Apache Cochise 19 Zwei Kugeln fuer Cochise

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Frank Callahan

Zwei Kugeln für Cochise

Apache Cochise

Band Nr. 19

Version 1.0

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Prolog

Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörder.
Waren sie das? Über alles, was in dieser Welt geschieht oder
früher einmal geschah, kann man so oder so urteilen.

Um objektiv zu sein, kann an dieser Stelle nur von

Unbefangenen ein Widerruf dieser Meinung über die Apachen
erfolgen. Unser Nachruf, sozusagen eine verspätete
Ehrenrettung dieses großen, stolzen und kämpferisch
veranlagten Volkes, das von der Steinzeit »über Nacht« in eine
erbarmungslose Zivilisation versetzt wurde, die sie nicht
begriff, wie auch die Umstände, die zum Untergang der roten
Rasse führten.

Man kann sagen, die damaligen Weißen und Mexikaner

waren alles andere als weitblickend, eher nur von einer
hyperhumanen Art, die dem Prankenschlag eines Panthers
glich. Bei den meisten Weißen war die Ausrottung der Indianer
eine beschlossene Sache, honoriert durch Prämien für einen
Apachen-Skalp.

Dachten und handelten die weißen Einwanderer mit ihrer

mitgebrachten zweitausendjährigen Kultur alle richtig, Kultur
und Zivilisation, gemessen an der der Apachen? Oder
bewegten sie sich in der klischeehaften Vorstellung des
Militärs vom »toten Indianer, der ein guter ist«?

Mitnichten. Zum Teil gab es vorausschauende und

mitfühlende Männer in der Army, die aber wegen ihrer
»Humanitätsduselei« nicht zu Wort gelangten, aber den
Untergang der roten Rasse voraussagten und mit den
Indianern fühlten.

Nicht alle waren sie ein Colonel Chivington, ein abenteuer-

und beförderungssüchtiger George Armstrong Custer. Fest
steht aber, daß der Massenmord an der indianischen Rasse von

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vielen Amerikanern heutzutage bagatellisiert und, wenn die
Sprache darauf kommt, mit einer lässigen Handbewegung
abgetan wird.

Auch die in wissenschaftlichen Disziplinen denkenden

Amerikaner können einen Rückblick auf die Zeit nach 1850 nur
schwer vertragen. Man sieht die in den Wüsten und Gebirgen
vegetierenden Stämme Arizonas nicht, und das beruhigt den
Durchschnittsamerikaner ungemein, weil er das ökologische
Harakiri, das man mit dem Land und seiner Urbevölkerung
trieb, nicht mit ansehen muß.

Zugegeben, die Stämme der Indianer, besonders die

Apachen, betrieben zu keiner Zeit Vorratswirtschaft,
ausgenommen die seßhaften und Ackerbau treibenden Pueblos
im Westen von Neumexiko und in den nordöstlichen Bereichen
Arizonas.

Lag hier der Untergang der roten Rasse begründet?
Sicherlich nicht, denn kein nomadisierendes Volk in Europa,

Asien oder Afrika konnte sich mit Vorratshaltung befreunden.
Gingen sie unter? Nein, sie gingen auf in den Völkern, deren
Gebiete sie okkupierten. Auch andere negative Aspekte – in den
Augen der Weißen – kann den Apachen nicht abgesprochen
werden. Sie waren nun einmal Naturkinder, einfache Nomaden
in einem riesigen Kontinent, der ihnen alles bot, was sie zum
Leben brauchten. Zu allen Zeiten war daher für die Apachen
die Welt noch in Ordnung. Erst als der weiße Mann mit seinen
überlegenen Waffen, mit Schnaps und seiner verfeinerten
Kultur und seinen ansteckenden Krankheiten kam, legte sich
das große graue Leichentuch über die Stämme und
Sippenverbände.

Ganz bestimmt wäre vor 100 und mehr Jahren

möglicherweise vieles ganz anders gekommen, wenn unter den
Militärs und in der Regierung in Washington nur ein einziger
Mann mit entsprechendem Weitblick und ohne Ressentiments
gegen die rote Rasse gewesen wäre.

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Es hat nicht an klardenkenden und verantwortungsbewußten

Leuten gemangelt, aber sie hatten nicht die Stimmengewalt im
Kongreß, die dazu notwendig gewesen wäre, den Indianern zu
ihrem Recht zu verhelfen.

Es ist nicht Aufgabe dieser Einleitung, anzuklagen und zu

richten, denn niemand von uns kann sagen, daß er es
womöglich hätte besser machen können. Sie alle in der
damaligen Zeit – Rote wie Weiße – waren Kinder einer harten
und erbarmungslosen Epoche, und sie waren Bewohner einer
rauhen Umwelt.

Die Serie APACHE COCHISE mit ihrem wahrhaft großen

Häuptling Cochise als Held ist die im Wesen und Charakter
authentische Aufzeichnung amerikanischer Geschichte, die in
Romanform für den deutschen Sprachraum noch nicht oder nur
in Kurzform gebracht wurde.

Die guten und schlechten Weißen, die anständigen Apachen

und die grausamen, tauchen namentlich in der Story auf und
geben der Geschichte einen dramatischen, wenn auch
makabren Hintergrund.

Ihr Martin Kelter Verlag.

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***

Die Haut des nackten Oberkörpers schimmerte kupferfarben im
Sonnenlicht. Reglos stand der Mann vor den Corralstangen und
beobachtete seine Pferde.

Die Tiere warfen die Köpfe hoch, witterten, sogen die Luft

ein und kreisten unruhig auf der Weide. Konatas Gesicht
wirkte ausdruckslos. Seine schwarzen Augen schienen in
unergründliche Fernen zu blicken. Der Farmer sah etwas, das
nur er erkennen und deuten konnte. Denn er war ein Apache.
Vor zehn Jahren hatte Konata den Entschluß gefaßt, nicht
wieder auf den Kriegspfad zu ziehen. Niemand, nicht einmal er
selbst, konnte sich das erklären.

Obwohl der Mann schon zehn Sommer nicht mehr auf

Skalpjagd ging, besaß er immer noch die unerklärlichen
Fähigkeiten der Wüstenkrieger.

Konata witterte das Unheil, spürte, daß er nicht mehr viel

Zeit hatte. Abrupt wandte sich der Mann um und ging zum
Haus. Die Tür öffnete sich. Gawa-chora blickte ihren Mann an
und verbarg ihre Besorgnis nicht.

»Was hörst du? Was siehst du?« fragte sie leise.
»Du reitest sofort«, erwiderte Konata. »Es dauert nur noch

kurze Zeit, bis unsere Feinde angreifen. Ich hole dir die besten
Pferde. Nimm alles Geld mit. Reite zum Lager unseres
Stammes. Dort bist du in Sicherheit.«

Gawa-chora befiel auf einmal ein Gefühl, das sie nicht

deuten konnte. Sie drehte sich um, ging zurück und legte die
Waffen zurecht. Konata würde kämpfen, bis er tot war.

Es dauerte nicht lange, bis die Squaw bereit war. Ihren Sohn

trug sie in einer Schlinge aus Tuch vor der Brust. Das Geld
steckte in einem Lederbeutel, der mit einer rohledernen Schnur
am Rock befestigt war.

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Konata kam mit vier Pferden vor das Haus. Gawa-chora saß

geschickt auf und griff nach den Zügeln aus geflochtener
Pflanzenfaser.

»Sing mir das Totenlied, wenn Bu heute abend fliegt«, sagte

Konata mit ruhiger Stimme.

Gawa-chora spürte einen krampfartigen Schmerz in ihrer

Brust. Sie liebte ihren Mann. Und sie wußte, daß auch er sie
liebte.

»Reite jetzt«, sagte der Farmer, »der Stamm wird dich

schützen. Erzähle ihnen, daß ich kämpfend gestorben bin.«

Gawa-chora preßte dem Pferd die Hacken in die Seiten.

Willig ging das Tier los. Die drei anderen Pferde folgten der
Stute.

Die Squaw wollte bleiben, mit ihrem Mann gemeinsam

kämpfen und sterben. Allein das Kind ließ sie gehorchen. Denn
der Junge war noch keine zwei Sommer alt. Blieb Gowa-chora,
starben zwei Männer. Konata, der Krieger, und sein Sohn, der
in 15 Sommern ebenfalls ein Krieger der Aravaipas werden
sollte. Und jeder Mann war wichtig für die Apachen.

Konata sah sich nicht um. Er beobachtete die Berge. Noch

ahnte er nichts von der Anwesenheit der Feinde. Der Farmer
ging ins Haus. Ausdruckslos starrte er die Waffen an, die auf
dem Tisch bereitlagen.

Zwei moderne Winchestergewehre und zwei Revolver für

Metallpatronen. Diese Waffen stammten nicht aus einem
Raubzug, waren keine Beute. Konata hatte sie gekauft. Gekauft
von dem Erlös eines Pferdehandels mit dem Zahlmeister von
Fort Thomas. Der Mann kaufte gern von den Apachen, von den
friedlichen Aravaipas, Pferde. Die Tiere waren sanft gezähmt
und gehorchten jedem Zügeldruck.

