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Der Racheschwur 

von Günther Herbst 

scanned by : horseman 

kleser: Larentia 

Version 1.0 

Wieder und wieder krachten die Rammböcke der 
Belagerungsmaschinen gegen die Schutzmauer der 
ritterlichen Burg. Die Steine seufzten in ihrem Verbund, 
und der Mörtel rieselte in grauen Staubwolken auf die 
Belagerer hinab. Schon zeigten sich breite Risse und 
kopfgroße Löcher in dem Bollwerk. Lange könnte es nicht 
mehr dauern, bis die Mauer unter den wuchtigen 
Rammstößen zerbarst. Dann war der Weg frei für den 
Sturmangriff der gräflichen Getreuen. Graf Eduard fieberte 
dem Augenblick des Zusammenbruchs mit großer 
Erwartung entgegen. Er hatte Ritter Walther Rache 

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geschworen, der es gewagt hatte, sich gegen ihn zu 
erheben. Für dieses schändliche und treulose Tun mußte 
er zur Rechenschaft gezogen werden.
 

Dann war  es soweit. Unter ohrenbetäubendem Getöse 

stürzte ein Teil der Burgmauer ein ... 

 

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»Auf in den Kampf, Männer!« rief Graf Eduard. 

Seine Getreuen bedurften der Aufforderung nicht. Sie stürmten 

bereits vorwärts, mit gezückten Schwertern, mörderischen 
Streithämmern und stoßbereiten Lanzen. Das Licht der 
nachmittäglichen Sonne spiegelte sich im blinkenden Stahl der 
Waffen. Ihre gellenden Kriegsschreie ließen die Erde erbeben. 

Graf Eduard setzte sich an die Spitze seiner Männer. Zwar hatte er 

das fünfte Jahrzehnt seines Lebens fast vollendet, aber er war nach 
wie vor ein guter Kämpfer. Die Muskelkraft seines Armes, die 
Sicherheit seines Auges und die Geschmeidigkeit seiner 
Bewegungen suchten noch immer ihresgleichen. Er war auch jetzt 
noch Manns genug, es mit jedem Jüngeren aufzunehmen. 

Die Lücke, die sich in der Burgmauer aufgetan hatte, war breit 

genug, um die Angreifer ohne Schwierigkeiten hindurchschlüpfen zu 
lassen. Graf Eduard kletterte über den kleinen Hügel niedergestürzter 
Steine und stürmte auf den Innenhof der ritterlichen Burg. Seine 
Getreuen folgten ihm auf dem Fuße. 

Pfeile jagten den Eindringlingen entgegen. Sie kamen aus den 

Fenstern des Wohnturms, vom Wehrgang unterhalb des Daches, aus 
der Tür des Gesindehauses. Aber die Schüsse wurden hastig und 
überstürzt abgegeben, waren schlecht gezielt. Fast alle gingen fehl. 
Und diejenigen, die den Gräflichen doch gefährlich werden konnten, 
wurden von den Schilden aufgefangen oder glitten an den 
Harnischen ab. 

Verächtlich kräuselte Graf Eduard die Lippen. »Feiges Gesindel! 

Statt sich im offenen Kampf zu stellen, verstecken sie sich wie die 
Mäuse vor der Katze.« 

Verwundert war er nicht. Ritter Walther hatte sich nie durch 

besonderen Mut hervorgetan, hatte schon immer hinterhältige Arglist 
auf  sein Banner geschrieben. Eduard bedauerte zutiefst, daß er den 
Schurken seinerzeit mit einem Lehen bedacht hatte. Aber damit hatte 
es jetzt ein Ende, ein für allemal. 

»Mir nach!« rief er und eilte im Sturmschritt auf die Eingangstür 

des Wohnturms zu. 

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Die Tür bestand aus schweren Bohlen und war mit eisernen 

Beschlägen verstärkt. Und sie war natürlich verschlossen. Aber 
dieser Umstand bereitete dem Grafen kein Kopfzerbrechen. 

»Öffnet die Tür«, befahl er. 
Zwei seiner Getreuen traten vor, die Streitäxte in den erhobenen 

Fäusten. Mit wuchtigen Hieben trieben sie den scharfgeschliffenen 
Stahl in das Holz. Die Tür zitterte in ihrer Verankerung, fingergroße 
Späne flogen durch die Gegend. Die Metallbeschläge beulten sich, 
platzten ab. Noch ein paar krachende Schläge, dann war die Tür 
gesprengt. Mit ein paar kräftigen Fußtritten ließ sie sich aufstoßen. 

Graf Eduard war der erste, der in den Wohnturm eindrang. 

Niemand stellte sich ihm entgegen. Unbehelligt erreichte er die nach 
oben führende Wendeltreppe. Seine Männer waren dicht hinter ihm. 
Sie brannten darauf, endlich mit einem Gegner handgemein werden 
zu können. 

Und dazu sollten sie bald Gelegenheit bekommen... 
Noch immer von niemandem behindert, hasteten die Männer die 

Treppe empor. Sie erreichten das Geschoß, in dem sich die 
Aufenthaltsräume der ritterlichen Getreuen befanden. Abermals 
standen sie vor einer verschlossenen Tür. 

Wieder krachten die Streitäxte gegen die Bohlen. Binnen kürzester 

Zeit war das Hindernis aus dem Weg geräumt. Auch jetzt war der 
Graf der erste, der die Schwelle überschritt. 

Nun aber stieß er auf Widerstand. Fünf, sechs, sieben Bewaffnete 

stürzten sich ihm entgegen. Mit erhobenen Schwertern drangen sie 
ungestüm auf ihn ein. 

Zu ungestüm ... 
Eduard gelang es, sie sich mit Hilfe des  Schilds und seines eigenen 

Schwertes vom Leibe zu halten. Augenblicke später traten ihm seine 
Männer zur Seite. 

»Nieder mit den Verrätern!« 
Schlagend und stechend trieben sie die Männer des Grafen Walther 

zurück. Sie waren im Kriegshandwerk weitaus besser geschult als die 
hergelaufenen Gesellen Walthers, von denen nur einige wenige dem 

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Ritterstand entsprossen waren. 

Zwei Kämpfer verloren schon beim ersten Ansturm der Gräflichen 

ihr Leben, ein dritter sank todwund zu Boden, blutend und mit 
zerfetzter Brünne. Die vier übrigen streckten die Waffen und ergaben 
sich. 

Eduard hatte bereits erkannt, daß sich der Ritter Walther nicht 

unter ihnen befand. Er trat auf einen der Besiegten zu und setzte ihm 
die Schwertspitze auf die Brust. 

»Wo ist dein Herr? Sprich!« 
»Er ist ...« 
»Nun?« Eduard verlieh seiner Frage mehr Nachdruck, indem er die 

Spitze seiner Waffe zum Kinn des Mannes emporwandern ließ. 

»Ritter Walther ist oben auf dem Wehrgang«, beeilte sich dieser 

jetzt zu sagen. 

Der Graf ließ die Klinge sinken, beachtete den Mann nicht mehr. 

»Kommt!« 

Er verließ den Raum, kehrte zur Treppe zurück. Seine Getreuen 

schlössen sich ihm an, nachdem sie Walthers Männer ihrer Waffen 
entledigt hatten. 

Die Wendeltreppe wurde jetzt schmaler. Kaum konnten zwei 

Männer nebeneinander gehen. Dazu wurde die Schwerthand durch 
den mächtigen Stützpfeiler behindert, der sich rechter Hand erhob. 
Wenn die Gegner jetzt einen Angriff unternahmen, waren sie im 
Vorteil. 

Aber dieser Angriff blieb aus. Zumindest ein Angriff, der zum 

Kampf Mann gegen Mann geführt hätte. Statt dessen verteidigte der 
Ritter Walther seinen Zufluchtsort auf andere Weise. Auf eine 
Weise, die seiner hinterlistigen Natur entsprach. 

Ein schwappendes Geräusch wurde plötzlich über dem Grafen und 

den Seinen hörbar. Eduard hob  den Kopf und sah ein gähnendes 
Loch in einer der Treppenstufen über ihm. 

Ruckartig blieb er stehen. 
Wäre er zwei Stufen weiter emporgestiegen, hätte ihn das 

Verderben ereilt. 

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Eine schwarze, dickflüssige Masse, eingehüllt in wirbelnde 

Dampfwolken, ergoß sich nach unten, klatschte eine halbe 
Körperlänge vor Graf Eduard auf die Treppe. 

Siedendes Pech! 
Eduard trat schnell zwei Stufen zurück, wartete ab, bis die Männer 

dort oben ihren Bottich entleert hatten. Bevor sie Zeit und 
Gelegenheit fanden, ihren tückischen Anschlag zu wiederholen, 
bewegte er sich bereits wieder vorwärts. 

Langsam und zähflüssig breitete sich das Pech auf den Stufen aus. 

Es gab noch einige Stellen, die nicht von der dampfenden Masse 
bedeckt waren. Diese Stellen nutzte der Graf, um die  Klippe zu 
überwinden. Seine Männer taten es ihm nach. Schon stürmten sie alle 
dem Wehrgang entgegen, der sich am oberen Ende der Treppe 
befand. 

Eine weitere Attacke erfolgte nicht. Als Eduard die letzte 

Treppenstufe bewältigt hatte, sah er drei Männer im 
pechverschmutzten Wams. Sie hatten die Hände vor der Brust 
gefaltet und suchten Deckung an der Mauer. 

»Gnade, hoher Herr«, stieß der eine hervor. »Wir... wir haben nur 

auf Befehl gehandelt.« 

Eduard beachtete die Helfershelfer des verräterischen Ritters gar 

nicht. Kreaturen wie sie waren unter seiner Würde. Ihm ging es nur 
um einen Mann - um den Ritter Walther. 

Der Wehrgang umlief das ganze Geschoß. Von ihm hatte man 

einen guten Überblick über den Hof. Die Treppe, über die Eduard 
und seine Getreuen nach oben  gekommen waren, bildete den 
einzigen Zugang. Walther hatte demnach keine Möglichkeit, 
heimlich die Flucht zu ergreifen. 

Die Streitmacht des Grafen teilte sich. Die eine Hälfte ging links, 

die andere Hälfte rechts herum. Als sich ihr Kreis wieder schloß, 
sahen sie den ungetreuen Ritter. Walther wollte gerade über eine 
Behelfsleiter zum Dachstuhl hinaufklettern, vermutlich um sich dort 
oben in einer dunklen Ecke zu verkriechen. Dieses Vorhaben sollte 
er jedoch nicht mehr in die Tat umsetzen. 

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Einer von Eduards Männern lief herbei und trat wuchtig gegen die 

Leiter. Walther mußte von den Sprossen springen, um nicht 
gemeinsam mit dem kippenden Stufengestell zu Boden zu stürzen. 
Schon wollten sich die gräflichen Getreuen auf den Abtrünnigen 
stürzen. 

»Halt!« rief Eduard mit rollender Baßstimme. 
Seine Männer ließen von Walther ab, wandten sich fragend zu 

ihrem Herrn um. 

»Legt keine Hand an ihn«, sagte der Graf. »Walther gehört mir!« 
Die Getreuen traten zurück, öffneten ihrem Gebieter eine Gasse. 

Eduard trat gemessenen Schritts auf den verräterischen Ritter zu, sein 
Schwert mit sehniger Hand umklammernd. 

»Du hast mich herausgefordert, Walther«, sagte er böse lächelnd. 

»Nun magst du beweisen, daß deine Herausforderung nicht tumbe 
Keckheit war, sondern einem aufrechten Gefühl der Überlegenheit 
entsprang. Zeige mir, daß du mir überlegen bist!« 

Ritter Walther war ein mittelgroßer, schlanker Mann. Das scharf 

geschnittene Gesicht hatte eine ungesunde, gelbliche Farbe. Sein 
Blick war flackernd und unstet. Furcht nistete  in seinen Augen, die 
so grau waren wie das Wasser eines schmutzigen Tümpels. Eduard 
hatte das Gefühl, daß sich Walther jeden Augenblick vor ihm auf die 
Knie werfen würde, um um Vergebung zu bitten. 

Das tat er dann aber doch nicht. Statt dessen zog er sein Schwert 

aus dem Waffengürtel. 

»Wenn ich denn sterben muß, so seid gewiß, daß ich Euch mit in 

den Tod nehme, Graf Eduard!« verkündete er so mannhaft, wie es 
ihm der Graf gar nicht zugetraut hätte. 

»Wohlan denn, Schurke«, sagte Eduard und stellte sich in Positur. 
Der Ritter Walther griff an. Sein Schwert zuckte vor, wurde wieder 

eine Handbreit zurückgezogen, stieß erneut zu. Eduard ließ sich 
durch solche Manöver jedoch nicht beeindrucken. Er wich der 
Attacke seines Gegners aus, schlug dann seinerseits zu. Zwar gelang 
es Walther, den Angriff zu parieren. Aber der Hieb des Grafen war 
so mächtig, daß ihm fast das Schwert aus der Hand geprellt wurde. 

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Sofort setzte Eduard nach. Der ganze Zorn, den er auf seinen 

ungetreuen Lehensmann hatte, übertrug sich auf sein  Schwert. Die 
Klinge wirbelte wie von selbst, deckte den Gegner mit einer ganzen 
Serie von mörderischen Hieben ein. Walther kam kaum dazu, Luft zu 
holen. Sein Schwertarm, der die ganze Wucht der Schläge auszu-
halten hatte, wurde schwerer und schwerer. Er war kaum noch in der 
Lage, ihn zu heben und die Klinge des Grafen abzuwehren. 

Und sehr bald schon kam das, was kommen mußte. Das Schwert 

des Grafen durchbrach die Deckung Walthers, kam voll durch. So 
mächtig war der Hieb, daß auch die Brünne des Ritters die Klinge 
nicht aufhalten konnte. Tief bohrte sich der kalte Stahl in die Brust 
des abtrünnigen Lehensmanns. 

Gequält stöhnte Walther auf und brach in die Knie. Blut trat aus 

der Wunde und färbte die silberne Brünne rot. 

Graf Eduard steckte sein Schwert in den Gürtel zurück. Mit einem 

Blick erkannte er, daß der Kampf ein schnelles Ende gefunden hatte. 
Walther war auf den Tod verwundet. Er hatte den gerechten Lohn für 
seine Abtrünnigkeit erhalten. 

Der Zorn, den Eduard noch soeben auf diesen Mann gehabt hatte, 

verrauchte nun. Fast dauerte ihn der besiegte Ritter. Wie Walther 
dort auf den Steinen des Wehrgangs kniete, hilflos und den nahenden 
Tod vor Augen... 

»Graf ... Eduard ...« 
Die Worte Walthers waren kaum zu verstehen, so leise kamen sie 

über seine blutleeren Lippen. 

Eduard trat näher, beugte sich über den sterbenden Mann. 
»Wenn du mich um Verzeihung für dein treuloses Tun bitten 

willst, so sei deine Bitte erfüllt, Walther«, sagte er teilnahmsvoll. 
»Ich zürne dir nicht mehr.« 

Der Ritter hob die Augen, die schon fast gebrochen waren und in 

einem Meer des Schmerzes schwammen. Dann aber blitzte es 
plötzlich in diesen Augen auf. Die kraftlos nach unten hängende 
Hand, die noch immer das Schwert umklammert hielt, fuhr hoch. 
Schon schoß die Klinge auf den Grafen zu. 

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Es war für Roland, den Ritter mit dem Löwenherzen, immer wieder 
eine große Freude, von König Artus in dessen Privatgemächern 
empfangen zu werden. Nicht einmal alle Ritter aus der berühmten 
Tafelrunde des Herrn von Camelot konnten sich  einer Privataudienz 
beim König rühmen. 

Deshalb war sich Roland, der erst noch in die Tafelrunde 

aufgenommen werden wollte, der hohen Ehre, die ihm da zuteil 
wurde, durchaus bewußt. 

Auch Ginevra, die Gemahlin des Königs, war anwesend, als der 

Ritter mit dem Löwenherzen eintrat. Roland wußte, was einer Lady 
gebührte. Er beugte das Knie und küßte der hohen Herrin ehrerbietig 
die Hand. 

Ginevra dankte ihm mit einem huldvollen Lächeln. »Ich glaube, 

ich lasse die Herren jetzt besser allein. Gewiß beabsichtigt mein 
Gemahl, mit Euch über kriegerische Dinge zu sprechen, Ritter 
Roland. Und dabei sind wir schwachen Frauen ja bekanntlich fehl am 
Platze.« Sie nickte Roland zu und zog sich zurück. 

König Artus lachte. »Meine teure Frau irrt, Roland. Nicht über das 

Kriegshandwerk wollte ich mit dir reden, sondern über das genaue 
Gegenteil. Aber nimm doch Platz!« 

Roland ließ sich in einem mit Bärenfell überzogenen Sessel nieder, 

der dem des Königs gegenüberstand. Erwartungsvoll blickte er den 
Herrn von Camelot an. »Sie haben einen neuen Auftrag für mich, 
Majestät?« 

Fünfzig Aufgaben mußte Roland im Auftrag Artus' erfüllen. Dann 

würde ihn der König in seine Tafelrunde aufnehmen. 

»Ja, Roland«, nickte Artus, »ich habe eine neue Aufgabe für dich. 

Eine Aufgabe der Frömmigkeit und des Friedens.« 

Der Ritter mit dem Löwenherzen war leicht verwundert. Bei den 

bisherigen Aufträgen war es stets darum gegangen, gegen 
Bösewichter aller Art zu kämpfen. Von Friedlichkeit oder gar 
Frömmigkeit konnte man dabei wahrlich nicht reden. 

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»Hast du jemals eine Wallfahrt unternommen?« erkundigte sich 

König Artus. 

»Eine ... Wallfahrt? Eine Pilgerfahrt zu einem heiligen Ort?« 
»Das meine ich, gewiß.« 
Roland schüttelte den Kopf. »Ich habe bisher nie Veranlassung 

dazu gehabt.« 

»Nun«, lächelte der König, »diesmal gibt es einen Anlaß. Kennst 

du das Kloster zum Schwarzen Stein?« 

Wieder schüttelte der Ritter mit dem Löwenherzen den Kopf. 
»Das Kloster zum Schwarzen Stein liegt tief im Riesengebirge«, 

fuhr Artus fort. »Und mit diesem >Schwarzen Stein<, dessen 
Herkunft unbekannt ist, hat es eine besondere Bewandtnis. Man sagt 
ihm wundertätige Kräfte nach. Es heißt, daß jeder Kranke, der den 
Stein berührt, wieder gesundet. Auch dann, wenn sein Leiden 
unheilbar zu sein scheint.« 

Rolands Verwunderung hatte sich noch immer nicht gelegt. »Ich 

leide an keiner unheilbaren Krankheit, Majestät«, stellte er mit einem 
Stirnrunzeln fest. 

»Ich weiß, ich weiß, Roland. Du strotzt vor Gesundheit und 

würdest auch dann noch fürbaß schreiten, wenn du den Kopf unter 
dem Arm trägst. Aber nicht du sollst Hilfe bei dem Schwarzen Stein 
suchen, sondern ein alter Freund von mir, Graf Eduard von 
Arlinghaus. Der Graf hat sich vor mehreren Monden eine 
Schwertwunde zugezogen, die nicht heilen will. Deshalb  möchte er 
zum Schwarzen Stein pilgern, um sich dessen wundertätige Kräfte 
zunutze zu machen.« 

»Und welcher Gestalt soll meine Aufgabe dabei sein?« wollte 

Roland wissen. 

»Der Weg ins Riesengebirge ist weit und beschwerlich und voller 

Gefahren. Graf Eduard hat mich gebeten, ihm einen tapferen Ritter 
zu senden, der ihn auf seiner Wallfahrt begleitet und ... beschützt. 
Möchtest du dieser tapfere Ritter sein, Roland?« 

»Es soll mir eine Ehre sein, Majestät.« 
Der König nickte befriedigt. »So sei es denn.« Er erhob sich von 

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seinem Sessel. 

Auch Roland stand auf und wollte sich empfehlen. Aber Artus hielt 

ihn noch zurück. 

»Eins sollte nicht unerwähnt bleiben«, sagte er. »Das Wunder des 

Schwarzen Steins offenbart sich nur demjenigen, der sich während 
der Wallfahrt eines gottesfürchtigen und lauteren Verhaltens 
befleißigt und jedweder Gewalttätigkeit abschwört. Dieserhalb ist es 
allen Wallfahrern gar strengstens untersagt, Waffen bei sich zu 
tragen.« 

Unwillkürlich machte der Ritter mit dem Löwenherzen ein 

betroffenes Gesicht. 

»Ich soll ohne mein Schwert...« 
»Ja, Roland. Kein Schwert, kein Bogen, keine Lanze. Des 

frommen Wallfahrers erstes Gebot ist seine augenscheinliche 
Friedensliebe.« 

»Und wenn Böswillige diesen Frieden zu stören trachten?« 
»Ich fürchte, in solchen Fällen wirst du dich auf deine blanken 

Fäuste verlassen müssen«, sagte der König. »Der Selbstverteidigung 
steht natürlich nichts im Wege. Aber auch hierbei ist zu bedenken, 
daß dem wahrhaft Frommen die Feindesliebe ein Bedürfnis seines 
reinen Herzens sein muß. Hast du noch Fragen, Roland?« 

»N ... nein«, antwortete der Ritter mit dem Löwenherzen. 

Ritter Richard leerte den dritten Humpen und wischte sich den 
Schaum des dunklen Gerstensaftes von den Lippen. Er grinste. Wenn 
der hochgestellte Herr, der ihn herbestellt hatte, nicht bald kam, dann 
würde er sich mit einem Trunkenen unterhalten müssen. 

»Wirt, noch einen Humpen!« 
Diensteifrig eilte der fette Besitzer des >Golden Fox< herbei und 

stellte dem Gast ein neues Bier auf den Tisch. Mit einer tiefen 
Verbeugung entfernte er sich wieder. 

Wieder hatte Richard den Humpen fast geleert, als ein Mann im 

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schwarzen Umhang die Gaststube betrat. Auf dem Kopf trug er eine 
Kapuze, die er so tief in die Stirn gezogen hatte, daß von seinem 
Gesicht kaum etwas zu erkennen war. 

Richard schenkte dem Ankömmling nur einen flüchtigen Blick. Es 

handelte sich offenbar um einen Pfaffen, mit dem er nichts gemein 
hatte. Erst als der Mann an seinen Tisch trat, wurde er aufmerksam. 

»Ihr seid es, Sir Wilhelmus?« fragte er überrascht. »Beinahe hätte 

ich Euch nicht erkannt!« 

»Schweigt still«, zischelte der ältere Ritter, dessen langer, 

schlohweißer Bart unter der Kapuze mehr zu ahnen denn zu sehen 
war. »Wenn mir daran gelegen wäre, daß Ihr meinen Namen laut 
herausschreit, hätte ich mich gewiß nicht in dieser üblen Kaschemme 
mit Euch getroffen.« 

»Verzeiht, ich wußte nicht...« 
Mit einer herrischen Handbewegung schnitt Wilhelmus dem 

jüngeren Mann das Wort ab und zog sich einen Holzschemel heran. 
Argwöhnisch blickte er sich nach allen Seiten um. Aber es war 
niemand in unmittelbarer Nähe, der das Gespräch belauschen konnte. 
Mit Bedacht hatte Richard einen Tisch gewählt, der allein in der 
äußersten Ecke des großen Schankraums stand. 

Kaum hatte Wilhelmus Platz genommen, als auch schon der Wirt 

zur Stelle war. »Was darf ich bringen, Ehrwürdiger?« 

»Einen Becher Wein - vom besten.« 
Flugs brachte der Besitzer des >Golden Fox< das Gewünschte und 

entfernte sich wieder. 

Der Weißbart trank einen Schluck und verzog angewidert das 

Gesicht. »Eine solche Jauche trinken auf Schloß Camelot nicht 
einmal die Schweine«, stellte er fest. »Aber lassen wir dies. 
Schließlich bin ich nicht hergekommen, um meinem Gaumen etwas 
Gutes anzutun.« 

»Ihr wolltet mich sprechen, Sir Wil...« Der drohende Blick  seines 

Gegenübers ließ Richard verstummen. 

Wilhelmus beugte sich über den Tisch. »Ihr wißt, daß Ihr mir noch 

etwas schuldig seid, Richard, nicht wahr?« 

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Der junge Ritter nickte. »Ihr habt vor Jahresfrist meinen Vater 

davor bewahrt, der Schande der Armut anheimzufallen, nachdem er 
all sein Hab und Gut bei einer metseligen Wette verloren hatte. Dafür 
schulden meine Familie und ich Euch Dank.« 

»Der Dank allein genügt mir nicht. Ich erwarte eine geziemende 

Gegenleistung!« 

»Dessen bin ich mir bewußt«, sagte Richard. »Was verlangt Ihr?« 
Wilhelmus beugte sich noch weiter über den Tisch und ließ seine 

Stimme zu einem Flüstern werden. »Kennt Ihr einen gewissen 
Roland?« 

»Den Ritter mit dem Löwenherzen?« 
»Nämlichen, ja.« 
»Ich hatte bisher noch nicht das Vergnügen, ihm persönlich zu 

begegnen. Aber er soll ein gar trefflicher Mann sein, der bei 
jedermann in hohem Ansehen steht.« 

»Pah«, machte der Weißbart. »Roland ist  nichts anderes als ein 

hergelaufener Köhlerbursche, den glückliche Umstände in den 
Ritterstand erhoben!« 

»Ich hörte anderes«, wandte Richard ein. »Man sagt, daß sein Mut 

und seine Kampfeskraft ohnegleichen sind, und er dem Ritterstand 
große Ehre macht. Mit Verlaub gefragt, Ihr mögt den Roland nicht?« 

»Nichts hätte ich gegen ihn, würde König Artus nicht planen, ihn 

in seine Tafelrunde aufzunehmen.« 

»Und das wollt Ihr nicht?« 
»Eine solche Auszeichnung gebührt nur denjenigen, deren Blut 

über jeden Zweifel erhaben ist. Meinem Neffen Douglas Heißblut, 
zum Beispiel!« 

Richard nickte bedächtig. »Ich beginne, zu verstehen. Ihr wollt, 

daß der König statt des Roland Euren Neffen Douglas zum 
Tafelritter auserwählt.« 

»So ist es. Und deshalb muß Roland ... sterben!« 
Richard, der gerade einen kräftigen Schluck Gerstensaft durch 

seine Kehle rinnen ließ, verschluckte sich. »Ihr verlangt von mir, daß 
ich den Ritter Roland töte?« 

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»In. der Tat, dies ist mein Begehr. Erfüllt Ihr mein Verlangen, so 

sei die Schuld Eures Vaters ein für allemal getilgt.« 

Der junge Ritter machte ein betretenes Gesicht. »Mit Verlaub, Sir, 

ich bin gewiß kein Feigling. Aber ich glaube kaum, daß ich im 
Kampf mit einem gewaltigen Recken wie dem Ritter Roland 
erfolgreich bestehen kann. Sein Schwert würde mir den Schädel 
spalten, bevor ich an seiner Rüstung auch nur kratzen könnte.« 

»Dem wäre wohl nicht zu widersprechen«, gab ihm Wilhelmus 

recht. »Allerdings nur unter gewöhnlichen Umständen.« 

»Unter gewöhnlichen Umständen?« echote Richard. 
»Wenn Roland sein Schwert bei sich trägt, könnt ihr in der Tat 

nichts gegen ihn ausrichten. Wenn er jedoch waffenlos ist, und es 
Euch gelingt, keinen Argwohn in ihm aufkommen zu lassen ...« 

»Kein wahrer Ritter trennt sich jemals von seinem Schwert!« 

erwiderte Richard. 

