aufstehen sollte.

Dazu mußte er einen Sandstreifen von etwa fünf Yards

Breite überqueren, der völlig deckungslos zwischen den beiden
Vegetationsstreifen ein verlassenes Dasein fristete. Nichts
wuchs hier auf dem hellen Sand, nicht einmal ein Grashalm.

Die Stelle, die der Häuptling zur Überquerung des Streifens

ausersehen hatte, lag im Schatten. Bis hierher reichte der
Feuerschein nicht. Noch einmal sondierte er das Gelände mit
kundigen Augen und machte sich auf den beschwerlichen Weg.

Selbst für einen Indianer war es schwer, sehr schwer, sich

über eine größere Distanz auf Händen und Zehenspitzen zu
bewegen. Bereits nach kurzer Zeit verkrampften sich die
Muskeln der Arme und Füße, die das ganze Körpergewicht zu
tragen hatten.

Cochise hatte etwa zwei Meter zurückgelegt, als er

feststellen mußte, daß ihn das diffuse Licht zwischen Feuer und
Nachtschatten getäuscht hatte. Der Streifen war breiter als er

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66

angenommen hatte.

Seine Armmuskeln begannen zu zittern und sich zu

verkrampfen. Er mußte eine Pause einlegen und legte den Kopf
auf den angewinkelten Unterarm. Wie eine riesige Kröte lag er
auf dem sandigen Boden und bewegte kein Glied.

Während der Chiricahua sich abmühte, eine bessere Position

zu erlangen, schrien und grölten die Banditen und brüsteten
sich mit eingebildeten Heldentaten. Einer von ihnen, ein
besonders heruntergekommener und schmutziger Outlaw, legte
Feuerholz nach. Knisternd fraßen sich die Flammen in die
Nahrung und erweiterten den Lichtkreis um ein beträchtliches.
Noch reichte er nicht bis zu dem am Boden kauernden
Apachen.

Cochise setzte sich wieder in Bewegung und schaffte die

restliche Strecke. Schweißgebadet drang er in das Dickicht ein
und suchte sich einen geeigneten Platz zum Verharren.

Nach ein paar Minuten stand ein Mann am Feuer auf und

entfernte sich in Richtung des Chapparals.

»Wohin willst du mitten in der Nacht?« rief ihm ein zweiter

nach.

»Wo wir alle hin müssen, wenn's drückt.«
Der Zufall wollte es, daß Bronco genau die Stelle ansteuerte,

wo der Häuptling der Apachen unter den Zweigen versteckt
lag. Einen halben Schritt vor Cochise blieb er vor dem
Sumachstrauch stehen und fummelte an seinem Gürtel herum.

Eine Hand zuckte aus dem Gebüsch. Bevor Bronco

zurückweichen und einen Schrei ausstoßen konnte, riß die
Hand ihn zu Boden und würgte ihn. Nicht das leiseste Röcheln
brachte Bronco hervor. Cochise ließ erst von ihm ab, als der
Weiße kein Lebenszeichen mehr von sich gab.

Die Männer beim Feuer hatten nichts bemerkt, so lautlos war

alles vor sich gegangen. Cochise richtete sich auf den Knien
auf und suchte nach einem geeigneten Fluchtweg. In wenigen
Minuten würden die Kerle beim Feuer ihren Kumpan

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vermissen und nach ihm suchen.

Es kam aber anders.
Der schreckliche Heulton des hetzenden Grauwolfes hallte

über das Feuer, dazu prasselten Steine und klapperten die
Kriegsrasseln. Cochises Gesicht entspannte sich, Ulzana war
schon wieder hinter den Weißen her und ließ ihnen keine
Minute Verschnaufpause.

Diesmal wurden die Wolfsschreie von dem gereizten

Maunzen eines Pumas begleitet. Nicht nur Kieselsteine wurden
geschleudert, faustgroße Brocken krachten auf die dösenden
Pferde und die Männer beim Feuer.

Die angstgepeinigten Tiere rissen sich los und stürmten mit

klappernden Hufen in die Dunkelheit.

»Die Pferde!« schrie eine rauhe Stimme. »Um Gottes willen,

die Pferde gehen durch! Haltet die Tiere fest, ohne sie sind wir
verloren!«

Niemand warf sich den angstgestörten Tieren in den Weg

und hielt sie auf. Sie alle hatten wirklich genug damit zu tun,
ihre Körper gegen die heranfliegenden Steinbrocken zu
schützen.

»Wir müssen weg von hier!« brüllte Hugh Bennet. »Jos,

decke mir den Rücken!«

Schüsse krachten mit zuckenden Lichtfingern, aber sie

fanden kein Ziel und kein Echo. Pfeile und Steine wurden
lautlos abgefeuert, aber sie töteten genauso wie Pulver und
Blei.

Cochise verharrte weiter in seiner Deckung. Das Schießen

hatte aufgehört, der Pulverdampf war mit dem Wind
davongeweht. Kein einziger Weißer befand sich noch beim
Feuer. Sie lauerten im Dunkeln, Revolver in den
schweißfeuchten Händen, sie lauerten jedoch vergeblich.

Hinter Cochise knisterte es. Ein Zweig schüttelte sich wie im

Fieber und ließ Zecken zur Erde regnen. Mit dem Messer in der
Faust wirbelte der Apache herum.

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»Will Cochise Ulzana töten?«
Die gedrungene Gestalt tauchte vor dem Chief auf wie ein

Geist aus einer Märchenwelt. Das Messer verschwand, dafür
streckte Cochise seine Hand vor und berührte Ulzanas
Schulter.

Ein weiterer Indianer stand plötzlich neben Ulzana.
»Chihuahua!«
»Cochise!«
»Ich danke euch, meine tapferen Krieger.«
»Dein Dank gebührt uns nicht«, grunzte Chihuahua. »Zastee!

Tötet alle Weißen!«

»Zastee!« sagte Cochise. »Schreit, meine Brüder! Schreit, bis

sie vor Angst davonlaufen und zusammenbrechen!«

»Sie haben keine Pferde mehr«, sagte Chihuahua. Tall-bort,

Kleiner Fisch, glitt aus der Dunkelheit wie ein wirklicher Fisch
aus seinem Element.

»Wir greifen sie an«, sagte Ulzana wild und blutlüstern.
»Nein, nur jagen. Keinem von ihnen darf ein Haar gekrümmt

werden. Keinem!«

»Cochise will ihre Skalps?«
»Cochise nimmt keine Skalps. Wo sind meine anderen

Brüder?«

Der Chihuahua deutete mit seiner Hand nach Osten.
»Unsere Brüder jagen mit der aufgehenden Sonne. Kein

Weißer entkommt ihnen. Zastee!«

Cochise richtete sich hoch auf und reckte die Schultern. Sein

Blick lag düster auf dem mehr und mehr ersterbenden
Feuerkreis.

»Jagt sie, Brüder, aber richtet sie nicht. Cochise muß zu dem

Bleichgesicht zurück, bevor ihn die Stille der Nacht zu einer
Dummheit verleitet.«

Das Geräusch knisternder Seide war lauter als Cochises

Verschwinden. Er tauchte ein in Finsternis und Stille und
verschwand wie ein Teil von ihnen.

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Als er vor Wyatt Earp auftauchte, geschah dies genauso

leise, als befände sich der Häuptling der Apachen auf dem
Kriegspfad.

»Teufel, Teufel!« knurrte Wyatt schlecht gelaunt. »Mußt du

dich immer wie ein Geist an mich heranschleichen, Rothaut?«

»Geister schleichen nicht, sie schweben und gleiten, und sie

sind unsichtbar. Ich aber bin von fester Gestalt.«

Earp benutzte wieder seinen Steinsitz und starrte Cochise

verdrossen an.

»Wo warst du, Hombre? Warum verschwindest du, ohne

etwas zu sagen?«

»Squaws reden, Krieger handeln. Bei Tagesanbruch geht die

Treibjagd weiter, Hellauge. Du kannst reiten, wohin du willst,
falls du den Chiricahuas nicht zu ihrem Recht verhelfen
willst.«

Earp fuhr hoch. »Verdammt!« schrie er wütend. »John

Haggerty hat dir die Aburteilung durch die Armee angeboten.
Warum bist du nicht auf seinen Vorschlag eingegangen?
Menschen wie Tiere abzuschlachten, ist nun mal nicht die
Vorstellung von Recht und Gesetz bei den Weißen.«

»Ihr habt euer Gesetz, die Apachen haben ihr Gesetz. Jeder

handelt auf seine Art. War es nicht grausam, alte Männer,
Frauen und Kinder zu töten, Unschuldige, die weiter nichts
beanspruchten, als in Ruhe gelassen zu werden?«

»Deswegen sollen die Kerle hängen, Chief! Hängen, bis

ihnen die Zungen aus den Hälsen quellen.«

Cochises Handbewegung war abschließend. Der Häuptling

der Apachen duldete keinen Eingriff in seinen Machtbereich
und in die Ausübung seiner Bestrafungsform.

»Du kannst gehen«, sagte er.
»Ich bleibe, und kein Häuptling der Apachen kann mich mit

Gewalt vertreiben! In meinem Revolver stecken sechs Kugeln,
Chief, sechs Stückchen Blei, die ein Leben von einer Sekunde
zur anderen auslöschen!«

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Das war eine kalte Drohung, die der Chiricahua sehr gut

verstand. Seine Hand glitt zum Messergriff in den Leggins.
Auge in Auge standen die beiden Männer sich gegenüber, und
Auge in Auge überlegten sie, wer bei einer eventuellen
Auseinandersetzung der Stärkere war.

Wyatt war es, der seine Hand vom Revolverkolben nahm und

sich wieder setzte. Leise, beinahe demütig, sagte er: »Tut mir
leid, Häuptling, war nicht so gemeint.«

Cochise breitete seine Decken aus und legte sich wortlos

schlafen. Was er dachte, war weder aus seinen Gesten noch aus
der Verschlossenheit seines scharfgeschnittenen Gesichts zu
erkennen.

*

Die aufgehende Sonne sah einen Haufen zerlumpter, halb
verdursteter und geschwächter Gestalten, die sich zum Gebirge
schleppten. Hugh Bennet und Jos Lemmon führten die
taumelnde Gesellschaft an, getrieben von der Angst vor den
Apachen, die sich in gelegentlichen Wolfsschreien und
prasselnden Steinen erschöpfte.

Die anderen Banditen folgten in kürzeren und längeren

Abständen, und sie wären längst gestürzt und liegengeblieben,
wenn sie nicht die gleiche grauenvolle Angst vorwärtsgetrieben
hätte. Ihre Zungen lagen ihnen wie bleischwere Klumpen in
den trockenen Mündern, und wenn sie an Wasser dachten,
stülpte sich ihnen der Magen um.

Es gab kein Wasser. Nicht hier in dem Wüstenstreifen und

auch nicht an der Basis der karstigen Hänge und schrägen
Lehnen des großen Dragoon Gebirges. Es wuchs hier nicht
einmal ein Grashalm, so trocken war das Land, so wild und
gefährlich. Apachenland!

»Ich kann nicht mehr«, stöhnte Josuah Lemmon.

»Allmächtiger Gott im Himmel, hast du kein Mitleid mit

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weißen Menschen?«

Ein dröhnender Wolfsschrei war die einzige Antwort, die die

Wildnis zu bieten hatte. Ein Schrei, der nicht aus tierischer
Kehle kam.