Vorbei, alles vorbei, dachte der Apache. Es gelingt uns nicht,

so wie die Weißen zu werden. Wir haben zu viele Feinde und
zu wenig Macht.

Konata setzte sich mit dem Gesicht nach Osten und sang sein

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Totenlied. Er wußte, daß er sterben würde. Kampflos ließ sich
ein Krieger der Aravaipas nicht töten.

Der Apache saß reglos. Mehr als zwei Stunden waren

vergangen, als auf einmal Leben in den Mann kam. Mit den
unerklärlichen Sinnen, mit dem Instinkt des Kriegers, hatte er
gespürt, daß es soweit war.

Lautlos stand Konata auf, nahm die Waffen und verließ sein

Haus. Er warf keinen Blick zurück, als er im Wolfstrab auf den
Hügelrücken zulief. Die sanfte Steigung diente dem Mann als
Weg. Sein Tal war nicht breit und etwa zwei Meilen lang. Der
Bach trocknete selbst in den heißesten Sommern nicht aus. Er
quoll aus einer Felsspalte, die zu eng war, um die Zisterne
irgendwo unter dem Felsmassiv zu erreichen. Nachdem das
Wasser die zwei Meilen des Tales durchquert hatte, versickerte
es in der Dornbuschwüste.

Konata erreichte den Rand des Tales und schwang sich auf

eine Felskanzel, die ihm ausreichend Deckung bot. Wie oft
hatte der Mann hier gesessen und das weite Land beobachtet.
Jetzt aber dachte er an Gawa-chora und seinen Sohn, der noch
lange Jahre den Kindernamen tragen würde, bis er ein Krieger
war. Konata fragte sich, ob auch sein Sohn die Prüfungen der
Krieger durchmachen würde. Ob er sechs Meilen laufen mußte,
den Mund mit Wasser gefüllt, und keinen Tropfen
verschlucken durfte?

Ein erwachsener Apache mußte zu Fuß in einer Nacht

hundert Meilen zurücklegen können. Und bis auf die alten
Krieger der Stämme schafften die Männer alle diese Leistung.

Konata schüttelte alle Gedanken ab. Auf der anderen Seite

des Tales lenkte ein Reiter sein Pferd zwischen einigen
halbhohen Kiefern heraus. Minutenlang beobachtete er den
Canyongrund.

Der Mann war ein Indianer. Konata erkannte in ihm einen

Wichita, einen der alten Feinde.

Konata riß die Winchester an die Schulter und feuerte. Der

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Wichita warf die Arme hoch und rutschte schlaff vom
Pferderücken zu Boden.

Hufe dröhnten plötzlich auf. In jagendem Galopp hetzten

zwei Reitergruppen von beiden Seiten in das Tal. Die Kämpfer
lenkten die Tiere im Zickzack. Deutlich erkannte Konata die
Flammen vor den Sätteln einiger Reiter. Er zögerte nicht,
sondern jagte methodisch Kugel um Kugel aus der Winchester.
Die Geschosse trafen Männer und Pferde. Trotz des Bleihagels
gaben die Angreifer nicht auf. Sie wollten Beute machen.

Vier, fünf, sechs lodernde Feuerpfeile durchschnitten die

Luft, schlugen in die Wände des Hauses und in den Stall ein.
Innerhalb von Sekunden flammten die ausgetrockneten Bretter
auf. Nach weniger als zwei Minuten lohten die Flammen schon
eine Mannslänge über dem Giebel.

Das Rauschen und Knistern des Feuers war für Konata die

Aufforderung, sein tödliches Werk fortzusetzen. Noch hatte er
Zeit, das Gewehr wieder aufzuladen. Er preßte Patrone um
Patrone in die Metallöffnung des Schloßkastens.

»Zastee!« gellte Konatas Stimme, als er die Waffe leerschoß.
Die Wichitas unten rissen ihre Pferde herum. Keinem der

Angreifer war verborgen geblieben, daß der Kugelhagel von
oben kam. Die Reiter zwangen die Tiere an den brennenden
Gebäuden vorbei und verhielten die Pferde hinter der
Feuerdeckung.

Sieben, acht Angreifer lagen flach auf den Rücken ihrer

Tiere. In rasendem Galopp jagten die Pferde auf die Talwand
zu. Pfeile schwirrten hoch, Gewehre krachten, und unter der
Deckung dieses Angriffs arbeiteten sich die Wichitas den Hang
hinauf.

Konata schoß dreimal, traf ein Pferd und einen Krieger. Die

anderen schafften es. Fünf Revolver wummerten. Die Kugeln
klatschten gegen die Brustwehr, Konata hatte keine Chance.

Er kroch nach hinten, legte die leergeschossene Winchester

so hin, daß die Mündung auf den ersten Angreifer wies, der die

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Brüstung übersprang, und schob sich hinter einen
Geröllhaufen.

Jetzt! Drei Männer schnellten sich über die Brustwehr und

feuerten aus ihren Colts wild um sich.

Konatas zweite Winchester hämmerte wie eine Maschine.

Die drei waren sofort tot. Die beiden letzten Angreifer kannten
den Standort ihres Gegners und griffen von zwei Seiten an. Der
Apache jagte die letzten beiden Kugeln aus dem Gewehr, ließ
es fallen und feuerte mit den Revolvern weiter.

Und dann spürte er einen harten, einen erbarmungslosen

Schlag zwischen den Schulterblättern. Das Donnern des
Gewehrs hörte er nur noch gedämpft. Er kämpfte ein paar
Momente lang um seine Besinnung. Schwankend kam er auf
die Beine. Nur trübe Schleier erkannte er vor seinen Augen, als
er nach den Gegnern suchte.

Ohne ein Ziel zu erkennen, schoß Konata den Revolver leer.
Abermals grollte das schwere Gewehr. Konata brach in dem

Moment zusammen, als die Kugel dicht neben seinem Kopf in
den Felsen schlug.

Die beiden überlebenden Wichitas starrten auf den Toten.

Sein Gesicht wirkte wie eine Drohung, eine wutverzerrte
Maske.

»Er hat zu viele von uns getötet«, sagte einer der Krieger.

»Wir bringen Beute in unsere Hütten, große Beute. Doch das
Wehklagen der Squaws wird länger dauern, als die Beute
reicht.«

Als die beiden Wichitas die Toten in eine Felsspalte

geschleppt hatten, trieben ihre Gefährten im Tal bereits die
Pferde, Schafe und Rinder zusammen.

Eine Stunde danach erinnerten nur die Spuren und die

schwach rauchenden Überreste der Farm an den Überfall.

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Im Lager der Aravaipas trafen ständig Späher ein. Alle
Krieger, auch die zwölf Chiricahuas, wechselten sich ab. Sie
beobachteten die Goldsucher, die nach Süden zogen.

Cochise wollte sicher sein, daß die Weißen ihr Wort hielten.

Er würde sofort eingreifen, wenn die Digger die Richtung
änderten oder unterwegs Halt machten, um nach dem gelben
Metall zu suchen.

Eskaminzin saß am großen Feuer vor seinem Jacale. Der

Häuptling der Aravaipas musterte unbewegten Gesichtes seine
Gäste.

Cochise ließ sich die Genugtuung über seinen Erfolg nicht

anmerken. Victorio hingegen konnte seinen Zorn nicht
beherrschen. Der Führer der Mimbrenjos gehörte zu jenen
Apachen, die jeden Weißen töten wollten. Er haßte die
Eindringlinge und verfocht die Ansicht, nur erbarmungsloser
Kampf könne dem weiteren Vordringen der Bleichgesichter
Einhalt gebieten.

Um so verbissener war er nun, da Cochise durch seinen

persönlichen Mut die Goldsucher aus dem Gebiet der
Aravaipas vertrieben hatte.

»Häuptling«, sagte Eskaminzin achtungsvoll, »mein Volk

dankt dir. Die Bleichgesichter ziehen davon. Von nun an wird
Frieden zwischen den Bergen sein. Kein weißer Mann wird
mehr kommen und den Boden nach dem gelben Eisen
umgraben, das die Herzen der Weißen so verwirrt. Der Friede
blieb erhalten, und das verdanken wir dir.«

Victorio lachte böse, als Eskaminzin schwieg, und sagte:

»Sie kommen wieder, Häuptling. Es nutzt dir nichts, daß du
wie ein Bleichgesicht Vieh züchtest, daß du den Boden
bearbeitest und friedlich nur dein Land bebaust. Sie kommen,
Eskaminzin, und sie kommen mit Haß im Herzen auf alle
Apachen. Dann wirst du kämpfen müssen. Wir alle müssen den
Kampf aufnehmen. Welcher weiße Mann kann gegen einen
unserer Krieger bestehen? Keiner kann es, sage ich euch. Und

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wenn wir jetzt nicht anfangen, diese Brut zu vernichten,
kommen immer mehr.«

Cochise schüttelte tadelnd den Kopf.
»Wir haben für sechs Mondzeiten Frieden geschlossen«,

sagte er. »Ich halte mein Wort. Wenn wir die Männer am Fluß
getötet hätten, wären die Pferdesoldaten gekommen.«

»Dann hätten wir auch sie getötet«, rief Victorio wild. »Wir

haben Zeit genug, unsere Fallen aufzustellen. Und die
Bleichgesichter laufen hinein wie die Ratte in den Schlund der
Klapperschlange.«

»So viele Klapperschlangen gibt es nicht, wie Pferdesoldaten

kommen«, erwiderte Cochise ruhig. »Du hast gesehen, daß ich
mein Wort halte und es ohne Krieg zum Frieden kommen
kann. Geh, Victorio, und handle auch so.«

Der Mimbrenjo sprang auf. Seine Augen wirkten wie

schwarze Löcher. Der Häuptling sah nur einen Weg, die
Apachen zu retten: Kampf und Tod.