Wilhelmus lächelte. »Der Ritter Roland wird sich sogar für längere 

Zeit von seinem Schwert trennen. Hört zu ...« 

Richard hörte zu. 
Und erklärte sich schließlich mit den Plänen des Weißbärtigen 

einverstanden. 

»Ausgerechnet ins Riesengebirge«, seufzte der Knappe Pierre. 
»Schon allein der Name jagt mir Schauder des Entsetzens den 
Rücken hinunter. Bestimmt gibt es dort leibhaftige Riesen, die uns 
zermahlen und mit Haut und Haaren auffressen werden.« 

Wie ein Häufchen Unglück hockte er auf seinem Pferd, ein Bild 

des Jammers und des Leids. 

Louis, der zweite Knappe Rolands, lachte lauthals. »Du solltest 

froh sein, daß wir diese Wallfahrt unternehmen. Gewiß kann der 
sagenhafte Schwarze Stein auch dich von deiner Krankheit befreien.« 

»Krankheit?« wiederholte Pierre. »Von welcher Krankheit sprichst 

du? Ich bin so gesund wie du!« 

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»Wirklich?« Louis lächelte spöttisch. »Sind nicht Freßsucht und 

deren leibliche Folgen eine unheilbare Krankheit?« 

Entrüstet schnaubte Pierre, gab seinem Freund aber keine Antwort. 
Und es wäre ihm auch schwergefallen, etwas Passendes zu 

erwidern. In der Tat war er ein Mann, dem gutes und reichliches 
Essen über alles ging. Da er darüberhinaus allen körperlichen 
Anstrengungen tunlichst aus dem Wege ging, war es kein Wunder, 
daß sein nicht allzu großer, gedrungener Leib eine gewisse Fülligkeit 
nicht verbergen konnte. Louis hingegen war aus ganz anderem Holz 
geschnitzt. Er war schlank und drahtig und verfügte dennoch über 
ganz erstaunliche Körperkräfte. Während sein dicklicher Freund sich 
am liebsten der Muße und dem  süßen Nichtstun hingab, liebte Louis 
das Abenteuer und ließ keinen Händel aus. Daß er einst sein Brot als 
Räuberhauptmann verdient hatte, konnte und wollte er nicht 
verleugnen. 

Roland, der auf dem Weg zur Burg Arlinghaus an der Spitze ritt, 

war mit beiden Knappen vollauf zufrieden. 

Wenn es brenzlig wurde, konnte er sich auf Pierre ebenso verlassen 

wie auf Louis. Alle beide waren ihm treu ergeben und würden sich 
lieber in Stücke hauen lassen, als ihn im Stich zu lassen. 

Die drei Männer hatten gerade ein Waldstück durchquert und 

kamen jetzt an einen Fluß. Der Fluß war nicht allzu breit, dreißig 
Klafter vielleicht, aber er führte wildes Wasser, das schaumsprühend 
über spitze, bemooste Klippen jagte. Es erschien wenig ratsam, den 
Fluß auf dem Rücken der Pferde zu durchschwimmen. 

Dies war jedoch auch nicht erforderlich. Louis' scharfes Auge hatte 

eine schmale Holzbrücke erspäht, die das Wasser ein Stück 
flußabwärts überspannte. Wenig später hatten Roland und seine 
Gefährten den Übergang erreicht. 

Pierre verzog  das Gesicht. »Sieht höllisch baufällig aus. Ob dieser 

Steg unser Gewicht aushalten kann?« 

Louis grinste. »Unseres schon. Ob er allerdings auch das deinige 

zu tragen vermag ...« 

Der Ritter mit dem Löwenherzen hatte keine Bedenken, sich der 

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Brücke anzuvertrauen. Zwar hatten sich die Planken durch die Nässe 
verzogen. Aber sie waren fraglos stabil genug, um gleichzeitig auch 
zehn Männer gefahrlos hinüberreiten zu lassen. Entschlossen trieb er 
sein Reittier auf den Steg, der linker Hand von einem einfachen 
Bohlengeländer gesäumt wurde. 

Louis schloß sich ihm unverzüglich an. Und da wollte natürlich 

auch Pierre nicht zurückstehen und folgte ebenfalls. 

Roland warf einen Blick auf das Flußbett, das etwa eine gute 

Körperlänge unterhalb der Brücke lag. Der Fluß schien tiefer zu sein, 
als es vom Ufer aus den Anschein gehabt hatte. Roland konnte den 
Grund nicht erkennen. Aber auch hier ragten schroffe Felsen aus dem 
Wasser, die von der Strömung gepeitscht wurden und Gischtkronen 
trugen. 

Die drei Reiter hatten den Steg etwa zur Hälfte überquert, als am 

gegenüberliegenden Ufer urplötzlich mehrere Männer unter den 
Bäumen hervortraten. Vier, fünf kräftige Burschen waren es, mit 
abgerissener Kleidung und struppigen Bärten. Es hätte der Waffen in 
ihren Händen gar nicht bedurft, um Roland augenblicklich wachsam 
werden zu lassen. Allein die äußere Erscheinung der Kerle versprach 
wenig Gutes. 

Mit einem Schenkeldruck brachte der Ritter mit dem Löwenherzen 

sein Pferd zum Stehen. Auch Pierre und Louis zügelten sogleich ihre 
Reittiere. 

Die fünf Gesellen bauten sich jetzt am Ende der Brücke auf, 

machten jedoch keine Anstalten, diese zu betreten. Ein 
breitschultriger Hüne, dessen grobes Gesicht durch eine Augenklap-
pe verunziert wurde, schob sich nach vorne. 

»Bleibt, wo Ihr seid!« brüllte er. 
Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, traten zwei der 

anderen Kerle an seine Seite. Jeder der beiden hob einen gespannten 
Bogen. Zwei lange, gefiederte Pfeile lagen auf den Sehnen, bereit, 
jeden Augenblick loszuschnellen. 

Roland biß sich auf die Unterlippe. Zwar hatte die Wallfahrt zum 

Schwarzen Stein noch nicht begonnen, so daß er und seine Knappen 

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Waffen bei sich tragen durften. Aber diese Waffen nutzten ihnen 
jetzt nicht viel. Im Nahkampf wären er, Louis und Pierre gewiß mit 
diesen wüsten Gesellen fertig geworden. Der Umstand jedoch, daß er 
und die Seinen förmlich auf dem schmalen Steg gefangen waren, gab 
den Bogenschützen alle Vorteile in die Hand. 

»Was wollt ihr von uns?« rief er zum Ufer hinüber. 
Der  Mann mit der Augenklappe lachte dröhnend. »Das fragt Ihr? 

Wir wollen Eure Pferde, Eure Waffen und Euer Geld. Gebt uns, was 
wir verlangen, und Ihr dürft Eures Weges schreiten. Weigert Ihr 
Euch jedoch, findet Ihr Euch auf dem Grund des Flusses wieder.« 

Das waren deutliche, unmißverständliche Worte, die der Anführer 

der Wegelagerer da von sich gegeben hatte. Roland warf einen 
schnellen Blick zum anderen Ufer zurück. Es war bereits zu weit 
entfernt, um rasch erreicht werden zu können. Auf dem schmalen 
Steg  würde das Wenden der Pferde so viel Zeit in Anspruch nehmen, 
daß die Räuber in aller Gemütsruhe mehrmals ihre Pfeile abschießen 
konnten. 

Der Einäugige wurde ungeduldig. »Los, runter von den Gäulen«, 

kommandierte er. »Und zwar ein bißchen plötzlich!« 

Pierre war wachsbleich im Gesicht geworden. »Tun wir, was sie 

sagen. Wenn ich mir vorstelle, daß mir so ein Pfeil im Bauch steckt, 
wird mir ganz schlecht.« 

Davon hielt Louis gar nicht viel. »Geben wir unseren Pferden die 

Hacken zu spüren und reiten wir das Gesindel über den Haufen«, 
schlug er vor. 

»Nein«, sagte Roland, »das wäre unser Tod. Wir tun zunächst so, 

als würden wir auf die Kerle eingehen.« 

Langsam, ganz langsam stieg er vom Rücken seines Pferdes und 

stellte sich auf den schlüpfrigen Steg. Pierre beeilte sich, seinem 
Beispiel zu folgen. Louis hingegen zögerte. 

»Brauchst du eine besondere Einladung?« brüllte ihn der Anführer 

der Wegelagerer an. »Kannst du haben!« Er wandte sich an einen 
seiner Kumpane. »Jag ihm einen Pfeil zwischen die Rippen, 
Pankraz!« 

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Der Angesprochene richtete seinen Bogen auf Louis, kniff ein 

Auge zu, um besser zielen zu können. Das genügte, um den Knappen 
anderen Sinnes werden zu lassen. Im nächsten Augenblick stand 
auch er neben seinem Reittier. 

»Bist ein kluges Bürschchen«, lobte der Mann mit der 

Augenklappe höhnisch. »So, und jetzt macht Eure Waffen an den 
Pferden fest und packt auch Euer Geld dazu. Dann schickt die Gäule 
zu uns rüber.« 

Louis bebte vor Zorn. »Sollen wir uns von diesem Pack wirklich 

zu Hanswursten machen lassen, Ritter Roland?« 

»Mitnichten«, gab der Ritter mit dem Löwenherzen flüsternd 

zurück. »Hör zu. Du und Pierre, ihr bleibt hier bei den Pferden. Ich 
lenke die Kerle ab. Und wenn ihr Gelegenheit zum Eingreifen findet, 
dann schlagt zu!« 

»Ich ... verstehe nicht...« 
»Du wirst gleich verstehen, was ich meine!« 
»Legt die Waffen ab!« brüllte der Mann mit der Augenklappe. 

»Unsere Geduld ist jetzt zu Ende.« 

Roland griff zum Waffengürtel, zog sein Schwert aus der Scheide. 

Dann handelte er so schnell, daß alle ganz und gar überrascht wurden 
- seine beiden Knappen ebenso wie die Wegelagerer am Flußufer. Er 
stieß sich von den Planken der Brücke ab und warf sich mit einem 
mächtigen Satz in das schäumende Wasser. Er hatte sich vorher ganz 
genau angesehen, wohin er sprang. So geriet er nicht in Gefahr, auf 
einem der scharfkantigen Felsen aufzuschlagen, die aus dem Fluß 
herausragten. 

Tief tauchte er in das Wasser ein. Zwar trug er keinen Harnisch, 

aber auch das metallene Kettenhemd wog einiges. Das Gewicht zog 
ihn nach unten, so weit, daß er mit dem Schwert in der 
ausgestreckten Hand den Grund des Flusses berührte. Aber das war 
dem Ritter mit dem Löwenherzen durchaus recht. Je mehr Wasser 
zwischen ihm und der Oberfläche lag, desto sicherer konnte er sein, 
von den Pfeilen der Wegelagerer nicht getroffen zu werden. 

Bevor er untertauchte, hatte er seine Lungen mit Luft vollgepumpt. 

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Er würde es jetzt eine ganze Weile unter Wasser aushalten können. 
Der Fluß war kalt, eiskalt. Aber das machte Roland nichts aus. Wind 
und Wetter hatten seinen Körper abgehärtet. Der Frost, der ihm in die 
Glieder kroch, beeinträchtigte seine Handlungsfähigkeit in keiner 
Weise. Mehr machte ihm schon der Umstand zu schaffen, daß das 
Wasser trübe und schlammig war. Obwohl er die Augen weit 
aufgerissen hatte, konnte er kaum seine ausgestreckte Hand 
erkennen. 

Dennoch wußte er ganz genau, welchen Weg er einzuschlagen 

hatte. Mit kräftigen Schwimmbewegungen entfernte er sich von der 
Flußmitte und strebte dem Ufer entgegen. 

Die Strömung war recht stark. Sie zerrte mit aller Macht an Roland 

und versuchte, ihn mit sich zu ziehen. Der Ritter mit dem 
Löwenherzen kämpfte hartnäckig dagegen an. Wenn er zu weit 
abtrieb, hatte er nichts gewonnen. Seine Absicht war es, unmittelbar 
vor den Wegelagerern aus dem Fluß aufzutauchen, so daß diese von 
ihren Pfeilen keinen Gebrauch mehr machen konnten. 

Der Kampf gegen die Strömung kostete Kraft. Bald schon merkte 

Roland, daß ihm die Luft knapp wurde. Zu gerne hätte er kurz den 
Kopf aus dem Wasser gesteckt, um tief einzuatmen. Aber das konnte 
er nicht wagen. Damit würde er den am Ufer Lauernden seine 
Position verraten und eine Überraschung unmöglich machen. 

Im letzten Augenblick gelang es ihm, einer Klippe auszuweichen, 

die jetzt vor ihm aufragte. Mühevoll umschwamm er sie, wobei die 
Strömung alle Anstrengungen unternahm, ihn gegen den Felsen zu 
pressen. Endlich wurde die Kraft des Flusses schwächer. Das war ein 
deutliches Zeichen dafür, daß er jetzt nicht mehr weit vom Ufer 
entfernt sein konnte. Noch ein paar Schwimmstöße, dann wurde das 
Wasser flach. Er spürte Boden unter den Füßen, mußte seinem Ziel 
ganz nahe sein. 

Roland tauchte auf, stieß pfeifend die verbrauchte Luft aus, die 

seine Lungen zu sprengen drohte. 

Da waren die Wegelagerer, doch noch weiter von ihm entfernt, als 

er gehofft hatte. Sechs, sieben Körperlängen mochten es sein, die 

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zwischen ihm und den Kerlen lagen. Er hatte nicht vermeiden 
können, von der Strömung ein ganzes Stück abgetrieben zu werden. 
Bis zum Ufer mußte er noch zehn, zwölf Ellen zurücklegen. 

Auch die Wegelagerer sahen ihn jetzt. Sie erhoben ein lautes 

Gebrüll, fuchtelten mit den Armen in der Luft herum. Aber sie 
verloren nur wenig Zeit. Schon brachten die beiden Bogenschützen 
ihre Pfeile in Anschlag. 

Da hörte Roland die laute Stimme seines Knappen Louis. Aus den 

Augenwinkeln, die noch vom Flußwasser getrübt waren, sah er, wie 
der treue Bursche die Brücke entlangrannte - den Räubern entgegen. 

Für den Augenblick waren die Kerle unentschlossen, gegen wen 

sie sich nun zuerst wenden sollten. Diese Gelegenheit nutzte der 
Ritter mit dem Löwenherzen. Er stand noch bis zur Hüfte im seichten 
Wasser, stapfte jetzt los. 

»Schießt auf den Ritter!« brüllte der Mann mit der schwarzen 

Augenklappe. 

Das Wasser war flacher geworden, reichte Roland nur noch bis zu 

den Oberschenkeln. Aber er hatte immer noch mehrere Schritt bis 
zum Ufer zurückzulegen. 

Der erste Pfeil jagte auf den Ritter mit dem Löwenherzen zu. 

Schnell wie der Blitz warf sich Roland zur Seite. 

Gerade noch rechtzeitig, um der Flugbahn des mörderischen 

Geschosses auszuweichen. Der Pfeil streifte nur sein Kettenhemd, 
klatschte dann harmlos ins Wasser. 

Durch sein Ausweichmanöver hatte Roland den Boden unter den 

Füßen verloren. Er geriet mit Kopf und Oberkörper wieder unter die 
Wasseroberfläche. 

Das war sein Glück! 
Der zweite Pfeil pfiff wenige Zoll über den Wellen dahin, genau an 

der Stelle, wo er soeben noch gestanden hatte. Als Roland wieder 
auftauchte, waren die beiden Bogenschützen dabei, neue Pfeile auf 
die Sehnen zu legen. 

Inzwischen hatte sich auch Pierre aufgerafft, zum Ufer zu laufen. 

Louis war bereits fast am Ende des Steges angekommen. In der 

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Rechten schwang er einen Hirschfänger, mit dem er genauso gut 
umzugehen verstand wie die meisten Ritter mit ihrem Schwert. 

Der Einäugige und die beiden anderen Wegelagerer stellten sich 

ihm entgegen. Aus diesem Grunde fanden sie auch keine Zeit, sich 
um Roland zu kümmern, der jetzt wieder auf den Füßen war und sich 
durch das seichte Wasser zum Ufer vorkämpfte. 

Der eine der beiden Bogenschützen war außerordentlich behende. 

Schon hob er den Bogen wieder. Einen Schritt war Roland noch vom 
Ufer entfernt, da schwirrte der Pfeil bereits durch die Luft. 

Es schien keine Rettung mehr für den Ritter mit dem Löwenherzen 

zu geben. Unweigerlich würde ihn das Geschoß durchbohren, denn 
auf diese kurze Entfernung bot auch sein Kettenhemd keinen Schutz 
gegen die eiserne Spitze des Pfeils. 

Aber Roland gelang das schier Unmögliche. Seine rechte Hand 

zuckte nach vorne, so schnell, daß niemand mit den Augen zu folgen 
vermocht hätte. Die scharfe Klinge seines Schwerts traf den Pfeil in 
der Mitte, zerschnitt ihn in zwei Teile. Unschädlich fielen die beiden 
Bruchstücke in den feuchten Sand. Bevor der zweite Mann 
schußbereit war, stürmte der Ritter mit dem Löwenherzen die leicht 
ansteigende Uferböschung hinauf. 

Mittlerweile war Louis mit den drei anderen Kerlen handgemein 

geworden. Und es sah nicht gut für ihn aus. Zwei der Wegelagerer 
hatten lange Messer gezückt, die nicht weniger gefährlich waren als 
der Hirschfänger des Knappen. Und der dritte schwang einen 
Morgenstern mit mörderischen Eisenspitzen. Louis brauchte seine 
ganze Geschicklichkeit, um den ersten Attacken seiner Gegner 
auszuweichen. Pierre, der nicht der Schnellste auf den Beinen war, 
bemühte sich, seinem Freund zu Hilfe zu eilen. 

Roland war jetzt bis auf zwei Körperlängen an den zweiten 

Bogenschützen herangekommen. Da passierte ihm ein böses 
Mißgeschick. Seine Schnürstiefel waren im Wasser glatt und rutschig 
geworden. Als er auf den Wegelagerer losgehen wollte, glitt er auf 
dem mit Gras bewachsenen Hang aus und stürzte rücklings zu 
Boden. 

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Der Räuber lachte triumphierend. Er richtete den wieder 

gespannten Bogen auf Roland. Der Pfeil zielte genau  auf die Kehle 
des am Boden Liegenden. 

»Grüß mir den Teufel, Ritter!« 
Roland blickte dem Tod ins Auge. Der Mann stand unmittelbar vor 

ihm. Es war vollkommen unmöglich, dem Pfeilschuß jetzt noch 
auszuweichen. 

Da jedoch, geschah etwas, womit weder die Wegelagerer noch 

Roland und seine ebenfalls schwer in Bedrängnis geratenen Knappen 
gerechnet hatten. 

»Halt!« ertönte eine befehlende Stimme im Rücken des 

schußbereiten Bogenschützen. 

Der Mann fuhr herum. 
Und sah, wie Roland auch, einen jungen Ritter mit blitzendem 

Schwert vor sich stehen. Der Ritter mußte, von allen unbemerkt, aus 
dem Wald gekommen sein. 

Nie in seinem Leben hatte Roland einen Angehörigen seines 

Standes so willkommen geheißen. Er hielt sich aber nicht lange 
damit auf, sich am Anblick des fremden Ritters zu erfreuen. Er 
richtete sich ruckartig auf. Bevor der abgelenkte Bogenschütze etwas 
unternehmen konnte, hieb er von unten mit dem Schwert gegen den 
Pfeil. Dieser löste sich von der Sehne und schoß hoch in den blauen 
Himmel. 

Im nächsten Augenblick stand Roland auf den Füßen. 
Der zweite Bogenschütze hatte einen neuen Pfeil hervorgeholt. 

Aber der Ritter mit dem Löwenherzen gab ihm keine Gelegenheit, 
den Bogen schußbereit zu machen. Mit einem wuchtigen Fußtritt 
streckte er den Kerl zu Boden. 

»Nehmt Euch dieser beiden Halunken an«, rief er dem fremden 

Ritter zu. Dann rannte er zur Brücke hinüber, wo sich Louis und 
Pierre mit den drei anderen Wegelagerern herumschlugen. 

Die drei sahen ihn kommen. Augenblicklich rutschte ihnen das 

Herz in die Hose. 

»Weg hier!« rief der Mann mit der schwarzen Augenklappe. 

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»Nichts wie weg hier!« 

Das ließen sich seine beiden Kumpane nicht zweimal sagen. Sie 

ließen augenblicklich von Louis und Pierre ab und rannten davon. 
Auch die beiden Bogenschützen und der Anführer der Wegelagerer 
ergriffen das Hasenpanier. In Sekundenschnelle waren alle fünf 
zwischen den Bäumen des Waldes untergetaucht. 

Roland betrachtete es unter seiner Würde, den Kerlen 

nachzusetzen. So viel Aufhebens war Gesindel dieses Schlages gar 
nicht wert. Er wandte sich an den fremden Ritter. 

»Wir danken Euch für Eure Hilfe«, sagte er. »Wenn Ihr nicht 

gekommen wärt...« 

Der Ritter lächelte. »Hilfe? Aber ich habe ja gar nichts getan. 

Gestattet, daß ich mich vorstelle. Mein Name ist Richard.« 

»Ich kam zufällig des Weges, hörte das Kampfgeschrei und eilte 
herbei«, erklärte der Ritter Richard. »Und bevor ich richtig 
eingreifen konnte, suchten die Halunken bereits das Weite.« 

»Wir sind Euch dennoch  zu größtem Dank verpflichtet«, erwiderte 

Roland. »Was können wir tun, um uns dankbar zu erweisen? Gibt es 
irgend etwas, das Euch Freude bereiten würde?« 

Der Ritter Richard schüttelte den Kopf. Sein gut aussehendes, 

männliches Gesicht verdüsterte sich. »Es gibt in dieser Welt nichts 
mehr, über das ich mich freuen könnte.« 

Erstaunt sah Roland ihn an. »Das sind bittere Worte für einen 

Mann Eures Alters. Zwei Drittel Eures Lebens liegen noch vor Euch. 
Wie kommt es, daß Ihr so freudlos in die Welt blickt? Eine 
enttäuschte Liebschaft vielleicht?« 

»Nein«, erwiderte Richard einsilbig. 
Roland zuckte die Achseln. »Ich will natürlich nicht in Euch 

dringen. Wenn Ihr nicht darüber reden wollt...« 

Die Miene des jungen Ritters wurde noch düsterer. »Wer redet 

schon gerne davon, daß er bald sterben muß?« 

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»Was sagt Ihr da?« 
»Ihr habt ganz richtig gehört«, sagte Richard. »Ich bin ein 

todgeweihter Mann.« 

»Aber ... wieso?« wunderte sich Roland. »Wenn ich Euch so 

betrachte ... Ihr seht kräftig und gesund aus. Das blühende Leben 
sozusagen!« 

»Der Schein trügt, Roland. Eine schleichende Krankheit hat sich in 

meinem Körper eingenistet, eine Krankheit, gegen die kein 
Heilkundiger ein Mittel weiß. Sie frißt und frißt in mir, und eines 
Tages in gar nicht so ferner Zukunft...« Richard brach ab und zwang 
ein mühevolles Lächeln auf seine Züge. »Aber sprechen wir über 
etwas anderes. Ich will Euch nicht mit meinem Leiden belästigen.« 

»Von Belästigung kann gar keine Rede sein«, widersprach der 

Ritter mit dem Löwenherzen entschieden. »Ich stehe in Eurer Schuld 
und betrachte es als meine Pflicht, Euch zu helfen.« 

»Es gibt keine Hilfe für mich.« 
»Seid Ihr da ganz sicher?« 
»Alle Heilkundigen, an die ich mich gewandt habe, sind sich 

sicher, daß meine Krankheit nicht kuriert werden kann, sondern zu 
einem qualvollen Tod führen wird.« 

Roland kratzte sich am Kinn, dachte angestrengt nach. »Vielleicht 

gibt es doch noch eine Rettung für Euch«, sagte er nach einer ganzen 
Weile. »Eine Rettung, die nicht von Badern und Ärzten kommt.« 

»Sondern?« 
»Habt Ihr je vom Kloster zum Schwarzen Stein gehört?« 
»Nein.« 
»Es liegt irgendwo im fernen Riesengebirge, und wir befinden uns 

auf dem Wege dorthin.« 

Roland erzählte dem jungen Ritter, welche Bewandtnis es mit dem 

legendären Schwarzen Stein hatte. Aufmerksam, sehr aufmerksam 
hörte Richard zu. 

»Glaubt Ihr wirklich, daß mir der Schwarze Stein helfen kann?« 

fragte er, als Roland zum Schluß gekommen war. 

»Man sagt, daß der Stein alle Leiden eines gottesfürchtigen 

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Menschen zu heilen vermag. Warum also nicht auch das Eure? Sagt 
selbst, Ritter Richard!« 

»Ich ... ich weiß nicht.« 
Roland klopfte seinem Standesgenossen auf die Schultern. 

»Warum begleitet Ihr uns nicht ins Riesengebirge? Ich glaube kaum, 
daß Graf Eduard von Arlinghaus etwas dagegen einzuwenden haben 
wird. Und was habt Ihr zu verlieren? Nichts! Ihr könnt nur gewinnen 
- Euer Leben nämlich. Nun, was sagt Ihr?« 

»Ich werde es mir überlegen.« 
»Tut das.« Roland nickte ihm zu und sah dann nach seinen beiden 

Knappen. 