»Weiter«, keuchte Hugh Bennet.
»Siehst du den Einschnitt des Canyons dort vorn? Da ist es

wenigstens kühl und schattig. Nur noch hundert Yards,
Freunde.«

Hundert Yards bis zum Jenseits, eine Kleinigkeit für Mörder

und Skalpjäger. Eine Kleinigkeit für Männer, die sich
außerhalb des Gesetzes gestellt hatten, wenn… Ja, wenn, und
das war der winzige Punkt, der die hundert Yards zu hundert
Meilen werden ließ, weil ihnen die Zunge vor Durst aus dem
Halse hing und ihre Körpertrockenheit ihnen bereits Fata
Morganen von springenden Quellen und rieselndem Wasser
vorgaukelte.

Hugh schaffte es. Aber wie er es schaffte. Die letzten Meter

kroch er auf Händen und Füßen und gab sein Letztes, den
Schatten einer überhängenden Felswand zu erreichen. Hier
brach er ohnmächtig zusammen.

Josuah Lemmon schaffte es dagegen nicht. Zwanzig Yards

vor dem sich in die Wüste tastenden Streifen brach er
zusammen und blieb ohne einen Laut von sich zu geben liegen.

Die anderen ließen sich dort in den glühendheißen Sand

sinken, wo sie gerade standen. Ihre Gewehre, soweit sie solche
noch besaßen, hatten sie längst hinter sich gelassen. Sie
brauchten sie auch nicht mehr.

Die Wolfsschreie waren verstummt. Keine Steine prasselten

und keine Kriegsrassel ließ ihr helles und aufreizendes Keckern
ertönen. Es war still hier vor der Basis des in den Himmel
steigenden Gebirges. Wie in einer Gruft.

Am Himmel erschienen die ersten Bussarde, zogen enge

Kreise und besahen sich aus großer Höhe die vermeintliche
Beute. Ein seltsamer Instinkt ließ die Vögel wissen, daß dort

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keine Toten, sondern Lebende lagen, die den Aasvögeln nicht
den geringsten Gefallen tun wollten zu sterben. Land und
Menschen verharrten in Stagnation, während die Sonne sich
anschickte, in ihr Bett weit im Westen zu fallen. Es wurde
kühler, und von den Bergen kam ein schwacher Wind, der den
Gluthauch des Tages vertrieb und weit hinaus in die Wüste
schickte.

*

Ein hochbeiniger Rotluchs strich an Hugh vorbei und äugte zu
ihm herüber. Er traute aber dem Frieden nicht und strich ab.
Die ersten Kaninchen kamen aus ihren Erdlöchern und
beschnüffelten den wie tot daliegenden Mann, dessen Brust
sich unter makabrem Röcheln hob und wieder senkte. Hugh
Bennet atmete flach und stoßweise, und wenn er einmal
blinzelnd die Augen öffnete, schloß er sie gleich darauf wieder,
weil ihn das Tageslicht schmerzte.

Hoch oben auf einem Felsen erschienen zwei Apachen in

ihrer traditionellen Wüstenkleidung. Beinahe stoisch sahen sie
auf Hugh herab, der von ihrer Anwesenheit keine Ahnung
hatte.

Was geschah nun? Kamen Ulzana und Chihuahua in den

Canyon, um dem Wehrlosen endgültig den Todesstoß zu
geben? Nein, sie taten es nicht. Im Gegenteil. Sie setzten sich
in ihrer eigenen Hockstellung an den Canyonrand und
beobachteten. Ihre Adleraugen sahen alles, jedes huschende
Karnickel und die Mäuse, die Beute armdicker brauner
Schlangen wurden.

Sie sahen auch das seltsame Gebilde aus gemauertem und

verputztem Stein weit hinten in der Canyonwand, ohne sich
jedoch Gedanken darüber zu machen.

Selbst wenn sie die Bedeutung des Mauerwerks mit den

Lichtöffnungen gekannt hätten, wäre wohl kaum mehr als ein

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Achselzucken dabei herausgekommen. Es war den beiden
völlig gleichgültig, welche Urahnen sich hier in diesem
Canyon als Baumeister betätigt hatten.

Nicht so Cochise. Er stand eine Viertelmeile weiter ebenfalls

auf einer Klippe und starrte die seltsame Gesteinsformation
zwanzig Yards über der Canyonsohle auf der anderen Seite an.

Das Mauerwerk mit den glotzenden schwarzen

Fensteröffnungen besaß keinen Zugang. Kein noch so schmaler
Pfad führte hinauf oder vorbei. Es hing einfach nur so in der
beinahe senkrecht abfallenden Felswand, hineingebaut in eine
Nische, die sich nach oben zu fortsetzte.

Cochises Augen glitten weiter. In Richtung Canyonausgang

schnitt eine schmale Schlucht in die Bergflanke, die jedoch
nicht bis zur Sohle reichte. Als sei dem Titanen, der sie vor
Äonen schuf, die Kraft ausgegangen, hörte sie zehn Yards über
dem Canyonboden auf.

Und schließlich bemerkte der Häuptling den steilen

Ziegenpfad, der wie ein riesig langer Wurm an der Lehne
emporkletterte und seitlich der Klamm verschwand. Einen Weg
hinauf gab es, und er mußte früher von den Uralten viel benutzt
worden sein, denn er hob sich weiß und gut sichtbar vom
grauen Urgestein ab.

Was aber war auf der anderen Seite der Berglehne? Cochise

rekonstruierte die Landschaft mit ihren zerrissenen Schluchten
und breiten Canyons vor seinem geistigen Auge.

Der Canyon mit dem Bauwerk der Hohokam stand vor ihm

und wirkte so düster auf den Betrachter, als würde er
davorstehen und die geheimnisvollen Fensteröffnungen
anstarren. Etwas Seltsames ging in dem Häuptling vor. Der
mystische Atem einer lange vergangenen Epoche drängte sich
ihm auf, mit ihm die Erinnerung an die vergangenen Tage
sowie das Massaker an einer Apachenfamilie.

Trieben die Gottheiten der Vergangenheit die Frevler wieder

an jene Stelle zurück, wo sie ihre Untaten begingen? Ein

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seltsamer kalter Hauch wehte Cochise an, ein Hauch wie aus
einer Gruft.

Er drehte sich herum und wußte, was er zu tun hatte.

Gleitend wie ein Puma und ebenso geräuschlos lief er im
Wolfstrab zu einer Senke, in der sein Pferd auf ihn wartete. Er
stieg auf und ritt über den sich neigenden Hang in Richtung
Wüste.

Bald darauf stieß er auf Ulzana und Chihuahua. Die beiden

Krieger hatten sich von ihrem Aussichtspunkt zurückgezogen
und erwarteten den Häuptling. Als Cochise aufwärts ritt, sah er
auf der anderen Canyonseite ebenfalls Krieger, die in das Tal
spähten.

Der Nachmittag ging in Abend über, Schatten fielen in die

Schluchten und umgaben alles, jeden Stein und jeden Strauch,
mit dem Atem des Geheimnisvollen. Cochise schwang sich
vom Pferd und näherte sich den beiden Kriegern.

Er nickte, deutete auf die Felsvermauerung und schließlich

auf den Pfad, der in die Höhe führte.

»Dort hinauf müßt ihr sie treiben, meine Brüder. Irgendwo

auf diesem Felsen wird Cochise die Rache der Apachen
vollziehen.«

»How!«
Sie setzten sich auf nacktes Gestein und warteten die

Dunkelheit ab, derweil unten in der Schlucht abgerissene und
demoralisierte Gestalten taumelnd, sich dahinschleppend oder
kriechend, der Gruppe Bennet und Lemmon nähernd, aus der
Wüste heranschleppten.

Die heraufziehende Nacht brachte Dunkelheit und Kühle,

aber kein Wasser. Apathisch lagen die Banditen im Sand und
starrten in den sich verdunkelnden Himmel.

Rabbit krächzte mit geschwollener Zunge und einem

Gaumen, der sich wie ein Reibeisen anfühlte: »Bronco hat's
sicher erwischt, sonst wäre er nachgekommen.«

Es folgte eine lange Minute des Schweigens. Schließlich

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räusperte sich Nevada, der selten ein Wort sprach, blickte
Rabbit mit halbgeschlossenen Augen an und sagte anzüglich:
»Ich dachte immer, er fühlte sich allen Indianern überlegen.«

»Sein Verschwinden bedeutet nicht, daß ihn eine Rothaut

umgebracht hat«, antwortete Rabbit mit schmerzender Kehle.

Old Fellow krähte entsetzt wie ein junger Hahn, den ein

älterer vom Mist vertrieb: »Cochise!«

»Malt keine Gespenster an die Wand, Blödmänner!«
Nevadas Stimme klang gereizt und erlaubte keinen

Widerspruch. Das kurze Gespräch verstummte wieder,
versackte förmlich in abstumpfender Trostlosigkeit. Nur
Schlank-Schlank konnte sich mit dem Ergebnis des Dialogs
nicht zufrieden geben.

»Schätze, da hast du auch wieder recht, Nevada. Dachte

schon, ich hörte nicht richtig. Old Fellow wird doch nicht
weich werden, dachte ich.«

»Wie das Maul eines Mulis«, pflichtete ihm Nevada bei.

Danach ruckte sein Kopf in die Höhe. »Was sagt ihr jetzt,
Jungs? Wollen wir uns von dem rothäutigen Gesindel noch
weiter in die Berge treiben lassen? Ich bin dafür, daß wir
unsere Kanonen schußbereit machen und es darauf ankommen
lassen, ob ihnen das gelingt.«

Ein Chor der Zustimmung folgte dem Vorschlag des

Revolvermannes.

»Okay, Jungs, dann warten wir, bis sie wieder auftauchen.

Und dann nichts wie geballert, in alle Richtungen, nach oben
und unten, nach vorn und hinten!«

Was allerdings Nevada nicht wissen konnte, war, daß die

Chiricahuas nicht erst zu kommen brauchten. Sie waren schon
da…

*

»Warum du alles selbst tun willst, ist unerfindlich«, knurrte

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Wyatt unbehaglich. »Wir sind Gefährten, oder nicht? Deine
Sache ist meine, deine Feinde sind auch meine.«

Sie starrten sich in der Dunkelheit wie zwei Kampfhähne an,

die in Erwartung der bevorstehenden Balgerei die Flügel
spreizten und mit den Schnäbeln klapperten.

»Deine Freunde sind nicht meine Freunde«, erwiderte

Cochise trocken und unnahbar. »Du hast keine Freunde,
Hellauge.«

»Ach, geh zum Teufel! Ich habe einen sehr guten Freund, der

genügt mir. Hier!« Earp klatschte auf das Revolverhalfter und
zog den schweren Patronengurt hoch. »Zu diesen Kerlen dort
unten in der Schlucht zähle ich mich noch lange nicht, kannst
du das verstehen, Rothaut?«

Cochise gab keine Antwort. Er trat an den Rand der Schlucht

und starrte in die dunkle Tiefe. Überlegte er die Worte Wyatts
noch einmal? Oder dachte er darüber nach, was der Weiße
gemeint haben könnte? Deine Feinde sind auch meine Feinde,
hatte er gesagt. Feinde!