»Ich reite, Cochise«, sagte Victorio, »aber ich reite nicht, um

deine Worte meinen Kriegern zu verkünden. Denn meine
Krieger sind Apachen und keine Weiber.«

Cochises Chiricahuas standen bereit. Ein Wink des Jefes

hätte gereicht, und Victorio wäre von Pfeilen durchbohrt
worden.

Es war eine schlimme Beleidigung, einen Chiricahua ein

Weib zu nennen.

Cochise lächelte überaus freundlich, als er sagte: »Du willst

unser Volk vernichten, ich will, daß es überlebt. Du siehst nur
einen Tag, wenn du am Morgen die Sonne über den Bergen
erkennst. Ich sehe tausend Tage, Victorio.«

Der Mimbrenjo blickte die Jefes auffordernd an, die mit ihm

ins Gebiet der Aravaipas gezogen waren.

Chato, Nana und Loco standen umständlich auf, bedankten

sich bei Eskaminzin für die Gastfreundschaft und gingen zu
den Pferden.

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Halbwüchsige Aravaipa-Knaben hielten die Tiere an den

Zügeln, wie es die Sitte gebot.

Victorio sprang mit einem Satz auf sein Tier und rief: »Dann

sehen wir uns in tausend Tagen wieder, Cochise. Du wirst
erkennen, daß die Weißen tausend Wasserlöcher besetzt haben.
Du wirst sehen, daß die Krieger ihre Pferde nur noch mit
Erlaubnis der Weißen tränken dürfen.«

Hart riß der Mimbrenjo am Zügel und hieb dem Mustang die

Fersen in die Seiten. Mit einem Sprung ging das Tier an.
Sekunden später galoppierte das Pony davon.

Chato, Nana und Loco folgten ihm langsamer.
»Er bringt viel Unheil über unser ganzes Volk«, sagte

Eskaminzin düster.

Der Chief der Aravaipas gehörte zu jenen Apachen, die für

den Frieden eintraten. Er hatte erkannt, daß sie als Rasse zu
schwach waren, um die Weißen für alle Zeiten vertreiben zu
können. Die Blaßhäutigen besaßen bessere Waffen, mehr
Menschen und die Armee mit Kanonen und Gatling Guns, die
schneller schossen, als ein Mann lachen konnte.

»Es ist sein Weg«, erwiderte Cochise gelassen. »Auch wenn

alle Stämme darunter leiden, wir müssen ihm seinen Weg
lassen. Aber nun ist es an der Zeit, daß wir uns mit den anderen
Feinden deines Stammes befassen.«

Eskaminzins Gesicht wurde ernst. Wie ein Schatten legte

sich der Ausdruck der Besorgnis über seine Züge.

»Es sind die Wichitas und Caddos«, sagte der Chief. »Sie

rauben, morden und brennen alles nieder, was sie nicht
mitschleppen können.«

Bitterkeit schwang in Eskaminzins Stimme, als er leise

fortfuhr: »Ich habe zu wenig Krieger, Cochise. Ein Teil muß
das Lager, die Kinder, Squaws und Alten schützen. Und die
verbleibenden Krieger genügen nicht, um die große Horde der
Wichitas zurückzuschlagen.«

Cochise schwieg. Er dachte über die Worte des befreundeten

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Häuptlings nach. Für ein paar Minuten kämpfte er mit der
Vorstellung, daß Eskaminzin schon zu sehr Weißer geworden,
innerlich kein Apache mehr war. Denn ein Mann dieses Volkes
stemmte sich mit all seiner Kraft gegen alle Feinde, brachte
ihnen blutige Verluste bei und gab erst auf, wenn er tot war.

Eskaminzins nächsten Worte bewiesen Cochise, daß er sich

irrte.

»Ich sehe keinen Sinn darin, die Hälfte meiner Krieger zu

opfern«, sagte der Häuptling der Aravaipas. »Denn sicher
müßten weit mehr als dreißig Krieger das Totenlied singen,
wenn wir die Wichitas angriffen. Dabei ist es gleich, ob wir
unsere Listen anwenden oder offen vorgehen.«

Cochise nickte. Der Häuptling hatte recht. Es war

vollkommen sinnlos, diese Übermacht offen anzugreifen. Aber
vielleicht fehlte Eskaminzin nur ein richtiger Plan, um seine
Feinde loszuwerden.

Eine kleine Handtrommel dröhnte in schnellem, wildem

Rhythmus. Der Chief der Aravaipas horchte und sagte bitter:
»Gawa-chora kommt. Sie hat ihren Sohn bei sich. Ihren Sohn
und vier Pferde, wie du sie selten siehst, Cochise. Konata ist
tot.«

Der hochgewachsene Chiricahua wartete ab. Er konnte mit

diesen Namen nichts anfangen. Aber er spürte, daß Eskaminzin
innerlich aufgewühlt und zornig war.

»Konata war der beste Krieger meines Stammes«, erklärte

der Häuptling. »Vor zehn Sommern hörte er auf, ein Krieger zu
sein. Er nahm das kleine Tal des ewigen Wassers in Besitz und
wurde Viehzüchter. Die Pferdesoldaten kauften Tiere bei ihm.«

Cochise fragte nicht, woher der Aravaipa von Konatas Tod

wußte. Diese Dinge kannte er. Sie verbreiteten sich schneller,
als der Wüstenwind Sandkörner von einem Ort zum anderen
tragen konnte. Und Eskaminzins Späher kannten sicher alle
Signale, um einen jeden Vorfall schnellstens weiterzugeben.

Vielleicht hatte aber auch der Krieger, der Gawa-chora

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gesehen hatte, die Squaw ausgefragt.

»Es dauert nicht mehr lange«, sagte Eskaminzin. »Sie wird

vor mich hintreten und von mir, vom Stamm, Vergeltung
fordern.«

Der Häuptling der Aravaipas starrte zu Boden. Cochise

spürte die Besorgnis, die den Freund überwältigt hatte.

»Wir können Gawa-chora ihren Mann nicht zurückgeben«,

sagte der große Jefe bedeutsam. »Aber wir können dafür
sorgen, daß die räuberischen Caddos und Wichitas
zurückgeschlagen werden. Ich brauche Frieden, wenn ich unser
Volk retten will. Unser ganzes Volk meine ich, alle Stämme.
Die Jefes, die den Krieg predigen, würden dies als Schwäche
auslegen. Wir selbst müssen die Banditen vernichten. Das ist
unsere Aufgabe. Denn lassen wir die Blauröcke unsere Arbeit
machen, so verachten uns die Krieger der Tontos und
Mimbrenjos.«

Der Aravaipa nickte. Ja, Cochise hatte recht. Aber wie sollte

sein kleines Volk mit nur sechzig Kriegern die mehr als
doppelt so große Horde der räuberischen Wichitas und Caddos
vernichten? Aufgeben würden diese Kämpfer niemals. Sie
waren gekommen, um Beute zu machen. Solange noch Beute
in Sicht was, solange noch Beute in Sicherheit zu bringen war,
gaben die Banditen von jenseits des Rio Grande niemals auf.

Der Klang der Handtrommeln wurde schärfer, deutlicher.

Nach wenigen Minuten hämmerte am ersten Jacale des Lagers
ein junger Krieger seine Botschaft auf das Fell.

»Warten wir ab, was uns Gawa-chora sagt«, murmelte

Eskaminzin. »Ich spüre, daß es nichts Gutes sein wird. Ihre
Stimme wird klingen wie die eines Menschen, der mit
schlechtem, bitterem Wasser gegurgelt hat.«

Cochise setzte sich gerade hin. Seine schwarzen Augen

wirkten wie polierte Steine. Er starrte in die Flammen, die
unter der Sonnenglut kaum zu erkennen waren.

Hufschlag klang auf. Cochise sah aus den Augenwinkeln vier

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prachtvolle Pferde. Auf dem vordersten Tier saß eine Squaw
von seltener Schönheit. Sie sah nicht aus wie eine Apachin.
Nein, ihr Gesicht zeigte etwas, das er nicht genau deuten
konnte. Gawa-chora würde selbst den merkwürdigen
Ansprüchen eines Weißen genügen. Und die hatten doch
seltsame Vorstellungen von wahrer Schönheit.