Pierre und Louis hatten im Kampf mit den Wegelagerern ein paar 

Blessuren abbekommen. Louis blutete aus einer Stichwunde am 
linken Arm, während sein dicklicher Freund ein eingerissenes Ohr 
zur Schau stellte. Der Morgenstern des Einäugigen hatte ihn zum 
Glück nur gestreift. Beide Verletzungen waren  halb so wild und 
würden in ein paar Tagen so gut wie vergessen sein, auch wenn 
Pierre jetzt noch jammerte und zeterte, als habe man ihm den Kopf 
abgerissen. Die beiden Knappen hatten die Wunden im Fluß 
gesäubert und sich dann gegenseitig verbunden. 

Seit der Flucht der Wegelagerer war inzwischen geraume Zeit 

vergangen. Die Halunken hatten sich nicht wieder blicken lassen. 
Und daran würde sich vermutlich auch nichts ändern. 

»Können wir weiterreiten?« erkundigte sich Roland. 
»Ich bin bereit«, erklärte Louis unverzüglich. 
Pierre murmelte etwas davon, daß er besser nach Camelot 

zurückkehren sollte, um seine mörderische Verletzung im Bett 
auszukurieren. Aber er murmelte es so leise, daß es sein Herr nicht 
verstehen konnte. In seinem Namen gab Louis bekannt, daß auch er 
zur Fortsetzung der Reise bereit war. 

Wenig später fügte es sich, daß nicht nur drei, sondern vier Männer 

zur Burg Arlinghaus reiten würden. Der Ritter Richard schloß sich 
den Gefährten an. 

Und er wollte auch die Wallfahrt zum Schwarzen Stein 

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mitmachen... 

»Willkommen auf Burg Arlinghaus, Ritter!« 

Graf Eduard empfing Roland im großen Saal. Er streckte ihm 

erfreut die Hand entgegen und schüttelte sie. Sein Händedruck war 
kräftig und männlich und paßte ganz zu seiner stattlichen, 
breitschultrigen Statur. Obzwar sich in seinem dunklen Haar bereits 
eine Reihe von Silberfäden zeigte, und er die ersten fünf Jahrzehnte 
seines Lebens gewiß schon hinter sich hatte, war er nach wie vor ein 
ansehnlicher Mann. Das einzige, was an ihm nicht bärenstark wirkte, 
war sein linker Arm, der dick verbunden war und schlaff nach unten 
hing. 

Roland nahm sich die Freiheit, auf den Arm zu deuten. »Habt Ihr 

dort die Verletzung, die Euch so schwer zu schaffen macht, Graf 
Eduard?« erkundigte er sich. 

Der Burgherr nickte betrübt. »Ursprünglich war es nur ein ganz 

harmlos aussehender Kratzer, dann aber begann die Wunde gar 
schrecklich zu brennen und zu eitern, und so ist es bis zum heutigen 
Tage geblieben. Der Grund dafür ist  mir inzwischen klar geworden. 
Der Haderlump, der mir den Kratzer zufügte, hatte die Spitze seines 
Schwerts in einen Giftsud getaucht, so daß bereits die kleine 
Berührung genügte, um mich auf Dauer dem Siechtum anheimfallen 
zu lassen.« 

Roland runzelte die  Stirn. »Es muß ein gar ehrloser Schurke 

gewesen sein, der sich mit solcher Hinterlist seines Schwertes 
bediente.« 

»Er büßte mit seinem Leben für die Heimtücke, die nicht seine 

einzige war«, antwortete der Graf grimmig. »Walther war eine 
Schande für den gesamten edlen Ritterstand, was man von Euch 
gewiß nicht sagen kann. Seid Ihr jener Roland, der den Drachen 
Fasolt erschlug und die blutige Gräfin zähmte?« 

»Ja.« 

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»Dann bin ich ganz sicher, daß mir mein alter Freund Artus keinen 

trefflicheren Mann hätte schicken können. Man rühmt Euren Namen 
in allen Landen.« 

»Zu viel der Ehre, Graf Eduard«, sagte Roland bescheiden. 
»Ehre, wem Ehre gebührt. Stellt Euer Licht nicht unter den 

Scheffel. Ich frage mich, ob eine friedfertige Wallfahrt Eurem 
ungestümen Herzen nicht  zu langweilig erscheint. Als ich so jung 
war wie Ihr, hätte ich Besseres im Sinne gehabt.« 

»Macht Euch darob keine Gedanken, Graf. Es soll mir ein großes 

Vergnügen sein, Euch auf Eurer Reise zu begleiten.« 

»Ihr wißt, daß Ihr keine Waffen bei Euch tragen dürft?« 

vergewisserte sich der Burgherr. 

»König Artus sagte es mir, ja. Und deshalb wird die Wallfahrt 

vielleicht doch nicht so ... langweilig, wie Ihr gerade meintet. Der 
Weg ins Riesengebirge ist weit, und es gibt viele Niederträchtige, die 
uns unterwegs Ärger bereiten könnten. Auf der Reise zu Eurer Burg 
bekamen wir bereits einen kleinen Vorgeschmack möglichen Übels.« 

Roland erzählte dem Grafen von dem Überfall der Wegelagerer 

und seinem Zusammentreffen mit dem Ritter Richard. 

»Habt Ihr etwas dagegen, wenn uns Richard auf der Pilgerfahrt 

zum Schwarzen Stein begleitet?« fragte er zum Abschluß. 

»Mitnichten, Roland, mitnichten«, entgegnete Graf Eduard. »Je 

größer unsere Gruppe ist, desto besser sind wir gegen mögliche 
Unbillen gewappnet. Nicht nur ich und Euer Freund Richard suchen 
Hilfe im Kloster zum Schwarzen Stein. Meine Absicht, ins 
Riesengebirge zu pilgern, hat sich herumgesprochen. Mehrere Leute, 
die ebenfalls an schweren Gebrechen leiden, sind hergekommen, um 
an der Wallfahrt teilzunehmen. Kommt, ich mache Euch bekannt.« 

Zunächst lernte Roland Bruder Gotthilf kennen, einen 

rotgesichtigen, wohlbeleibten Wandermönch, der an ständigen 
heftigen Gliederschmerzen litt. Diese Schmerzen, die manchmal so 
schlimm waren, daß er sich  kaum bewegen konnte, wollte er im 
Kloster zum Schwarzen Stein loswerden - wenn es Gott gefiel. 

Dann war da der Kaufmann Mehlsack, der es an Leibesfülle leicht 

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mit Bruder Gotthilf aufnehmen konnte. Ob er wirklich so hieß oder 
wegen seines fetten Wanstes nur so genannt wurde, stand dahin. In 
jedem Fall aber litt der Kaufmann an Atemnot. Mehlsack besaß auch 
noch einen langen, dürren Diener, der auf den Namen Theophil hörte 
und auf Roland einen ausgesprochen dümmlichen Eindruck machte. 

Zum Schluß machte der Ritter mit dem Löwenherzen dann noch 

eine Bekanntschaft, die sein leicht entflammbares Herz schneller 
schlagen ließ. Sie hieß Eloise und war ein gar prächtiges 
Frauenzimmer. Ihr feingeschnittenes Gesicht wurde von wallendem 
Schwarzhaar umrahmt, das in der Sonne wie gesponnene Seide 
glänzte. Ihre strahlenden blauen Augen nahmen Roland auf der Stelle 
gefangen. Dazu kam ein Körper, der es jedem echten Mann sofort 
heiß in den Lenden werden ließ. Und Roland war ein echter Mann. 
Am liebsten hätte er das herrliche Mädchen unverzüglich in seine 
Arme gerissen und zum nächsten Bett getragen. Aber das tat er 
natürlich nicht, denn er wußte sehr wohl, wie man einer Dame vom 
Stande begegnete. Aus dem gleichen Grunde fragte er auch nicht, 
warum die schöne und so blühend aussehende Eloise zum Schwarzen 
Stein wallfahren wollte. Graf Eduard wußte es ebenfalls nicht, denn 
sie hatte auch ihm gegenüber Stillschweigen bewahrt. Aber Roland 
hoffte zuversichtlich, daß ihm die Jungfer während der Pilgerfahrt ihr 
Herz noch ausschütten würde. Eloise hatte eine Zofe namens Marie, 
ein junges, hübsches Ding mit prallen Rundungen, die normalerweise 
durchaus Rolands Wohlgefallen gefunden hätte. Neben ihrer Herrin 
verblaßte die Kleine jedoch so sehr, daß er kaum einen zweiten Blick 
für sie übrig hatte. Graf Eduard hatte schon alle Reisevorbereitungen 
getroffen. Dem Aufbruch am nächsten Tage stand nichts entgegen. 

Seit mehreren Tagen waren die Wallfahrer nun unterwegs. Allzu 
schnell kamen sie nicht voran, wofür es verschiedene Gründe gab. 
Der armverletzte Graf und die beiden Mädchen waren für einen 
anhaltenden zügigen Galopp nicht geschaffen.. Bei einem solchen 

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hätte auch Bruder Gotthilf nicht mithalten können, denn der Mönch 
ritt nicht auf einem Pferd, sondern auf einem Esel, der sich zudem 
des öfteren als recht störrisch erwies. Und der Kaufmann Mehlsack 
entpuppte sich als gar wehleidiger Bursche, der am liebsten nach 
jeder zurückgelegten Meile eine ausgedehnte Rastpause eingelegt 
hätte. 

All dies gefiel Roland ganz und gar nicht. Zudem fühlte er sich 

ohne sein Schwert geradezu nackt. Schon jetzt begann er zu ahnen, 
daß die Wallfahrt alles andere als ein Vergnügen werden würde, und 
er wünschte sich, daß die Reise recht bald zu Ende sein möge. Aber 
davon konnte wahrlich noch keine Rede sein. Der Weg bis zum 
Riesengebirge war weit, sehr weit sogar. 

Gegenwärtig durchquerten die Wallfahrer ein leicht hügeliges 

Gelände, das recht steinig war und sich kaum zum Ackerbau eignete. 
Kein Wunder deshalb, daß es schon eine ganze Weile her war, seit 
sie die letzte menschliche Ansiedlung gesehen hatten. 

Mit einer gewissen Besorgnis blickte Roland zum Himmel. 

Zusehends neigte sich die Sonne dem Horizont entgegen. Es würde 
nicht mehr lange dauern, bis die Dämmerung ins Land zog. Und der 
Gedanke, irgendwo im Freien übernachten zu müssen, wollte ihm 
überhaupt nicht gefallen. Hoffentlich erreichten sie vor Anbruch der 
Dunkelheit doch noch ein Dorf oder wenigstens ein Gehöft. 

Rolands Hoffnungen erfüllten sich. Als die ersten Abendnebel zu 

wallen begannen, begegnete den Wallfahrern ein Schäfer mit seiner 
Herde. Und wo Schafe waren, da konnte auch die nächste 
Ansiedlung nicht allzu fern sein. 

So war es denn auch. Der Schäfer tat ihnen kund, daß sich am Fuß 

der Hügelkette das Dorf Webern befand, in dem es auch einen 
großen Gasthof geben sollte. Eine gute halbe Stunde später tauchten 
die Lichter des Dorfes dann im Zwielicht auf. 

Der Gasthof war neben der Kirche das größte Haus in Webern. 

Während sonst fast nur ärmliche  Holzkaten zu sehen waren, hatte 
man die beiden zentralen Gebäude aus festem Stein 
zusammengefügt. Neben dem geräumigen Schankraum hatte das 

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Wirtshaus auch mehrere Unterkünfte zwecks Übernachtung zu bieten 
und natürlich auch einen Stall, in dem die Reittiere versorgt werden 
konnten. 

Das Essen, das die Wirtsleute anzubieten hatten, erfüllte hingegen 

nur die einfachsten Ansprüche. Die karge Landschaft ringsum, die 
neben der Schafhaltung nur eine mühselige Feldwirtschaft erlaubte, 
machte sich auf dem Küchenzettel bemerkbar. Es gab kein Fleisch, 
sondern lediglich Grütze, Gemüse und Brot. Immerhin mußten die 
durstigen Kehlen nicht darben. Der Wirt hatte einen selbstgebrauten 
Haferbrand im Ausschank, und auch der herbe Wein, mit dem er die 
Krüge füllte, ließ sich gut trinken. 

Dennoch begann sich der klobige Holztisch, an dem die Wallfahrer 

die Abendmahlzeit eingenommen, alsbald zu leeren. Graf Eduard, 
dem die beste Schlafstube des Hauses vorbehalten war, zog sich als 
erster zurück. Sein verletzter Arm machte ihm  wieder schwer zu 
schaffen, und er hoffte, im Schlaf eine Linderung seiner grimmigen 
Schmerzen zu erfahren. 

Zu Rolands Betrübnis blieb auch die schöne Eloise nicht lange. 

Wieder einmal hatte er keine Gelegenheit, seine Bekanntschaft mit 
dem Mädchen zu vertiefen. Seit der Abreise von Burg Arlinghaus 
hatte er nur das Nötigste mit ihr gesprochen. Eloise hielt sich ganz 
für sich und war auch während des Rittes ungewöhnlich schweigsam 
und in sich gekehrt. Fast schien es Roland so, als hätte sie eine Scheu 
vor den Menschen. Noch immer wußte er nicht, aus welchem Anlaß 
sie eigentlich die Pilgerfahrt zum Schwarzen Stein unternahm. 

Nicht nur er sah die junge Frau mit Bedauern gehen. Die Blicke, 

die ihr der Ritter Richard nachsandte, als sie mit ihrer Zofe den 
Schankraum verließ, sprachen für sich. Ein Funkeln lag in seinen 
Augen, ein Funkeln der Begierde, das Roland mit großem 
Mißvergnügen zur Kenntnis nahm. Dabei konnte er seinem 
Standesbruder diese Begierde gar nicht verübeln. Eloise war nun 
einmal eine Frau, die glühende Liebeslust in einem Mann entfachte. 

Richard bemerkte, daß der Ritter mit dem Löwenherzen ihn scharf 

musterte. Er verzog sein Gesicht zu einem Grinsen. »Ihr würdet auch 

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schnell Eure Hosen fallen lassen, wenn sie Euch in ihr Bettchen 
bittet, nicht wahr, Roland?« 

Der Kaufmann Mehlsack lachte wiehernd. »Mir wäre sie im Bett 

auch lieber als ein heißer Ziegelstein!« 

Roland blickte ihn durchdringend an. »Hüte dein loses Mundwerk, 

Krämerseele«, fuhr er den Dicken an. »Es steht dir nicht zu, solche 
Reden über eine Dame vom Stande zu führen, merk dir das!« 

Mehlsack verschluckte sich und fing an zu husten. Dann hatte er 

eine ganze Weile damit zu tun, seiner krankhaften Kurzatmigkeit 
wieder Herr zu werden. 

Bruder Gotthilf nickte dem Ritter mit dem Löwenherzen beifällig 

zu. »Recht habt Ihr, ihn zurechtzuweisen, mein Sohn. Es ist dem 
Herrn nicht gefällig, eine Frau nur als einen Gegenstand anzusehen, 
der der Befriedigung niederer Triebe dient.« 

Über die sogenannten niederen Triebe war Roland anderer Ansicht. 

In seinen Augen gehörte die Minne zu den schönsten Dingen, die es 
auf der Welt gab. Aber das konnte der Mönch, der ein 
Keuschheitsgelübde abgelegt hatte, natürlich nicht wissen. Dafür war 
ihm aber wohl die ewige Seligkeit gewiß, über die sich Roland 
allerdings jetzt noch keine Gedanken machte. 

Pierre und Louis beteiligten sich nicht an dem Gespräch. Sie saßen 

zusammen mit Mehlsacks Diener Theophil an einem anderen Tisch 
und widmeten sich dem Würfelspiel. Auch Roland hätte Lust und 
Laune gehabt, sich  die Zeit beim Würfeln zu vertreiben. Aber er fand 
niemanden, mit dem er spielen konnte. Sich mit der Dienerschaft zu 
messen, geziemte sich nicht. Auch Mehlsack kam aus denselben 
Gründen nicht in Frage. Blieben also nur Bruder Gotthilf und 
Richard. Der Mönch lehnte sein Ansinnen rundheraus ab. 

»Die Würfel sind ein Werkzeug des Teufels, mein Sohn«, 

verkündete er im predigenden Tonfall. »Wer ihnen verfällt, der 
entsagt damit dem Himmelreich.« 

Auch diese Ansicht des frommen Mannes konnte Roland nicht 

teilen. Richard schien es jedoch anders zu sehen. Er murmelte etwas 
davon, daß man sich schließlich auf einer heiligen Wallfahrt befinde. 

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Außerdem sei er müde und wolle alsbald das Nachtlager aufsuchen, 
was er dann auch wenig später tat. Bruder Gotthilf folgte seinem 
Beispiel, und so blieb Roland allein zurück. Er suchte Trost beim 
Haferbrand, der von Becher zu Becher besser schmeckte. 

Letztendlich spürte er, wie seine Glieder schwer wurden. Während 

seine beiden Knappen und der Diener des Kaufmanns, zu denen  sich 
mittlerweile auch einige Dorfbewohner gesellt hatten, noch in der 
Schankstube zurückblieben, machte er sich auf den Weg zu seiner 
Schlafkammer. 

Die Zimmer der Reisenden waren im ersten Stockwerk 

untergebracht. Eine Holztreppe, die unter jedem Schritt zum 
Erbarmen knarrte, führte nach oben. Roland war nicht mehr ganz 
sicher auf den Beinen. Sicherheitshalber hielt er sich an dem 
wackligen Geländer fest, als er die Stufen emporstapfte. 

Als er fast oben war, hörte er plötzlich einen ganz eigenartigen, 

halb unterdrückten Laut. 

Hatte da jemand gestöhnt? 
Nein, wahrscheinlich bildete er sich nur etwas ein. Der Haferbrand 

spielte ihm einen Streich. 

Roland ging weiter, war wenig später oben. 
Abermals hörte er das Geräusch. Und diesmal war er sich ganz 

sicher, daß kein Irrtum vorlag. 

Es hatte jemand gestöhnt  - eine Frau, wenn er sich nicht allzu sehr 

irrte! 

Die Schwaden der Trunkenheit, die durch Rolands Kopf 

schwirrten, begannen sich augenblicklich zu lichten. Dies ging ihm 
nicht zum ersten Mal so. Schon des öfteren hatte es sich in der 
Vergangenheit gezeigt, daß er schlagartig nüchtern wurde, wenn es 
die Lage erforderte. 

Vor ihm lagen zwei Flure, die beide unbeleuchtet waren. Noch 

hatte er keine Gewißheit, von wo das Stöhnen gekommen war. 
Aufmerksam und mit angehaltenem Atem lauschte er. 

»Nein«, drang die Frauenstimme jetzt wieder an sein Ohr. »Hil...« 

Die Stimme brach ab. 

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Aus dem Flur, der, von der Treppe aus gesehen, rechts abging, war 

sie gekommen. Roland zögerte keine Sekunde länger, tastete sich in 
der Dunkelheit in den Flur hinein. 

Nach der richtigen Tür brauchte er nicht lange zu suchen. Zwar 

war die Stimme der Frau verstummt. Aber er hörte jetzt ganz 
deutlich die Geräusche eines Handgemenges, die aus dem Raum ihm 
schräg gegenüber kamen. 

Es war nicht schicklich, ungefragt und ungebeten in eine fremde 

Kammer einzudringen. Aber es schien außer Frage zu stehen, daß 
hier eine Frau in Not war. Rolands Eingreifen bedurfte also keiner 
Rechtfertigung. 

Kaum noch von den Nachwirkungen des Haferbrandgenusses 

beeinträchtigt, stieß er die Tür auf. 

Es brannte kein Licht in der Kammer. Aber der Schein des 

Mondes, der durch ein offenes Fenster einfiel, ließ das Geschehen 
umrißhaft hervortreten. 

Roland sah vor sich ein flaches Ruhelager. Und darauf. .. zwei 

Gestalten, eine Frau und einen Mann. Der Mann hatte die Frau 
gepackt. Mit der einen Hand hielt er ihr den Mund zu, und mit der 
anderen versuchte er, sie auf den Rücken zu zwingen. Die Frau war 
nur notdürftig bekleidet. Im Mondlicht sah Roland viel nackte Haut, 
die wie frisch gefallener Schnee schimmerte. Langes schwarzes Haar 
fiel auf einen schwellenden Busen, der an weißen Marmor denken 
ließ. 

Augenblicklich wußte Roland, wer die Frau war: niemand anders 

als die schöne Eloise.  Und was den Mann anging ... Noch konnte ihn 
der Ritter mit dem Löwenherzen nicht erkennen. Aber seine 
Absichten waren gänzlich eindeutiger Natur. Er wollte der jungen 
Frau Gewalt antun. 

Nichts mehr spürte Roland jetzt von dem reichlich genossenen 

Haferbrand. Sein Kopf war so klar, als hätte er den ganzen Abend 
nur pures Quellwasser getrunken. Sicheren Fußes stürmte er in die 
Schlafkammer hinein. 

»Laß sie los, Haderlump!« 

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Der Mann war so in sein schändliches Tun vertieft gewesen, daß er 

Roland erst jetzt bemerkte. Er ließ die junge Frau los und fuhr wie 
von einem Peitschenhieb getroffen herum. 

Jetzt sah Roland, wen er vor sich hatte: den Ritter Richard! 
Einen Augenblick lang war Roland vollkommen überrascht. 

Niemals hätte er es für möglich gehalten, daß ausgerechnet sein 
Standesbruder wie ein wildes Tier über eine hilflose Frau herfiel. 
Aber der Augenschein sprach für sich. Richards ehrlose Tat ließ sich 
nicht wegleugnen. 

Eloise schluchzte. »Euch sendet der liebe Gott, Ritter Roland. 

Wenn Ihr nicht gekommen wärt, hätte mich dieser ... dieser ...« Ihre 
Stimme brach ab, als sie von einem Weinkrampf übermächtigt 
wurde, der sie wie Espenlaub beben ließ. 

Der Ritter Richard sprang vom Bett herunter, ordnete hastig seine 

Kleidung. Wenn Roland aber nun gedacht hatte, daß er sich reuig 
und zerknirscht geben würde, dann sah er sich getäuscht. 

»Was fällt Euch ein, hier einfach einzudringen?« fuhr er Roland 

an. »Belästige ich Euch, wenn Ihr Euch der Minne hingebt?« 

Die Unverfrorenheit des Mannes verschlug Roland die Sprache. 

Aber es gab eigentlich nur eine Antwort, die auch keiner Worte 
bedurfte. Und genau diese Antwort gab Roland dem Ritter. Er holte 
aus, ballte die Faust und schmetterte sie Richard mitten ins Gesicht. 

Roland verfügte über eine Kraft, um die ihn  jeder Schmied 

beneidet hätte. Richard bekam es zu spüren. Der Schlag hob ihn 
förmlich vom Fußboden hoch, schleuderte ihn quer durch die 
Kammer und ließ ihn hart gegen die Wand neben dem Fenster 
prallen. 

»Das soll Euch lehren, Schurke«, sagte der Ritter mit dem 

Löwenherzen befriedigt. 

Er trat näher an das Lager heran und wandte sich an das Mädchen. 

»Geht es Euch gut, Jungfer Eloise? Hat er Euch bereits ... äh .. .« 

Das schöne Mädchen hatte sich ein Bettuch übergeworfen, das ihre 

Blößen halbwegs verdeckte. Sie schluchzte noch immer, bekam sich 
aber langsam wieder in die Gewalt. 

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»Ihr ... seid gerade noch rechtzeitig gekommen, Ritter Roland«, 

sagte sie leise. »Ich weiß gar nicht, wie ich Euch danken soll.« 

»Wenn es Euch gutgeht, habe ich allen Dank, den ich mir 

wünschen kann«, erwiderte Roland bescheiden. »Ich ...« 

»Paßt auf!« rief das Mädchen. 
Roland wandte sich um  - keinen Augenblick zu spät. Richard war 

wieder auf die Füße gekommen und hatte sich heimlich von hinten 
an seinen Widersacher herangemacht. Silbrig glänzte eine 
Messerklinge im fahlen Mondlicht. 

Wie der Kopf einer Kreuzotter stieß die Waffe auf Roland zu. Nur 

durch eine schnelle Körperdrehung konnte Roland dem 
heimtückischen Angriff entgehen. Der eigene Schwung brachte 
Richard fast wieder zu Fall. Roland förderte seinen ungestümen 
Vorwärtsdrang, indem er ihm einen saftigen Tritt in das verlängerte 
Hinterteil versetzte. 

Richard fiel flach aufs Gesicht. Aber er hielt das Messer noch 

immer in der Hand. Nicht mehr lange allerdings. Roland setzte ihm 
den Fuß auf das Handgelenk und übte kräftigen Druck aus. Richard 
stöhnte. Seine Finger öffneten sich, das Messer entglitt ihnen. Mit 
einem Fußtritt beförderte Roland es aus der Reichweite seines 
Gegners. 

Wild loderte der Zorn in ihm. Sein Standesbruder hatte gleich 

mehrere schändliche Dinge getan. Er hatte vorgehabt, eine hilflose 
Frau gegen ihren Willen zur Minne zu zwingen. Er  trug eine Waffe 
bei sich, obwohl das auf dieser Wallfahrt nicht erlaubt war. Und dann 
hatte er noch versucht, einen Freund mit dieser Waffe zu verletzen, 
wenn nicht gar zu töten. 

Das war zuviel! 
Roland packte den am Boden Liegenden bei den Schultern und riß 

ihn hoch. Richard unternahm alle Anstrengungen, sich zur Wehr zu 
setzen. Aber er war den Bärenkräften des Ritters mit dem 
Löwenherzen nicht gewachsen. Er mußte es geschehen lassen, daß er 
quer durch die Kammer zum Fenster geschleppt wurde. Dort 
wuchtete Roland ihn hoch und schleuderte ihn nach draußen. 

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Ein klatschendes Geräusch wurde hörbar. Und ein wütendes Zetern 

von selten Richards. 

Als sich Roland aus dem Fenster beugte und nach unten blickte, 

sah er, daß der Ritter mitten auf einem Misthaufen gelandet war. 

Als Roland am nächsten Morgen die Schankstube betrat, war 
Richard bereits anwesend. Gemeinsam mit Graf Eduard saß er am 
Tisch und ließ sich das Frühstücksmahl schmecken. Empört eilte 
Roland auf den Tisch zu und baute sich mit leicht vorgebeugtem 
Oberkörper vor seinem Standesbruder auf. 