Langsam drehte sich der Häuptling der Apachen wieder

herum. Hochaufgerichtet stand er vor dem letzten
verblassenden Licht im Westen und musterte den Spieler mit
einem langen Blick.

Wyatt Earp schüttelte den Kopf und bewegte sich

unbehaglich. Er fühlte es mehr und mehr, diesem Mann vor
ihm war er in jeder Beziehung unterlegen. Sie, die Weißen,
nannten ihn einen Spieler und Revolvermann, obwohl er nur
eins im Sinn hatte, ein Deputy United States Marshal zu
werden.

Der Indianer vor ihm glaubte ihm kein Wort, weil er eine

weiße Haut hatte und mit zwei Zungen sprach. Sie alle
schätzten ihn richtig ein und hielten ihr Vertrauen vor ihm
zurück. Wie oft und vor wie vielen Städten hatte er angehalten
und auf seiner Flucht im hohen Salbei gestanden, um die Posse
zu beobachten, die ihn verfolgte. Er konnte es nicht mehr

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zählen, nur die Städte, die er hatte verlassen müssen, fielen ihm
ein.

Dieses Rufes wegen und weil er sich gegen die Vorwürfe der

Menschen nicht rechtfertigen konnte, weil einfach sein Colt zu
schnell war, konnte er niemals erwarten, daß sein Traum in
Erfüllung ging.

Er war weiterhin dazu verurteilt, lange Ritte und einsame

Nachtwachen an Lagerfeuern unter dem Sternenlicht zu
ertragen und Aufgeboten auszuweichen, die ihn wegen einer
Schießerei mit tödlichem Ausgang suchten.

Wyatt schüttelte die Gedanken ab, konnte aber das Gefühl,

das sie ausgelöst hatten, nicht loswerden. Es lastete weiter wie
ein Alptraum auf seiner Schulter, als er Auge in Auge dem
Häuptling gegenüberstand und zu erraten versuchte, was der
Indianer dachte.

Cochise sagte kein Wort, ging an ihm vorbei und bestieg sein

Pferd. Er wendete es dem Spalt entgegen, den er zwar nicht
sehen konnte, von dem er aber wußte, daß er da war, weil er
ihn von der anderen Canyonseite gesehen hatte.

»Ich komme mit.«
»Du bleibst im Lager. Was dort draußen geschieht, ist nicht

deine Sache.«

Schatten und Dunkelheit verschluckten den Häuptling der

Apachen. Wyatt zuckte zusammen, als hätte ihn der Schlag
einer Peitsche gestreift. Es waren aber nicht Cochises Worte
gewesen, die sein Zucken auslösten.

Ein grausigschauriger Schrei drang von der Schluchtsohle zu

ihm herauf. Er schien sich durch das Gestein fortzusetzen, von
der Luft getragen zu werden, von nirgendwo herzukommen,
einfach da zu sein.

Wyatt wirbelte herum und zog. Er kam sich im nächsten

Augenblick mit dem Colt in der Hand lächerlich vor. Vor ihm,
hinter ihm und zu seinen beiden Seiten war kein Feind und
kein wildes Tier. Dort waren nur Schatten und Felsen und

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Felsen und wieder Schatten, umgeben von nächtlicher
Dunkelheit.

Abendwind kam auf, bewegte die dürftige Flora hier oben

auf der winzigen Mesa. Übergangslos waren plötzlich überall
raschelnde und geheimnisvoll wispernde Geräusche zu hören,
die Wyatt noch mehr verunsicherten.

Und dann kam der schreckliche Schrei wieder aus der Tiefe,

rollte wie auf eine riesige Blase aus Haß und Todesverkündung
die steilen Hänge herauf, verteilte sich auf der Mesa in
unzählige schwache Echos und kam den Weg wieder zurück.

Earp fühlte Schauer der Furcht und des Grauens über seinen

Rücken rieseln. Unermüdlich versuchte er die Herkunft des
mörderischen Schreies zu ergründen, ordnete ihn Menschen zu
und verneinte. Wenn er einer raschen Überlegung zufolge den
Schrei – den berserkerhaften Schrei – einem wilden Tier
beierkennen wollte, sträubte sich alles in ihm gegen diesen
Gedanken.

Das war kein Wolfsschrei und nicht der Jagdruf des

menschenangreifenden Pumas, was ein Berglöwe sowieso
niemals tat, das war auch kein Brüllen aus einer sonst
bekannten Tierkehle.

Was dort aus der Schlucht heraufdrang, war die

disharmonische Artikulation einer entfesselten Hölle, und wer
da schrie, waren Teufel. Wyatt wagte sich nicht von der Stelle.
Cochise hatte sich entfernt, um den Pfad nach unten zu
beobachten.

Er hielt auf seinem Pferd bei dem Felsspalt und lauschte nach

unten. Für seine Ohren waren die Schreie nichts weiter als
klangvolle Aufmunterungen für Leute, denen er ans Leben
wollte.

Sie kamen. Zuerst vernahm er nur keuchendes Fluchen,

Stöhnen und das Rieseln von Sand. Dann vernahm er das
Kratzen von eisenbeschlagenen Stiefeln auf Fels. Und
Sekunden darauf vernahm er ihre Stimmen, die wie das

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Krächzen von Krähen durch die Klamm trieb.

»Wir hätten ihnen paroli bieten sollen, wie ich es gewollt

habe«, sagte Nevadas röhrende Stimme. »Aber ihr Hasenfüße
seid weggelaufen. Verdammt seien eure Seelen!«

»Sie kamen von allen Seiten«, entschuldigte sich ein anderer.

»Und sie waren mehr als wir.«

»Pfeil-und-Bogen-Indianer – zur Hölle, die hätten wir mit

unseren Revolvern vom Erdboden geblasen!«

»Und diese gräßlichen Schreie?« fragte eine dritte Stimme.
»Hätten wir dem Kerl in den Hals gerammt, notfalls mit

einem Coltlauf!«

Cochise zog sein Pferd hinter einen großen Felsblock zurück

und verharrte dort wie ein erzenes Reiterstandbild. Er brauchte
seinem Pinto nicht die Nüstern zuzuhalten. Indianische Pferde
waren so dressiert, daß sie nicht schnaubten, solange ihre
Reiter bei ihnen waren.

Nun sprudelten die Banditen aus der Klamm wie Lemminge

auf ihrem Weg zur Selbstvernichtung. Cochise zählte die
wankenden und schnaufenden Gestalten. Fünf. Ganz zuletzt
kamen noch Hugh Bennet und Josuah Lemmon, die beiden
Männer, die er seit einer Woche verfolgte.

Cochises Hand zuckte zum Messer. Er ließ es aber stecken

und schickte den Banditen nur glühende Blicke nach. Einer
nach dem anderen taumelten sie auf das Plateau hinaus und
schlugen genau den Weg ein, den ihnen der Chief der Apachen
zugedacht hatte.

Der Zug der Lemminge war jedoch noch nicht beendet.

Weitere quollen aus der Klamm-Mündung und hefteten sich
den Fliehenden an die Fersen. Sie trugen andere Kleidung,
graue Wüstenhemden mit derben Hosen und hochschäftigen
Mokassins, auf denen sie lautlos ihren Weg verfolgten.

Ein feines Lächeln glitt über Cochises maskenhaft strenges

Gesicht. Ein Lächeln der Freude und des Stolzes. Die
Lemminge waren Apachen und trieben die Weißen vor sich

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80

her.

Cochise hatte genug gesehen, zog sein Pferd herum und ritt

zu Earp zurück. Der Weiße kauerte bei seinem Pferd und
lauschte in die Nacht.

»Sie sind gekommen«, sagte Cochise und sprang von seinem

Pinto.

»Wer, beim Henker, ist gekommen?«
»Die Weißen, die ich verfolge. Ich, Cochise, werde die

Bleichgesichter töten.«

Wyatt knurrte: »Meinetwegen. Dieses Gesindel verdient

nichts anderes. Wann und wo wirst du sie stellen?«

»Bei Sonnenaufgang.«
»Kann ich mir denken. Und wo?«
»Bei den Wohnstätten der Urahnen.«
Earp nickte grinsend. »Sehr sinnig, wie?«
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Ist nicht so wichtig.« Earps Handbewegung sollte seine

Lässigkeit in dieser Antwort ausdrücken. »Schlafen wir?«

Cochise deutete auf eine Mulde.
»Dorthin bringen wir die Pferde. Stell dein Pferd nicht zu

nahe an meins. Mein Mustang mag dein Pferd nicht.«

Wyatt Earp sprang auf die Füße, faßte die Zügel seines

Tieres und ging mit ihm zu der schüsselförmigen Mulde. Er
fütterte und tränkte das Tier, schlug ihm die Zügelschlinge um
die Vorderbeine und breitete seine Decken in der Nähe aus.

*

Der neue Tag weckte Wyatt mit Wind und einem fahlen
Streifen am östlichen Horizont. Er schüttelte seine Decken und
richtete sich auf. Von Cochise, der sich in der Nacht ein paar
Meter von ihm entfernt in den Sand gegraben hatte, war nichts
zu sehen.

Der Spieler stand auf, rieb sich die Restmüdigkeit aus den

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Augen und machte ein paar Schritte, um die Steifheit aus
seinen Knochen zu vertreiben.

Er blieb schließlich stehen und lauschte. Zu hören war nichts.

Nur ein leises Raunen und Rascheln wehte über die Einöde und
verklang über dem Canyon.

Wyatt ging zu seinem Pferd, tränkte es zunächst und hing

ihm danach den Futtersack um. Versonnen und nachdenklich
tätschelte er den Hals des Tieres und fühlte Staub und Alkali
im Fell des Braunen.

Als er sich herumdrehte, stand Cochise vor ihm. Der Apache

war wieder so lautlos herangekommen, daß Wyatt Earp nicht
den leisesten Laut vernommen hatte.

»Wir gehen«, sagte Cochise.
»Wohin?«
Cochise deutete nach Süden.
»Nehmen wir die Pferde mit?«
»Wir reiten erst ein Stück und führen sie dann am Zügel,

Bleichgesicht.«

Sie rollten ihre Deckenrollen zusammen und verschnürten sie

hinter dem Sattel. Cochise, dessen Pferd keinen Sattel trug,
legte die Rolle über den Widerrist des Pintos und band sie fest.

Sekunden später ritten sie in südlicher Richtung über die

vegetationslose Mesa. Es wurde schnell Tag. Aus dem
Lichtstreifen wurde ein mächtiges Halbrund im Osten, aus dem
sich schließlich das Muttergestirn schälte.

Kaum eine Meile waren sie gemeinsam geritten, als Cochise

die Hand hob und anhielt.

»Wir müssen die Pferde verlassen«, sagte er.
»Warum?« fragte Wyatt Earp.
»Die Schlucht liegt vor uns.«
»Mann Gottes, von welcher Schlucht redest du?«
»Komm!« sagte der Häuptling nur, nahm sein Pferd beim

Zügel und ging zu Fuß weiter.

Wyatt stampfte wütend hinter ihm her. Kaum hatte er seinen

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Groll gegen den Apachen bewältigt, sah er eine Gruppe von
Gestalten vor sich auf der Ebene. Er bemerkte noch etwas.

Dann und wann tauchte blitzartig ein Kopf oder die ganze

Gestalt eines Kriegers seitlich der Marschierenden auf. Und
jedesmal ertönte ein Wolfs- oder Pumaschrei!