Die Squaw saß ab, sah nach ihrem Sohn, der auf dem

Wiegenbrett schlief, und kam gelassen an das Feuer.

»Ich bin eine Frau deines Volkes, Eskaminzin«, sagte Gawa-

chora. »Ich bin gekommen, um Gerechtigkeit zu fordern. Du
kennst mich, du kanntest Konata, und du weißt, daß wir keine
Krieger waren.«

Cochise hörte, daß Gawa-chora wir gesagt hatte. Die Squaw

schien weiter als alle anderen zu denken. Wir, das bedeutete,
daß ihr Mann sie nicht nur als Besitz angesehen hatte.

»Konata ist tot«, fuhr die Frau fort. »Er starb kämpfend. Ich

weiß es. Bu brachte einen Apachen in die Ewigen Jagdgründe
und keinen Feigling. Seine Mörder aber leben, Eskaminzin. Es
sind Räuber, die von weither gekommen sind, um zu plündern
und zu morden. Wir haben den Weg eingeschlagen, der dein
Weg ist. Ich komme nicht an dein Feuer, um mich zu beklagen.
Ich komme, um Gerechtigkeit zu fordern.«

Eskamizin starrte in die Flammen. Der Häuptling dachte

angestrengt nach. Cochise stieß ihn leicht mit dem Fuß an. Der
Aravaika sah auf und den großen Chief der Chiricahuas nicken.
Also hatte Cochise bereits einen Plan.

»Gawa-chora, du forderst Gerechtigkeit«, sagte Eskaminzin

laut und mit volltönender Stimme, die selbst die schwerhörigen
Alten des Rates hören mußten, »und du wirst Gerechtigkeit
erleben. Ich, dein Häuptling, gebe dir mein Wort, Gawa-chora.
Du bist willkommen beim Stamm. Du bist eine unserer Töchter
und wirst es immer sein. Dein Sohn wird ein Krieger werden,
der die Aravaipa zu neuen Zeiten führt. Ich habe es gesehen
und verkünde dies nun. Niemand soll dich schmähen, niemand

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soll dir zu nahe treten. Du bist eine der unseren, eine der
besten, denn du brachtest deinen Sohn zur Welt, der einmal ein
berühmter Krieger sein wird.«

Die Squaw ging ein paar Schritte rückwärts, bis sie es wagen

konnte, dem Chiricahua und dem eigenen Chief den Rücken
zuzuwenden.

Als die Frau zu den Jacales gegangen war, sagte Cochise:

»Wir greifen die Wichitas an. Ich habe zwölf meiner besten
Krieger und Späher bei mir, mein Freund. Die halbwüchsigen
Söhne deiner Männer sollen das Lager schützen. Ich brauche
deine Kämpfer. Zusammen mit meinen zwölf Männern werden
sie die Angreifer vernichten. Wir reiten, wenn die Sonne ihren
höchsten Stand erreicht hat.«

Eskaminzin atmete auf und fragte: »Was ist mit den Spähern,

die den Rückzug der weißen Goldgräber beobachten?«

»Sie sollen weiter den Bleichgesichtern folgen«, entschied

Cochise. »Wir dürfen sie nicht aus den Augen verlieren. Es
sind zwei Gegner, die uns bedrohen, Eskaminzin. Einmal die
Wichitas und die Caddos, und ein anderes Mal die weißen
Digger. Sollten sie Gold finden, eine goldträchtige Stelle, dann
halten wir sie nicht mehr. Sie wühlen sich in den Boden, und
wir tränken die Erde mit ihrem Blut.«

Cochise hatte gesprochen. Seine Entscheidung war

unumstößlich. Der oberste Häuptling aller Apachenvölker half
einem Freund. Denn Eskaminzin war wie Cochise der
Meinung, daß die Stämme nur erhalten bleiben konnten, wenn
sie nicht in einem selbstmörderischen Kampfzug gegen alle
weißen Eindringlinge antraten.

*

»Ich möchte wissen, wo der verdammte Scout ist«, sagte der
untersetzte Sergeant mißmutig. »Seit drei Stunden ist der Kerl
verschwunden.«

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»Diese Halfcasts taugen doch alle nichts«, erwiderte der

Soldat mit den Korporalsstreifen an den Ärmeln. »Wenn ein
halber Apache schon den Namen Blaue Ente trägt, dann stimmt
doch was nicht mit diesem Kerl. Blaue Ente, und das mitten in
der Wüste!«

Die zwei einfachen Soldaten grinsten sich zu. Sie waren

erfahrene Männer und wußten, wie die Indianer zu ihren
Namen kamen. Tagelanges Hungern in der Einsamkeit, nur ab
und zu einen Schluck Wasser und glühende Sonne brachten
dem zukünftigen Krieger Visionen, die aus der körperlichen
und geistigen Schwäche geboren waren.

Und aus dieser Vision leitete der rote Mann seinen Namen

ab.

Wenn Blaue Ente seinen richtigen Namen genannt hatte, so

war er gut und richtig für diesen Mann. Wahrscheinlich hatte
der Scout nur irgendeine Bezeichnung gesagt, als er sich als
Fährtensucher für die Army verdingte. Denn auch die
Halbbluts waren meistens so abergläubisch, daß sie niemandem
ihren wahren Namen sagten. Ein Feind konnte den Krieger
vernichten, wußte er, wie dieser Feind in Wahrheit hieß.

»Er kommt schon wieder, Sergeant«, sagte einer der beiden

Dragoner träge. »Er hat noch über zwanzig Dollar
Pokergewinn zu kassieren. Denken Sie, er läßt die Bucks
sausen?«

Der Sergeant lachte kurz und schüttelte den Kopf. Nein,

Blaue Ente war einer der geldgierigsten Kerle, die Sergeant
Garfield je kennengelernt hatte. Er kannte eine Menge Männer,
weil er Berufssoldat war und schon lange die Winkel des
Unteroffiziers am Ärmel trug.

»Verfluchte Hitze«, sagte der zweite Soldat und schob sein

Käppi in den Nacken. »Wenn's wenigstens Wasser gäbe.«

Er hatte kaum ausgesprochen, als das Geschnatter einer Ente

ihn förmlich im Sattel herumriß. Da war nichts, was einen
solchen Vogel angelockt haben könnte. Außer hellem Sand,

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Speerdornsträuchern und Yuccas gab es nichts zu sehen.

»Er ist da«, stellte der Sergeant fest. »Komm schon raus, du

Entensohn. Wir warten seit über einer Stunde auf dich.«

Eine Riesenpalmlilie wuchs zwei Längen hinter dem Pferd

des letzten Mannes mehr als zwölf Yards hoch. Hinter dem
dicken Stamm glitt der Scout hervor. Er lief im Wolfstrab zu
Garfield und grinste, als er sich an den Hut faßte, als salutiere
er.

»Blaue Ente zurück sein, Mann mit Winkel«, sagte der

Halbindianer, und in seinen dunklen Augen funkelte der Spott.
»Mich Meldung geben, ja?«

Glenn Garfield holte tief Luft und sagte scharf: »Du

verdammter Hundesohn, hör auf, in der Schweinesprache mit
mir zu reden. Ich weiß genau, daß du ordentliches Englisch
kannst. Und ich weiß auch, daß du Schreiben und Lesen
kannst. Also red' nicht in dieser Idiotensprache mit mir!«

Die letzten Worte brüllte er. Erschöpft sank er im Sattel

zusammen, als er sich abreagiert hatte. Glenn Garfield war ein
guter Sergeant. Er war, wie die meisten Männer seiner Art, das
eigentliche Rückgrat der Armee, der Vermittler zwischen oft
hohlköpfigen Offizieren und oft aufsässigen Dragonern oder
Kavalleristen.

»Mich guter Späher«, fuhr der Halbindianer ungerührt fort,

»mich warten hinter Joshuabaum und hören zu. Mich nicht
Hundesohn, mich keine Schuld, daß kleiner Chief meine
Mutter an weißen Händler ausgeliehen. Mich lieber ganz weiß
oder ganz rot. Aber Geld ist gut. Ich hole mir die verdammten
zwanzig Bucks, Sarge! Darauf kannst du Gift nehmen. Und
außerdem ist Idiot ja eigentlich ein gutes Wort, nicht wahr?«

Der Späher redete vollkommen normal. Sein Kauderwelsch

hatte wohl nur dazu gedient, die Beherrschung nicht zu
verlieren. Wie die meisten Mischlinge zwischen roter und
weißer Rasse reagierte er empfindlich, wenn es um seine
Hautfarbe oder seine Stellung als Mensch ging.

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20

»Wieso ist ein Idiot was Besonderes?« wollte Garfield

wissen und äugte mißtrauisch zu dem untersetzten Späher
hinab.