»Ihr wagt es, Euch hier noch blicken zu lassen?« fuhr er den 

jungen Ritter an. 

Richard blickte hoch. Keinerlei Verlegenheit oder gar Scham 

spiegelte sich in seinen Gesichtszügen wider. 

»Ihr seid nicht sehr freundlich zu mir, Roland«, sagte er so, als sei 

niemals etwas vorgefallen. 

Der Ritter mit dem Löwenherzen holte tief Luft. »Habt Ihr das 

Gefühl, daß Euch besondere Freundlichkeit gebührt?« 

»Nun, Roland, wir wollen nicht vergessen, daß ich es war, der 

Euch vor Tagen das Leben rettete, als der Pfeil des Wegelagerers 
bereits auf der Sehne lag.« 

»Dies weiß ich wohl. Aber man kann das eine nicht mit dem 

anderen aufrechnen. Wer sich so weit vergißt, daß er über eine 
unschuldige Jungfrau herfällt...« 

Richard verzog sein .Gesicht zu einem Lächeln. »Woher sollt Ihr 

wissen, daß Eloise eine Jungfrau ist. Habt Ihr Euch bereits persönlich 
davon überzeugt?« 

Auf Rolands Stirn schwoll eine Zornesader. Seine Hände schossen 

vor und packten Richard am Hals. »Ihr habt die Frechheit ...« 

»Laßt das, Roland«, sagte Graf Eduard. 
Mit blitzenden Augen blickte Roland den Fürsten an. »Graf 

Eduard, Ihr wißt offenbar nicht...« 

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»Doch, Roland«, fiel ihm der Graf ins Wort, »ich weiß, was heute 

nacht vorgefallen ist. Es handelt sich um ein Mißverständnis.« 

»Um ein ... Mißverständnis?« 
»Ja. Ritter Richard hat mir alles erzählt. Er ist ein Opfer jenes 

Spiels geworden, das die Frauen so gerne mit der Liebe und ... dem 
Feuer spielen.« 

»Was?« Roland hatte seine Hände noch immer am Hals des 

Ritters, ließ sie aber sinken, als Richard sich mit einer ruckartigen 
Kopfbewegung freimachte. Nicht Schwäche war es, die ihn dazu 
veranlaßte, sondern der Respekt vor dem Grafen, der sich schließlich 
der Freundschaft König Artus' rühmen konnte. 

»Ihr habt recht gehört«, sagte Richard. »Den ganzen gestrigen Tag 

schon hat mir Eloise schöne Augen gemacht und mir zu verstehen 
gegeben, daß mein Besuch in ihrer Schlafkammer hoch willkommen 
sei. Als ich dann jedoch kam, um das stumme Versprechen 
einzulösen, muß sie es sich anders überlegt haben und ... aber alles 
weitere wißt Ihr ja selbst, Roland.« 

Der Ritter mit dem Löwenherzen stieß hörbar die Luft aus. »Das 

ist doch ...« 

»... die reine Wahrheit«, vervollständigte Richard seinen 

angefangenen Satz. 

»Die Wahrheit?« echote Roland empört. »Selten habe ich eine 

gemeinere Lüge gehört!« 

»Ihr glaubt mir nicht?« 
»Nicht eine einzige Silbe. Eloise soll Euch schöne Augen gemacht 

haben? Das ist... lächerlich!« 

»Seid Ihr da ganz sicher?« warf Graf Eduard ein. »Wie ich schon 

sagte  - die Frauen lieben es, mit dem Feuer zu spielen. Und die 
schöne Eloise ist eine Frau.« 

»Gewiß, das ist sie«, stimmte Roland zu. »Aber sie trägt einen 

schweren Kummer mit sich herum, der sie alles andere vergessen 
läßt. Ich bin mir sicher, daß sie Richard nicht ein einziges Mal näher 
angesehen, geschweige denn ihn in ihre Kammer gebeten hat.«  

»Und doch war es so«, behauptete der junge Ritter.  

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»Lüge!«  
»Roland ...« 
Mit einer barschen Handbewegung schnitt Roland seinem 

Standesbruder das  Wort ab. »Was reden wir? Soll die Jungfer Eloise 
den Schurken doch selbst als Lügner entlarven!« 

Er blickte sich im Schankraum um, konnte das Mädchen und ihre 

Zofe jedoch nirgendwo sehen. Ganz augenscheinlich befand sich 
Eloise noch in ihrer Kammer. 

Graf  Eduard wiegte den Kopf hin und her. »Ich muß Euch 

beipflichten, Roland«, sagte er. »Die junge Frau wird in der Tat von 
einem schweren Kummer geplagt. Vielleicht wäre es ratsam, sie 
nicht noch einmal an den Vorfall von heute nacht zu erinnern.« Wild 
blickte Roland den Grafen an. »Und dieser Haderlump ...«, er stieß 
Richard einen Finger in die Rippen, »... soll ungeschoren 
davonkommen?«  

»Wäre es nicht möglich, daß Richard einem Mißverständnis zum 

Opfer gefallen ist?« sagte Eduard. »Könnte es nicht sein, daß er 
Eloises Gesten falsch gedeutet hat? Richard, was sagt Ihr?«  

Der junge Ritter hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Ich 

würde zwar tausend heilige Eide schwören, daß sie mir ...« 

»Schwört nicht zu schnell, Richard!« 
»Nun denn, vielleicht habe ich ihr liebeshungriges Augenblinzeln 

wirklich mißdeutet«, räumte der junge Ritter ein. 

»Sollte sie nur in die Sonne geblinzelt haben?« sagte Roland mit 

einem höhnischen Auflachen. 

Dreist blickte ihn Richard an. »Jetzt, wo Ihr es sagt... Ja, es wäre 

wohl möglich.« 

»So wollen wir das Vorkommnis also vergessen.« Erleichterung 

machte sich bei Graf Eduard breit. 

Roland aber war keineswegs gewillt, so mir nichts, dir nichts klein 

beizugeben. »Und was sagt Ihr dazu, daß er ein Messer bei sich trug, 
Graf Eduard? Auf dieser Wallfahrt. . 

»Ein Messer ist keine Waffe«, stellte Richard fest. »Wie sollten 

wir einen erjagten Hasen abhäuten, wenn wir nicht einmal ein 

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Messer mit uns führen dürften?« 

»Ihr wolltet keinen Hasen abhäuten, sondern mir das Messer in den 

Leib bohren!« 

»Dies will ich nicht leugnen«, gestand Richard. »Aber ich war in 

diesem Augenblick völlig außer mir und wußte nicht genau, was ich 
tat. Könnt Ihr das nicht verstehen, Roland?« 

»Nein!« 
»Versucht, es zu verstehen«, sagte der Graf. »Wenn das Blut 

überkocht, ist man manchmal nicht Herr seiner Sinne. Seid 
großzügig, Roland! Nicht Groll, sondern Friedfertigkeit ist geboten, 
wenn der Schwarze Stein sein wundertätiges Wirken entfalten soll. 
Nun, Roland?« 

Der Ritter mit dem Löwenherzen dachte an den Auftrag, den ihm 

König Artus erteilt hatte. Es fiel ihm schwer, aber er fügte sich dem 
Wunsch Eduards. 

Und wieder neigte sich ein Tag dem Ende entgegen. 

Es war eine unwirtliche Gegend, durch die die Wallfahrer zogen. 

Kaum Menschen, dafür aber viel Wald und Heide. Es hatte geregnet, 
was der Himmel hergab, und dadurch waren die ohnehin schlechten 
Wege in einen noch schlimmeren Zustand geraten. Modriges, 
schlammiges Erdreich zerrte an den Hufen der Reittiere und machte 
das Fortkommen ausgesprochen mühsam und langwierig. 

Wie an jedem Tag erhob sich die Frage des Nachtlagers. Ritter 

Roland, der wie gewöhnlich an der Spitze der Reisegruppe ritt, 
lenkte sein Pferd neben den Grafen. 

»Wir kommen zu langsam voran«, stellte er fest. »Wenn wir nicht 

schneller reiten, werden wir von der Dunkelheit überrascht.« 

Der Graf nickte bedächtig. »Ihr habt recht, Roland. Aber ich 

fürchte, daß eine schärfere Gangart nicht im Bereich des Möglichen 
liegt.« 

Der Ritter mit dem Löwenherzen verzog den Mund. »Dann werde 

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ich vorreiten, um eine Schlafstatt ausfindig zu machen. Bei diesem 
Wetter im Freien . übernachten ...« Mißmutig ging sein Blick zum 
wolkenverhangenen Himmel. 

Ritter Richard hatte dem kurzen Wortwechsel zugehört. Er ließ 

sein Pferd zu den beiden anderen Männern aufschließen. 

»Wenn es Euch recht ist, übernehme ich die Suche nach dem 

Nachtlager«, schlug er vor. »Mein Pferd ist noch frisch und kommt 
mit den widrigen Bodenverhältnissen gut zurecht.« 

»Ihr?« Roland blickte ihn mit gerunzelter Stirn an. 
»Warum nicht?« Richard wußte, daß ihm sein Standesbruder noch 

immer zürnte. Seit dem Vorfall mit der Jungfer Eloise hatte er kaum 
mehr als ein paar Worte mit ihm gesprochen. 

»Ja, warum nicht?« sagte auch Graf Eduard. »Laßt Richard reiten, 

Roland. Mir wäre es lieber, wenn Ihr bei uns bliebet. Vor allem die 
Frauen fühlen sich in Eurer Gegenwart sicherer. Und wenn uns die 
Dunkelheit wirklich ereilt, bevor wir ein Dach über dem Kopf 
haben...« 

Roland zuckte die Achseln. »Wenn Ihr meint, Graf ...« 
»Ich kehre so schnell wie möglich zurück«, versprach Richard. 

Dann gab er seinem Reittier die Hacken zu spüren und sprengte den 
matschigen Weg entlang. 

Schnell blieben die anderen hinter ihm zurück. Es dauerte nicht 

lange, dann waren sie schon außer Sichtweite. 

Es lag Richard einiges daran, sich bei den anderen Wallfahrern 

wieder in ein besseres Licht zu setzen. Sie alle hatten ihm nicht 
vergessen, daß er über die schöne Eloise hergefallen war. 

Diese Narren! 
Keiner von ihnen ahnte auch nur im geringsten, warum er 

tatsächlich in die Schlafkammer des Mädchens eingedrungen war. 
Um sie zur Minne zu zwingen? Mitnichten! Gewiß, Eloise war eine 
Frau, die auch ihn nicht kalt ließ. Aber er würde sich niemals so weit 
gehen lassen, daß er sich bei einer Frau das mit Gewalt holte, was sie 
ihm freiwillig nicht geben wollte. 

Der Grund für seinen Überfall auf die Jungfer war ein ganz anderer 

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gewesen. Er hatte draußen auf dem Flur gewartet, bis er Roland die 
Treppe hinaufstapfen hörte. Dann war er schnell in die Kammer des 
Mädchens eingedrungen. Anschließend hatte sich alles genauso 
abgespielt, wie von ihm geplant. Eloise hatte geschrien, Roland war 
ihr zu Hilfe geeilt und das von ihm gewünschte Handgemenge mit 
dem Ritter König Artus' war Wirklichkeit geworden. Nur eins hatte 
Richard nicht bedacht: daß Roland auch in seiner Trunkenheit noch 
ein so formidabler Kämpfer sein würde. Seine Hoffnungen, den 
Auftrag des alten Wilhelmus ausführen und Roland mit dem Messer 
den Garaus machen zu können, hatten sich nicht erfüllt. Fast wäre er 
statt dessen selbst zu Tode gekommen. Wenn sich unterhalb des 
Fensters nicht der Misthaufen befunden hätte ... 

Ja, dieser Roland war wirklich ein Mann, dessen Taten die 

Troubadoure nicht umsonst rühmten. Dennoch hatte Richard den 
Mut noch lange nicht verloren. Es war ihm gelungen, Graf Eduard zu 
beruhigen, so daß man ihn nicht aus der Pilgergruppe ausgeschlossen 
hatte. Es würde sich also schon noch eine Gelegenheit bieten, den 
Ritter mit dem Löwenherzen ins Jenseits zu befördern. Er mußte sich 
nur Rolands Vertrauen wieder erwerben. Nicht zuletzt deshalb hatte 
er sich jetzt bereiterklärt, eine Unterkunft für die Nacht zu suchen, 
um den Standesbruder etwas zu entlasten. 

Der Weg wurde zusehends schlechter, war bald kaum noch als 

solcher zu erkennen. Richard mußte schon sehr genau hinsehen, um 
die Spuren noch erkennen zu können, die Karrenräder dort 
hinterlassen hatten. Der Wald war inzwischen in den Hintergrund 
getreten. Nur noch vereinzelte Baumgruppen säumten den Weg. 
Dafür war das Heidekraut und anderes Gesträuch, das oftmals 
ellenlang in die Höhe wuchs, allgegenwärtig. Richard hatte das 
Gefühl, von einem weißblauen Meer umgeben zu sein. 

Eine ganze Weile nachdem er die anderen verlassen hatte, erreichte 

er eine kleine Lichtung. Dort befand sich ein steinernes Wegkreuz, 
das Wind und Regen schon stark verwittert hatten. Viel anfangen 
konnte er mit dem Kreuz allerdings nicht. Es war umgestürzt, und 
der Richtungsarm zeigte in den Himmel. 

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Richard hielt sein Pferd an. 
Vor dem Wegkreuz waren die Spuren von Karrenrädern trotz des 

aufgeweichten Bodens recht deutlich zu erkennen. Sie kamen aus 
nordöstlicher Richtung, beschrieben einen kleinen Bogen und führten 
dann weiter nach Nordwesten. Richard stand am Scheideweg  - im 
wahrsten Sinne des Wortes. Sollte er sich nach links oder nach rechts 
wenden? 

Er entschied sich für die rechte Abzweigung. 
Er hatte das Rechte getan, denn schon eine knappe Meile weiter 

sah er vor sich ein Gehöft liegen. Zügig ritt er darauf zu. Schon als er 
noch gut fünfzig Klafter entfernt war, trat ein Mann auf den Weg 
hinaus und blickte ihm entgegen. 

Richard zügelte sein Reittier und machte eine grüßende 

Handbewegung. Der Mann, der vor ihm stand, war groß und kräftig 
und trug eine graue Arbeitsschürze aus Hirschleder. Er erwiderte den 
Gruß mit einem Neigen des Kopfes. 

»Grüß Gott, Herr Ritter.« 
»Kann man hier übernachten?« erkundigte sich Richard. 
»Es soll uns eine hohe Ehre sein, Euch bewirten zu dürfen«, bekam 

er zur Antwort. 

»Ich fürchte, wir verstehen uns miß«, sagte Richard. »Ich bin nicht 

allein. Eine ganze Gruppe von Reisenden, Wallfahrern genau gesagt, 
folgt mir nach. Sie alle suchen für diese Nacht ein Dach über dem 
Kopf. Hast du so viel Raum?« Zweifelnd ließ er seine Blicke über 
die ärmlichen Gebäude des Gehöftes schweifen. 

Der kräftige Mann wiegte den Kopf hin und her. »Drei, vier 

Personen könnten wir beherbergen. Aber noch mehr ... Warum reitet 
Ihr nicht bis ins  Dorf? Einen Gasthof gibt es dort zwar nicht. Aber 
ich bin ganz sicher, daß Ihr dennoch alle irgendwo unterkommen 
könnt.« 

»Wie weit ist das Dorf entfernt?« 
»Zehn Reitminuten vielleicht, mehr nicht.« Der Mann mit der 

Schürze blickte den Weg hinunter, den Richard gekommen war. 
»Sind Eure Begleiter weit hinter Euch zurück, Herr Ritter?« 

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»Warum fragst du?« 
»Wegen der Wegkreuzung. Das Kreuz ist beim letzten Wetter 

umgestürzt und noch nicht wieder aufgerichtet worden.« 

»Das habe ich gesehen.« 
»Die Stelle ist sehr gefährlich«, fuhr der Mann fort. »Wenn man 

den anderen Weg einschlägt...« 

»Was dann?« 
»Gerät man geradewegs ins Moor. Wir stechen dort Torf und 

kennen uns aus. Fremde jedoch, die sich verirren, schweben in 
höchster Lebensgefahr.« Der Mann warf einen besorgten Blick zum 
Himmel, der sich jetzt zusehends verdunkelte. »Besonders abends 
und in der Nacht, wenn das Auge nicht sieht, wohin der Fuß tritt. 
Vielleicht solltet Ihr schnell zurückreiten und Eure Mitreisenden 
warnen, Herr Ritter. Damit kein Unglück geschieht!« 

Richard legte die Stirn in nachdenkliche Falten. »Ist es wirklich so 

gefährlich im Moor?« 

»Ja. Schon so mancher Wanderer wurde mit Haut und Haaren ver-

schlungen und ward nie wieder gesehen.« 

Richard hatte es auf einmal sehr eilig. »Dann will ich mich 

sputen«, sagte er und wendete sein Pferd. »Hab Dank dafür, daß du 
mich auf die lauernde Gefahr aufmerksam gemacht hast.« 

So schnell es der aufgeweichte Boden zuließ, machte er sich auf 

den Rückweg. Aber sein Sinn trachtete nicht  danach, Roland und die 
anderen zu warnen. 

Ganz im Gegenteil ... 

Das, was Roland befürchtet hatte, war eingetreten. Die abendliche 
Dunkelheit hatte sich über das Land gesenkt. Und Richard war von 
seiner Herbergssuche noch immer nicht zurückgekehrt. 

Roland biß sich auf die Lippen. Wäre er doch lieber selbst 

losgeritten! Auf diesen Richard war kein Verlaß. Durchaus möglich, 
daß der Haderlump irgendwo eine Metze aufgetrieben hatte und sich 

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nun mit ihr vergnügte. Der Überfall auf Eloise hatte gezeigt, daß ihm 
alles mögliche zuzutrauen war. 

Die Sicht war inzwischen so schlecht geworden, daß Roland scharf 

aufpassen mußte, um nicht geradewegs in das Gestrüpp am 
Wegesrand hineinzugeraten. Böse Flüche lagen ihm auf den Lippen. 
Aber er unterdrückte sie, denn auf einer Wallfahrt geziemte es sich 
nicht, gotteslästerliche Worte auszustoßen. 

Dann endlich wurde näherkommendes, gedämpftes Hufgetrappel 

laut. Richard? Höchstwahrscheinlich. Wer sonst sollte um diese Zeit 
durch die einsame Gegend reiten? 

Es war der junge Ritter. Er wendete sein Pferd auf der Hinterhand 

und lenkte es neben Roland. 

»Nun?« fragte der. 
»Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen«, gab Richard 

Auskunft. »Ich habe unterwegs einen Schäfer mit seiner Herde 
getroffen. Er hat mir den Weg zum nächsten Dorf beschrieben.« 

»Wie weit liegt es entfernt?« 
»Wenige Meilen nur.« 
Diese Worte hörte Roland gerne. Und auch die anderen, Graf 

Eduard eingeschlossen, waren ausgesprochen erleichtert. Die 
Aussicht, bald die Füße unter einen Tisch stecken zu können,  machte 
es sogar möglich, die Schritte der Reittiere etwas zu beschleunigen. 

Wenig später wurde eine Stelle erreicht, an der sich der Weg 

gabelte. Seinem Gefühl folgend, wollte sich Roland nach rechts 
wenden. Aber Richard hielt ihn davon ab. 

»Um Gottes willen«, sagte er. »Wenn wir diesen Weg einschlagen, 

reiten wir in unser Verderben.« 

Roland hielt an. »Wie dies? Lauern Räuber den Reisenden auf?« 
»Moor und Sumpf! Der Schäfer hat mich inständig vor der 

tödlichen Gefahr gewarnt.« 

»Dann die andere Richtung«, nickte Roland. Mit einem 

Schenkeldruck setzte er sein Pferd wieder in Bewegung und lenkte es 
nach links. Die anderen folgten ihm. 

Der Weg wurde jetzt besser. Noch immer tief und schlammig, aber 

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breiter und besser von dem Gesträuch ringsum zu unterscheiden. Es 
war klar erkennbar, daß hier öfter Menschen und Karren 
entlangkamen, als auf dem Pfad, den sie bisher beschritten hatten. 

Langsam wichen die niedrigen Bäume und Sträucher, die den Weg 

säumten, zurück. Die Höhe der Pflanzen betrug bald nicht mehr  als 
ein paar Zoll. In der Dunkelheit war nur schwer zu erkennen, was da 
wuchs. Aber Roland nahm an, daß es sich um Saatgut handelte, das 
die Bauern des nahen Dorfes angepflanzt hatten. Noch allerdings war 
von dem Dorf nichts zu sehen. 

Und auch eine ganze Weile später zeigte sich weit und breit kein 

Dorf, obwohl man inzwischen nach allen Seiten ein freies Blickfeld 
hatte. Nur gelegentlich noch ragte schattenhaftes Gehölz in die Höhe, 
gespenstisch im Abendwind schwankend. Auch von einem Weg im 
eigentlichen Sinne konnte keine Rede mehr sein. Weg und Feld 
waren längst ineinander übergegangen, bildeten eine einzige graue 
Fläche. Und diese graue Fläche bestand keineswegs aus Saatgut, 
sondern aus Moos und Flechten. 

Roland wandte sich im Sattel um und hielt nach dem Ritter 

Richard Ausschau, sah ihn aber nicht. 

»Richard?« 
»Ja?« 
Die Stimme des jungen Ritters kam von ganz hinten. Er hatte sich 

an den Schluß der Gruppe zurückfallen lassen. 

»Kommt einmal her«, rief Roland. 
Richard kam nach vorne, langsam und zögernd fast. »Entschuldigt, 

Roland«, sagte er. »Mein Pferd muß sich irgendwie vertreten haben. 
Ich glaube, es lahmt auf dem linken Vorderlauf. Deshalb kann ich 
nicht so schnell, wie ich gerne möchte.« 

»Müßt Ihr zurückbleiben?« 
»Nein, so schlimm ist es wohl nicht. Ihr wolltet mich etwas fragen, 

Roland?« 

»Ja«, nickte der Ritter mit dem Löwenherzen. »Seid Ihr ganz 

sicher, daß wir hier auf dem richtigen Weg sind?« 

»Genau diesen Weg hat mir der Schäfer beschrieben.« 

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»Hm«, machte Roland. »Der Boden ist weich und nachgiebig. Mir 

scheint, fast, daß er immer sumpfiger wird. Sollten wir doch ins 
Moor geraten sein?« 

»Das kann ich mir nicht vorstellen. Der Schäfer hat sich ganz 

gewiß nicht geirrt.« 

»Nun ...« Roland nagte an der Unterlippe. »Einer von uns sollte 

noch einmal vorausreiten, um den Weg zu erkunden. Würdet Ihr ...« 

»Ich würde mich dazu verpflichtet sehen«, unterbrach ihn der 

junge Ritter. »Aber ich glaube nicht, daß mein Pferd eine zusätzliche 
Anstrengung aushält. Wenn Ihr mir jedoch Euer Reittier zur 
Verfügung stellen würdet, Roland ...« 

»Dann reite ich lieber selbst«, brummte Roland. 
»Nein«, warf Graf Eduard ein, der sich unmittelbar hinter den 

beiden Rittern befand. »Ich würde es lieber sehen, wenn Ihr bei uns 
bleibt. Könnt Ihr nicht einen Eurer Knappen vorschicken?« 

»Ich würde Roland mehr vertrauen«, sagte Richard. »Knappen 

neigen zur Nachlässigkeit und ...»Louis hatte gehört, was Richard 
von sich gab. Er stieß einen ärgerlichen Knurrlaut aus. »Eure 
Knappen waren vielleicht nachlässig, Ritter Richard«, entrüstete er 
sich. Und leicht herablassend fügte er noch hinzu: »Wenn Ihr jemals 
welche gehabt habt!« 

Bevor sich Richard gegen diese offenkundige Respektlosigkeit 

verwahren konnte, erklärte Louis, daß er vorausreiten werde. Und 
schon gab er seinem Pferd die Zügel frei. Sekunden später war er in 
der Dunkelheit untergetaucht. 

Die anderen ritten unter Rolands Führung langsam weiter. Richard 

schien doch größere Schwierigkeiten mit seinem lahmenden Pferd zu 
haben. Trotz des gemächlichen Schrittes war er kaum in der Lage, 
Anschluß zu halten. 

Und dann gellte plötzlich ein Schrei durch die Dunkelheit. 
Roland zuckte zusammen. Er hatte die Stimme auf Anhieb erkannt. 

Sie gehörte keinem anderen als Louis. 

»Hilfe!« 
Halb vom Wind verweht, drang der Ruf des Knappen erneut 

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herüber. 

Die ganze Gruppe war stehengeblieben. Aufgeregt redeten alle 

durcheinander. 

»Was mag ihm zugestoßen sein?« Graf Eduard saß hoch 

aufgerichtet im Sattel und lauschte in die Nacht hinein. 

»Hilfe!« 
Wenn ein kühner und tapferer Bursche wie Louis, den so leicht 

nichts erschüttern konnte, so entsetzt um Hilfe rief, dann mußte er 
sich wahrhaft in einer bedrohlichen Lage befinden. 

Roland zögerte nicht länger. Oft schon hatte Louis für ihn sein 

Leben aufs Spiel gesetzt. Es verstand sich von selbst, daß er Gleiches 
mit Gleichem vergalt. Ohne sich weiter um die anderen zu kümmern, 
jagte er in die Richtung, aus der die Hilferufe seines Knappen 
gekommen waren. 

Rechts von ihm tauchten jetzt im matten Mondlicht dunkle 

Erdflecken auf, die wie große Gräber wirkten. Roland ahnte, was 
diese Bodenvertiefungen zu bedeuten hatten. Wahrscheinlich 
handelte es sich um Stellen, wo Torf gestochen worden war. Damit 
stand so gut wie fest, daß sie tatsächlich ins Moor geraten waren, vor 
dem der Schäfer ausdrücklich gewarnt hatte. 

»Louis?« rief er. »Louis, wo bist du?« 
»Hier, Ritter Roland!« 
Die Antwort klang noch weiter entfernt, als Roland gedacht hatte. 

Und sie kam auch keineswegs genau aus der Richtung, in die er 
geritten war. Sein Knappe befand sich ein ganzes Stück weiter links. 
Bei der Gleichförmigkeit der ebenen Landschaft und den 
herrschenden Lichtverhältnissen war  es ungemein schwierig, sich zu-
rechtzufinden. 