Ihm war klar, daß die Weißen in eine ganz bestimmte

Richtung getrieben wurden wie eine Hammelherde in den
Pferch des Schlächters.

»Gar nicht so dumm«, sagte er laut.
Cochise hörte es, reagierte aber nicht auf die Worte.
Vor ihnen erhob sich ein Geröll- und Felsbrockenfeld aus der

tafelflachen Ebene. Spitze Zacken ragten wie Haifischzähne in
den Himmel, und zu allem gesellte sich die Tageshitze wie in
der unmittelbaren Nähe eines Backofens.

»Willst du sie dort in die Felsen jagen, Cochise?«
Cochise schüttelte den Kopf.
»Weiter, bis zu dem Bauwerk der Hahokam.«
»Lieber Himmel, warum quälst du die Männer so?«
Cochise blieb stehen und starrte auf den Weißen, als sähe er

ihn heute zum erstenmal.

»Quälen? Ist Morden nicht schlimmer als quälen? Niemand

quält diese Mörder, Bleichgesicht!«

Earp blieb die Luft weg. Er starrte den Häuptling der

Apachen wie einen Geist an. Cochise schritt weiter. Wyatt
wollte folgen, aber der Chief streckte seine Hand gegen ihn
aus.

»Du wartest hier, Bleichgesicht. Deine zarte Seele soll nicht

mit der Todesqual der Mörder belastet werden.«

Der Spieler hatte nicht den Mut zum Widerspruch. Er setzte

sich in den Schatten eines mächtigen Felsbrockens und schloß
die Augen. Sein Pferd döste neben ihm im Stehen.

*

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Nach einer Weile ließ Cochise sein Pferd zurück und ging zu
Fuß die kurze Strecke bis zu dem Spalt, dessen Mündung er im
Canyon gesehen hatte. Seine Rechnung war aufgegangen. Der
Spalt setzte sich fort und begrenzte die Rückseite des Berges,
in dessen Nische die Urahnen ihre Wohnstätte gebaut hatten.

Von den Weißen sah er im Augenblick nichts. Hoch auf

einer Klippe tauchte die Gestalt eines Apachen auf, der sofort
wieder verschwand. Der Krieger hatte stoßartig zwei Fäuste in
die Höhe gestreckt.

Die weißen Mörder lagen am Fuß der Klippe und versuchten

ihre totale Erschöpfung zu überwinden. In Cochises dunkle
Augen drang ein glitzernder Glanz, aber in seinem Gesicht
zuckte nicht der kleinste Muskel.

Er kauerte im Schatten eines Felsens und wartete. Noch

wußte er nicht, wie er den Spalt überwinden sollte, oder wie
ihn die Weißen überwinden konnten, um die Flucht auf der
anderen Seite des zehn Meter tiefen Grabens fortzusetzen.

In stoischer Ruhe verharrte der Chiricahua.
Ein paar tödlich-stille Minuten geschah nichts. Hoch am

Himmel kreisten Bussarde auf der Suche nach einem
verendeten Wild oder einem Stück Aas, das von der Beute
irgendeines Raubtieres übriggeblieben war.

Wenn auch Cochise die Augen geschlossen hielt, so litt seine

Wahrnehmung nicht darunter. Er sah, hörte und roch alles, und
das war mehr als man von einem Weißen bei voller Aktion
erwarten konnte.

Die Weißen lagen kaum dreihundert Yards von ihm entfernt

auf der nackten Erde und versuchten ihrer Erschöpfung Herr zu
werden. Für Cochise war der Zeitpunkt eines Überfalls noch
nicht gekommen. Die Sonne mußte an ihrem höchsten Punkt
stehen und den halb verdursteten Weißen den letzten Tropfen
Flüssigkeit aus den Körpern ziehen.

Apachenart! Apachentaktik!
Eine Wüstenschildkröte kroch träge an dem Häuptling

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vorbei. Der Chiricahua fragte sich, wie das Tier auf die Mesa
kam und wovon es hier oben lebte. Etwas weiter weg strich ein
graubepelzter Wüstenfuchs in aller Hast vorbei und übersah
sogar die Schildkröte. Er hatte seinen ärgsten Feind, den
Menschen, gewittert und machte, daß er wegkam.

Sonst wirkte die Stille hier oben erdrückend.
Selbst der Wind war eingeschlafen, und nur die Felsen

strömten Hitze aus, aber die war unhörbar. Nach einer Weile
erhob sich der Häuptling der Apachen und begab sich zu
seinem Pferd. Er tränkte das Tier aus einem Schlauch, der
ehedem einmal der Darm irgendeines Tieres gewesen war, so
reichlich, daß es bis zum Abend genug Feuchtigkeit
aufgenommen hatte.

Nach dem Tränken nahm er einen dünnen Sack von der

Pferdekruppe und hielt ihn geöffnet unter das Maul des Tieres.
Er enthielt wilden Hafer, Mais und getrocknete Beeren.

Als alles getan war, sprach er ein paar Worte mit dem Pinto

und streichelte ihn hinter den Ohren. Die nächste Sekunde
zeigte nur einen freien Platz neben einem Pferd.

*

Wyatt Earp spürte die Müdigkeit mit der zunehmenden Hitze
dieses Spätsommertages. Er döste vor sich hin und schlief
schließlich ein. Als er wieder aufwachte, fielen die Schatten
lang und breit und die Sonne stand schon weit im Westen.

Er sprang auf die Beine und rieb sich verblüfft die Augen.

Um ihn herum war alles still. Wind war noch nicht
aufgekommen, der typische Wüstenwind heißer Regionen.

Wyatt trat aus dem Schatten des Felsens und spähte in alle

Himmelsrichtungen. Außer Felsen und Sand konnte er nichts
entdecken. Weder etwas Lebendiges war in dieser Landschaft
noch etwas Totes.

Mißmutig starrte er schließlich auf die Sonne, die sich

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anschickte, hinter den Rockys im Westen zu verschwinden.
Ganz plötzlich fühlte sich der Spieler in dieser Höhenregion
einsam und verlassen. Er fingerte an seinem Colt herum, aber
das war bei ihm nur der Ausdruck etwas überreizter Nerven.

Von Cochise sah er nichts, deswegen ging er zu seinem Pferd

und begann mit der Abendfütterung. Zuerst gab er dem Tier
zwei Hutkronen voll Wasser aus der Feldflasche, dann
schüttete er Körnerfutter aus einem mitgeführten Sack in den
Futterbeutel, den er dem Tier umhing.

Er ließ das Pferd stehen, wo es stand, und machte sich auf

den Weg, Cochise zu suchen. Irgend etwas ging dort draußen
zwischen den Felsen vor sich, von dem er keine Ahnung hatte.
Er konnte sich denken, daß der Apache nur auf seine Rache
versessen war, und die Opfer dort hatte, wohin er sie hatte
haben wollen.

Nun gut, das ging ihn nichts an. Die Weißen waren Mörder

und Skalpjäger, und für beides hatte Wyatt Earp kein
Verständnis. Ihm war es nicht gegeben, Menschen aus dem
Hinterhalt zu morden oder gar die Indianer für schmutzige
Geschäfte zu mißbrauchen.

Wyatt Earp war ein Mann dieses rauhen Landes, aber mit

Mord wollte er nichts zu tun haben. Mord war etwas, was sich
kein Revolverkämpfer leisten konnte, wenn er am Leben
bleiben wollte.

Auf Mord stand in jedem Fall der Strick, was bei einer

Schießerei aus Notwehr nicht der Fall war. Unlustig, stiefelte
er auf seinen hochhackigen Absätzen über Steine und Geröll.
Bei jedem Schritt wirbelte er Staub auf, aber das war ihm egal.

Endlich stieß er auf die steil in die Tiefe fallende Schlucht.

Er lauschte, hörte aber nichts. Nachdenklich blieb er stehen
und schaute sich um. Er konnte dem Felsspalt folgen und
wieder umkehren, wenn seine Suche keinen Erfolg hatte. Aber
in welche Richtung sollte er gehen?

Ratlos starrte er auf den Boden. Spuren sah er nicht auf dem

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harten Fels. Er erwartete auch keine. Wyatt schüttelte das
Gefühl des hilflosen Alleinseins in der Bergeinsamkeit ab,
konnte aber das Restgefühl, das es auslöste, nicht loswerden.
Es lastete wie ein Alptraum auf seinen Schultern, aber
deswegen resignierte er nicht.

Langsam ging er weiter, immer nahe beim Abgrund. Als er

ein Zischen hörte, blieb er abrupt stehen und sah sich um.

»Pst!«
»Hallo?«
Wieder: »Pst!«
»Pestilenz! Wer zischt?«
Eine braune Hand winkte hinter einem Stein hervor. Wyatt

raffte seinen Mut zusammen und ging hin. Er zuckte zurück,
als er hinter den Felsen spähte und einem Chiricahua ins
Gesicht spähte, dessen Runzeln und Falten ihn irritierten.

»Pst!« Chihuahua legte einen Finger auf die Lippen und

deutete auf eine Anhäufung von Steinen.

Wyatt Earp faßte sich langsam und legte sich neben die

Rothaut, die keine Anstalten machte, sich auf ihn zu stürzen.

»Wo ist Cochise?«
»Er ist dort!« Der Indianer zeigte auf ein paar

Breitblattkakteen, die sich braun, verstaubt und vertrocknet
vom Grau der Felsen abhoben.

»Was macht er?«
»Jagen.«
»Ist das alles?«
Der Chihuahua schüttelte grinsend den Kopf und machte das

Zeichen des Skalpierens.

»Er jagt und tötet. Zastee!«
»Er allein?«
»Alle Chiricahuas jagen und töten. Töten weißen Mann,

skalpieren Bleichgesichter.«

»Das ist wohl so 'ne Art Sport von euch, was?«
»Nix wissen was Sport. Chihuahua«, er deutete auf seine

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Brust, »töten mit Schleuder, Messer und Kriegsbeil. Besser so.
Chihuahua tötet lautlos. Gut, sehr gut.«

»Ich gehe zu Cochise«, sagte Wyatt.
Eine braune Hand griff nach seiner Weste und hielt ihn fest.
»Du bleiben bei Krieger. Häuptling nix Zeit für

Bleichgesicht.«

»Verdammt, laß mich los!« keuchte Wyatt und versuchte

vergeblich, sich zu befreien. Die Hand hielt ihn fest.

»Du bleiben bei Chihuahua. Ulzana kommt. Ulzana großer

Krieger und Freund von Cochise. Nix bewegen.«

Ein Schatten tauchte neben Wyatt auf. Als er den Kopf

herumdrehte, sah er in ein Gesicht, das genauso aussah wie das
von Chihuahua. Ulzana legte sich neben Wyatt und nahm ihn
so in die Mitte.

»Du hier warten«, kauderwelschte er. »Cochise greift

Bleichgesichter an.«

»Dein Cochise wird sich eine blutige Nase holen.«
Ulzana verzog sein Gesicht und schüttelte den Kopf.
»Nix Nase. Cochise großer Krieger.«
Ulzana hielt sein Messer in die Höhe und grinste nahezu

faunisch.

Wyatt Earp gab keine Antwort, spähte hinter seiner Deckung

hervor, konnte aber beim besten Willen nichts erkennen, was
nach einem Angriff aussah. Die Wüstenei hier oben auf dem
Plateau wirkte so verlassen wie nach der Erschaffung der Erde.