Blaue Ente grinste breit und erwiderte: »Ein gelehrter Mann

sagte mir mal, daß dieses Wort aus dem Griechischen stammt
und eigentlich Idios, der Besondere, bedeutet.«

Garfield sank wie ein Wasserschlauch zusammen, dem

plötzlich der Inhalt abhanden gekommen war. Das ertrug er
nicht, einen Späher, der sich mit griechischer Sprache
beschäftigte. »Deine Meldung, du dämlicher Wasservogel«,
forderte er kaum hörbar. »Warum nennst du dich nicht
Kaktuskauz oder Gilaspecht, das würde besser passen.«

Das Gesicht des Halbindianers wurde schlagartig ernst.
»Eine Farm glimmt noch«, sagte der Kundschafter, »eine

Menge toter Krieger liegt in einer Felsspalte. Eine Sippe der
Aravaipas liegt erschlagen am Ort, an dem die Schlange den
Hund biß. Es sind zwei Frauen, drei Kinder und ein Krieger,
Sergeant. Du solltest nach Fort Thomas reiten und das melden.
Ich glaube, das Land brennt bald.«

Glenn Garfield fluchte wie ein Mulitreiber.
»Welche verdammten Apachen haben denn die verdammten

Überfälle ausgeführt?« wollte er wissen. »Ich denke, wir haben
Frieden im Land.«

»Untereinander dürfen die Kerle sich ruhig die Köpfe

abschneiden«, rief einer der Soldaten.

»Keine Apachen«, entgegnete Blaue Ente, »das waren

Wichitas und Caddos. Mindestens hundert Reiter, Sarge. Wir
brauchen ein paar Männer mehr, wenn wir den Kriegern den
Weg nach Hause mit etwas Spaß erleichtern wollen.«

»Auch das noch, räuberische Krieger aus dem Osten«,

stöhnte Garfield. »Los, Leute, setzt euch gerade hin, Wir lassen
unsere Pferdchen traben. Der Colonel wird vor Begeisterung in
die Luft springen, schätze ich.«

Ganz so war es nicht. Von Begeisterung und in die Luft

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springen konnte keine Rede bei Colonel Terence Ballinger
sein, als er die Meldung bekam.

»Holen Sie Lieutenant Cummings«, befahl der Kommandant

der Ordonnanz.

Garfield räusperte sich, zu lange und anhaltend, dachte der

Oberst und schaute von der Landkarte hoch, die auf seinem
Schreibtisch lag.

»Was ist, Garfield? Sind Sie mit Cummings nicht

einverstanden? Reden Sie ruhig. Sie wissen, daß ich Ihr Urteil
schätze.«

»Sir, Lieutenant Cummings ist ein guter Offizier«,

antwortete der Sergeant, »trotzdem gebe ich zu bedenken, daß
er manchmal etwas zu draufgängerisch ist.«

Colonel Ballinger lächelte, als er erwiderte: »Ich weiß, aber

er nimmt einen Zug Dragoner mit, die mit den neuen Spencer-
Karabinern ausgerüstet sind. Alle Männer sind mit der
siebenschüssigen Waffe vertraut und bringen es fertig, einer
Fliege im Flug mit der Spencer einen Flügel abzuschießen.
Was sagen Sie nun, Garfield?«

Der Sergeant nickte nur, war aber nicht überzeugt. Er

witterte mit den Instinkten des langjährigen Soldaten, daß in
diesem Fall mehr als ein Zug von 24 Soldaten ausrücken sollte.

Aber eines konnte er tun.
»Sir, ich melde mich freiwillig für die Strafexpedition«, sagte

er und stand stramm.

Ballinger nickte erfreut. Das schien ihm die richtige Paarung

zu sein: der erfahrene, bedächtige Sergeant und Cummings.

Der Lieutenant trat ein, fuhr sich schnell mit dem Zeigefinger

über den rötlichblonden Schnurrbart und stand stramm.

Colonel Terence Ballinger erklärte dem Offizier auf der

Karte des Gebietes, wo Blaue Ente die Streitmacht der
Wichitas vermutete und sagte abschließend: »Cummings,
General Howard hat einen Frieden ausgehandelt, der durch
nichts gestört werden darf. Ich bin davon überzeugt, daß die

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22

Wichitas und Caddos davon wissen. Sie nutzen diese Tatsache
für ihr eigenes Spiel. Wir müssen ihnen Einhalt gebieten. Sonst
besteht die Gefahr, daß aus diesen Überfällen ein neuer Krieg
entsteht.«

»Ich habe verstanden, Sir«, erwiderte Cummings und

salutierte. »Meine Männer sind einsatzbereit. Ich lasse sofort
den Zug antreten. Bekomme ich Blaue Ente als Kundschafter?«

»Das geht leider nicht«, lehnte der Colonel ab. »Ich brauche

den Mann in der südlichen San Carlos Reservation. Er spricht
die Sprache der Mimbrenjos fließend. Ich habe das Gefühl, daß
wir Cochise und seine Apachen zu lange unbeobachtet gelassen
haben.«

Cummings verzog enttäuscht das Gesicht. Aber gegen den

Befehl eines Colonels konnte ein kleiner Lieutenant nicht
ankommen.

Es dauerte nicht lange, bis ein Zug von vierundzwanzig

Soldaten angetreten war. Die Dragoner hielten die Pferde an
den Zügeln. Sergeant Garfield kontrollierte alle Waffen, Sättel,
die Tiere, einfach alles.

Die Sonne schien schräg über die Palisaden des Forts. Wie

Blut schimmerten die roten Halstücher und die gleichfarbigen
Streifen an den Hosen der Männer.

Für ein paar Sekunden beschlich den Colonel das Gefühl,

darin ein böses Vorzeichen zu erkennen. Er schüttelte diese
Ahnung ab. Ein Kommandant durfte sich nicht solchen
Gedanken hingeben.

Am frühen Nachmittag gab er das Zeichen. Der Trompeter

setzte sein Instrument an die Lippen und blies das Signal. Die
Reiter formierten sich zur Doppelreihe. Die Flügel des Tores
aus kräftigen Baumstämmen schwangen zurück. Steif standen
die Rekruten und salutierten.

Blaue Ente blickte den Männern sorgenvoll nach. Drei der

Soldaten schuldeten ihm noch Geld. Der Halbindianer hoffte
nur, daß er diese Burschen wiedersehen würde.

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23

Im Trab ritten Cummings und Garfield vor dem Zug her.

Nach etwa einem Dutzend Meilen ließ der Lieutenant absitzen
und die Pferde zwei Meilen am Zügel führen. Auf diese Weise
erholten sich die Tiere großartig und waren in der Lage,
insgesamt eine große Strecke in kurzer Zeit zurückzulegen.

Sowohl Lieutenant Cummings als auch Garfield waren mit

der Wildnis des Südwestens vertraut. Sie hörten den Ruf des
Kaktuskauzes und sahen sich an.

»Hören Sie?« fragte Cummings, »wir werden beobachtet.

Hoffentlich sind es Aravaipas und nicht Victorios Männer.«

Der Ruf schien weiterzuschwingen, eilte den Soldaten

voraus. Sie wunderten sich nicht, als plötzlich auf einer
Sanddüne eine Reihe von Gestalten aufwuchs.

Die Krieger hielten moderne Winchestergewehre in den

Händen. Zusätzlich trugen alle Männer die traditionellen
Waffen der Apachen: den Ulmenholzbogen samt Pfeilköcher,
die Kriegskeule und die Rohhautschleuder, mit der jeder
Kämpfer der Apachen auf mehr als hundert Yards Entfernung
einen Stein so genau werfen konnte, daß er den Kopf eines
Mannes wie eine Nußschale knackte.

»Da, Cochise«, sagte Garfield und zügelte sein Pferd. »Was

sucht der Häuptling hier?«

»Wir werden es erfahren, Sergeant«, erwiderte Cummings.

»Lassen Sie die Männer absitzen und ausruhen.«

Cochise ritt auf seinem Schecken den Pferdesoldaten

entgegen. Der Chief der Chiricahuas hatte das Pferd hinter
einem mächtigen Saguarokaktus hervormarschieren lassen.

Lieutenant John Cummings verspürte Unruhe in sich.

Welchen Grund hatte Cochise, der angesehenste Häuptling
aller Stämme, hierher zu ziehen?

*

»How«, sagte Cochise, als er sein zäh wirkendes Pferd zügelte.

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24

»Reiten deine Männer in den Krieg? Howard und ich haben
Frieden geschlossen. Weißt du nicht davon?«

»Jefe, ich bin Lieutenant John Cummings«, erwiderte der

Anführer der Abteilung. »Wir kommen aus Fort Thomas.
Unsere Patrouillen meldeten uns, daß räuberische Indianer das
Gebiet der Aravaipas unsicher machen. Mein Späher fand
einen toten Farmer und eine niedergemetzelte Sippe.«

Prüfend beobachtete Cummings den hochgewachsenen

Oberhäuptling der Apachenstämme. Nichts wies darauf hin,
daß Cochise von den Überfällen wußte. Aber der Lieutenant
wußte auch, daß sich die meisten Indianer in fast allen
Situationen ausgezeichnet beherrschen konnten.

»Wir sind auf der Fährte der Mörder«, sagte Cochise hart

und deutete mit der Rechten auf die Krieger über ihnen.