Roland lenkte sein Pferd dorthin, wo er seinen treuen Gefährten 

vermutete. 

»Louis, was ist geschehen?« 
»Ich ... stecke im Sumpf. Mein Pferd ist...« Die Stimme des 

Knappen brach ab. 

Rolands Besorgnis wuchs. Immerhin wußte er jetzt, daß er den 

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richtigen Weg eingeschlagen hatte, denn Louis' Stimme war diesmal 
schon nicht mehr so weit entfernt gewesen wie zuvor. Er beeilte sich, 
achtete dabei gar nicht sonderlich auf den Boden unter den Hufen 
seines Pferdes. Louis befand sich in Lebensgefahr. Und wenn er 
nicht schnellstens Hilfe bekam ... 

Da geschah es. 
Wasser spritzte hoch. Und im nächsten Augenblick brach Rolands 

Pferd mit den Vorderbeinen im Morast ein. 

Geistesgegenwärtig riß der Ritter mit dem Löwenherzen an den 

Zügeln. Er wollte verhindern, daß das Tier auch mit den Hinterhufen 
den festen Halt verlor. 

»Ritter Roland!« kam wieder Louis' Stimme. »Macht schnell! Ich 

kann mich nicht mehr lange über der Oberfläche halten.« 

Sehr nahe war Roland jetzt an seinen Knappen herangekommen. 

Und doch konnte er ihm im Augenblick nicht helfen. Seine eigene 
Lage war äußerst bedrohlich. 

Tiefer und tiefer sackten die Vorderbeine seines Hengstes im 

Morast ein. Roland schwang sich aus dem Sattel, ohne dabei die 
Zügel loszulassen. Bevor er den Boden berührte, stieß er sich von der 
Flanke des Tieres ab. Wie beabsichtigt, landete er hinter dem Hengst. 
Bis über die Knöchel sank er in der Wasser- und Schlammschicht des 
Untergrundes ein, aber nicht tiefer. Und wie es schien, besaß der 
Boden an dieser Stelle genug Festigkeit, um seinem Stand Sicherheit 
zu leisten. 

Der Hengst wieherte angstvoll, warf wie wild den Schweif hin und 

her. Natürlich merkte das kluge Tier, daß es in Gefahr war. Aus 
eigener Kraft vermochte es jedoch nicht, sich aus dem Morast zu 
befreien. 

Roland half dabei. Breitbeinig stellte er sich hin, das Zaumzeug 

mit fester Hand umklammernd. Dann zog er daran. 

Die Krafterfordernis, das schwere Tier zu bewegen, war gewaltig, 

zumal es auch noch die Sogkraft des Sumpfes zu überwinden galt, 
die mit Macht auf den Hengst einwirkte. Vor Anstrengung traten an 
Rolands Schläfen dicke Adern hervor. Seine Arm- und Beinmuskeln 

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schwollen an, wurden so hart wie Eisenpflöcke. Sein Atem ging 
keuchend, und kalte Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. 

Wenigen Männern in der ganzen Welt nur wäre es gelungen, das 

Werk zu vollbringen. Roland aber schaffte es. Zoll um Zoll lösten 
sich die Beine des Pferdes aus dem zähen, dickflüssigen Morast. Das 
brave Tier erkannte, daß ihm geholfen wurde. Rolands Ziehen am 
Zaum bereitete ihm fraglos große Schmerzen, aber es schnaubte nur 
leicht und wehrte sich nicht dagegen. 

Jetzt war schon einer der Hufe aus dem Sumpf heraus. Das 

Gewicht des Pferdes verlagerte sich auf die hinteren Läufe. Ein 
kraftvoller Ruck noch, der das Tier herumriß, dann standen auch die 
Vorderbeine wieder auf festem Untergrund. 

Roland hatte keine Zeit, sich weiter um sein Pferd zu kümmern. Es 

war in Sicherheit, das genügte für den Augenblick. Jetzt ging es um 
seinen Knappen. 

Das Einsacken des Pferdes und seine Befreiung hatte wertvolle 

Sekunden gekostet, Sekunden, die Louis' Lage ganz gewiß noch 
mehr verschlimmert hatten. 

»Louis?« rief er. 
»Ja, Ritter Roland.« 
»Wie steht es um dich?« 
»Schlecht. Ich ... versinke. Bis zu den Oberschenkeln bin ich 

bereits im Morast eingesackt.« Die Stimme des Knappen klang 
gehetzt und auch schon etwas hoffnungslos. 

»Halte aus. Ich komme!« 
Der Stimme nach zu urteilen, konnte Louis nicht mehr weit 

entfernt sein. Roland wußte ziemlich genau, wo er sich befinden 
mußte, auch wenn er ihn in der Dunkelheit noch nicht ausmachen 
konnte. 

Vorsichtig setzte er einen Fuß nach vorne, dann noch einen und 

noch einen. Er war leichter als das Pferd und hoffte, daß die 
Morastdecke sein Gewicht tragen würde. Eine Wasserschicht 
bedeckte den trügerischen Untergrund. Sie reichte ihm bis über die 
Knöchel. 

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Die Hoffnung, daß er nicht einsacken würde, erwies sich schnell 

als trügerisch. Als er einen weiteren Schritt in Richtung seines 
Knappen machte, verlor sein tastender  Fuß den festen Halt. Roland 
sank bis zum Knie ein. Nur mit Mühe schaffte er es, sich der 
Umklammerung des Sumpfes wieder zu entziehen. 

So ging es nicht! 
Fieberhaft überlegte der Ritter mit dem Löwenherzen, wie er an 

Louis herankommen konnte. Da bekam er ganz überraschend 
Unterstützung. 

»Ritter Roland, wo seid Ihr?« ertönte eine Stimme in seinem 

Rücken. 

Die Stimme gehörte Pierre, seinem zweiten Knappen, der ihm ganz 

offensichtlich nachgeritten war. 

»Hier bin ich«, meldete sich Roland. »Aber sei vorsichtig, wenn du 

herkommst. Der Boden ist...« 

»Steckt Louis im Sumpf?« rief der dickliche Knappe dazwischen. 
»Ja, ja«, erwiderte Roland ungeduldig. Pierre hielt ihn mit seiner 

Fragerei nur auf und raubte ihm die Zeit. Zeit, die er brauchte, um 
Louis zu retten. 

Aber er tat dem dicklichen Knappen unrecht. 
»Ich weiß, wie wir Louis rausholen können«, rief Pierre. 
Roland hörte, wie der Knappe näherkam. Unberitten, wie es 

schien. Außerdem schien er irgend etwas mit sich 
herumzuschleppen. Hoffnung keimte in Roland auf. Pierre war zwar 
ein etwas träger, aber sehr pfiffiger Bursche. Manchmal fielen ihm 
Dinge ein, an die andere nie gedacht hätten. Vielleicht war es auch 
diesmal so. 

»Halte aus, Louis«, rief er wieder zu seinem anderen Knappen 

hinüber. »Hilfe naht!« 

Wenig später sah er die schattenhaften Umrisse von Pierres Gestalt 

aus der Dunkelheit auftauchen. Ächzend und keuchend schob sich 
der Knappe näher. Er schleppte in der Tat etwas mit sich, etwas 
Breites, Flaches, das Roland noch nicht erkennen konnte. 

Dann stand Pierre neben ihm. Und jetzt sah er auch, was sein 

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Knappe da angeschleppt hatte: eine aus Brettern zusammengefügte 
Holzplatte. Die Bedeutung dieser Platte war Roland sofort klar. 

»Woher hast du das, Pierre?« 
»Sie lag dort, wo die Einheimischen den Torf stechen«, gab der 

Knappe Auskunft. »Als ich Louis um Hilfe rufen hörte, dachte ich 
mir gleich, daß wir sie brauchen können.« 

»Und ob wir sie brauchen können!« 
Roland riß dem Knappen die Platte geradezu aus der Hand. Schon 

im nächsten Augenblick hatte er sie auf die Oberfläche des Sumpfes 
geworfen. Sie ging nicht unter, schwamm auf der mehrere Zoll 
dicken Wasserschicht. Und auch als der Ritter mit dem Löwenherzen 
auf die Platte trat und sich niederkauerte, bestand keine Gefahr, daß 
sie im Morast steckenblieb oder gar versank. 

»Soll ich mitkommen?« fragte Pierre. 
»Nein, das schaffe ich schon allein. Außerdem weiß ich nicht, ob 

die Bretter das Gewicht von drei Männern tragen können.« 

Roland beeilte sich jetzt. Mit den Händen im Wasser rudernd, 

setzte er die Platte und sich in Bewegung. Wie ein Floß trieb das 
provisorische Brett dahin. Die ersten paar Klafter gab es keinerlei 
Schwierigkeiten. Dann aber hing die Holzplatte auf einmal fest. 

Zu allem Überfluß ertönte auch Louis' Stimme wieder: »Macht 

schnell, Ritter Roland! Der Sumpf geht mir schon bis zur Brust.« 

Mit verzweifelter Hast tauchte Roland beide Hände in den Morast 

und schaufelte den zähflüssigen, braunen Brei zur Seite. Er arbeitete 
so schnell wie ein Jagdhund, der einen Fuchsbau aufgräbt. In 
wenigen Augenblicken war er über und über mit Schlamm bespritzt. 
Aber das kümmerte ihn mitnichten. Wie ein Wilder schaufelte er 
weiter. 

Und er schaffte es, das Floß wieder flott zu bekommen. Es lag jetzt 

wieder auf dem flachen Wasser und trieb weiter, von Rolands 
kräftigen Armbewegungen vorwärtsbewegt. 

Und dann sah er eine Bewegung vor sich. 
Louis! 
Noch ein paar mächtige Armzüge, dann war der Ritter mit dem 

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Löwenherzen bei seinem Knappen. 

Louis' Lage war in der Tat verzweifelt. Tief, ganz tief steckte er im 

Sumpf. Der Morast war ihm schon bis zu den Schultern gestiegen. 
Nur der Kopf schaute noch heraus. 

»Schnell, Ritter Roland«, keuchte der Knappe. »Ich ...« 
Seine Stimme wurde zu einem erstickten Gurgeln, als auch noch 

sein Gesicht unterging. 

Blitzschnell beugte sich Roland vor und griff zu. Ein Stück 

unterhalb der Oberfläche bekam er Louis' Haar zu packen. Er nahm 
auch noch die andere Hand zur Hilfe und zog mit aller Kraft. Das, 
was ihm kurz zuvor schon bei seinem Pferd gelungen war, schaffte er 
auch jetzt. Zoll um Zoll kam der Kopf des Knappen wieder nach 
oben. 

Louis japste, keuchte, schnappte nach Luft. Schlamm quoll ihm 

aus Mund und Nase. 

»Verzeih mir, wenn ich dir ein paar Haare ausreiße«, sagte Roland 

mit einem kurzen Auflachen. Die Spannung, die sich in den 
vergangenen Minuten in ihm angestaut hatte, löste sich. Er hatte 
seinen treuen Knappen fest und sicher. Jetzt konnte nichts mehr 
passieren. 

Wenig später hatte er Louis auf das Floß hinaufgezogen. 

»Wenn ich diesen Schäfer in die Finger bekomme ...« Der Ritter 
Richard ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen. 

Roland warf seinem Standesbruder einen bösen Seitenblick zu. 

»Könnte es nicht sein, daß Ihr nicht verstanden habt, was  Euch der 
Einheimische erklärte?« 

»Erlaubt mal«, erwiderte Richard empört. »Haltet Ihr mich für 

einen tumben Tor?« 

»Für was ich Euch halte, behalte ich lieber für mich«, sagte der 

Ritter mit dem Löwenherzen. »Aber beantwortet mir die Frage, 
welches Interesse der Schäfer daran haben sollte, uns sehenden 

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Auges ins Verderben zu schicken.« 

»Der Mann war ein Dummkopf, der nicht rechts von links 

unterscheiden konnte. Oder aber ...« 

»Ja?« 
»Es gibt manche Leute unter dem einfachen Volk, die uns Rittern 

gegenüber  einen tiefen Haß hegen. Durchaus möglich, daß der 
Schäfer zu dieser Sorte gehörte. Ja, wenn ich es mir recht überlege, 
dann umspielte ein tückisches Lächeln sein Gesicht, als er mir den 
Weg beschrieb. Ich bin davon überzeugt...« 

»Laßt es gut sein, Richard«, mischte sich Graf Eduard in das 

Gespräch. »Die Hauptsache ist, daß letzten Endes doch alles gut 
ausgegangen ist, nicht wahr?« 

»Fast«, sagte der Knappe Louis, der gemeinsam mit Roland auf 

dessen Hengst saß. »Nur daß mein Pferd dem Sumpf zum Opfer 
gefallen ist!« 

»Laß dich deshalb nicht verdrießen, Knappe«, erwiderte der Graf. 

»Du lebst, dafür solltest du Gott, dem Herrn, danken. Und was dein 
Pferd angeht... Wir werden dir im nächsten Dorf ein neues kaufen.« 

»Und wo ist das nächste Dorf?« knurrte Roland. »Nachdem wir 

nur mühsam wieder aus dem Moor herausgefunden haben, sind wir 
vermutlich weiter denn je davon entfernt.« 

»Wir werden es schon finden.« 
Davon war Roland nicht überzeugt. Zwar lag das Moor inzwischen 

hinter ihnen, aber es war keine Frage, daß sie  sich in der Dunkelheit 
heillos verirrt hatten. Sie ritten nicht über einen Reiseweg, sondern 
quer durch ein schier unendliches Heidegebiet. Wenn es hier 
irgendwo ein Dorf gab, dann hatten sie es höchstwahrscheinlich 
längst passiert, ohne es zu bemerken. 

Langsam, sehr langsam nur noch, kamen sie voran. Und das lag 

nicht einmal so sehr daran, daß Roland und Louis auf einem Pferd 
sitzen mußten. Die beiden Frauen, der Mönch, der fette Mehlsack 
und auch Graf Eduard, alle an körperlichen Gebrechen leidend, 
hatten während des langen Tages viele Kräfte gelassen und waren 
recht erschöpft. Lange würden sie es nicht mehr im Sattel aushalten 

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können. 

Eine Meile legten sie noch zurück, ohne daß sich die Landschaft 

ringsum änderte. Kein Dorf, kein Gehöft, kein Weiler tauchte aus der 
Nacht auf. So weit das Auge im fahlen Mondlicht reichte, war nichts 
als Heidekraut zu sehen, das im schwachen Wind hin und her wogte 
wie ein reifes Kornfeld. 

Roland, der trotz der zusätzlichen Belastung seines Pferdes durch 

Louis an der Spitze der Wallfahrer ritt, ließ sich bis auf die Höhe des 
Grafen zurückfallen. 

»Wir sollten nicht weiterreiten, Herr Graf«, sagte er. »Weit 

kommen wir ohnehin nicht mehr. Also können wir genausogut an Ort 
und Stelle bleiben.« 

»Hier?« 
»Warum nicht? Das Heidekraut schützt uns vor dem Wind, und es 

gibt genügend Stellen, an denen wir uns für die Nacht einrichten 
können.« 

Sein Vorschlag fand alsbald allgemeine Zustimmung. Und auch 

nach einem passenden Lagerplatz mußte nicht lange gesucht werden. 
Eine von Pflanzenwuchs weitgehend freie Sandkuhle eignete sich gar 
vorzüglich. Die beiden Packesel, die Louis als Reittier verschmäht 
hatte, wurden abgeladen. Der Diener des Kaufmanns und die beiden 
Knappen machten  sich gleich daran, aus Ochsenhäuten und Planen 
aus Sackleinen ein Zelthaus zu errichten. Zu jagen gab es in der 
nächtlichen Heidelandschaft nichts. Die beiden Ritter konnten sich 
deshalb darauf beschränken, Feuerholz zu sammeln, während die 
Jungfer Eloise  und ihre Zofe Marie Vorbereitungen trafen, aus dem 
mitgeführten Proviant ein kärgliches Essen zu bereiten. 

Bald brannte das Lagerfeuer, um das sich alle Reisenden 

versammelten. Roland bedauerte, daß sein Freund Volker vom 
Hohentwiel, der berühmte Minnesänger, nicht anwesend war. Er 
hätte mit seinen Balladen die Stimmung der Wallfahrer heben 
können. 

So blieb diese gedrückt und trübe. Als die Grütze fertig war, 

verspürte niemand so rechte Lust zum Essen. Zu müde waren sie 

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alle, zu abgespannt und übellaunig. Lustlos löffelten sie den 
geschmacklosen Brei in sich hinein. 

Zu allem Überfluß fing es dann auch noch an zu regnen. Schnell 

zogen sich die geplagten Pilger unter das Zeltdach zurück. Die Nacht 
stand wirklich unter keinem guten Stern. Und sie würde kaum  besser 
werden, denn das Schlafen in dem engen, zugigen Behelfshaus war 
alles andere als ein vergnügliches Unterfangen. 

Gänzlich unerwartet sollte die Nacht dann doch noch einen 

gänzlich anderen Verlauf nehmen. Louis, der außerhalb des Zeltes 
noch einmal nach den Pferden sah, stieß einen unterdrückten Ruf 
aus. 

»Ritter Roland!« 
Der Ritter mit dem Löwenherzen, der gerade dabei war, der 

schönen Eloise in einer Ecke des Zeltes ein halbwegs angenehmes 
Lager zu bereiten, eilte sofort nach draußen. 

»Da kommt jemand«, flüsterte der Knappe. 
Roland hörte den Näherkommenden auch. Der Mann  - daß es ein 

solcher war, ließ sich am kräftigen Schritt erkennen  - gab sich 
keinerlei Mühe, lautlos zu wirken. Noch war er nicht zu sehen, aber 
das würde gewiß gleich der Fall sein. 

Ein paar Augenblicke später wurde er im Lichtschein des 

niederbrennenden Lagerfeuers sichtbar. Ein junger, kräftiger Bursche 
in derber, wetterfester Kleidung war es, der mit einem breiten 
Grinsen auf das Zelt zutrat. 

»Die Herrschaften seien gegrüßt«, sagte er. 
Auch Ritter Richard und Graf Eduard waren inzwischen aus dem 

Zelt herausgekommen. 

»Wer bist du?« fragte Roland. »Und vor allem  - wieso läufst du 

nachts hier in dieser Einöde herum?« 

»Einöde?« echote der Bursche. »Oh, so öde ist es hier gar nicht. 

Ich wohne ganz in der Nähe. Deshalb sah ich auch den Lichtschein 
Eures Feuers.« 

»Du wohnst in einem ... richtigen Haus?« 
»Gewiß, gewiß.« 

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Roland tauschte einen Blick mit seinen Reisegefährten. Ein 

richtiges Haus! Damit hatte nun wirklich niemand gerechnet. 

»Können wir dort übernachten?« erkundigte sich der Graf. 
»Zu wie vielen seid ihr?« erkundigte sich der Bursche und lugte 

neugierig ins Zelt hinein. 

»Ein knappes Dutzend.« 
»Kaufleute? Aber ich sehe gar keinen Wagen.« 
»Wir sind Pilger«, machte ihm Graf Eduard klar. »Nun, wie sieht 

es aus mit der Übernachtung?« 

»Ein knappes Dutzend, hm.« Der junge Bursche machte ein 

nachdenkliches Gesicht. »Es wird eng werden. Wir besitzen nur ein 
kleines Bauernhaus, müßt Ihr wissen, Herr.« 

»Wir würden gut für eine Beherbergung zahlen«, sagte der Graf. 

»Denk nicht, daß wir arme Leute sind und von Almosen leben, die 
man uns auf unserer Wallfahrt zusteckt.« 

Der Bursche antwortete nicht. Aber die Blicke, mit denen er vor 

allem Louis und Roland maß, sprachen für  sich. Und wirklich sahen 
die beiden, denen der Sumpf noch an den Kleidern haftete, nicht 
sonderlich wohlhabend aus. Als ihm Graf Eduard dann allerdings 
sagte, daß er der Fürst von Arlinghaus war, verlor sich seine 
zweifelnde Miene. 

»Ihr seid uns herzlich willkommen«, sagte er. 
Wenig später brachen Pierre, Louis und Mehlsacks Diener das 

aufgebaute Zelt wieder ab. 

Das Haus, zu dem sie der Bursche Xaver brachte, war doch größer 
als erwartet. Es handelte sich um ein Doppelhaus, aus Holz und Stein 
gebaut. In dem einen Teil waren die Wohnräume, in dem anderen 
Teil die Stallungen und Arbeitsräume untergebracht. Eine Scheune 
und ein Schuppen vervollständigten das Bild des Gehöfts. 

Die Bewohner waren recht zahlreich. Drei, vier Knechte und 

mehrere Mägde kamen  den Reisenden zu Gesicht, die halfen, die 

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Reittiere zu versorgen und das mitgebrachte Hab und Gut ins 
Wohnhaus zu bringen. Und dann war da natürlich auch noch der 
Besitzer des Gehöftes, Friedbert Buschner mit Namen. Er war ein 
dünner und irgendwie düster aussehender Mensch, der sich aber alle 
Mühe gab, gastfreundlich und ehrerbietig zu erscheinen. Vielleicht 
waren es auch nur sein pechschwarzes Haar und der nach unten 
hängende Schnauzbart, die ihm diesen finsteren Anschein gaben. 

Friedberts Frau Huberta war vom Äußeren her das genaue 

Gegenteil. Klein, rundlich und hellhaarig, wie von der Sonne 
ausgebleichtes Leinen. Aber auch sie gefiel Roland auf Anhieb nicht. 
Sie hatte so einen kalten, lauernden Ausdruck in den Augen, der ihn 
geradezu abstieß. Aber letzten Endes kümmerte es ihn nicht weiter. 
Er wollte mit der dicklichen Huberta ganz bestimmt nicht der Minne 
huldigen. Ein Dach über dem Kopf, ein guter Tropfen und, wenn es 
ging, auch etwas Kräftiges zwischen die Zähne, um den Grützebrei 
vergessen zu lassen  - das war alles, was er sich von den Bauersleuten 
wünschte. 

Und da wurde er nicht enttäuscht. Friedbert lud alle Wallfahrer in 

seine gute Stube ein. Und trotz der vorgerückten Stunde versprach er, 
noch ein Schaf schlachten zu lassen. Bevor das Fleisch auf den Tisch 
kam, bewirtete er seine Gäste mit einem großen Krug Wein. In der 
Zwischenzeit ließ er die Schlafkammern herrichten, was bedeutete, 
daß alle seine Knechte und Mägde für diese Nacht in die Stallungen 
ausweichen mußten. 

»Ein großes Haus, Knechte und Mägde«, sagte Graf Eduard. »Du 

mußt einen sehr großzügigen Landesherren haben, daß du dir das 
alles erlauben kannst.« 

»Ich zahle meine Kopfsteuer und leiste meine Abgaben«, erwiderte 

Friedbert Buschner. »Ansonsten bin ich ein freier Mann und mein 
eigener Herr, der niemandem verantwortlich ist.« 

»Ein freier Mann?« 
»Ich habe mich freigekauft«, bestätigte der Bauer. 
»Erstaunlich, erstaunlich«, fand der Graf, der zu Hause selbst über 

ein Heer von unfreien Bauern verfügte. »Wenn ich bedenke, daß du 

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noch reichlich jung bist...  Du mußt tierisch geschuftet haben, um dir 
deine Freiheit bereits jetzt erkauft zu haben.« 

Friedbert Buschner nickte dazu nur, sagte aber nichts. Dabei glitt 

ein Lächeln über sein bärtiges Gesicht, das nur sehr schwer zu deuten 
war. 

Das Lächeln gefiel Roland ganz und gar nicht. Er spürte förmlich, 

daß der Bauer nicht nur durch seiner Hände Arbeit zu Wohlstand 
gekommen war. Er hielt es durchaus für möglich, daß Buschner nicht 
die ehrenhafteste Vergangenheit war. 

Er ließ seine Gedanken jedoch nicht laut werden, sondern 

beschäftigte sich mit seinem Humpen. Der Wein war äußerst süffig, 
auch wenn er einen ausgesprochen herben Beigeschmack hatte. Ganz 
offenbar enthielt er einen Zusatz von Harz, wie es in manchen 
Landesgegenden üblich war. 

Der Wein fand am Tisch nicht allgemeines Wohlgefallen. Graf 

Eduard, ansonsten einem guten Tropfen keineswegs abgeneigt, schob 
seinen Becher zurück. 

»Mundet Euch der Wein nicht?« erkundigte sich Buschner, der wie 

ein  geübter Mundschenk hinter dem Grafen stand und ihm eigentlich 
gerade nachschenken wollte. 

»Mein Gaumen ist Besseres gewohnt«, sagte Eduard. »Hoffentlich 

würzt du den Hammel nicht ebenso scharf.« 

»Oh, ich bin zutiefst betrübt. Darf ich Euch etwas anderes bringen 

lassen? Einen Brombeerbrand vielleicht? Oder...« 

»Schon gut, schon gut. Ich esse gleich einen Bissen und begebe 

mich dann zur Ruhe.« 

»Hammel ohne einen kräftigen Schluck ist wie Brot ohne Rinde«, 

sagte der Mann mit dem hängenden Schnauzbart. »Kostet meinen 
Brombeerbrand, und Ihr werdet hoch zufrieden sein. Huberta, bringe 
unserem erlauchten Gast...« 

»Nein«, wehrte Eduard ab. 
Der Bauer machte ein verkniffenes Gesicht. »Ihr beleidigt mich! 

Noch nie hat jemand meinen Willkommenstrunk abgelehnt. Trinkt, 
Herr Graf.« 

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Beinahe fordernd sagte er dies, fast so, als hinge seine Seligkeit 

davon ab, daß der Fürst etwas trinke. Roland empfand diese 
Hartnäckigkeit als äußerst unziemlich. Er stellte seinen Humpen ab 
und hieb mit der Faust auf den Tisch. 

»Hörst du schlecht, Bauer?« fuhr er Buschner an. »Wenn der Herr 

Graf nein sagt, dann meint er es auch! Außerdem scheinst du zu 
vergessen, wer du bist. Graf Eduard beleidigt dich? Magst du auch 
ein Freier sein, so steht der Graf doch so hoch über dir, daß er dich 
gar nicht beleidigen kann. Merke dir das!« 

Ein bitterböser Blick war es, den der Buschner dem Ritter zuwarf. 

Wenn Blicke töten könnten, wäre Roland auf der Stelle entseelt von 
der Bank gefallen. Aber der Bauer bekam sich wieder in die Gewalt, 
zwang sich sogar zu einem Lächeln. 