Wyatt stieß Chihuahua den Ellbogen in die Seite, blinzelte

ihn an und fragte: »Wo ist der große Krieger? Man sieht nichts
von ihm. Wenn Cochise ein Dollar-Deputy oder ein
Revolvermann wäre, hätte es längst geknallt.«

Der Apache schüttelte bedächtig den Kopf. »Nix knallen,

alles geräuschlos mit Messer und Tomahawk. Wirst schon
sehen.«

Aber Wyatt sah nichts, weder ein blitzendes Messer noch

einen Tomahawk, noch Cochise. Und doch tat sich dort vorn

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bei der Felsenanhäufung etwas. Staub hing plötzlich in der
Luft.

»Was ist das?« fragte er und stieß Ulzana diesmal mit dem

Ellbogen in die Rippen.

Der Chiricahua zuckte gleichgültig die Achseln.
»He, Mann, was bedeutet der Staub?«
Ulzana antwortete: »Cochise wartet, bis dunkel. Staub nix

von Bedeutung.«

»Verdammte dicke Tat! Immer nur nix – nix – nix! Könnt ihr

zwei Heiligen zur Abwechslung nicht mal was anderes sagen?«

»Nix reden, lieber schweigen, Bleichgesicht. Schweigen ist

besser.«

Wyatt spuckte nach hinten aus und traf zielgerecht die

Mokassinferse Chihuahuas. Der Tag sank, Schatten krochen
über das Plateau und wurden länger. Wyatt Earp starrte zum
Himmel. Bussarde zogen noch immer ihre Kreise. Ein feines
Wolkengespinst breitete sich bis zum westlichen Horizont aus.

»Gleich dunkel«, knurrte Ulzana, und seine Augen funkelten

wild.

»Und was dann?«
»Krieg. Kampf, weißer Mann.«
»Skalps und Beute, wie?«
Ulzana und Chihuahua nickten gleichzeitig und mit

sichtbarer Begeisterung.

»Viel Beute. Revolver, Messer und viele Skalps.«
Der letzte Sonnenstrahl zuckte über die Hochebene, als eine

jähe Veränderung eintrat. Weiter oben beim Spalt huschten
graue Gestalten geduckt wie Wüstenfüchse. Wolfs- und
Pumaschreie ertönten und brachten in ihrer grausamen
Zusammensetzung die Banditen zum Zittern.

Die Stimme eines Weißen schrie gottserbärmlich. In diesem

Augenblick sah sie Wyatt Earp. Sie erhoben sich vom Boden
und torkelten auf den Spalt zu, getrieben von zeitweilig
sichtbaren, meist jedoch unsichtbaren Chiricahuas.

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89

Steine flogen und trafen, meisterlich geschleudert aus

Lederschlaufen an langen Riemen. Schreie der Getroffenen
klangen in den heraufziehenden Abend. Schließlich krachten
Revolverschüsse, ziel- und planlos abgefeuert.

Trotz schwindender Kräfte rannten die Outlaws, als sei ihnen

der Teufel höchst persönlich auf den Fersen. Wyatt hörte ihr
Keuchen, das abgehackte Gestammel von Flüchen und ihre
unterdrückten Angstschreie, wenn ein geschleuderter Stein
getroffen hatte.

»Worauf warten wir?« fragte Wyatt erregt. »Laßt uns

angreifen!«

»Nix. Cochise greift an.«
»Verdammt, ich will nicht untätig an dieser Stelle verharren,

wenn Cochise in den Kampf gegen eine Übermacht zieht!«

Ulzana grinste mitleidig. Chihuahua schloß sich ihm an.

Übermacht hatte der Weiße gesagt. Übermacht? Sieben
Bleichgesichter gegen einen Häuptling der Apachen! Was
waren schon sieben Weiße trotz ihrer Waffen gegen einen
Chiricahua?

Schreie weiter oben beim Spalt lenkten Wyatt Earp ab. In der

Halbdämmerung sah er die Banditen wie verschüchterte
Hühner hin und her laufen. Der tiefe Spalt hielt sie auf, und
nirgendwo gab es eine Möglichkeit, ihn zu überqueren und den
Übergang zu verteidigen.

Sie schossen in ihrer Angst blindlings in die Luft. Apachen

sahen sie keine, nur ihre Schreie waren zu vernehmen und
peinigten die Männer auf der Flucht um ihr Leben.

Schließlich trat das ein, was Earp längst erwartet hatte:

Ulzana und Chihuahua begannen mit ihrer von Cochise
zugedachten Arbeit. Die Krieger sprangen auf, stießen ein
tierisches Geheul aus, schleuderten ihre Steine und ließen sich
wieder fallen. Der Spieler staunte, wie glatt und einstudiert das
alles ging.

Von allen Seiten prasselten Steine und andere

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90

Wurfgeschosse auf die Weißen, dazu tönten aufreizend die
Rasseln der Apachen. In die Gruppe bei der Schlucht kam
wieder Bewegung. Sie setzte sich südöstlich in Bewegung, und
Wyatt sah deutlich, wie sie in die Dunkelheit torkelten,
fluchend, stöhnend und keuchend wie ausgepumpte
Langstreckenläufer.

Nun gab es nichts mehr, was sie aufhalten konnte. Der Weg

vor ihnen war frei, in ihrem Rücken schrien Apachen ihr
Kriegsgeschrei über das Plateau, rechts war der Abgrund, links
Cochise und ein paar seiner Krieger.

Wyatt Earp, Spieler und Revolvermann, hatte nicht die

geringste Ahnung, was Cochise mit diesem sinnlosen Treiben
bezweckte. Die Outlaws waren vom Wassermangel so
geschwächt, daß sie bei einem konzentrierten Angriff der
Apachen kaum nennenswerten Widerstand leisten konnten.

Warum griff der Häuptling nicht an und machte dieser

unwürdigen Szene ein Ende?

Seine beiden Nachbarn setzten sich brüllend in Bewegung.

Ihm blieb nichts weiter übrig, als sich zu erheben und hinter
ihnen herzurennen. Nach zweihundert Yards war schon wieder
Schluß mit der Verfolgung. Die Banditen standen in einer
Gruppe beisammen und begutachteten ein seltsames Gebilde,
das sich wie drei seidene Fäden über den Abgrund hinweg
spannte.

Wyatt hörte sie deutlich und laut diskutieren. Er blieb stehen

und pumpte seine Lungen voll Luft. Er spürte plötzlich
Bedauern für die sieben Männer dort oben, und kam sich auch
ein bißchen lächerlich vor, weil er genauso brüllend wie die
Apachen hinter ihnen her rannte.

Unerwartet und plötzlich stand Cochise neben ihm. Er

deutete auf die glitzernden Fäden über dem Abgrund und sagte
ehrfurchtsvoll:

»Die Brücke der Hohokam.«
Earp fuhr auf. »Was, Brücke nennst du das?«

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91

»Brücke zum Eingang im Felsen.«
Der Spieler blickte genauer hin, sah einen der Banditen über

die Schlucht auf ein Loch in der gegenüberliegenden Felswand
deuten und wußte immer noch nicht, was das alles zu bedeuten
hatte.

»Eingang? Brücke? Mann, Häuptling, von was redest du

eigentlich?«

»Von Wickiup der Hohokam.«
Sie starrten auf die Gruppe der Banditen und sahen, wie sich

einer von ihnen aus dem Trupp löste und über den Abgrund
hangelte. Er kam sicher drüben an und winkte dem Nächsten.

Ein zweiter turnte hinüber, ein dritter, vierter, fünfter. Bevor

auch Hugh Bennet und Josuah Lemmon den Fluchtweg
beschreiten konnten, rannte Cochise in großen Sprüngen los.
Wyatt folgte ihm auf dem Fuß.

Bennet setzte den Fuß auf das Laufseil, das die Ureinwohner

aus Gras geflochten und das sich in der trockenen Mesaluft gut
erhalten hatte, als Cochise neben ihm stand.

Hugh zog seinen Revolver und spannte den Hahn. Cochise

jedoch war schneller. Seine Hand zuckte herab. Im hohen
Bogen flog der Colt davon und segelte zwischen Felsgestein.
Bennet, ohne Schußwaffe, zog sein Messer. Wyatt wollte
ziehen, es ihm aus der Hand schießen, doch der Häuptling kam
ihm zuvor.

Ein Schwung, ein Schrei, ein zweites Klirren von Stahl auf

Stein, und Bennet flog, von Cochise über die Schulter
geworfen, in den Abgrund. Aufschlag und Entsetzensschrei
waren eins. Danach wurde die Stille zur seelischen Belastung
für alle.

Der lattendürre Lemmon aber überwand sein Entsetzen über

den Tod seines Komplicen, griff verstört-verwirrt zum
Schießeisen und spannte mit dem Daumen den Hahn. Seine
Rechnung war ohne den Wirt gemacht und ging nicht auf.

Cochise brachte sich mit einem pantherähnlichen Sprung in

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92

die Nähe des gefährliches Mannes und warf sein Messer.

»Rache für Tek-li-tan!« schrie er und zog den Tomahawk aus

dem Gürtel. Mit erhobenem Kriegsbeil drang er auf den
Mörder ein.

Jos Lemmon riß sich entsetzt das Messer aus dem Oberarm

und ließ es fallen. Cochise war bei ihm, hob das Beil zum
Schlag. Lemmon wich zurück, dabei kam ihn seine Länge
zustatten, dem sausenden Hieb auszuweichen.

Earp brüllte in höchster Erregung: »Aus dem Weg, Chief!

Ich erledige den Hundsfott!«

Cochise aber war wie von Sinnen und hörte den Weißen

nicht. Erneut stürzte er sich auf Lemmon, drängte den
Ausweichenden Meter um Meter, Fuß um Fuß näher an den
Abgrund.

Bevor Wyatt mit seinem Schießeisen eingreifen konnte,

geschah es. Cochise fintete mit dem Beil, dabei bückte er sich
und hob sein Messer auf.

Lemmon beugte sich vor, wollte den Häuptling bei der Hand

packen und über seinen ausgestreckten Fuß stolpern lassen,
aber Cochise durchschaute die Absicht, unterlief den Arm des
Gegners und rammte ihm seinen Kopf in den Bauch.
Händerudernd und brüllend wie ein Stier, den man zur
Schlachtbank führt, kippte Lemmon nach hinten und
verschwand im Abgrund. Cochise wandte sich ab und reinigte
sein Messer.

Erdrückende Stille brütete über dem nachteingehüllten

Plateau. Lautlos kamen die anderen Jäger heran, sechs an der
Zahl. Ulzana deutete scheu und zurückhaltend auf die seltsame
Seilbrücke und grunzte ein paar Worte, die Cochise mit einer
Handbewegung abtat.