Cummings dachte nach und entgegnete vorsichtig: »Sieh,

dies ist Eskaminzins Gebiet. Er ist ein Freund der Weißen. Und
geschieht einem Freund Unrecht, ist er in Not, so ist es unsere
Pflicht, ihm zu helfen. Darum sind wir hier. Ich denke, es ist
unsere Aufgabe, die räuberischen Wichitas zu vertreiben. Denn
sie kommen aus einem Land, in dem andere weiße Männer
nicht gut genug aufgepaßt haben. Nur so konnten die Banditen
ihren Raubzug durchführen.«

Cochise lächelte. Dieser junge Offizier war sehr geschickt.

Ohne auch nur den Anschein einer Beleidigung oder eines
Befehles auszusprechen, gab er dem Jefe zu verstehen, daß sich
die Soldaten um die Wichitas kümmern würden.

Der Führer der Chiricahuas war besorgt. Die 24 Soldaten

sahen nicht aus, als könnten sie mehr als hundert
kampferprobte Wichitas in die Flucht schlagen.

»Lieutenant«, sagte der Häuptling, »ich biete dir unsere Hilfe

an. Wir müssen auch selbst dafür sorgen, daß der Frieden
erhalten bleibt. Vergiß nicht, daß ich mein Wort gab.«

»Das ehrt uns«, stellte Cummings fest, »du willst dein Wort

halten und für den Frieden sorgen. Wir Soldaten haben von

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25

General Howard den Befehl, auch für den Frieden zu sorgen.
Sieh die Gewehre meiner Männer. Es sind moderne Waffen,
Spencer-Karabiner. Sie können siebenmal hintereinander
schießen. Ich bin sicher, daß wir die Eindringlinge vertreiben
werden.«

Cochise lächelte spöttisch und fragte: »Warum habt ihr nur

solche Gewehre, Lieutenant Cummings? Schau, nach oben,
zum Gipfel der Sanddüne. Meine Krieger besitzen
Winchestergewehre, die dreizehnfachen Tod bringen. Die
Männer schießen schneller, mehr und besser als deine
Soldaten.«

Sekundenlang überlegte Cummings, ob der den Jefe nach der

Herkunft dieser Waffen fragen sollte. Er entschied sich
dagegen. Solange die Apachen diese furchtbaren Waffen nicht
gegen Weiße richteten, sollte sich die Army besser aus den
Gewehrgeschichten heraushalten.

»Gut, weißt du, wo die Wichitas lagern?« fragte Cochise.
»Nicht genau, aber mein Späher hat uns die Fährte

beschrieben«, antwortete Cummings. »Wir wissen, wo wir sie
aufnehmen können.«

Cochise erklärte dem jungen Offizier, wo die räuberischen

Wichitas ihr Lager aufgeschlagen hatten.

Cummings salutierte, bedankte sich ernsthaft und hob die

Rechte.

Der Sergeant gab den Befehl zum Anreiten. Cochise saß

reglos auf dem Rücken seines Mustangs und blickte den
Soldaten nach. Seiner Meinung war es verrückt, mit nur 24
Männern gegen eine fünffache Übermacht von Räubern und
Mördern anzugehen.

Eskaminzin trieb sein Pferd die Sanddüne hinab, verhielt das

Tier neben Cochise und fragte: »Reiten wir hinterher? Helfen
wir ihnen?«

»Nein, er will allein den Ruhm erlangen«, erwiderte der Jefe.

»So soll er auch allein kämpfen. Wir lagern, mein Bruder. Laß

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die Späher ausschwärmen.«

Es geschah, wie Cochise befahl.
Lieutenant Cummings hingegen beglückwünschte sich zu

seiner geschickten Verhandlungen mit dem großen Cochise.
Der Offizier war entschlossen, dem Ruhm der Army im
Südwesten eine weitere Einzelheit hinzuzufügen.

Als er nach einer halben Stunde scharfen Rittes anhalten ließ,

erkannte er die Felsformationen, die ihm Cochise beschrieben
hatte. Sie waren in unmittelbarer Nähe der Feinde.

Sergeant Garfield fragte: »Wie gehen wir vor, Sir? Ich

denke, wir sollten versuchen, die Wichitas von der Höhe her
unter Feuer zu nehmen.«

Cummings Begeisterung ging mit ihm durch.
»Wir teilen unsere Abteilung«, sagte er. »Zwölf Männer

arbeiten sich bis auf halbe Höhe. Wir anderen greifen frontal
an, brechen durch, und während wir uns drehen, feuert die
Reserve von oben.«

Garfield runzelte die Stirn. Dieser Plan wäre gut, wenn sie

mindestens zwei Züge gehabt hätten. Aber mit nur einer
Abteilung einen solchen Angriff durchzuführen, erschien dem
erfahrenen Sergeant zumindest leichtfertig.

Obwohl er nicht davon überzeugt war, das Richtige zu tun,

gab er die Befehle des Lieutenants weiter.

Zwölf Dragoner trieben ihre Tiere bis dicht an die

zerklüfteten Klippen und saßen ab. Die Soldaten nahmen
Ersatzmunition mit, aber keine Wasserflaschen. Dies konnte
nur ein kurzes Gefecht werden, davon waren die Männer
überzeugt.

Sie kletterten über das verwitterte Gestein, zwängten sich

durch enge Felsspalten und krallten sich manchmal wie
Eidechsen an winzigen Vorsprüngen fest, um
weiterzukommen.

Endlich hatte jeder der Dragoner seine Position gefunden.

Nacheinander signalisierten die Soldaten durch Handzeichen,

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27

daß sie bereit waren.

Lieutenant Cummings holte tief Luft. Jetzt galt es!
»Fertigmachen zum Angriff!« rief der junge Offizier scharf.

»Trompeter blasen Sie zur Attacke!«

Als die ersten Töne des Angriffssignals von den Klippen

widerhallten, riß der Offizier seinen Säbel aus der Scheide und
hieb seinem Pferd in die Absätze der Flanken.

Das Tier gelangte nach wenigen Sprüngen in den Galopp.

Sergeant Garfields Pferd folgte in zwei Längen Abstand rechts
neben dem Lieutenant.

Die Hufe donnerten über den Boden. Sandwolken spritzten

in alle Richtungen. Und als die Eisen über gewachsenen Fels
hämmerten, hörten sich die zwölf Reiter wie eine ganze
Schwadron an.

Was Cummings jedoch nicht bedacht hatte, waren die Späher

der feindlichen Indianer. Die Wichitas und Caddos wußten,
was ihnen bevorstand.

Zwölf Dragoner, unter Führung eines jungen Offiziers, ritten

dem Tod entgegen.

Als die kleine Streitmacht die Felsensenke erreichte, hielten

die Soldaten ihre Waffen schußbereit. Cummings erkannte mit
einem Blick, daß er in eine vorbereitete Falle gerannt war.
Einen Moment lang fühlte der Offizier heiße Furcht in sich
aufsteigen.

Zurück? Es war zu spät. Die Dragoner hielten ihre Pferde im

Galopp. Bis sie die Tiere herumgerissen hatten, bildeten die
Reiter einen zu großen Pulk, in dem jede Kugel der Feinde ein
Ziel fand.

»Weiter!« stöhnte Cummings verbissen und schrie seinem

Pferd gellend in die Ohren.

Das Tier machte einen erschreckten Satz, streckte sich und

griff noch weiter aus. Sergeant Garfields Tier wollte
gleichziehen und wurde ebenfalls noch schneller. Das rettete
den beiden Männern das Leben.

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28

Denn als sie die Mitte der fast kreisförmigen Senke

erreichten, schnellten überall rote Krieger hoch. Alle Indianer
besaßen Gewehre oder Revolver. Das Metall der Waffen
blinkte im Sonnenlicht.

Und dann schien die Hölle aufzubrechen.
Ein wahrer Bleihagel tötete Dragoner und Pferde. In das

Dröhnen der Schüsse mischten sich die grellen Todesschreie
der Pferde. Männer brüllten ihren Schmerz und ihre
Todesangst heraus.

Innerhalb von Sekunden wogten Pulverdampf und Staub so

dicht, daß an ein genaues Zielen nicht mehr zu denken war.

Die Soldaten in den Klippen jagten Schuß um Schuß aus

ihren Spencers, aber keiner der Männer konnte sicher sein,
einen Gegner getroffen zu haben.

Drei Dutzend Wichitas hetzten mit weiten Sprüngen auf die

Felsen zu. Geschickt wie Eichhörnchen kletterten die Krieger
hinauf. Drei vier Revolver wummerten, und fünf Angreifer
stürzten getroffen in die Tiefe. Die anderen arbeiteten sich
weiter vor, nutzten jeden Halt, jeden kleinsten Vorsprung und
machten schließlich die Dragoner nieder.

Nur zwei Männern gelang die Flucht. Sie hatten sich tief in

enge Felsspalten geduckt und die Angreifer an sich
vorüberklettern lassen.