»Verzeiht, Herr Ritter«, sagte er. »Ich wollte nicht anmaßend sein. 

Darf ich Euch den Becher noch einmal füllen?« 

Roland war kein nachtragender Mensch. Er erwiderte das Lächeln 

und hob den geleerten Humpen. »Schenk ein!« 

Friedbert Buschner tat es. Und er beeilte sich, auch den anderen 

neuen Wein zu kredenzen, wenn auch die beiden Frauen und 
überraschenderweise Louis darauf verzichteten. 

»Ich habe heute genug bitteres Zeug in den Mund bekommen«, 

erklärte der Knappe. 

»Einen Brombeerbrand denn?« erwies sich der Bauer abermals als 

hartnäckig. 

Louis schüttelte nur den Kopf. 
Einen Augenblick lang sah es so aus, als ob Buschner auch jetzt 

wieder versuchen wollte, Louis zu nötigen. Das tat er dann aber doch 
nicht. Deutlich war seiner Miene jedoch das offenkundige Mißfallen 
abzulesen. 

Warum nur? fragte sich Roland. Er verfolgte den Gedanken 

allerdings nicht länger. Was kümmerte ihn schließlich dieser Bauer, 
den er schon morgen wieder vergessen haben würde? 

Der Hammel ließ auf sich warten. Müdigkeit breitete sich am Tisch 

aus. Der dicke Mehlsack gähnte unverhohlen, und Bruder Gotthilf tat 

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es ihm gleich, wenn er dabei auch die Hand vor den Mund hielt. 
Auch Richard, Pierre und der dümmliche Theophil sahen so aus, als 
ob sie am liebsten den Kopf auf die Tischplatte gelegt hätten um 
innerhalb weniger Augenblicke einzuschlafen. Selbst Roland, der 
einen gehörigen Stiefel vertragen konnte, ohne 
Ermüdungserscheinungen zu zeigen, verspürte den dringenden 
Wunsch, sich niederzulegen. Und dabei hatte er so übermäßig  viel 
gar nicht getrunken. 

Louis stand plötzlich auf und kam vom Ende des Tisches zu Graf 

Eduard hinüber. Er beugte sich zu dem Fürsten nieder und sprach 
leise mit ihm. Was geredet wurde, konnte Roland nicht verstehen. Er 
neigte den Kopf zur Seite, um besser hören zu können. Und dabei 
stellte er mit nicht gelinder Überraschung fest, daß es ihn echte 
Anstrengung kostete, den Hals zu drehen. 

Er blinzelte, wobei er gegen die Schwere seiner Lider ankämpfen 

mußte, die das Bestreben hatten, von selbst zuzufallen. 

Tod und Teufel, was war auf einmal los mit ihm? 
Wie durch Nebelschwaden sah er, wie Louis sich von Graf Eduard 

abwandte und zur Tür ging. 

»Wartet, Knappe«, sagte der Bauer. 
Louis wandte sich langsam um. »Was willst du?« 
»Darf ich fragen, wohin Ihr wollt?« Buschner lächelte. 
»Was kümmert es dich?« fragte der Knappe barsch. »Bin ich dir 

Rechenschaft schuldig?« 

»Nun«, sagte der Schnauzbärtige. »Ich frage nur aus Höflichkeit, 

die jedem meiner Gäste gebührt.« 

»Wenn du es genau wissen willst... Ich will mich  nur davon 

überzeugen, daß unsere Pferde gut untergebracht sind.« 

»Das ist nicht erforderlich«, sagte Buschner schnell. »Meine 

Knechte sind die Zuverlässigkeit in Person.« 

»Dennoch möchte ich mich selbst überzeugen«, beharrte Louis und 

streckte die Hand nach der Tür aus. 

»Bleibt, wo Ihr seid, Knappe!« sagte der Bauer scharf. 
Seine knarrende Stimme veranlaßte Roland, sich 

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zusammenzureißen. Was fiel diesem Kerl ein, so mit seinem 
Knappen umzuspringen? Louis nahm nur von einem Befehle 
entgegen: von ihm. 

Roland wollte gerade die Stimme erheben, um den Bauern 

zurechtzuweisen. Da steckte Buschner einen Finger in den Mund und 
stieß einen schrillen, durchdringenden Pfiff aus. 

Die Tür, vor der Louis stand, flog so heftig auf, daß der Knappe 

unwillkürlich zurückprallte. Drei der Knechte standen im Rahmen. 
Einer von ihnen hielt eine Sense, die beiden anderen lange, 
gefährlich aussehende Messer in der Hand. 

Und nicht nur diese Tür war aufgesprungen. Am anderen Ende der 

großen Stube gab es noch eine andere Tür.  Auch diese war ruckartig 
geöffnet worden. Wie auf der gegenüberliegenden Seite drängten 
mehrere Einheimische herein, ebenso bewaffnet und mit denselben 
grimmigen Gesichtern. Unter ihnen befand sich auch der junge 
Bursche Xaver, der die Wallfahrer zu dem Gehöft gebracht hatte. 

Buschner wich an die Wand neben der zweiten Tür zurück. Ein 

böses Lächeln zeigte sich auf seinem finsteren Gesicht. 

»Verehrte Herrschaften«, sagte er laut. »Leider wird es heute 

abend mit dem Hammelbraten nichts mehr werden. Aber  wir haben 
statt dessen ein anderes Schlachtvieh zu bieten ... Euch selbst!« 

Sekundenlanges, tiefes Schweigen folgte diesen mörderischen 

Sätzen. Und Roland hatte das Gefühl, als seien nicht nur die Worte, 
sondern auch jede Bewegung im Raum eingefroren. Seine Glieder, 
seine Augen, seine Zunge, alles war schläfrig und wie gelähmt, im 
Kopf drinnen jedoch war er hellwach. Blitzartig begriff er, was sich 
abspielte. Dieses Gehöft war eine Fälle, eine Falle, in die er und 
seine Begleiter blinden Auges hineingetappt waren. Er hatte schon 
von einsamen Herbergen am Wegesrande gehört, in denen man 
Reisende ausraubte und anschließend umbrachte. Und wenn dies hier 
auch kein Gasthaus, sondern nur ein Bauernhaus war, so machte dies 
doch keinen Unterschied. Kein Zweifel,  daß seine Wallfahrergruppe 
nicht die erste war, die dem Buschner und seinen Spießgesellen auf 
den Leim gegangen war. Die Frage nach seinem Wohlstand 

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beantwortete sich damit von selbst. Und auch die Frage, wieso 
plötzlich diese tiefe Müdigkeit Platz gegriffen hatte, war gar keine 
Frage mehr. Natürlich hatte der Bauer den Wein nicht nur mit 
würzigem Harz versetzt. Er hatte noch etwas anderes hineingemischt, 
das die Müdigkeit verursachte. Darum war er auch so hartnäckig 
darum bemüht gewesen, sie alle zum Trinken anzuspornen. 

Aber Roland sah sich noch nicht als Opfer, das man ohne 

Gegenwehr abschlachten konnte. Er baute auf seine Gabe, 
Trunkenheit so schnell abschütteln zu können wie kaum ein zweiter. 

Bevor die Helfershelfer des verbrecherischen Bauern sich auf die 

überraschten Wallfahrer stürzen konnten, sprang er von der Bank 
auf. Seine rechte Hand fuhr zur Hüfte, wo sein Schwert in der 
Scheide zu stecken pflegte. 

Zwei Erkenntnisse auf einmal geboten seinem Ungestüm Einhalt. 

Zum einen wurde ihm in dem Augenblick, in dem seine Hand ins 
Leere griff, bewußt, daß er auf dieser Reise gar kein Schwert bei sich 
trug. Und zum zweiten merkte er, wie sehr er noch unter dem Einfluß 
des Mittels stand, daß der schurkische Buschner in den Wein 
gepanscht hatte. Trunkenheit und Schläfrigkeit der Glieder waren 
unterschiedliche Dinge. Einen Rausch vermochte er kraft seines 
ehernen Willens in kürzester Zeit zu überwinden, die jetzt auf ihm 
lastende Müdigkeit hingegen nicht. Es war äußerst schmerzlich für 
ihn, an sich selbst beobachten zu müssen, wie langsam der Körper 
den Befehlen des Kopfes gehorchte. Selbst wenn sein Schwert da 
gewesen wäre, hätte er es jetzt noch immer nicht in der Faust gehabt. 

Als sei Rolands Aufspringen ein Signal für die Kumpane 

Buschners gewesen, stürmten diese jetzt johlend in die Stube herein. 
Louis, der der Tür am nächsten war, wurde als erster mit ihnen 
handgemein. 

Aber die Kerle waren mit dem Knappen gerade an den Falschen 

gekommen. Louis hatte dem Wein nur sehr mäßig zugesprochen, 
stand nicht unter seinem unheilvollen, lähmenden Einfluß. Er war 
unbedingter Herr seiner sieben Sinne, und der Zwischenfall im Moor 
hatte ihm nichts von seiner Kraft und Behendigkeit genommen. 

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Der Kerl mit der Sense war der erste, der es zu spüren bekam. Wild 

die im Fackellicht der Stube blitzende Klinge schwingend, drang er 
auf Louis ein. Wäre der benommen gewesen, hätte ihm der mächtige 
Sensenhieb, glatt den Schädel vom Rumpf getrennt. So hingegen 
ging der Schlag fehl, weil sich Louis gedankenschnell duckte. Im 
nächsten Augenblick hatte Rolands Getreuer zugepackt und den 
Sensenarm des Knechtes ergriffen. Ein kräftiger, genau angesetzter 
Ruck, und der Arm brach wie ein morsches Stück Holz. Der Kerl 
stieß einen gellenden Schrei aus und ließ die Sense fallen. Noch 
bevor sie den Boden berührte, fing Louis sie auf. Jetzt bewaffnet, 
stellte er sich den anderen beiden Schergen des Bauern entgegen. 

Unterdessen waren die Männer, die durch die andere Tür 

gekommen waren, nicht untätig geblieben. Zu viert waren sie, und 
zwei von ihnen hatten sogar Schwerter in den Fäusten, die sie 
vermutlich anderen Opfern des Ritterstandes entwendet hatten. Sie 
rannten auf den Tisch zu, Triumphgeschrei auf den Lippen und 
Mordlust in den Augen. 

Theophil, der Diener des Kaufmanns, und der Knappe Pierre saßen 

an der Kante des Tisches. Der Schreck riß Theophil von der Bank 
hoch. Viel zu langsam allerdings, um dem Verderben entgehen zu 
können. Ein Schwert traf ihn von hinten in den Rücken und 
durchbohrte ihn förmlich. Pierre war glücklicher dran. Auch ihm 
machte die Müdigkeit gar übel zu schaffen. Aber auch in diesem 
Zustand verließ ihn seine pfiffige Schläue nicht. Getreu dem 
Wahlspruch, daß Tapferkeit nicht immer der Weisheit letzter Schluß 
ist, ließ er sich einfach von der Bank fallen und kroch unter den 
Tisch. Dort war er vor den Mordwaffen der Halsabschneider sicher. 
Für den Augenblick zumindest. 

Die Ermordung Theophils ließ alle Reisenden zweifelsfrei 

erkennen, daß es dem Bauer und seinen Leuten nicht nur darum ging, 
Beute zu machen. Sie wollten ihre Opfer auch zum Schweigen 
bringen, wollten ihnen nicht nur Hab und Gut, sondern auch das 
Leben rauben. Dem Kaufmann Mehlsack gereichte diese 
schreckliche Erkenntnis sogar zum Vorteil. Vor Entsetzen bekam er 

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einen seiner Anfälle von Atemnot und fiel  in Ohnmacht. So mußte er 
wenigstens nicht mit ansehen, was um ihn herum geschah. Bruder 
Gotthilf versuchte auf seine Weise, mit dem Furchtbaren fertig zu 
werden. Er faltete die Hände, neigte den Kopf und fing an, ein Gebet 
vor sich hin zu sprechen. 

Auch der Ritter Richard war nicht in der Lage, Widerstand zu 

leisten. Er hatte mehr getrunken als die anderen. Deshalb lastete die 
Müdigkeit auf ihm am stärksten. Stocksteif saß er da und hatte die 
allergrößte Mühe, die Augen offenzuhalten. 

Eloise und ihre Zofe  hatten nur am Wein genippt. Aber sie waren 

schwache Frauen und deshalb von vornherein kein Gegner für das 
mörderische Gesindel. So blieben allein Roland und Graf Eduard, 
mit denen sich die Halunken auseinanderzusetzen hatten. Der Fürst 
hatte nur einen einzigen Schluck getrunken und war deshalb von der 
einschläfernden Wirkung des Weins nicht betroffen. Aber in seinem 
verletzten Arm wütete der nicht heilen wollende Brand. Dennoch 
zeigte er, daß er ein Mann war, der dem edlen Ritterstand alle Ehre 
machte. Mitnichten war er gewillt, sich abschlachten zu lassen wie 
ein Stück Vieh. Solange er noch einen Finger rühren konnte, würde 
er kämpfen. Und er konnte nicht nur einen Finger, sondern eine 
ganze Hand bewegen. Als der erste Mordknecht mit dem Schwert auf 
ihn losgehen wollte, packte er den schweren Weinkrug auf dem 
Tisch und schmetterte ihn dem Angreifer entgegen. Dessen Schwert 
glitt an der irdenen Wandung des Gefäßes ab. Als er zurücktaumelte, 
hätte er beinahe einem seiner Kumpane mit der Klinge die Kehle 
aufgeschlitzt. Das verschaffte dem Grafen eine kurze 
Verschnaufpause. 

»Roland, Richard, tut etwas!« rief er den beiden Rittern zu. »Steckt 

den Finger in den Hals und erbrecht den gepanschten Wein. 
Vielleicht könnt ihr so eurer Schläfrigkeit Herr werden.« 

Roland, der immer noch zwei Schritte neben dem Tisch stand, 

hatte bisher noch keine unmittelbare Berührung mit einem der 
mörderischen Halunken gehabt. Vielleicht deshalb nicht, weil er 
einen ganz und gar verteidigungsunfähigen Eindruck machte. Der 

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Vorschlag des Grafen deuchte ihm vernünftig. Hatte nicht schon so 
mancher nach dem Genuß von verdorbenem Fleisch oder giftigen 
Pilzen sein Leben gerettet, indem er seinen Magen entleerte? 

Mehr als eine kurze Verschnaufpause blieb ihm gewiß nicht. Louis 

hielt zwei der Kerle mit der Sense fern. Aber der Graf, dessen 
einzige Waffe ein irdener Weinkrug war, würde fraglos in wenigen 
Augenblicken überwältigt sein. 

Roland tat, wie ihn Eduard geheißen hatte. Tief bohrte er Zeige- 

und Mittelfinger in den Schlund. Unverzüglich stellte sich ein 
drängendes Würgegefühl ein, dem der Ritter mit dem Löwenherzen 
willig nachgab. Im hohen Bogen schoß ihm der gepanschte Wein aus 
dem Mund, einmal, zweimal, dreimal. 

War es jene Einbildung, die bekanntlich stark machen sollte, daß er 

sich gleich wacher fühlte? 

»Schweineritter!« brüllte ihn der Buschner Friedbert an. »Warum 

gehst du nicht in den Stall zu den Säuen?« Und an seine Knechte 
gewandt, schrie er: »Macht ihn nieder, bevor er tatsächlich wieder zu 
Kräften kommt!« 

Und  schon kamen sie, die beiden Kerle mit den Schwertern und ein 

dritter, der mit klobiger Faust einen nagelgespickten Dreschflegel 
umklammerte. Letzterer war schon fast heran. Aber wirklich nur fast, 
denn als er mit seinem nachgemachten Morgenstern auf Roland 
einschlagen wollte, rutschte er auf der Lache Erbrochenem aus und 
stürzte auf den Fußboden. Die zwei anderen, die gleich hinter ihm 
waren, stolperten über ihn, gerieten in Gefahr, das Gleichgewicht zu 
verlieren. 

Der Ritter mit dem Löwenherzen handelte, ohne groß und lange 

nachzudenken. Wie von selbst flog sein rechter Fuß nach vorne, 
nicht so schnell wie unter normalen Umständen, aber doch unerhört 
wirksam. Der eine der Schwertschwinger wurde voll an der 
Kniescheibe getroffen. Hinter dem Tritt steckte die geballte Kraft 
einer Burgramme. Der Kerl schrie wie am Spieß und fing mit 
schmerzverzerrtem Gesicht an, auf einem Bein zu hüpfen, wobei er 
seinen Kumpan behinderte. Das nutzte Roland aus. Mit der Faust 

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schlug er zu, mitten hinein in das Gesicht des Mannes, der noch auf 
seinen Füßen stand. Im nächsten Augenblick stand er allerdings nicht 
mehr. Er flog mehrere Ellen zurück und krachte mit dem Hinterkopf 
gegen die Wand. Das gab ihm den Rest. Er rutschte an der Wand 
entlang, brach in die Knie und kippte  dann vornüber aufs Gesicht. 
Besinnungslos blieb er auf dem Fußboden liegen. 

Der Mordbube, der ausgerutscht war, bemühte sich, wieder auf die 

Beine zu kommen. Es blieb bei dem Bemühen. Roland, der nun in 
der Tat langsam, aber sicher die dumpfen Anwandlungen der 
Müdigkeit verdrängen konnte, rammte ihm das rechte Knie unter das 
Kinn. Der Kopf des Kerls flog zurück, als habe man ihm einen 
Hammerschlag versetzt. Vermutlich hätte es Rolands nächsten Hiebs 
gar nicht mehr bedurft, um auch diesen Gegner  kampfunfähig zu 
machen. 

Der Schurke mit der verletzten Kniescheibe bekam es angesichts 

Rolands urwüchsiger Kraft, die seine Kumpane gerade spielend 
außer Gefecht gesetzt hatte, mit der Angst zu tun. Er wollte 
davonlaufen. Da aber zeigte der Knappe Pierre, daß er auch noch da 
war. Seine Hand fuhr unter dem Tisch hervor und packte den Mann 
am Bein. Kräftig zog er daran. Die Folge war, daß auch dieser 
Halunke nähere Bekanntschaft mit dem Fußboden schloß. Roland, 
der inzwischen den herrenlos umherliegenden  Dreschflegel an sich 
genommen hatte, sorgte dafür, daß er in absehbarer Zeit wohl nicht 
wieder aufstehen würde - wenn überhaupt. 

Tatendurstig blickte sich der Ritter mit dem Löwenherzen nach 

dem nächsten Gegner um. Er mußte zweimal hinsehen, um überhaupt 
noch einen zu finden. Louis, der die erbeutete Sense handhabte wie 
seinen geliebten Hirschfänger, hatte einem seiner beiden noch 
verbliebenen Widersacher den halben Arm abgetrennt. Und den 
anderen trieb er gerade so in die Enge, daß es für Roland nichts mehr 
zu tun gab. Nur zwei der Mordbuben waren noch übrig: derjenige, 
der bisher vergeblich versucht hatte, den löwenhaft mit dem 
Weinkrug kämpfenden Grafen zu besiegen, und ... Friedbert 
Buschner selbst. Die beiden sahen ihr Heil jetzt nur noch in der 

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Flucht, wandten sich zur Tür. Aber Roland, der im Kampf seine 
Schläfrigkeit mittlerweile fast ganz abgelegt hatte, war vor ihnen da. 
Mit erhobenem Dreschflegel, dessen Nägel rötlich leuchteten, sagte 
er: »Versucht nur, an mir vorbeizukommen. Wenn ihr es schafft, 
dann gewiß mit eingeschlagenem Schädel.« 

Diese Worte, denen Bauer und Knecht anhörten, daß sie blutig 

ernst gemeint waren, genügten vollauf. Die beiden Schurken ergaben 
sich und baten um Gnade. 

Für diese Nacht wurde ihnen noch Gnade zuteil. Ob allerdings ihr 

Landesherr, dem sie morgen übergeben werden sollten, ebenfalls 
solche Milde walten lassen würde, durfte mit Fug und Recht 
bezweifelt werden. 

Die Wallfahrt schien kein Ende zu nehmen. Langsam bekam Roland 
das Gefühl, daß er das >Kloster zum Schwarzen Stein< erst dann zu 
sehen bekommen würde, wenn sein blondes Haar längst grau 
geworden war. Noch jedenfalls lag das Ziel in weiter Ferne. 

Allerlei Widrigkeiten waren dem Ritter mit dem Löwenherzen und 

seinen Schutzbefohlenen auch weiterhin untergekommen. Mehrmals 
hatten Wegelagerer versucht, sie um ihre Habe und ihre wertvollen 
Pilgergaben zu erleichtern, hatten selbstsüchtige Landesherren ihnen 
ihre Macht gezeigt, hatten sie sich mit den Gefahren der Natur 
auseinanderzusetzen gehabt. Und auch vom Übel einer Krankheit 
waren sie nicht verschont geblieben. Die Zofe Marie hatte es so 
schwer auf der Brust gehabt, daß sie wohl oder übel mehrere Tage in 
einem Gasthaus zubringen mußten. Weiterer Aufenthalt war 
entstanden, weil sich Bruder Gotthilfs Gliederschmerzen 
streckenweise so verschlimmert hatten, daß er beim besten Willen 
nicht im Sattel sitzen konnte. Und auch Roland selbst war nicht 
unbeschadet davongekommen. Eine Kreuzotter hatte ihn gebissen. 
Und obwohl die Bißwunde am Fuß sofort ausgebrannt worden war, 
hatte er tagelang doch erhebliche Beschwerden gehabt. Inzwischen 

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aber waren diese längst wieder behoben. Die einzige Erinnerung an 
den Schlangenbiß war die Narbe, die wohl noch längere Zeit sichtbar 
sein würde. 

Wieder einmal schickte sich ein Tag an, zur Neige zu gehen. Und 

wie schon so oft stand die Sorge um ein halbwegs bequemes 
Nachtlager im Vordergrund. Besonders groß war die Sorge an 
diesem Tag jedoch nicht, denn die hügelige, reich bewaldete 
Landschaft, die sie gegenwärtig durchzogen, war mit fruchtbarem 
Land gesegnet und hatte an menschlichen Niederlassungen keinen 
Mangel. 

Es ergab sich dann, daß es die Wallfahrer doch vorzogen, entgegen 

ihren sonstigen Gepflogenheiten unter freiem Himmel zu nächtigen. 
Als sie sich einer kleinen Waldlichtung näherten, sahen sie schon 
von weitem, daß diese Lichtung bevölkert war. Sie sahen es nicht 
nur, sie hörten es auch. 

Lautes Lachen, Fiedelspiel und Gesang klangen ihnen entgegen. 

Ein heiteres Völkchen schien sich dort versammelt zu haben. 
Dennoch ließ Roland die gebotene Vorsicht nicht außer acht. Es wäre 
nicht das erste Mal gewesen, daß sich Heiterkeit plötzlich in 
Bösartigkeit verwandelt hätte. Er wies die anderen an zu warten und 
ritt allein voraus, nur begleitet von Louis. 

Fahrendes Volk war es, das auf der Lichtung seinen Lagerplatz 

aufgeschlagen hatte. Mehrere Wagen, mit Planen bedeckt, standen 
unter den Bäumen, und eine ganze Reihe von kleinen Zelten 
gruppierte sich im Halbkreis darum. Etwa zwei Dutzend Menschen 
waren zu sehen, Männer, Frauen und Kinder, von der gebeugten 
Greisin bis zum Säugling, der an der Mutterbrust hing. Die Leute 
spielten, sangen, kochten, wuschen Wäsche in dem 
vorbeirauschenden kleinen Bach, beschäftigten sich mit allerlei 
Handarbeiten, kurzum, sie machten ihre Hausarbeit. 

Als Roland und Louis am Rand der Lichtung auftauchten, zeigten 

sich die Leute in keiner Weise überrascht oder gar erschreckt. Die 
meisten fuhren mit ihrer gegenwärtigen Beschäftigung fort, wenn 
auch zahlreiche neugierige Augen auf den beiden Ankömmlingen 

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ruhten. Worte in einer Sprache, die weder Roland noch sein Knappe 
verstanden, huschten hin und her. 

Es dauerte nicht lange, da löste sich aus dem Kreis der Fahrenden 

ein würdig aussehender, weißhaariger Mann und trat den beiden 
Reitern entgegen. 

»Willkommen beim Stamm der Karlis«, begrüßte er sie lächelnd. 

»Wollt Ihr Euch nicht .zu uns gesellen? Essen, Trinken und 
Unterhaltung bieten wir Euch gerne feil.« 

Der Aussprache des Mannes war anzuhören, daß  er nicht in seiner 

eigenen Zunge sprach. Aber er war trotzdem gut verständlich. Er 
gefiel Roland. In der Vergangenheit hatte er schon Angehörige des 
fahrenden Volkes getroffen, denen Tücke und Falschheit im Gesicht 
geschrieben stand und die auch nur darauf aus waren, andere zu 
betrügen und zu bestehlen. Bei diesem Mann jedoch  - auch bei 
seinen Leuten  - war von Tücke und Falschheit nichts zu spüren. Ihre 
Heiterkeit und Freundlichkeit waren echt. 

Roland erwiderte den Gruß des Weißhaarigen und machte ihm 

dann klar, daß er und Louis nicht allein waren. 

»Eigentlich suchen wir eine Herberge, in der wir die Nacht 

verbringen können«, sagte er zum Schluß. »Habt ihr eine solche in 
der näheren Umgebung gesehen?« 

»Ja«, sagte der Alte, »im nächsten Dorf, etwa fünf Meilen entfernt, 

gibt es ein Gasthaus. Aber ich würde Euch nicht raten, dort 
abzusteigen. Das Essen ist für die Schweine, das Gesöff verursacht 
Kopfschmerzen und Bauchgrimmen, und in den Betten tummeln sich 
Läuse und Wanzen. Ihr seid besser beraten, wenn Ihr die Nacht bei 
uns verbringt.« 

»Ein Nachtlager im Freien lieben wir nicht so sehr«, entgegnete 

der Ritter mit dem Löwenherzen. »Wir haben Kranke und Frauen bei 
uns, die die Kühle des Abends nur schlecht vertragen.« 

»Macht Euch dieserhalb keine Gedanken«, lächelte der 

Weißhaarige. »Wenn Ihr wollt, stellen wir Euch gerne einige unserer 
Wagen zur Verfügung. Wir ziehen es ohnehin vor, in unseren Zelten 
zu schlafen.« 

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Louis beugte sich im Sattel vor. »Ich würde zustimmen«, raunte er 

seinem Herrn zu. »Seht Ihr  die Mädchen dort am Bach? Vielleicht 
wären ein paar von ihnen nicht abgeneigt...« Er hüstelte und kniff das 
rechte Auge zu. 