»Ich gehe in der Nacht hinüber«, sagte er guttural. »Die

Krieger der Chiricahuas mögen zu ihren Jacales zurückkehren,
sie haben ihre Arbeit getan.«

»Moment mal, Chief! Und ich? Diesmal lasse ich mich nicht

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wieder hintenanstellen!«

»Du wirst tun, was ich dir sage, Bleichgesicht.« Cochise

deutete auf die ersten Sterne hoch über dem Tafelberg. »Das
hier ist heiliges Land, weißer Mann. Die Hohokam, unsere
Urahnen, von denen wir so gut wie nichts wissen, bebauten es.
Sie waren friedliche Ackerbauern, keine Krieger wie die
Chiricahuas. Willst du das Heiligtum mit deiner Anwesenheit
besudeln?«

»Lieber Himmel… Heiligtum! Was an diesen Felsen ist denn

heilig, Chief? Ich habe deine Urahnen doch nicht umgebracht,
oder denkst du gar, daß es Weiße waren?«

»Damals, als sie das Land verließen, gehörte alles Land, die

Quellen, Flüsse und Tinajas dem roten Mann. Weiße gab es
hier nicht. Du willst mich nicht verstehen, Bleichgesicht. Die
Männer auf der anderen Seite des Abgrunds werden sich weiter
zurückziehen und in die Wohnstätte der Hohokam eindringen,
weil es der einzige Weg sein wird, den Cochise ihnen
offenläßt. Aber die Stätte darf nur vom Fuß eines roten Mannes
betreten werden. Deswegen müssen die Frevler sterben.«

»Meinetwegen. Was hat das aber mit mir zu tun?«
»Die Weißen sind taub und blind wenn es um die Belange

des roten Mannes geht. Du kommst nicht mit mir! How!«

Ulzana sagte etwas in seiner Sprache zu dem

Indianerhäuptling. Cochise drehte sich zu ihm herum.

»Du und deine Brüder kehren zurück in die Wickiups.

Cochise dankt seinen Brüdern für die Hilfe und für ihre
Mühen, die sie sich mit der Jagd auf weiße Bösewichter
gemacht haben. Geht!«

Er hatte das letzte Wort kaum ausgesprochen, da waren die

roten Gesellen wie ein Spuk in der Nacht verschwunden.
Völlig lautlos tauchten sie in die Dunkelheit ein, und
unsichtbar wie Geister.

Cochise ging zu der seltsamen Hängebrücke und blieb dort

stehen: Das untere Fußseil bestand aus einem geflochtenen

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Grastau, armdick und vom vielen Benutzen in der Vorzeit
blankgescheuert und faserig.

In Armhöhe spannten sich zwei Führungsseile für die Hände

über den schauerlichen dunklen Abgrund, die man zu beiden
Seiten der Schlucht in den Felsen verankert hatte. Prüfend trat
Cochise auf das Seil. Ihm fiel jedoch ein, daß fünf Weiße
bereits den Abgrund überwunden hatten und dort drüben in der
Dunkelheit lauern mochten.

Gegen diese Bleichgesichter hatte der Chief von Anfang an

nichts gehabt. Doch später hatte er die blutigen Skalps an ihren
Sätteln gesehen und war nun nicht mehr bereit, sie straflos
ziehen zu lassen.

Auf der anderen Seite blitzte es auf. Eine Kugel sirrte

haarscharf an Cochises Gesicht vorbei und schlug sich an
einem Felsen in seinem Rücken platt.

Der Häuptling zuckte nicht einmal zusammen. Wyatt riß

seinen Colt aus dem Halfter und feuerte ein paar Schüsse nach
drüben. Nach der Art der Revolvermänner lud er die Waffe
sofort danach wieder auf.

»Unnütz«, grunzte Cochise. »Ich gehe hinüber und treibe sie

vor mir her. Einen nach dem anderen werde ich vernichten.«

»Oder erschossen werden«, sagte Earp. »Ich gebe dir

Feuerschutz.«

Cochise stieß den langgezogenen Kriegsschrei der

Chiricahuas aus und betrat das Seil. Schritt für Schritt tastete er
sich auf dem schwankenden Steg vor und hatte die Hälfte der
Strecke erreicht, als drüben eine Hand mit einem Messer
erschien.

»Aufpassen!« schrie Earp und feuerte auf die Messerhand.
Er traf. Die Hand wurde mit einem Aufschrei

zurückgezogen. Blitzschnell erschien eine andere und säbelte
weiter. Ein Knacken im Seil bewies den Erfolg der
Bemühungen. Bevor Wyatt wieder schießen konnte, gaben die
Fasern nach und rissen. Mit einem klatschenden Geräusch

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95

schlugen die Seilenden gegen die Schluchtwände.

Cochise hing mit beiden Händen wie eine riesige Spinne an

den Führungsseilen und hangelte weiter. Earp leerte seine
Revolvertrommel auf die unsichtbaren Banditen und hörte die
Kugeln gegen Fels und in weiche Körper schlagen.

Cochise hatte Luft und legte den letzten Yard mit einem

langen Schwung zurück. Er stolperte drüben auf den
Schluchtrand, ließ sich fallen und rollte seinen mächtigen
Körper über die Schulter ab.

Vor ihm Schreie und unterdrücktes Stöhnen. Die Stimme

eines Weißen zischelte: »Zurück, Jungs, und nehmt Rabbit und
Rainbow mit!«

»Laßt mich liegen« keuchte Rainbow. »Mit mir ist's aus.

Brustschuß. Wenn der rote Bastard kommt, knalle ich ihm eine
Unze Blei in seinen Wanst.«

Cochise verstand jedes Wort. Nach einer Weile vernahm er

schlürfendes Kratzen auf dem felsigen Boden, das nach kurzer
Zeit verklang. Der Häuptling blieb am Boden, kroch vorsichtig
und lautlos, alle Sinne wie Sehnen angespannt.

Ein Stöhnen nicht weit vor ihm. Stimmengemurmel. Cochise

kam näher und zog sein Messer aus den Leggins. Etwas
Dunkles hob sich vom Boden ab, ein langgezogener Körper mit
einem Gewehr. Stahl glitzerte und machte den Häuptling
vorsichtig.

Unter seinen tastenden Händen gab ein winziger Zweig nach.

Das Brechen war in der Stille weit zu hören. Sofort darauf
knackte ein Gewehrschloß.

»Komm her, du roter Bastard, damit ich dir eins aufbrennen

kann!«

Cochise war in höchster Gefahr. Der Weiße konnte gar nicht

vorbeischießen, wenn er sein Gewehr in die Richtung des
vernommenen Knackens richtete.

Blitzschnell richtete sich der Häuptling mit dem Oberkörper

auf und warf sein Messer, und ebenso blitzschnell sackte er

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wieder zu Boden. Der Aufschrei eines Menschen verröchelte.
Stille.

Cochise blieb liegen, denn das Schweigen konnte eine Falle

sein. Womöglich hatte er den Gegner gar nicht getroffen.
Minuten vergingen. Mühselig kroch der Chief auf Händen und
Füßen weiter. Der silhouettenhafte Klumpen vor ihm trat
schärfer hervor. Cochise konnte Einzelheiten erkennen.

Der Weiße war tot. Als er ihn untersuchte, stellte er fest, daß

ihn Wyatt mitten in die Brust getroffen hatte, aber das
geworfene Messer hatte sein Leben vorzeitig ausgelöscht.

Er zog es aus der Wunde, reinigte es an der Kleidung des

Toten und schob es in die Leggins. Danach erhob er sich und
ging wachsam gleitend weiter.

Ein heller Fleck stand wie ein erhobener Finger vor ihm in

der aufsteigenden Felswand. Die Urahnen hatten den
Notausgang bis auf einen türähnlichen Durchgang zugemauert
und mit einer kniehohen Schwelle versehen.

Bei der Öffnung blieb der Chiricahua erst einmal stehen und

witterte wie ein Jagdhund. Zu hören war nichts. Zu sehen noch
weniger und zu riechen überhaupt nichts.

Kurz entschlossen hob Cochise ein Bein und stieg über die

Barrieren. Kühle empfing ihn. Es war still hier drin wie in einer
Kathedrale. Die Luft war gut, jedoch mit einem
moschusartigen Moderduft angereichert.

Cochise ging weiter und wurde eins mit der absoluten

Finsternis.

*

Wyatt haderte mit sich und seinem Schicksal, das ihn aus
Cochises Mund zur Untätigkeit verdammt hatte. Es riß ihn
förmlich von den Beinen, als er die Stimme des
schwerverletzten Rainbow vernahm, der dem Chief heißes Blei
versprach.

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97

Aber noch verharrte er. Er hörte ein dumpfes Klatschen von

drüben und einen abreißenden Schrei. Nichts weiter geschah.
Die atemberaubende Stille betäubte ihn fast. Trotz allem, was
ihn überbrückte, war er nicht in der Lage, sich aufzuraffen und
hinüberzuturnen. Cochises Befehl war zu eindeutig gewesen.

Nach einer langen, langen Stunde hörte er den dumpfen

Abschuß eines Revolvers, dem weitere Detonationen folgten.
Jetzt hielt den Mann nichts mehr.

Er ergriff die Handseile und stieß sich von der Felsplatte ab.

Stück für Stück, Handbreite um Handbreite, hangelte er weiter
und gelangte durch diese mühselige Fortbewegung bis nahezu
in die Mitte des Abgrunds.

Mit jedem Zentimeter, den er zurücklegte, fühlte er seine

Arme starr werden und seine Finger sich verkrampfen. Das
harte Gras rieb seine Handflächen wund, und der Schmerz, der
von nun an durch seinen Körper tobte, betäubte ihn fast.

Mit zusammengebissenen Zähnen und einem

unausgesprochenen Fluch auf den Lippen zog er sich weiter
der rettenden anderen Seite entgegen. Wenn er sich später
selbst die Frage gestellt, ob er jemals wieder festen Boden
unter den Füßen fühlen würde, hätte er diese Frage verneint.

Aber Wyatt schaffte es. Der Mann war aus gutem Holz

geschnitzt und gab so leicht nicht auf. Als er die Hände öffnete
und seinen Körper fallen ließ, stürzte er erst einmal erschöpft
aufs Gesicht. So blieb er eine ganze Weile liegen, um sein Herz
zur Ruhe kommen zu lassen und um seine Lungen zu
beruhigen.

Weitere Schüsse im Innern des unbekannten und nicht zu

definierenden Bauwerks rissen ihn hoch. Er wischte seine
schweißtriefenden und blutenden Hände an der Hose ab und
drang in den Berg ein.

Eine Art Tunnel nahm ihn auf. Als seine Hände die Wände

berührten, spürte er behauenen, glatten Stein, der sich ins
Uferlose fortsetzte. Der Boden bestand aus massigem Fels.

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Noch einmal drei Schüsse aus großkalibrigen Revolvern.

Mündungsfeuer sah er nicht, so sehr er seine Augen auch
anstrengte. Mindestens dreihundert Yards mußte er
zurücklegen, bis sich der Tunnel vor ihm öffnete. Der Stollen
erweiterte sich, und Wyatt, der nun in eine Art Halle kam, blieb
verwundert stehen.

Terrasse für Terrasse öffneten sich vor seinen verwunderten

Blicken. Terrassen, die sich in die Höhe schraubten und in der
Finsternis nach oben verschwanden. Wenn er auch nicht viel
sehen und erkennen konnte, so ließ sich das gigantische
Bauwerk aus der Vorzeit jedoch zum Teil in seinem ganzen
Umfang erahnen.

Es roch nach Moder und tierischen Rückständen, aber der

Geruch war nicht penetrant. Es mußte durch ein ausgeklügeltes
Belüftungssystem vertrieben werden. Ein leichtes Flattern ließ
ihn sich umwenden. Fledermäuse flogen durch die Halle und
hingen sich an irgendwelchen Decken wieder mit dem Kopf
nach unten auf.