Die beiden Überlebenden krochen langsam aus ihren

Deckungen als es ruhig wurde, erkannten sich und atmeten auf.
Zu zweit fühlten sie sich besser, sicherer. Sie entdeckten eine
Felsspalte, die gerade einem Mann Raum genug zum
Vorankommen bot.

»Wenn wir doch nur Pferde hätten«, sagte Ned verzweifelt.
»Wir haben keine«, erwiderte Jim Hooker, »und wir werden

so schnell auch keine bekommen. Vergiß die Gäule, Ned, wir
müssen laufen. Wenn wir Cochise erreichen, haben wir es
geschafft. Er wird uns helfen.«

Sie schoben sich durch die Felsspalte und erreichten

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29

schließlich das Ende der Schlucht. Vorsichtig glitt Jim weiter
und beobachtete die karge, kahle Umgebung. Einmal glaubte er
eine Bewegung gesehen zu haben. Als sie sich nicht
wiederholte, dachte der Soldat an eine Täuschung.

Ned stieß ihn nach ein paar Minuten an und sagte halblaut:

»Links, da wächst Grünzeug. Da muß Wasser sein, Partner.«

Ja, dort wucherten Sträucher im Schatten der Felswand. Und

wenn es keine Quelle gab, so boten die Büsche doch
wenigstens Schatten.

»Los, aber vorsichtig«, raunte Jim.
Er ließ Ned bis dicht an die Sträucher herankommen, bevor

sich Jim selbst auf den Weg machte.

Als Ned Stogan mit einem Satz zwischen die dicht

wuchernden Büsche sprang, dröhnten zwei Revolver. Der
Soldat drehte sich im Sprung, krümmte sich zusammen und fiel
zu Boden.

Für Jim war es zu spät, die Richtung zu ändern. Er wollte

ausweichen, eine Deckung finden, das Feuer erwidern, aber
wieder wummerten die Colts, und Jim spürte zwei harte
Schläge, einen gegen die rechte Schulter und einen an den
Rippen. Sofort flammte der Schmerz auf. Jim fiel, drehte sich
dabei etwas und entdeckte zwei Krieger in den Felsen.

Die Indianer blieben abwartend stehen. Wollten sie

sichergehen, daß die Soldaten tot waren?

Erst nach langen Minuten verschwanden die Krieger

zwischen dem zerklüfteten Gestein.

Jim kroch weiter, biß sich die Lippen blutig, um nicht zu

stöhnen, und zerrte den bewußtlosen Ned in die Deckung der
Büsche. Es roch nach Wasser. Jim holte vorsichtig Luft und
schob sich weiter. Er sah eine Felsplatte, die wie ein Dach
hervorragte. Unter dieser Platte lagen zwei Männer. Schwach
schimmerten die roten Streifen an den Hosen. Erleichtert
atmete Jim auf, als er den Lieutnant erkannte. Cummings hatte
es also auch geschafft.

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Der Offizier war besinnungslos. Sein Gesicht wirkte bleich

und eingefallen. Neben Cummings lag Sergeant Glenn
Garfield. Auch er war schwer verwundet. Seine beiden
Oberschenkel wirkten wie in Blut getaucht.

»Okay, wer kommt noch?« fragte Garfield kaum hörbar.
»Keiner«, erwiderte Jim, »außer mir hat nur noch Ned

Stogan überlebt. Ich hole ihn.«

Es dauerte lange, bis auch der letzte Mann der Abteilung, der

letzte Überlebende von 24 Soldaten und ihrem Offfzier, an der
kleinen Quelle lag.

»Und jetzt, Sergeant, was nun?« fragte Jim, nachdem er sich

etwas erholt hatte.

»Jetzt warten wir«, antwortete Garfield.
»Worauf?« fragte Jim schwer, »auf die Hölle?«
Der Sergeant antwortete nicht. Ihm schwand die Besinnung.
»O verdammt«, sagte Jim bitter, »jetzt hocke ich hier in

einem Loch und habe drei Schwerverwundete bei mir. Ich bin
lahm. Den rechten Flügel kann ich nicht mehr bewegen, und
die Rippen, auf denen trommelt jemand einen Marsch.
Wenigstens haben wir Wasser. Aber wann wir verrecken, das
ist doch nur eine Frage der Zeit.«

Soldat Jim Hooker dachte nicht an Cochise, kam nicht auf

den Gedanken, daß der Chief Späher ausgesandt hatte, um den
Kampf zu beobachten.

Cochise war die einzige Überlebenschance der verwundeten

Soldaten. Ließ er sich zuviel Zeit, kam er zu spät.

*

Die Kundschafter der Chiricahuas und der Aravaipas lagen in
sicheren Deckungen. Weit oberhalb der Pferdesoldaten und
über der Masse der feindlichen Krieger übersahen die Späher
den Talkessel.

Quachan, der Aravaipa-Krieger, verspürte Neid und Zorn, als

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31

er sah, daß die Feinde den toten Soldaten die Waffen
abnahmen. Diese Beute wäre dem Apachen gerade recht
gekommen. Ein paar mehrschüssige Gewehre, ein paar
Revolver in sicheren Verstecken untergebracht, konnten für
Notfälle sehr nützlich sein.

Der Ruf des Kaktuskauzes lenkte Quachan von seinen

Gedanken ab. Er wandte den Kopf nach links. Hinter einer
kleinen Halde kopfgroßer Geröllbrocken erkannte er Setonya.
Der Freund deutete mit dem Zeigefinger auf den Boden und
beschrieb anschließend einen Kreis in der Luft.

Quachan nickte. Ja, sie sollten aufbrechen und Eskaminzin

benachrichtigen. Er und Cochise mußten wissen, daß der junge
Offizier seine Truppe in eine tödliche Falle geführt hatte.
Vielleicht ließ Cochise sogar nach Überlebenden suchen. Der
Offizier und der kräftige Mann ohne Skalp waren verwundet
worden.

Quachan nahm an, daß sie sich in ein Versteck

zurückgezogen hatten. Bekamen sie keine Hilfe, starben sie.
Denn ihre Verwundungen konnten sie nicht selbst versorgen.

Quachan überlegte sich, daß es für den großen Jefe sicher ein

Vorteil war, brachte er die überlebenden Soldaten halbwegs
gesund aus dieser Felsenwildnis zurück. Die Weißen mußten
ihm einfach dankbar sein. Und das stärkte sein Ansehen bei
ihnen.

Setonya lief bereits zu der Felsspalte, in der die beiden

Späher ihre Pferde zurückgelassen hatten. Quachan folgte dem
Freund. Sie packten die Graszügel der Mustangs und führten
sie durch die enge Klamm, die zu einem Pfad führte, der kaum
einen Schritt breit war. Er bog sich in absonderlichen
Windungen zu Tal und sah so aus, als könne ihn höchstens eine
Bergziege benutzen. Aber die Mustangs der Apachen waren im
Klettern diesen Tieren ebenbürtig.

Ein Chiricahua-Späher auf der anderen Seite des Talkessels

nickte zufrieden, als er den Rückzug der beiden Aravaipas sah.

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Die Häuptlinge bekamen innerhalb kurzer Zeit die Nachricht
von der Niederlage der Pferdesoldaten.

Der Chiricahua hingegen schlug die andere Richtung ein. Er

folgte den Wichitas. Cochise mußte erfahren, an welchem Ort
die Krieger der Wichitas und Caddos ihr Lager aufgeschlagen
hatten. Dies hier, der Talkessel, war nur eine Falle für
eventuelle Angreifer gewesen. Sie hatte ihren Zweck erfüllt.

Der Späher war sicher, daß die Feinde sich zu ihrem

eigentlichen Lager zurückzogen. Dort versorgten sie ihre
Wunden und verteilten die Beute. Vielleicht kam es sogar zu
einer kleinen Siegesfeier. Es war ein großer Triumph, eine
Abteilung der Pferdesoldaten fast völlig vernichtet zu haben.

Der Chiricahua, der Schneller Fuchs hieß, träumte ein paar

Sekunden mit offenen Augen vom Ruhm, von Beute und
Skalps und dem Ansehen, daß ein solcher Sieg den Kriegern
bei den Apachen einbrachte. Ja, das wäre die richtige Methode,
um mit den weißen Eindringlingen fertig zu werden.

Aus dem Hinterhalt zuschlagen, die Feinde vernichten, Beute

machen und wieder spurlos in der Halbwüste verschwinden.
Diese Taktik hatten die Krieger aller Stämme seit
Jahrhunderten zu einer fast perfekten Kunst entwickelt,
Cochise dagegen hatte dem einarmigen General sechs
Mondzeiten Frieden versprochen. Und der Chief brach sein
Wort niemals. Wer weiß, vielleicht war seine Ansicht über die
Weißen und ihre Macht sogar richtig? Das entschied die
Zukunft, an die Schneller Fuchs nicht viel Gedanken
verschwendete.

Geschickt nutzte der Späher herabgebrochenes Gestein,

Bergwacholder und niedrig wuchernde Drehkiefern als
Deckung. Er rechnete damit, daß auch die Gegner
Kundschafter auf der eigenen Fährte zurückgelassen hatten Das
Hauptlager konnte nicht allzu weit entfernt liegen. Denn die
räuberischen Feinde ließen ihre bisherige Beute bestimmt nicht
unbewacht.