Roland hatte die Mädchen keineswegs übersehen. Er war ein Mann 

in der Blüte seiner Jugend und wurde trotz seiner gewaltigen 
körperlichen Stärke oft schwach, wenn er einer schönen Frau 
gegenüberstand. Und diese Töchter des fahrenden Volkes dort 
drüben ... 

»Wir nehmen eure Einladung mit Freuden an«, sagte er zu dem 

Weißhaarigen. 

Zigan, der alte Anführer des Stammes der Karli, hatte nicht zu viel 
versprochen. Selten war für das leibliche Wohl der Wallfahrer so gut 
gesorgt worden wie am Lagerfeuer der Fahrenden. Es gab Fleisch, 
gekonnt gebraten und gar köstlich gewürzt, und einen roten Wein, 
der den Gaumen vor Freude jauchzen ließ. Und es gab Geselligkeit, 
Musik und Tanz, daß es eine wahre Freude war. Selbst die 
Reisenden, denen das Leben wegen ihrer Leiden oftmals eine Plage 
war, vergaßen an diesem Abend ihre Pein. Zwar konnten sie nicht 
daran denken, das Tanzbein zu schwingen, aber die allgemeine 
Fröhlichkeit nahm auch sie so gefangen, daß sie sich keineswegs als 
Ausgestoßene fühlten. 

Roland hingegen wagte mehr als ein Tänzchen. Der köstliche 

Rotwein und die schwungvolle Fiedelmusik gingen ihm ins Blut und 
machten ihn ausgelassener, als es sonst seine Art war. Und mit seiner 
stattlichen Erscheinung und seinem Blondhaar erfreute er sich bei 
den Frauen des Stammes, die allesamt schwarzhaarig waren, großer 
Beliebtheit. Nach höfischer Sitte war es zwar nicht ziemlich, daß sich 
die Frauen ihre Tänzer selbst suchten. Aber die Karli-Töchter hatten 
offenbar niemals etwas von höfischer Sitte gehört. Sie forderten die 
Männer ihrer Wahl zum Tanze auf. Und diese Wahl fiel immer 

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wieder auf den Ritter mit dem Löwenherzen, der nichts dagegen 
einzuwenden hatte. 

Die Mädchen des Stammes waren schön, anmutig und 

begehrenswert. Im Laufe des Abends setzte sich in Rolands Kopf 
jedoch ein anderer Gedanke fest. Es gab eine Frau, die er noch 
schöner, anmutiger und begehrenswerter fand. 

Eloise! 
An diesem Abend, das schwor er sich, würde er einen abermaligen 

Versuch unternehmen, den Eispanzer aufzubrechen, der sie umgab. 
Während der langen Reise hatte er sich immer wieder um sie 
bemüht. Aber Eloise war ihm stets nur mit Höflichkeit und äußerster 
Zurückhaltung begegnet. Er hatte einfach keinen Weg zu ihrem 
Herzen gefunden. Vielleicht gelang es ihm heute. 

Als ausnahmsweise einmal keine Karli-Tochter seine Tanzdienste 

in Anspruch nahm, trank er sich mit einem kräftigen Schluck 
Rotwein noch etwas mehr Mut zu und ging dann zu Eloise hinüber. 

Die schöne Pilgerin saß mit ihrer Zofe etwas abseits von dem 

heiteren Treiben. Wahrscheinlich war sie die einzige im weiten 
Rund, die sich nicht von der allseitigen Fröhlichkeit anstecken ließ. 
Zwar verfolgte sie Musik und Tanz mit den Augen, machte aber 
keinerlei Anstalten, selbst daran teilzunehmen. Ihr fein geschnittenes 
Gesicht war so ernst wie immer, und in ihren Augen lag jene 
Schwermut, die sie anscheinend niemals abzulegen vermochte. 

Lächelnd trat Roland vor sie hin und machte eine gar artige 

Verbeugung. »Darf ich Euch zum Tanze bitten, mein Fräulein?« 
fragte er mit einschmeichelnder Stimme. Er behielt sein Lächeln bei 
und blickte, erwartungsvoll auf sie hinab. 

Eloise antwortete nicht sofort, sah ihn nur mit  großen Augen an. 

Dann, nach einer ganzen Weile, schüttelte sie langsam den Kopf. 

»Es tut mir leid, Ritter Roland, aber...« 
»Aber?« fragte Roland drängend. »Bin ich in Euren Augen ein 

grober Klotz, mit dem sich eine Dame vom Stande nicht einläßt? Ein 
Unhold gar, den man meiden muß wie Pest und Teufel?« 

»Das ist es gewiß nicht, Ritter Roland. Und das wißt Ihr auch recht 

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gut. Ihr habt viel für uns alle getan. Ohne Euch wären wir niemals bis 
hierher gekommen. Besonders ich stehe tief in Eurer Schuld. Glaubt 
nicht, daß ich vergessen hätte, wie Ihr mich vor der Schändung durch 
den anderen Ritter bewahrt habt.« 

»Nun denn«, sagte Roland, »so tanzt mit mir und beweist mir 

dadurch Eure Dankbarkeit.« 

Wieder schüttelte Eloise langsam den Kopf. »Es geht nicht«, sagte 

sie leise. 

»Und noch einmal frage ich: warum nicht?« 
»Ich ... ich kann Euch den Grund nicht nennen. Habt die 

Freundlichkeit, Euch damit zufrieden zu geben, daß es um ein 
Gelübde geht.« 

»Ein Gelübde, das Ihr abgelegt habt?« 
»Ja.« 
»Was habt Ihr geschworen, Jungfer?« 
»Auch das kann ich Euch nicht sagen«, erwiderte Eloise. 
Roland biß sich auf die Unterlippe. »Na, dann nicht«, sagte er nicht 

gerade freundlich und wandte sich ruckartig ab. Er konnte und wollte 
nicht verhehlen, daß er verärgert war. Eloise verschmähte ihn nicht 
nur, sie hatte auch kein Vertrauen zu ihm. Und dies erbitterte ihn 
über alle Maßen. 

Mit verkniffenem Gesicht kehrte er zum Lagerfeuer zurück. Er 

langte nach einem der Rotweinkrüge, von denen mehrere zur freien 
Bedienung herumstanden, und füllte einen Becher bis zum Rande. 
Wütend leerte er ihn bis zur Neige. Als er sich sogleich 
nachschenken wollte, legte sich von hinten eine weiche Hand auf 
seine Schulter. 

»Versucht Ihr Euren Kummer im Wein zu ertränken, Herr Ritter?« 

sagte eine weibliche Stimme, die nicht ganz frei war von Spott. 

Roland, der sich auf eine der im Moos ausgebreiteten Decken 

gesetzt hatte, wandte den Kopf zurück. Hinter ihm stand ein Karli-
Mädchen, das ihm bisher noch gar nicht aufgefallen war. Ein sehr 
schönes Mädchen mit ellenlangen Beinen, die lockend unter dem 
kurzen Kleid hervorblickten. Ihre Brüste ließen ihn an Vollreife, 

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pralle Äpfel denken, die zum Anfassen aufforderten. Und in ihren 
glutvollen Augen lagen alle Versprechungen, die eine Frau machen 
konnte. 

»Kummer?« 
»Wie kommst du auf den Gedanken, daß ich Kummer habe, mein 

Kind?« 

»Liebeskummer, meine ich.« 
»Liebes ...« 
»Ich habe gesehen, wie Ihr bei der feinen Dame dort drüben wart«, 

sagte die Tochter des fahrenden Volkes. »Sie hat Euch eine Abfuhr 
erteilt, nicht wahr?« 

»Einem Mann wie mir erteilt man keine Abfuhr«, sagte der Ritter 

mit dem Löwenherzen grollend. 

»Verzeiht, wenn ich zu einem falschen Urteil gekommen bin«, 

sagte das Mädchen lächelnd. »Nun, wenn die feine Dame  dort 
drüben nicht hinderlich im Wege steht, dann könnt Ihr mit mir 
tanzen, oder?« 

Warum nicht? dachte Roland. Wenn die schöne Eloise glaubte, ihn 

verschmähen zu müssen ... 

Er nahm das Mädchen bei der Hand und zog es in den Kreis, in 

dessen Mitte sich die Paare drehten. Ringsum saßen die anderen 
Angehörigen des Karli-Stammes und begleiteten die Melodien der 
Fiedeln mit rhythmischem Händeklatschen. Auch mehrere der 
Wallfahrer hatten sich dort eingereiht. Selbst der meist jammernde 
Mehlsack und Bruder Gotthilf klatschten mit in die Hände und waren 
guter Dinge. 

Bald wurde das schnelle Stück, bei dem die Tänzer nur 

herumwirbelten, durch eine langsame Melodie abgelöst. Die Fiedeln 
schluchzten und schmeichelten und schickten ihre Töne mitten 
hinein in die Herzen. Ganz eng preßte sich das Mädchen jetzt an 
Roland. Ihr prächtiger Busen war so nahe, daß Roland kaum den 
Blick von ihrem weiten Ausschnitt abwenden konnte. 

»Wie heißt du, mein Kind?« fragte er ein bißchen heiser. 
»Hanka.« 

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»Hanka«, wiederholte Roland. »Das ist ein sehr schöner Name.« 
»Gefällt er Euch, Herr Ritter?« 
»Sehr.« 
»Und ich? Gefalle ich Euch auch?« 
»Noch besser als dein Name!« 
Das Mädchen lächelte und rückte noch ein bißchen enger an ihn 

heran. Sie lehnte den Kopf gegen seine breite Brust und sagte eine 
Weile nichts. Dann hob sie den Kopf und bedachte ihn mit einem 
glühenden Blick aus ihren tiefdunklen Augen. 

»Wenn es Euch hier zu laut werden sollte, Herr Ritter ... Ich kenne 

einen ganz ruhigen Platz, wo man gänzlich ungestört sein kann. 
Wollt Ihr mich dorthin begleiten?« 

Und ob Roland das wollte! 

Auch der Ritter Richard amüsierte sich ausgezeichnet. Das Essen 
war ganz hervorragend gewesen, der Wein mundete gar prächtig, und 
das Mädchen, mit dem er nun schon zum wiederholten Mal tanzte, 
würde ihm wahrscheinlich auch noch den Rest der Nacht versüßen. 

Wie stets war Richard jedoch nicht ganz bei der Sache. Er hatte es 

sich auf der Wallfahrt angewöhnt, jederzeit ein waches Auge auf 
seinen Standesbruder Roland zu halten und darauf zu lauern, daß sich 
der blonde Ritter eine Blöße gab, die er ausnutzen konnte. Aber wie 
es schien, war Roland mit dem Teufel im Bunde. Alles, was Richard 
bisher unternommen hatte, um ihn aus dem Weg zu räumen, hatte 
nicht zum Erfolg geführt. Er war dem Sumpf entronnen, hatte den 
Biß der Kreuzotter überlebt, die von Richard gar listig in seinen 
Stiefel geschmuggelt worden war, und hatte es auch geschafft, einen 
künstlich herbeigeführten Steinschlag schadlos zu überstehen. Einer 
direkten Konfrontation mit Roland ging  Richard geflissentlich aus 
dem Wege. Die Lehre, die er ganz am Anfang der Reise bei der 
vorgetäuschten Vergewaltigung der Jungfer Eloise bezogen hatte, 
wirkte noch in ihm nach. Aber er gab die Hoffnung nicht auf, den 

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Ritter mit dem Löwenherzen doch noch  in eine tödliche Falle locken 
zu können. Es mußte ihm ganz einfach gelingen, denn sonst würden 
er und seine Familie den Zorn des alten Wilhelmus zu spüren 
bekommen. 

Aus den Augenwinkeln sah Richard, wie Roland zur Jungfer 

Eloise hinüberging und mit ihr sprach. Fast hatte es den Anschein, 
als wolle er sie zum Tanzen auffordern. Richard grinste. Glaubte 
Roland etwa, daß er das Mädchen wirklich dazu bewegen konnte? 
Diese Eloise war kalt wie ein Fisch, schien die Männer geradezu zu 
hassen. Richard hätte Schwert und Pferd darauf gesetzt, daß der 
Ritter mit dem Löwenherzen gleich wieder zurückkam - allein. 

Und so war es dann auch. Eloise hatte ihn abblitzen lassen, das 

konnte man Roland schon vom Gesicht ablesen, als er dem Mädchen 
den Rücken zuwandte. Wieder grinste Richard. 

Das Mädchen, mit dem er tanzte, mißdeutete seine Belustigung. 

»Lacht Ihr mich aus, Ritter?« erkundigte sie sich. »Tanze ich nicht 
so, wie Ihr es von Euren vornehmen Damen an den Fürstenhöfen des 
Landes gewohnt seid?« 

Richard beeilte sich, ihr zu versichern, daß davon gar keine Rede 

sein könne. Unter keinen Umständen wollte er sich die Gunst der 
kleinen Schwarzhaarigen verscherzen. Er hatte schließlich mit ihr im 
Laufe der Nacht noch einiges vor. Er begann, ihr allerlei 
Schmeicheleien ins Ohr zu flüstern, die sie auch begierig aufnahm. 

Dann, eine kurze Weile später, merkte er, daß sie ihm nicht mehr 

richtig zuhörte. Ihre Blicke hingen an Roland, der inzwischen mit 
einer anderen Stammestochter tanzte. Das Blut stieg ihm in den 
Kopf. Dieser Roland wurde immer mehr zum Ärgernis. 

»O je«, sagte das Mädchen. »Wenn das der Janos sehen würde!« 
»Was?« 
»Euren blonden Ritterfreund und Hanka. Sie tanzen so, als ob sie 

gleich vor aller Augen mit der Minne anfangen würden.« 

Richard war etwas beruhigt. Anscheinend galt die Aufmerksamkeit 

seiner Tänzerin mehr ihrer Stammesschwester als Roland. 

»Was wäre, wenn der Janos die beiden sehen könnte?« erkundigte 

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er sich hellhörig. 

»Janos würde Hanka umbringen.« 
»Warum?« 
»Janos ist Hankas Bräutigam. Und er ist schrecklich eifersüchtig.« 
Richard wurde noch hellhöriger. »Und wo ist der Janos?« 
»Er hält Wache drüben auf der Pferdeweide. Wenn er hier wäre, 

würde es Hanka bestimmt nicht wagen, mit Eurem Ritterfreund 
anzubändeln.« 

»So, so«, sagte Richard gedankenvoll. 
Während er weitertanzte, behielt er Roland und das Mädchen an 

seiner Seite fortwährend im Auge. Und so sah er auch, daß die 
beiden wenig später den Kreis der Tänzer verließen und zu einem der 
Planwagen hinübergingen, um darin zu verschwinden. Was sie dort 
zu tun gedachten, wäre selbst einem Narren offenkundig gewesen. 

Wenn das der Janos wüßte! dachte Richard bei sich. Man müßte ... 
Gedacht, getan. Unter einem Vorwand und dem Versprechen, 

gleich wiederzukehren, ließ er seine Tänzerin allein und machte sich 
auf die Suche nach dem Janos. Er wußte, wo die Pferdeweide war, 
denn auch die Reittiere der Wallfahrer befanden sich dort. Die Wiese 
lag ein paar hundert Klafter von der Lichtung entfernt, außerhalb des 
Waldes. Deshalb hatten es die Karli wohl auch für erforderlich 
gehalten, dort einen Wächter zu postieren. 

Schnell hatte Richard die Weide erreicht. Ein kleines Lagerfeuer 

brannte, an dem ein einzelner Mann saß. Der Mann war groß und 
ungemein kräftig. Richard lächelte. Durchaus möglich, daß es dieser 
Bursche mit Roland aufnehmen konnte. 

Er ging zu dem Mann hinüber. »Bist du der Janos?« 
Der kräftige Mann, der dabei war, aus einem Stück Holz eine Flöte 

zu schnitzen, blickte auf. »Ja, Herr Ritter, ich bin der Janos.« 

»Und deine Braut ist die Hanka?« 
»Ja! Sie ist das schönste Mädchen von der ganzen Welt. Findet Ihr 

nicht, Herr Ritter?« 

»Du liebst sie sehr?« 
»Mehr als mich selbst. Und sie liebt mich auch von ganzem 

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Herzen.« 

Dummkopf, dachte Richard. Der Mann war zwar groß und stark, 

aber im Kopf hatte er offenbar nur Stroh. Wahrscheinlich glaubte er 
auch noch, daß ihm sein Mädchen treu ergeben war. Dabei konnte 
davon wahrlich keine Rede sein. Es war Hanka gewesen, die Roland 
leidenschaftlich umgarnt hatte, nicht umgekehrt. Aber das würde er 
dem Burschen ganz bestimmt nicht auf die Nase binden. 

»Nun«, sagte Richard gedehnt, »wenn ich du wäre, würde ich hier 

nicht so ruhig sitzen.« 

»Warum nicht?« fragte der Bursche arglos. 
»Weil deine schöne Braut Hanka in großer Gefahr ist, entehrt zu 

werden. Ich sage es  nicht gerne, aber mein Gewissen gebietet es mir: 
Mein Ritterbruder Roland ...« 

»Ist das der Recke mit den blonden Haaren?« 
»Genau der«, bestätigte Richard. »Auch wenn Roland vom selben 

Stande ist wie ich, muß ich gestehen, daß er ein arger Schurke ist. 
Besonders dann, wenn es um schöne Frauen geht.« 

Der Janos war sichtlich verwirrt. Gewisse dunkle Ahnungen 

schienen in ihm aufzusteigen. »Was ... was meint Ihr, Herr Ritter?« 
fragte er und ließ seine halbfertige Flöte achtlos ins Gras fallen. 

»Roland pflegt den Frauen soviel Wein einzuflößen, daß sie ganz 

trunken davon werden. Und wenn sie dann hilflos und schwach sind, 
fällt er wie ein wildes Tier über sie her und schändet sie auf das 
übelste.« 

»Das ... tut er?« 
»Er tut es bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Auch die beiden 

Frauen, die sich in unserer Reisegruppe befinden, wären längst zu 
seinen bedauernswerten Opfern geworden, wenn ich mich Roland 
nicht in den Weg gestellt und sie geschützt hätte.« 

Ein Schatten huschte über das derbe Gesicht des kräftigen Mannes. 

»Und Ihr glaubt, daß Hanka ...« 

»Ich habe gesehen, wie er deiner Braut einen ganzen Krug Rotwein 

eintrichterte!« 

Janos sprang auf die Füße. Er überragte Richard um Haupteslänge, 

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war tatsächlich ein Mann wie ein Baum. Mit hochrotem Kopf ballte 
er die Fäuste. »Wenn es der Ritter wagt, Hand an Hanka zu legen ...« 

»Das hat er wahrscheinlich bereits. Ich hielt es für meine 

Christenpflicht, dich davon ins Bild zu setzen.« 

Janos zückte ein Messer, das fast so lang war wie ein Schwert. 

Sein Gesicht hatte sich zu einer Grimasse des puren Hasses verzerrt. 
Er zitterte vor mühsam gezügeltem Zorn. »Ich danke Euch dafür, daß 
Ihr mir Bescheid gesagt habt, Herr Ritter«, sagte er. Im nächsten 
Augenblick stürmte er bereits zum Waldrand hinüber. 

»Janos!« 
Der kräftige Mann drehte sich noch einmal um. »Herr Ritter?« 
»Sag dem Roland nicht, daß ich ihn bloßgestellt habe. Er würde 

sich fürchterlich an mir rächen.« 

»Der blonde Ritter wird sich an niemandem mehr rächen!« 

antwortete Janos wild. 

Er verschwand zwischen den Bäumen. 

Der ruhige Ort, den Hanka in Aussicht gestellt hatte, war so ruhig 
nicht. 

Es war einer der Planwagen, die am Rande der Lichtung standen, 

und natürlich drang der fröhliche Lärm der Feiernden ungetrübt 
herüber. Ansonsten aber gab es nichts auszusetzen. Warme weiche 
Decken sorgten für ein angenehmes Lager, und das Licht des 
Lagerfeuers, das durch einen Spalt in der Plane eindrang, sorgte für 
eine geradezu zauberhafte Atmosphäre. 

»Und hier stört uns wirklich niemand?« fragte Roland leise. 
Das Mädchen an seiner Seite lachte. »Seid unbesorgt. Dieser 

Wagen gehört mir und meinem Bräutigam. Und der ist gar nicht hier 
im Lager.« 

»Du hast einen ... Bräutigam?« 
»Janos heißt er und ist ein braver Bursche. Aber natürlich kann er 

sich mit einem Mann wie Euch nicht messen, Ritter Roland.« Hankas 

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Hand fuhr sanft durch sein Haar und kraulte ihn zärtlich hinter dem 
Ohr. 

Nun denn, dachte Roland. Er war gewiß kein Tugendwächter. Und 

wenn das Mädchen glaubte, dem Bräutigam Hörner aufsetzen zu 
können... Er hatte wahrlich nichts dagegen. 

Er schlang die Arme um sie und zog sie langsam auf das weiche 

Deckenlager hinunter. Seine Lippen suchten und fanden ihren Mund 
und verschlossen ihn mit einem leidenschaftlichen Kuß. Hanka 
erwiderte die Leidenschaft voll und ganz.  Ihre Lippen teilten sich, 
und ihre geschickte Zunge begann mit einem gar köstlichen 
Liebesspiel. 

Süße Schauer durchrieselten den Ritter mit dem Löwenherzen. 

Dieses Mädchen war für die Liebe geboren, das spürte er gleich. 
Obgleich er noch voll bekleidet war, fanden ihre Hände den Weg zu 
seinem Körper und fuhren sinnesaufpeitschend darüber hinweg. 
Auch seine Hände blieben nicht untätig. Die eine schlüpfte wie von 
selbst in den weiten Ausschnitt des Kleides und streichelten die 
sanften Hügel ihres Apfelbusens. Die andere Hand wanderte an 
ihrem nackten Bein hinauf und näherte sich langsam dem lockenden 
Tal zwischen den Schenkeln. 

Hanka stöhnte vor Lust. »Oh, Roland, was ist deine Zärtlichkeit 

doch im Vergleich zu der Plumpheit meines Bräutigams ...« Sie 
schloß die Augen und gab sich ganz dem wonnevollen Spiel seiner 
Hände hin. 

Geschickt löste Roland jetzt die Knöpfe und Schlaufen des kurzen 

Kleides und streifte es ihr sanft vom Leibe. Darunter war sie 
vollkommen nackt. Im flackernden Rotschein des Feuers offenbarte 
sich Roland eine Körperlandschaft, die sein Blut immer mehr in 
Wallung geraten ließ. Innerhalb kürzester Zeit hatte er sich ebenfalls 
seiner Kleidung entledigt. 

»Komm, mein starker Ritter«, flüsterte Hanka. »Komm zu mir!« 
Das ließ sich Roland nicht zweimal sagen. Wieder küßte er sie und 

spürte, daß ihre Lippen heiß wie Feuer brannten. Sie war bereit. 
Behutsam legte er sich auf sie und ... 

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Die hintere Plane des Wagens wurde mit einem lauten, fetzenden 

Geräusch zur Seite gerissen. 

Irritiert fuhr Roland hoch. Sollte der Wind... 
Es war nicht der Wind. Es war ein junger Mann von mächtigem 

Körperbau, der jetzt auf den Wagen sprang. Zornesadern standen auf 
seiner Stirn, und die blutunterlaufenen Augen rollten wie Kiesel im 
Wellenschlag eines Flusses. 

»Ehrloser, niederträchtiger Ritterhund«, brüllte der Mann und 

stürmte vor. 

Auch Hanka hatte ihn jetzt gesehen. Ihr Gesicht nahm einen 

entsetzten Ausdruck an. 

»Janos!« 
»Ganz ruhig, Hanka«, gab der Mann zurück. »Ich weiß, daß du bei 

diesem schändlichen Treiben unschuldig bist.« 

Janos also war es, der Bräutigam, dessen Plumpheit in 

Liebesdingen dem Mädchen einen minnekundigen Ritter begehrlich 
gemacht hatte. Roland war ein Mann von Ehre. Natürlich würde er 
den vor Eifersucht tobenden  Burschen niemals wissen lassen, daß die 
Braut die treibende Kraft bei diesem Liebesakt gewesen war. 

Zu Worten und Erklärungen fehlte jetzt ohnehin die Zeit, denn der 

baumstarke Mann war jetzt heran. Die eine Hand hatte er bisher auf 
dem Rücken gehalten,  zog sie jedoch nun mit einer wilden Geste 
hervor. 

Ein ellenlanges Messer blitzte tödlich im Feuerschein. 
»Stirb, schändlicher Ritterhund!« 
Wie ein Blitz zuckte die mörderische Klinge auf den Ritter mit 

dem Löwenherzen herab. 

Im letzten Augenblick wälzte sich Roland zur Seite und zog dabei 

das Mädchen mit sich. Zolltief bohrte sich das Messer genau an der 
Stelle in das Holz des Wagenbodens, an der die beiden Liebenden 
gerade noch gelegen hatten. 

Janos knurrte wie ein Wolf, dem das Beutewild aus den Fängen 

gesprungen war. Er riß das Messer aus dem Holz heraus. Da die 
Klinge aber so fest saß, schaffte er das nicht auf Anhieb. Roland 

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nutzte die Gelegenheit und sprang auf die Füße. 

»Halt ein, mein Freund«, sagte er. »Wir können doch ...« 
Der Bursche hörte gar nicht zu. Er hatte das Messer jetzt wieder in 

der Faust und ging erneut auf seinen Nebenbuhler los. Wieder zuckte 
die scharfe Klinge auf Roland zu. 

Diesmal jedoch war der Ritter mit dem Löwenherzen auf den 

Angriff vorbereitet. Er wich mit einer schnellen Körperbewegung zur 
Seite und packte den Unterarm des Rasenden. Dann versuchte er, 
dem Gegner das Messer aus der Hand zu winden. 

Aber Janos war stark, bärenstark. Er ließ die Waffe nicht los, 

versuchte statt dessen, sich loszureißen. Roland mußte sich  gewaltig 
anstrengen, um dieses Vorhaben zu vereiteln. 

Hanka stieß einen kleinen, spitzen Schrei aus. Sie raffte ihr Kleid 

an sich und sprang fluchtartig vom Wagen hinunter. Roland konnte 
es ihr nicht verdenken. Dem vor Eifersucht beinahe berstenden 
Bräutigam jetzt Auge in Auge gegenüberzustehen, hätte er an ihrer 
Stelle auch vermieden. 