Er ging durch fußhohen Staub weiter, stieß gegen einen

Körper, zuckte bis in den letzten Nerv seines Herzens
zusammen, blieb stehen und krümmte sich zusammen. Sein
erster Gedanke war: Cochise. Er hatte die Schießerei gehört
und mußte damit rechnen, daß es den Häuptling der Apachen
erwischt hatte.

Er beugte sich zu dem Körper hinab und tastete ihn ab. Er

spürte Blut, klebrig und noch warm. Cochise aber war es nicht,
er lebte noch und versteckte sich irgendwo. Der Tote, der vor
ihm lag, war von Cochise mit einem Messer erledigt worden.

Seine Finger glitten über das eingefallene Gesicht.

Bartstoppeln knisterten. Weiter glitten die Fingerspitzen, höher
hinauf. Eine flache Stirn, wirres, verklebtes Haar. Das war der
Mann, der seinen Wortschatz um den unwirschen Befehl
»schlank-schlank-dalli!« bereichert hatte.

Als er sich wieder aufrichtete, sah Wyatt das Licht. Es war

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eigentlich kein Licht, nur ein Lichtfunke, ein heller Knopf in
der Finsternis. Der Punkt wuchs, zitterte, wurde wieder kleiner,
kam schließlich voll zur Entfaltung.

Am anderen Ende der kotbedeckten Terrasse brannte eine

Fackel und strahlte ihre Umgebung mit wechselnder Intensität
an. Wyatt rührte sich nicht von der Stelle. Er rechnete. Drei
Banditen waren übriggeblieben und flüchteten vor dem
unerbittlichen Apachen durch ein Bauwerk, das sie so wenig
kannten wie ihr Verfolger.

Für sie gab es kein Entkommen, nicht in dieser

gängeverzweigten Wohnstätte, die einem ausgestorbenen Volk
vor Jahrhunderten als Wohnstätte gedient hatte. Entsetzt fegte
er herum. Fledermäuse, vom Licht angelockt, flogen im
seltsamen Taumelflug über ihn hinweg und verschwanden
jenseits der Terrassen und Bühnen.

Schwarz gähnten die Türen zu den Wohnzellen. Wyatt Earps

graue Augen verengten sich. Harte Finger krampften sich um
seinen Magen und zwangen ihn, in eine andere Richtung zu
sehen.

Waren es die Geister der Verstorbenen, die in den gähnenden

schwarzen Öffnungen standen und winkten? Wollten sie nicht,
daß ihr Haus mit frevlerischem Tun beschmutzt wurde? Oder
war alles nur Einbildung, was er zu sehen geglaubt hatte?

Dann kam der Schrei mit seinen unzähligen Echos, der

entsetzliche spitze Schrei, der sein Blut fast zu Eis gefrieren
ließ und ihm den Atem raubte.

Das Licht flackerte, drehte sich im Kreis, schlug Volten und

Paraden, kam dann aber wieder zur Ruhe. Der Schrei
wiederholte sich mit grausamer Schärfe, verzerrt durch den
Widerhall in sich verschachtelter Räume.

Eine Wolke von Fledermäusen löschte zunächst Wyatts

weiterführende Gedanken aus. Ihre schrillen Pfeiftöne
verschluckten mit ihrer geballten Kraft alle anderen Geräusche
in dem künstlichen Dom.

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Das Licht flog kometengleich auf eine niedrige Bühne, die

ehemals ein Podest gewesen war. Funken stoben in alle
Richtungen. Eine Hand streckte sich nach der Fackel aus und
riß das Licht an sich. Wyatt sah die Hand, den Arm, den
flüchtig beleuchteten Körper in weißem Wildleder: Cochise.

Er wollte schreien, eine Warnung herausbrüllen, aber er

konnte es nicht. Stumm blieb er vor dem Leichnam stehen und
starrte sich die Augen aus dem Kopf.

Der Häuptling der Apachen warf die Fackel den Weg zurück,

den sie geflogen war. Sie brannte lichterloh, sprühte Funken
nach allen Seiten und schlug schließlich im Kot und Staub auf.
Die Fackel erlosch.

Wyatt hatte genug gesehen. Die gleitenden, huschenden und

geduckten Gestalten schlossen Cochise ein und näherten sich
dem Häuptling. Der Spieler und Revolvermann hatte in dem
kurzen Augenblick der diffusen Helligkeit noch mehr gesehen.
Er sah einen schlanken Mann mit einem tiefgeschnallten
Revolver, der das Abzeichen seiner eigenen Gilde trug: den
Revolver tief am Knie.

Wild sprang er vorwärts, stolperte über den Toten und wälzte

sich im Staub, und das war seine Rettung. Nevada hörte das
Geräusch, fegte herum, zog und schoß. Die Kugel sirrte über
Wyatt hinweg und schlug hinter ihm in eine lehmgemauerte
Wand.

Sich aufrichtend, ziehen und schießen war bei Wyatt eins. Er

orientierte sich nach dem Mündungsblitz und sandte eine
zweite Kugel der ersten hinterher. Und er traf.

Ein Schmerzensschrei gellte im schrillsten Diskant durch das

Gewölbe. Schritte entfernten sich und verstummten schließlich
ganz. Ein Schatten stand plötzlich vor ihm. Wyatt hob den
Revolver, spannte mit dem Daumen den Hahn.

Cochises Stimme: »Noch zwei, Bleichgesicht, sie werden

entkommen.«

»Gibt es noch einen zweiten Ausgang?«

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»Mehrere. Der Haupteingang liegt in einer unbegehbaren

Schlucht. Wenn sie ihn finden, sind sie in Sicherheit.«

»Sie haben keine Pferde und kein Wasser.«
»Wasser finden sie in der Schlucht. Auch die Hohokam

mußten trinken. Pferde stehlen sie.«

»Nach meiner Rechnung müßten es noch drei sein?«
»Nein«, sagte Cochise. »Zwei. Ich tötete einen Mann mit

verbundener Hand dort oben.«

Er deutete auf die Stelle, wo er vor ein paar Minuten noch

gestanden hatte.

»Gehen wir.«
»Wohin?«
»Zu unseren Pferden.«
»Willst du die Kerle nicht weiter verfolgen?«
»Nicht hier in der Halle der Toten.«
»Großer Affenschwanz, die Toten stört das doch nicht

mehr!«

»Aber die Lebenden, mich.«
Cochise drehte sich um und steuerte im Dunkel den Gang an,

der sie wieder zu der Schlucht bringen würde. Er mußte
Katzenaugen haben, die in der Dunkelheit sahen.

»Moment mal!« rief ihm Wyatt Earp nach und eilte hinter

ihm her.

»Was willst du? Der Kampf ist vorbei.«
»Falsch, Rothaut, falsch! Er beginnt erst. Ich habe mich mit

einem Mann geschossen, dem man den Revolvermann auf zehn
Meilen ansieht. Und dieser Hombre ist entkommen, wenn auch
angeschossen.«

»Ja?«
»Er wird uns draußen auflauern und aus dem Hinterhalt auf

uns schießen, Chief.«

Cochise machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Soll er. Schießen und treffen ist zweierlei.«
»Das weiß ich. Aber der Kerl ist gefährlich. Ich weiß nicht,

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wer noch bei ihm ist, aber das wird sich schnell herausstellen,
wenn wir ihnen gegenüber stehen.«

Sie mußten auf ihrem Weg nach draußen über morsche

Balken und Etagenverbindungen steigen, verfolgt von dem
schrillen Pfeifen und ärgerlichem Flattern der Fledermäuse.
Staub von Kot und anderem Unrat kitzelte ihnen in der Nase
und brachte ihre Augen zum Tränen.

Aber sie schafften es. Die rechteckige hohe Öffnung tauchte

auf und ließ sie unbehindert durch. Mond und Sterne waren
nun sichtbar und beleuchteten einen gespensterhaft bleichen
Canyon. Ihre mäßige Helligkeit ließ eine Spur von Stiefeln
erkennen.

Cochise kniete sofort nieder und tastete die Eindrücke

vorsichtig prüfend mit den Fingerspitzen ab. Mit einem langen
Blick auf die gegenüberliegende Canyonseite richtete er sich
wieder auf.

»Einer von ihnen ist verwundet, Bleichgesicht. Du hast ihn

vermutlich mit deiner Kugel getroffen.«

»Weiß ich, Mann, weiß ich. Er schrie ja laut genug. Wo sind

sie?«

Cochise deutete auf die zerklüftete und von Urgewalten

förmlich zerrissene Wand ihm gegenüber und antwortete:
»Hinter den Klippen. Sie belauern uns.«

»Woher weißt du das?«
Wyatt Earp sah den mitleidigen Blick Cochises nicht, aber er

fühlte ihn wie Säure auf seiner Haut brennen.

»Was machen wir, Chief? Holen wir sie heraus?«
Cochise antwortete nicht auf Wyatts Frage. Er sandte seine

scharfen Augen zu den Felsen hinüber und wartete auf eine
Reaktion der Weißen.

Es gab keine.
Fast eine Stunde lang standen die beiden so

verschiedenartigen Männer im Sternenlicht und lauerten auf
jede Veränderung im Canyon. Irgendwo brach die nächtliche

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Abkühlung Gestein ab und schickte es in die Tiefe. Es gab
einen hohlen, rollenden Laut, der durch die Schlucht hallte wie
Gewehrfeuer.

Unvermittelt änderte sich das Bild. Ein mächtiger Felsblock

löste sich drüben und löste einen prasselnden Steinschlag aus
und eine Wolke aus Staub.

»Weg hier!« schrie Earp.
Er und Cochise zogen sich bis zum Eingang des verlassenen

Bauwerks zurück und warteten darauf, daß der Staub sich
legte.

»Die Hunde hole ich mir vor mein Schießeisen!« schrie Earp

wütend und unbeherrscht. »Mit Steinen zu werfen, na, so
was… Als wenn Weiße Apachen wären!«

»Du von rechts, Hellauge, ich greife von der linken Seite her

an. Siehst du den Ziegenpfad dort drüben?«

»Wo?«
Cochise deutete mit der ausgestreckten Hand auf den

nadelfeinen Strich in dem verwitterten Gestein.

Wyatt murmelte: »Okay, sehe den Höllenpfad.«
»Von ihm aus kannst du ihre Deckung einsehen und notfalls

auch hineingelangen.«

»Und was unternimmst du?«
Cochise wies in die andere Richtung. Ein Meer aus

Felsblöcken, Disteln und Kakteen schob sich bis an die Basis
der Schluchtwand.

»Ich greife sie von dort aus an.«
Er hatte noch nicht richtig ausgesprochen, da war er auch

schon lautlos verschwunden.