Ihm blieb keine Muße, sich weiter mit der Gedankenwelt des 

Mädchens zu beschäftigen. Janos beanspruchte seine ganze 
Aufmerksamkeit. Der Bursche keuchte vor Anstrengung,  gab aber 
nicht nach. Die ineinander verschlungenen Arme der beiden Männer 
waren wie ein Knoten, den keine Macht der Welt lösen konnte. 

Dann zeigte sich, daß der Sohn des Karli-Stammes nicht nur stark, 

sondern auch listig war. Es gelang ihm, den Ritter mit dem 
Löwenherzen zu überraschen. Mit einem unvermuteten Tritt in die 
Kniekehle brachte er Roland aus dem Gleichgewicht. Der verlor den 
Boden unter den Füßen und stürzte rücklings zu Boden. Aber er gab 
den Arm des Gegners dabei nicht frei, riß den Burschen mit sich 
nach unten. 

Fraglos bekam Janos dabei die Oberhand  - im wahrsten Sinne des 

Wortes. Roland lag mit dem Rücken auf der Decke, die ihm gerade 
noch als süßes Liebeslager gedient hatte. Und sein Widersacher lag 
auf ihm. Es verstand sich, daß Janos dadurch mehr 
Bewegungsfreiheit hatte. 

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Und der eifersüchtige junge Mann nutzte seinen Vorteil. Ganz 

langsam gelang es ihm, Rolands Hand, die noch immer seinen 
Unterarm umklammerte, nach unten zu drücken. Zoll um Zoll 
näherte sich die Spitze des Messers der Kehle des Ritters. 

Roland wußte, daß es um sein Leben ging. Der rasende Bräutigam 

würde nicht zögern, ihm die Klinge tatsächlich in den Hals zu 
bohren, um seine Eifersucht zu befriedigen. 

»Du stirbst, Ritterhund«, keuchte Janos. »Niemand vergreift sich 

ungestraft an meiner Braut!« 

Roland verschwendete keine Kräfte darauf, ihm eine Antwort zu 

geben. Seine Hauptsorge war es, die mörderische Messerspitze 
fernzuhalten, die sich mittlerweile bis auf wenige Handbreiten seiner 
Kehle genähert hatte. Er spannte  die Muskeln seines rechten Armes 
so an, daß sie wie ein dickes Seil hervortraten. Gleichzeitig atmete er 
tief ein und hielt die Luft an. Dann konzentrierte er seine ganze Kraft 
auf einen einzigen Augenblick. Mit einem mächtigen Ruck stieß er 
seinen gebeugten Arm nach oben, wobei sich seine Lungen wie ein 
Blasebalg leerten. 

Und er erreichte, was er wollte. Seiner geballten Kraftentladung 

war auch der bärenstarke Fahrende nicht gewachsen. Er wurde 
zurückgeschleudert, fand sich nun seinerseits rücklings auf dem 
Boden des Planwagens wieder. Aber er hielt das Messer nach wie 
vor mit fester Hand umklammert. Beide Männer sprangen 
gleichzeitig wieder auf die Füße. Roland war es jedoch, der als erster 
das Gesetz des Handels wieder bestimmte. Bevor Janos sein Messer 
heben konnte, ballte der Ritter mit dem Löwenherzen die Faust und 
schmetterte sie seinem Widersacher unter das Kinn. 

Der Tritt eines Pferdehufs hätte keine größere Wirkung 

hinterlassen können. Janos taumelte drei, vier Schritte zurück und 
flog, wie von  einem Katapult geschleudert, vom Wagen hinunter. 
Unterhalb der Ladefläche entschwand er aus Rolands Blickfeld. 

Roland wurde sich bewußt, daß er so nackt war, wie Gott ihn 

geschaffen hatte. Noch hatte sich unten vor dem Wagen niemand 
eingefunden. Aber das  würde sich gewiß in allerkürzester Zeit 

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ändern. Sein Zweikampf mit Janos war alles andere als geräuschlos 
abgelaufen. Schnell zog er sich in den äußersten Winkel zurück und 
fing hastig an, sich wieder anzukleiden. 

Als er noch damit beschäftigt war, drang  ein gurgelndes Stöhnen 

an sein Ohr. Er blickte nach hinten. 

Und sah dort den Ritter Richard stehen  - mit einem blutigen 

Messer in der Hand, bei dem es sich zweifellos um das Messer Janos' 
handelte. 

»Da bin ich ja gerade noch rechtzeitig gekommen«, sagte Richard. 

»Der Kerl wollte gerade sein Messer nach Euch schleudern. Im 
letzten Augenblick konnte ich ihn entwaffnen und...« 

»Ihr habt ihn getötet?« fragte Roland scharf, während er die letzten 

Knöpfe seines Wamses schloß. 

»Ich wollte es nicht«, erwiderte der junge Ritter. »Aber im Verlauf 

des Handgemenges ... Es war mehr oder weniger ein Unglücksfall.« 

Roland biß die Zähne zusammen. Gewiß, Janos hatte ihm nach 

dem Leben getrachtet. Aber dazu hatte er  - aus seiner Sicht  - einen 
guten Grund gehabt. Daß der junge Bursche nun aber selbst tot war... 
Teufel, das hatte er wirklich nicht gewollt. 

Nun geschah das, was geschehen mußte. Das fahrende Volk eilte 

herbei. Rufe der Bestürzung, der Trauer und auch des Zornes wurden 
laut. Die Angehörigen des Karli-Stammes hatten entdeckt, was ihrem 
Bruder widerfahren war. 

Roland hegte die schlimmsten Befürchtungen. Die Sippe des alten 

Zigan war ein heißblütiges Völkchen. Überschäumende Herzlichkeit 
konnte sehr schnell in glühenden Haß umschlagen. Wenn dies jetzt 
geschah, dann befanden sich alle Wallfahrer in größter Gefahr. 

Er hörte, wie sich der Ritter Richard rechtfertigte: »Glaubt mir, daß 

es nicht in meiner Absicht lag, euren Bruder zu töten. Es war ein 
Unglück! Aber er wollte mit dem Messer auf den Ritter Roland los, 
und da konnte ich nicht untätig zusehen ...« 

Roland trat an den Rand des Wagens. Nahezu alle Angehörigen 

des Karli-Stammes hatten sich eingefunden. Nur Hanka, der 
eigentliche Stein des Anstoßes, war nicht zu sehen. Roland räusperte 

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sich, wollte etwas sagen, kam jedoch nicht dazu. Der weißhaarige 
Zigan hatte schon das Wort ergriffen. 

»Es mag sein, wie Ihr sagt, Herr Ritter. Wir kennen das heiße Blut 

Hankas, und wir kennen auch die Blindheit Janos. Es war vielleicht 
vorherbestimmt, daß es eines Tages zu einem Ende mit Schrecken 
kommen würde. Ich will Euch glauben, daß Ihr Janos nicht zum 
Fleiße getötet habt. Aber versteht unseren Schmerz. Deshalb solltet 
Ihr unser Lager verlassen - jetzt gleich.« 

Ganz ruhig, fast gelassen  hatte Zigan gesprochen. Seine Miene 

wirkte dabei wie eine aus Holz geschnitzte Maske, starr und 
unbeweglich. Nun aber gerieten die Züge seines Gesichts in Aufruhr, 
und in seinen Augen loderte ein wildes Feuer. 

»Geht endlich!« 
Nicht viel später ritten die Wallfahrer davon, um die Nacht doch 

im nächsten Dorf zu verbringen. Keiner von ihnen sagte etwas, und 
auch das Schweigen der Karli war so tief wie ein eiskalter Bergsee. 
Auf Roland und seinen Gefährten schien eine drückende Last zu 
ruhen, die sich nicht so schnell abschütteln ließ. Allein der Ritter 
Richard erweckte den Anschein, als sei er nicht sonderlich betroffen. 
Als vom Lager des fahrenden Volkes nichts mehr zu sehen war, 
kräuselte sogar ein Lächeln seine Lippen. 

Und langsam begann sich Roland zu fragen, ob Richard den Janos 

wirklich nur getötet hatte, um sein Leben zu retten ... 

Auch die längste Reise geht irgendwann einmal zu Ende. Seit Tagen 
schon zogen die Wallfahrer nun durch das Riesengebirge, und das 
Kloster zum Schwarzen Stein war nicht mehr fern. Die Aussicht, das 
angestrebte Ziel endlich zu erreichen, belebte die durch Strapazen 
und mühsam überstandene Gefahren ermatteten Lebensgeister aller, 
und so ritten sie zügig, beinahe forsch dahin. 

Der Weg, dem sie folgten, war gegenwärtig nicht sonderlich 

beschwerlich. Täler und Anhöhen, bekränzt mit grünendem Tann 

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und bunt leuchtendem Felsgestein, wechselten einander ab. Aus dem 
strahlend blauen Himmel lächelte eine freundliche Sonne auf das 
Land hinab. Am Abend, so hofften sie, würden sie Einkehr im 
Kloster halten. 

Dann kamen sie an einen Scheideweg. Rechter Hand schlängelte 

sich der Weg zu einem Berggipfel empor, während er auf der 
anderen Seite einem kleinen Fluß folgte, dessen Bett sich irgendwo 
im Tal verlor. 

Roland zügelte sein Pferd, und auch die anderen machten halt. 
»Nun ist guter Rat teuer«, stellte der Ritter mit dem Löwenherzen 

fest. »Links oder rechts, das ist die Frage.« 

Es gab kein Wegkreuz, das ihnen verriet, welcher Pfad zu nehmen 

war. Sie mußten die Entscheidung von sich aus fällen. 

»Werfen wir eine Münze«, schlug Graf Eduard vor. »Wenn das 

Konterfei des Landesherren nach oben fällt, folgen wir dem Lauf des 
Flusses.« 

Gesagt, getan ... 
Der Fürst förderte einen Silberdenar zutage, warf ihn hoch in die 

Luft und fing ihn wieder auf. 

»Am Fluß entlang«, verkündete er die Entscheidung, die der Zufall 

gefällt hatte. 

»So sei es denn«, nickte Roland. 
Gerade wollte er seinen Hengst wieder in Bewegung setzen, da trat 

gänzlich unvermutet ein Mann aus dem Schatten der Tanne hervor, 
die stolz und rank an der Weggabelung dem Himmel entgegenwuchs. 
Verblüfft starrte Roland den Mann an. Er hatte ihn nicht kommen 
sehen und wunderte sich über sein plötzliches Erscheinen. Der 
Fremde trug eine schwarze Mönchskutte und hatte ein rosiges, 
freundliches Gesicht. Am rechten Kinnwinkel prangte eine kleine 
Warze. 

»Wo ... kommt Ihr her?« fragte er mit leicht gerunzelter Stirn. 
Der Wandermönch lächelte. »Von dort«, erwiderte er und deutete 

mit dem Daumen auf die Tanne. 

Dies war gewiß nicht die Antwort, die Roland angestrebt hatte. 

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Aber letzten Endes kümmerte es ihm auch nicht weiter, wo der 
fromme Mann bisher gesteckt hatte. Die Hauptsache war, daß er nun 
jemanden nach dem rechten Weg fragen konnte, was er auch 
sogleich tat. 

»Reitet den Hügel hinauf«, sagte der Mönch. »Und in spätestens 

drei Tagen werdet Ihr das Kloster zum Schwarzen Stein vor Euch 
liegen sehen.« 

»In spätestens... drei Tagen?« echote Roland. 
»So ist es.« 
Der Ritter mit dem Löwenherzen verzog das Gesicht. »Aber das ist 

doch nicht möglich! In der Herberge, in der wir die letzte Nacht 
verbrachten, sagte man uns, daß wir bei zügigem Ritt unser Ziel noch 
heute erreichen würden. So lang kann der Weg also nicht mehr sein.« 

»Dieser Weg schon«, erwiderte der Mönch. »Mag sein, daß der 

andere kürzer ist.« 

»Am Fluß entlang, meint Ihr?« 
Der Mönch nickte. »Am Fluß entlang geht es schneller.« 
Roland schüttelte verständnislos den Kopf. »Warum wollt Ihr uns 

dann den Berg hinauf schicken? Bereitet es Euch Vergnügen, die 
Strapazen unserer langen Reise noch zu verlängern? Für einen 
frommen Mann ist dies ein sehr unfrommes Tun!« 

»Mitnichten, mein ritterlicher Freund. Ich wollte Euch nur vor 

Schaden bewahren.« 

Roland glaubte jetzt zu verstehen. »Ah, am Flußweg lauert 

räuberisches Gesindel, ist es das?« 

»Nein. Kein Räuber würde es wagen, dort sein Unwesen zu 

treiben. Wißt Ihr nicht, daß das Land am Fluß dem Rübezahl 
gehört?« 

»Dem ... Rübezahl? Wer, um des Himmels willen, ist denn der 

Rübezahl?« 

Nun war es an dem Mönch, Verwunderung zu zeigen. »Ihr fragt 

allen Ernstes, wer der Rübezahl ist?« 

»Ich und wir alle haben nie von ihm gehört!« 
»Jedes Kind kennt ihn«, sagte der Mönch. »Ihr müßt von sehr weit 

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herkommen, wenn er Euch kein Begriff ist.« 

»Wahr gesprochen. Viele, viele Tagesritte liegen hinter uns«, 

bestätigte Roland. 

»Nun«, erwiderte der Mönch, »dann laßt Euch sagen, daß der 

Rübezahl ein guter Geist ist, der seine Hand schützend über das Land 
hält. Und er liebt es gar nicht, wenn die Menschen den Frieden des 
Landes stören. Dann kann  er sehr unangenehm werden und neigt 
dazu, die Störenfriede zu bestrafen.« 

»Wir wollen den Frieden des Landes nicht stören, sondern 

lediglich hindurchreiten.« 

»Dies allein ist in den Augen Rübezahls schon Störung genug«, 

sagte der Mönch. 

Roland lachte plötzlich. »Ein Geist ist er, dieser Rübezahl?« 
»Der gute Geist der Berge, ja.« 
»Papperlapapp. Es gibt keine Geister, keine guten und auch keine 

bösen!« 

»Ihr zweifelt den Rübezahl an?« 
»Genau das tue ich«, bekräftigte Roland. »Vermutlich entspringt 

das Leben dieses angeblichen Geistes jenen Märchen, die Ammen 
und Greise den kleinen Kindern erzählen, wenn sie nicht brav und 
folgsam sind. Uns können solche Mären nicht erschrecken.« 

»Ihr glaubt also, den Rübezahl herausfordern zu können?« 
»Es gibt keinen Rübezahl«, sagte Roland überzeugt. »Und deshalb 

werden wir dem Flußweg folgen, basta!« 

»So tut denn, was Ihr nicht lassen könnt«, sagte der Mönch. Er 

nickte den Wallfahrern zu, kehrte gemächlichen Schrittes zu der 
Tanne zurück und ließ sich in ihrem Schatten nieder. 

Roland gab seinem Hengst die Zügel frei. Und die anderen 

Wallfahrer folgten seinem Beispiel. 

»Nun, was habe ich gesagt? Wir wären Narren gewesen, wenn wir 
den 

tagelangen Umweg gemacht hätten, den uns dieser 

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abergläubische Mönch vorschlug!« 

Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen ließ Roland sein 

Pferd weiter ausschreiten. Eine ganze Weile war vergangen, seit die 
Wallfahrer den Ratschlag des Mannes in der Kutte mißachtet und 
den Flußweg eingeschlagen hatten. Zügig,  sehr zügig waren sie 
vorangekommen. Der Pfad, nicht sehr breit, aber ganz vorzüglich 
begehbar, schlängelte sich nach wie vor am Fluß entlang, 
überbrückte Höhen und Tiefen und gehörte ganz gewiß zu den 
angenehmsten Wegen, die die Wallfahrer auf der gesamten langen 
Reise beschritten hatten. Und der angebliche Berggeist, dieser 
Rübezahl, hatte sich niemals blicken lassen. 

Die Sonne hatte mittlerweile ihren Höhepunkt überschritten und 

strebte nun gemächlich dem Horizont entgegen. Aber es würde noch 
einige Stunden dauern, bis sie der Abenddämmerung wich. Bis 
dahin, das hoffte der Ritter mit dem Löwenherzen zuversichtlich, 
würden sie das Kloster zum Schwarzen Stein bestimmt erreicht 
haben. 

Roland war ausgesprochen heiterer Laune. Von seinem Freund, 

dem berühmten Minnesänger Volker vom Hohentwiel, hatte er die 
Liebe zur Musik gelernt. Deshalb pfiff er jetzt eine lustige Melodie 
vor sich hin, nicht unbedingt schön und wohlklingend, dafür aber 
recht laut. 

Wenig später verging ihm das Pfeifen allerdings. Schräg über sich 

hörte er ein  Knirschen und Splittern. Er hob den Kopf, blickte in die 
Höhe. 

Und sah einen gewaltigen Felsblock, der sich aus der Steilwand zu 

seiner Linken löste. 

»Anhalten!« brüllte er und riß gleichzeitig wild an den Zügeln 

seines Pferdes. 

Der Felsblock neigte sich immer weiter vor, wurde wie von 

unsichtbaren Händen noch eine kurze Weile in der Schwebe gehalten 
und polterte dann mit Getöse nach unten. Etwa fünf Klafter vor den 
Wallfahrern schlug der mächtige Gesteinsbrocken auf dem Weg auf. 
Er war mehr als zehn Ellen hoch und fast genauso breit. 

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»Potztausend!« sagte Roland. 
Auch den anderen war der Schreck in die Glieder gefahren. 
»Wenn wir nur ein kleines bißchen schneller geritten wären ...« 

Der Ritter Richard war grau wie Hafermehl im Gesicht geworden. 

»Das ... das haben wir dem Rübezahl zu verdanken«, sagte der 

dicke Kaufmann Mehlsack. 

Und er war nicht der einzige, der diese Ansicht verkündete. Eloises 

Zofe stimmte Mehlsack sogleich zu. Und auch Pierre murmelte 
etwas davon, daß mit Geistern nicht zu spaßen sei. 

Roland wollte davon nichts hören. »Unsinn«, sagte er. »Es kommt 

des öfteren vor, daß ein Felsbrocken niederstürzt!« 

»Wirklich?« meldete sich eine Stimme zu Wort. Eine Stimme, die 

Roland nicht kannte. Erstaunt blickte er sich um. 

Und sah einen alten grauhaarigen Mann, der auf einem kleinen 

Felsvorsprung stand und auf die Wallfahrer hinunterblickte. Der 
Mann trug ein einteiliges, schmuckloses Gewand aus grobem Tuch 
und hatte nur ein paar Lederriemen um die Füße geschlungen. Ein 
Einsiedler, wie es schien. Etwas verwirrt nahm Roland zur Kenntnis, 
daß am rechten Kinnwinkel des Eremiten eine kleine Warze saß. 

»Wo kommst du her?« fragte Roland scharf. 
»Von dort«, antwortete der Alte und deutete mit dem Daumen an 

der Felswand hoch. 

Ärgerlich wandte sich Roland ab. Er stieg von seinem Pferd und 

ging auf den Felsklotz zu, der auf den Weg gestürzt war. 

»Pest und Teufel«, knurrte er unfromm, als ihm klar wurde, daß 

der Brocken den Weg so blockierte, daß es den Pferden niemals 
gelingen würde, um ihn herumzugehen. Und ganz gewiß konnten sie 
auch nicht darüber hinwegklettern. 

Ein mehrstimmiger Aufschrei in seinem Rücken ließ ihn 

herumfahren. »Was ist los?«  

»Der Einsiedler«, ächzte Mehlsack. 
»Er ist.. .« 
Roland blickte zu dem Felsvorsprung hoch, auf dem der Alte 

gestanden hatte. 

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Der Mann war nicht mehr da! 
»Er hat sich vor unseren Augen ... in Luft aufgelöst«, berichtete der 

Kaufmann stockend. 

»Narretei!« gab Roland wütend zurück. 
Graf Eduard beugte sich im Sattel vor. »Ich weiß nicht, ob es 

wirklich Narretei ist, Roland«, sagte er ernst. »In jedem Fall war er 
auf einmal spurlos verschwunden.« 

»Ein Geist«, flüsterte Mehlsack. »Der Rübezahl!« 
Pierre machte ein unbehagliches, ängstliches Gesicht. »Wir sollten 

umkehren, Ritter Roland.« 

»Ja«, sagte auch der Ritter Richard. »Jetzt sind wir schon so lange 

unterwegs, daß uns ein Umweg von drei Tagen auch nicht mehr 
erschüttern kann.« 

Hätte ein anderer als Richard diesen Vorschlag gemacht, wären 

Roland vielleicht gewisse Bedenken gekommen. Ihm ging nicht aus 
dem Kopf, daß der alte Mann eine Warze gehabt hatte  - genau wie 
der Mönch am Scheideweg. Aber der Teufel sollte ihn holen, wenn 
er das tat, was Richard sagte. 

»Wir räumen den Felsbrocken aus dem Weg und reiten weiter«, 

erklärte er entschlossen. 

Aller Augen richteten sich auf Graf Eduard. Der aber zuckte mit 

den Schultern. »Ritter Roland hat uns bis hierher geleitet. Er soll uns 
auch weiter leiten.« 

Es kostete viel Zeit, zerschundene Hände und ein Meer von 

Schweiß  - dann war es mit vereinten Kräften gelungen, den 
Felsblock in den Fluß zu wälzen. 

Die Wallfahrer zogen weiter. 
Aber eine gute Stunde später waren sie abermals gezwungen, 

abrupt stehenzubleiben. Ein mörderisches, ohrenbetäubendes 
Krachen und Bersten erhob sich vor ihnen. Und dann sahen sie, wie 
ein paar Pferdelängen von ihnen entfernt plötzlich der Boden 
wegsackte. Ein breiter Spalt war entstanden, der die ganze Breite des 
Weges einnahm. Als die Wallfahrer in das gähnende Loch 
hineinblickten, konnten sie nicht einmal den Grund erkennen. 

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»Hier geht es geradewegs in die Hölle«, sagte Pierre 

schweratmend. »Laßt uns umkehren, Ritter Roland. Fraglos ist auch 
dies ein Werk des Rübezahl.« 

Zustimmendes Gemurmel erhob sich. 
Roland jedoch war nicht bereit, sich geschlagen zu geben. Er hatte 

alle seine Ziele stets mit Beharrlichkeit verfolgt und gedachte, dies 
auch jetzt zu tun. 

»Es gibt keine Geister«, sagte er im Brustton der Überzeugung. 
»Wirklich nicht?« 
Als Roland hochblickte, sah er auf der anderen Seite der 

Bodenspalte einen jungen Ritterknappen stehen, dessen auffälligstes 
Merkmal eine kleine Warze am rechten Kinnwinkel war. 

»Verschwinde!« brüllte Roland. »Dich gibt es nicht!« 
Und der junge Mann verschwand, als habe es ihn nie gegeben. 
Selbst Graf Eduard sprach sich nun dafür aus, besser einen Umweg 

in Kauf zu nehmen. 

Roland biß sich auf die Unterlippe. »Sagtet Ihr nicht vorhin, daß 

ich stets ein guter Führer war, Herr Graf?« 

»Gewiß aber ...« 
»Dann folgt mir auch weiterhin!« 
Eine ganze Weile später hatten die Wallfahrer aus den Stämmen 

einiger am Wegesrand stehender Bäume einen Steg gebaut, über den 
die Pferde hinwegschreiten konnten. 

Langsam begann sich die Sonne nun dem Ende ihres täglichen 

Kreislaufes zuzuneigen. Die Wallfahrer hatten wieder ein gehöriges 
Stück Weg zurückgelegt, und es konnte jetzt wirklich nicht mehr 
lange dauern, bis das Kloster zum Schwarzen Stein vor ihnen 
auftauchte. Das dachte Roland jedenfalls. 

Aber seine Gedanken entpuppten sich als Trugschluß, denn nicht 

das ersehnte Ziel tauchte vor ihnen auf,  sondern eine mächtige 
Felswand, vor der der Weg auf einmal endete. Es ging nicht weiter, 
und diesmal konnten alle Mühen dieser Welt das Hindernis nicht 
überwinden. 

Roland ballte die Fäuste und reckte sie zu der Felswand empor. 

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»Nun gut«, schrie er, »ich leugne nicht länger, daß es dich gibt, 

Rübezahl. Du hast gewonnen!« 

Da ertönte ein lautes, dröhnendes Gelächter, das gleichzeitig von 

allen Seiten zu kommen schien. Und als das Gelächter schließlich 
abebbte, war auch die Felswand verschwunden. Nun hatten die 
Wallfahrer freien Blick auf die dunklen Gebäude mit dem kleinen 
Kirchturm in der Mitte, die sich keine hundert Klafter von ihnen 
entfernt an den Fuß eines Hügels schmiegten. 

Das Kloster zum Schwarzen Stein ... 
Die Wallfahrer waren endlich am Ziel und drückten ihre Freude 

durch einen vielstimmigen Jubelschrei aus. 

Noch ahnten sie nicht, daß sie von der Erfüllung ihrer Wünsche 

weiter denn je entfernt waren ... 

ENDE DES 1. TEILS 

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»Ehrwürdiger Abt, kommt schnell!« 
Albian, gerade damit beschäftigt, eine Abschrift des Gleichnisses 
vom Büßer Johannes zu verfertigen, ließ den Federkiel sinken. 
Erneut gellte die Stimme Bruder Bertholds auf. Albian sprang von 
seinem Stuhl hoch und eilte hinaus in den Klosterhof. Mehrere 
Mönche standen zusammen und diskutierten heftig. Sie alle 
machten erschrockene, angstvolle Gesichter. »Was ist 
geschehen?« fragte Albian, der Abt.  Bruder Berthold deutete mit 
zitternder Hand auf das Wachhäuschen  neben der Klosterpforte. 
»Graf Kasimir und seine Mannen nahen.  Und es besteht kein 
Zweifel, daß die Raubritter Mord und Totschlag  auf ihr Banner 
geschrieben haben.« 

Die Jagd nach dem 

Schwarzen Stein 

ist in vollem Gange. Alle wollen den wundertätigen Stein in 
ihren Besitz bringen: die Raubritter, Ritter Roland und die 
Pilgerer, die Mönche.  - Liebe Leser, holen Sie sich den Band 
20 in 14 Tagen bei Ihrem Zeitschriftenhändler. Sicherlich sind 
Sie  schon gespannt auf den zweiten Teil unserer neuen 
Fortsetzungsgeschichte. Der Autor ist Günther Herbst! 
DM 1,60