»Wie 'ne Katze«, knurrte Earp wütend. Er war es nicht

gewohnt, daß man ihn einfach wie einen dummen Jungen
stehen ließ. »Well, wie 'ne Riesenkatze.«

Als sich der Staub völlig legte, machte sich der Spieler auf

die Socken. Er bewegte sich im Schatten des »montezuma«
und legte sich schließlich auf die Erde, um den Canyon

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kriechend zu durchqueren. Unter mühevollen Strapazen und
einer Flut von Schweiß gelang ihm das schließlich. Er mußte
im Schutz der Felswand noch etwa zwanzig Yards nach Süden
pilgern, bis zu jener Stelle, an der der Ziegenpfad seinen
Anfang nahm. Als er in die Höhe kraxelte, schoß die
Erinnerung an ähnliche Unternehmen durch die
sternengepunktete Dunkelheit dieses unheimlichen Canyons.
Schwarz starrten die Fensteröffnungen des geheimnisvollen
Bauwerks zu ihm herüber, und manchmal, wenn ihm die
Phantasie einen Streich spielte, sah er bleiche Totenköpfe dort
drüben auftauchen.

Sechs Meter über der Canyonsohle verlief der Pfad

waagerecht. Wyatt wischte sich den Schweiß ab und schöpfte
erst mal Luft, bevor er sich wieder auf den Weg begab. Der
Pfad war vor Jahrhunderten viel begangen worden. Aber in den
letzten hundert Jahren oder länger war er als Saumpfad von
Feldmäusen, Wanderratten, braunen Fledermäusen und
Schlangen benutzt worden, deren versteinerte Losung auf dem
rissigen Gestein klebte.

Er schaute hinunter, zuckte zusammen und preßte sich fest

gegen den Fels, um nicht gesehen zu werden. Zwei Männer
kauerten hinter einer Klippe und hielten ihre Revolver auf den
»montezuma« gerichtet.

Im Zeitlupentempo zog Wyatt seinen Colt. Nur jetzt

nirgendwo anschlagen, keinen Felsen berühren, das Geräusch
wäre im ganzen Canyon zu hören gewesen.

Er brachte die Waffe aus dem Halfter, entsicherte sie und zog

den Hammer nur so weit zurück, das er nicht einrasten konnte.
Über den langen Lauf visierte er die beiden Strauchritter an.

Einer der beiden, ein kleiner und zäher Kerl, hatte die linke

Schulter verbunden. Der andere, ein rabiat wirkender Bursche,
den er schon einmal gesehen hatte, war ebenfalls verletzt und
kämpfte mit seiner Erschöpfung und Müdigkeit.

Sie unterhielten sich.

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Nevada sagte gerade: »Sie können nicht in alle Ewigkeit dort

drüben warten. Wenn sich was bewegt, wird sofort geballert.«

Sein Begleiter gab keine Antwort. Er war kein

Revolvermann und kaum bereit, sich einem besonderen Risiko
auszusetzen.

»Hast du mich nicht verstanden, Old Fellow?«
»Klar, hast doch laut genug gebrüllt. Es wird geschossen,

wenn sich was bewegt.«

Wyatt juckte es im Zeigefinger. Er hatte beide genau im

Visier und brachte nach dem ersten Schuß die Waffe nur um
Millimeter zu schwenken. Doch er nahm die Waffe wieder
herunter und runzelte die Stirn.

Eine tödliche Kugel in den Rücken wäre Mord gewesen,

glatter Mord. War er schon soweit gesunken, daß er einen
kaltblütigen Mord begehen wollte?

Mit einem lauten Ruf sprang er auf die Beine und riß den

Revolver in Hüfthöhe. Nevada warf sich auf den Rücken, stieß
einen Fluch aus und richtete die Waffe nach oben. Beide
drückten zur gleichen Zeit ab.

Der Mann war schnell, sehr schnell, daß mußte Wyatt

zugeben. Seine Kugel nahm einen Hautfetzen von seinem
Ohrläppchen mit und klatschte hinter ihm gegen den Fels.

Nevadas Revolver wurde ihm wie von einer Geisterhand aus

der Hand gerissen und in eine Sandmulde geschleudert. Wyatts
zweiter Schuß traf ihn ins Herz und machte seinem verruchten
Leben ein Ende.

Old Fellow zögerte eine Sekunde lang wie gelähmt. Diese

Sekunde kostete ihn das Leben. Als er endlich den Stecher
seiner Waffe berührte, war es zu spät. Wyatt Earps Kugel traf
ihn und warf den Mann nach hinten gegen die Klippen.

Der Kampf war vorbei.
Wyatt gegenüber erschien Cochise auf einer Felsnase. In der

Hand hielt er das Kriegsbeil. Mit einem Blick erfaßte der
Häuptling, was vorgegangen war. Er nickte zu Earp hinüber

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106

und machte sich an den Abstieg.

*

Sie kamen aus den Schluchten und ritten in die aufgehende
Sonne hinein. Groß, strahlend und rund wie ein gezirkelter
Kreis hing sie über den Chiricahuas und warf glühende Pfeile
und Hitze in die Canyons.

Wyatt ritt hinter dem Häuptling der Apachen.
Weit voraus ballten sich die Hügel wie Wolken über dem

Horizont. Zweierlei Wolken. Die Hügelkuppen einmal und
dunkle Rauchbällchen zum anderen.

»Teufel! Teufel! Die machen mit ihren Rauchzeichen das

ganze Land verrückt!« rief Wyatt und zeigte mit der Hand nach
Nordosten.

»Die Weißen sind alle undankbar.«
Wyatt zuckte verblüfft im Sattel zusammen und starrte

betreten auf Cochises Rücken.

»Undankbar? Verdammt will ich sein, Chief, wenn ich weiß,

was du meinst?«

»Wania-taka hielt eine große Gefahr von dir ab.«
»Du meinst das Aufgebot?«
»Ich rede von den Männern mit den hellen Sternen.«
»Na ja, die Posse. Und warum bin ich undankbar?«
»Weil du indianische Gebräuche nicht verstehst.«
»Heiliger Bimbam, das hat doch nichts mit Undankbarkeit zu

tun! Ich wollte dir lediglich einen Hinweis auf die
Rauchzeichen geben.«

»Ich sah sie vor dir, Bleichgesicht.«
»Kann ich mir denken. Du weißt ja auch, was es mit diesem

Geistertanz auf sich hat.«

Cochise erwiderte vorsichtig: »Ich habe davon gehört.

Krieger brauchen keinen Geistertanz, um sich vor dem Kampf
zu berauschen. Tizwin und Tanz zusammen sind für einen

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Krieger nicht gut, der mit klarem Kopf in den Krieg ziehen
soll.«

Wyatt Earp verfiel in Schweigen. Die durchwachte

vergangene Nacht und das Abenteuer, das er zu bestehen
gehabt hatte, machten ihn müde und schlapp. Er döste vor sich
hin, während sie durch den Wüstenstreifen ritten.

Um die Mittagszeit näherten sie sich den Hügeln. Cochise

hielt seinen Pinto an und bedeckte die Augen mit der Hand.
Obwohl der Herbst anbrach, stach die Sonne noch grell und
schmerzend.

»Was ist los? Warum reiten wir nicht weiter?«
Wyatt schlug ein Bein um das Sattelhorn und drehte sich eine

Zigarette. Er rauchte selten, hatte aber im Augenblick das
Bedürfnis nach Tabakrauch. Er brannte den Glimmstengel an,
machte ein paar Züge und warf ihn weg.

Die Zigarette schmeckte ihm heute nicht. Als Cochise immer

noch keine Anstalten machte, den Ritt fortzusetzen, griff er zur
Wasserflasche und nahm einen kräftigen Schluck.

»Siehst du was, Chief?«
»Wir werden empfangen. Der Geistbüffel will ein Pow-

Wow.«

»Du meinst Wania-taka, den Häuptling?«
Cochise machte eine flüchtige Handbewegung. »Du weißt es,

Bleichgesicht.«

Wyatt zuckte gleichgültig die Achseln. Ihn gingen die

fremden Indianer nichts an. Das war Cochises Sache, wenn sie
sich auf seinem Stammesgebiet aufhielten und Hokuspokus
trieben. Was hatte der Häuptling soeben gesagt? Ein Pow-Wow
wollten die Fremden veranstalten? Nun gut, er hatte nichts
dagegen, wenn sie ihn nur mit ihren Zauberkunststücken in
Ruhe ließen.

Die Frage für ihn war nur, woher wußte der Chief das alles?

Er, Wyatt Earp, sah keinen einzigen Indianer, nur
Rauchzeichen, und die waren für ihn unverständlich. War der

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Chief allwissend?

Cochise ritt wieder an und näherte sich den Hügeln von der

Seite. Der Schatten seines Pferdes lief unter ihm voraus und
tauchte in diesem Augenblick in den Hügelschatten ein.

Wyatt wunderte sich immer noch, woher Cochise von der

Anwesenheit der fremden Indianer wußte und von ihrer
Absicht, ein indianisches Gespräch am Lagerfeuer zu
beginnen. Er fragte den Häuptling:

»Sag mal, Chief, bist du auch Medizinmann? Ich meine,

sprichst du mit den Geistern und bist mit ihnen im Bunde?«

Cochise starrte ihn an und verzog sein Gesicht, als er den

Kopf schüttelte.

»Cochise ist nur Krieger und fürchtet die Geister nicht.«
»Das weiß ich.« Wyatt winkte ab und trieb sein Pferd an

Cochises Seite. »Du hast gesagt, daß wir empfangen werden.
Woher hast du das gewußt? Ich sehe weit und breit keine
Rothaut.«

Cochise deutete auf die schwarzen Bälle über den Hügeln,

die mit dem Wind davonflogen und sich auflösten. Als Wyatt
Earp seiner Handweisung folgte, wurde er abgelenkt.

Eine Bewegung links von ihm ließ ihn rasch den Kopf

wenden. Wie aus dem Nichts waren Krieger erschienen und
starrten stoisch und gelassen auf den Häuptling und den
Weißen.

Hastig drehte sich Earp im Sattel um. Was er sah, ließ ihn

blaß werden. Rings um ihn standen indianische Krieger,
Waffen in den Händen, einen grimmigen Ausdruck auf dem
Gesicht. Sein zweiter Blick galt dem Apachen.

Cochises Pferd hatte angehalten. Der Chief saß aufgerichtet

auf der Reitdecke und schien die Krieger überhaupt nicht zu
beachten. Aus einem Hügeltal kam Geistbüffel auf einem
weißen Hengst geritten, hielt an und machte das Zeichen des
Friedens.

Cochise erwiderte das Zeichen. Sie kannten sich von ihrem

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ersten Treffen in diesen Hügeln und konnten auf ein weiteres
Zeremoniell verzichten. Wania-taka machte eine einladende
Handbewegung in ein Hügeltal und ritt voran.

Rauch wehte aus dem Tal Wyatt ins Gesicht. Er mußte

husten. An einem Feuer saßen mehrere Krieger mit
Federhauben. Sie standen auf, als sich Cochise vom Pferd
schwang. Wyatt und der fremde Häuptling waren mit Cochise
zusammen von ihren Tieren geklettert, die von Kriegern
fortgeführt wurden.

Wania-taka breitete die Arme aus und rief mit einem seltsam

verstimmten Singsang:

»Sei willkommen im Lager der Cheyenne und Arapahoes,

Cochise, Häuptling aller Apachenstämme. Leg die Hände in
mein Blut und sei eins mit mir.«

Unaufgefordert setzte sich Cochise in den Kreis der

Häuptlinge und streckte die Handflächen zum Himmel empor.
Der Sonnentag und die Wolken und das Brausen des warmen,
süßduftenden Präriewindes verging in dieser einzigen
großartigen Geste des Häuptlings der Apachen. Leg die Hände
in mein Blut…

ENDE


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