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33

Schneller Fuchs glitt wie ein Schatten zwischen den borkigen

Stämmen der Bäume hindurch. Die Sonne tauchte die Nadeln
in ihr Licht und schuf so einen grünlichen Schimmer auf dem
Boden, der die Blätter der Bergkräuter fettgrün aussehen ließ.

Der Kundschafter erreichte die letzten Drehkiefern und

verharrte reglos. Lange Minuten beobachtete er die nackten
Felsschroffen, die Risse und Spalten, die einem Mann Deckung
gewähren konnten. Tief sog der Krieger die Luft ein.

Nichts ließ ihn mißtrauisch werden, kein Gegner lauerte in

der Nähe.

Schneller Fuchs glitt weiter. Mit weiten Sprüngen hetzte er

von Felsbrocken zu Felsbrocken, wartete nach jedem Satz ab
und prüfte die Umgebung, bevor er weitersprang.

Nichts geschah. Unangefochten erreichte der Späher die

Kante der Steilwand, sank zu Boden und schob sich
schlangengleich weiter vor. Wie eine Brustwehr ragte vor ihm
das Gestein auf. Diese Deckung war jedoch schon mürbe und
verwittert. Lücken von etlichen Handspannen wirkten wie
Fenster. Schneller Fuchs kroch an eine dieser Öffnungen und
blickte hinab.

Er hatte sich nicht getäuscht. Unten sah er das Hauptlager der

Feinde.

Fast eine Stunde beobachtete Schneller Fuchs die Schlucht.

Nichts wies darauf hin, daß die räuberischen Wichitas an
Aufbruch dachten. Sie waren wohl sicher, die gesamte
Patrouille der Pferdesoldaten niedergemacht zu haben. Und
sicher konnten sie sich nicht vorstellen, daß Späher der
Aravaipas den Kampf beobachtet hatten.

Lange blickte der Kundschafter zu einer Zweighütte, die

dicht an der Felswand stand. Er fühlte, daß es mit diesem
Wickiup etwas auf sich hatte. Einmal ging ein Caddo mit einer
Kürbisflasche zu dieser Hütte, bückte sich etwas und trat ein.
Sekunden danach kam er ohne Flasche wieder ins Freie und
schlenderte zu den Pferden.

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Schneller Fuchs prägte sich alle Einzelheiten der Umgebung

ein. Sicherlich kannten die Krieger der Aravaipas diesen
Canyon und konnten ihren Verbündeten genau schildern, wo
die besten Orte für den Angriff lagen. Schneller Fuchs jedoch
verließ sich nicht darauf. Erst als er sicher war, jede Einzelheit
wiedergeben zu können, zog er sich zurück.

Halb geduckt huschte der Späher durch das Felsengewirr,

wand sich zwischen den Kiefernstämmen durch und blieb
reglos stehen, als er seinen Mustang entdeckte.

Das Tier rupfte die Bergkräuter ab, die auf einer schmalen

Felsleiste wucherten, auf die der Wind Erde abgelagert hatte.

Das war es nicht, was den Kundschafter überraschte. Er hatte

dem Tier die Vorderbeine zusammengeschnürt. Doch jetzt
waren die rohledernen Riemen verschwunden!

Schneller Fuchs glitt zu Boden. Ein paar Speerdornsträucher

boten ihm ausreichende Deckung. Lautlos wie eine Eidechse
kroch der Späher weiter. Noch etwa ein halbes Dutzend
Pferdelängen war er von seinem Tier entfernt, als er das
Lederstück sah. Reglos verharrte Schneller Fuchs. Kaum zwei
Schritte vor ihm, zum größten Teil durch den Stamm einer
entwurzelten Kiefer verborgen, lag ein Krieger. Der
Kundschafter sah nur die Ferse des Mokassins. Der Gegner
blickte in die Richtung, aus der Schneller Fuchs gekommen
war.

Der Chiricahua schob sich behutsam weiter. Mit den

Fingerspitzen berührte er die Borke des umgebrochenen
Stammes und atmete ganz flach. Vorsichtig zog der Krieger
das Messer, packte es mit der Linken und stemmte sich
allmählich hoch. Endlich konnte er über den Stamm blicken. In
genau diesem Moment hob auch der Indianer auf der anderen
Seite der Kiefer den Kopf. Er zuckte zurück, wollte zum
Revolver greifen, doch da war Schneller Fuchs schon über ihm.

Die Messerklinge blitzte in der Sonne auf. Der Apache

senkte das breite, scharfe Metall in die Brust des anderen. Der

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war sofort tot.

Schneller Fuchs blieb wachsam. Erst nachdem er den Feind

mit dem Fuß angestoßen und minutenlang beobachtet hatte,
holte er sich sein Messer zurück, nahm dem Toten den Skalp
und den Colt samt Munition ab.

Der Caddo hatte den Mustang gefunden und ihn nach vorn

geführt und die Beinfessel gelöst. Für den gegnerischen Späher
war klar, aus welcher Richtung der Krieger kommen mußte,
dem dieses Pony gehörte: vom Lager der räuberischen Feinde.

Schneller Fuchs schwang sich auf sein Tier, schnalzte mit der

Zunge, und der Mustang lief los.

*

Cochise und Eskaminzin hörten die Berichte der Kundschafter
mit steigender Unruhe. Die Chiefs wußten, daß sie schnell
handeln mußten. Denn die Vernichtung von einem ganzen Zug
Pferdesoldaten würde die Männer in Fort Thomas
aufschrecken. Ganz sicher unternahmen die Offiziere einen
Rachefeldzug gegen die Apachen.

»Die Absicht der Feinde ist leicht zu durchschauen«, sagte

Eskaminzin. »Sie hetzen uns die Soldaten auf die Fährte und
nutzen diese Gelegenheit für sich selbst.«

Cochises Gesicht wirkte grimmig. Er nickte und erwiderte:

»Niemand glaubt uns, daß Wichitas und Caddos die Überfälle
durchführten. Für die Weißen sind wieder einmal die Apachen
die Mörder. Es ist ihnen dann gleichgültig, Bruder, daß du ein
friedlicher Mann bist, daß du versuchst, den Boden zu
bepflanzen und deine Krieger zurückhältst. Die Aravaipas
tragen die Schuld. Und bis du beweisen kannst, daß es nicht so
ist, reitet die Hälfte deiner Krieger in die ewigen Jagdgründe.«

Eskaminzin verzog das Gesicht. Manchmal fragte er sich, ob

seine Politik den weißen Eindringlingen gegenüber richtig war.
Manchmal erschien es ihm besser, kämpfend unterzugehen.

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Aber was wurde dann aus den Alten, den Squaws und den
Kindern, die nie zu richtigen Kriegern werden konnten?

»Wir stellen die Hunde«, versprach Cochise ernst. »Meine

Späher sind noch unterwegs, Bruder. Sie werden uns melden,
wo wir das Lager der Feinde finden.«

Eskaminzin nickte. Er war nicht so zuversichtlich wie der

große Jefe. Der Aravaipa dachte an die sechzig Krieger, die auf
sein Wort hörten. Nach allem, was die Kundschafter bisher
berichtet hatten, waren die Gegner doppelt so stark, Diesen
Vorteil konnten die Aravaipas und Cochises zwölf Chiricahuas
nur durch die überlegene Feuergeschwindigkeit der
Winchestergewehre ausgleichen.

Es würde ein harter Kampf werden. Denn keiner der

Wichitas durfte entkommen. Die Kunde der Niederlage mußte
im Land der Apachen bleiben. Sollten die Stämme in der
Heimat der Feinde davon erfahren, brachen sie zu einem
Rachefeldzug auf. Und das brachte einen Feuerbrand in den
Südwesten, der zahllose Opfer fordern würde.

Hufschlag kam auf. Der Schrei des Adlers schwang scharf

durch die Luft. Sofort darauf bellte ein Fuchs heiser.

Fragend sah Eskaminzin den Jefe an. Cochise nickte und

sagte: »Das ist Schneller Fuchs, einer meiner Krieger.«

Es dauerte nicht lange, bis der Kundschafter das Lager in der

Felsspalte erreichte und absaß. Sekunden danach kauerte der
Späher vor den Häuptlingen und zeichnete mit einem kleinen
Zweig die Lage des Canyons in den Sand.

»Gut«, sagte Cochise, als sein Krieger schwieg, »wir teilen

uns, Eskaminzin. Du führst die Hälfte deiner Männer zur
anderen Seite. Brechen die Wichitas durch, fliehen sie, hältst
du sie auf. Ich greife mit dem Rest deiner Krieger von Westen
her an. Meine Chiricahuas verbergen sich an den Talhängen
und greifen von oben her ein. Gib den Befehl zum Aufbruch,
mein Bruder. Wir reiten, wir befreien dein Land von den
Mördern und Dieben.«

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37

Eskaminzin schwang sich auf seinen Mustang, hob die

Rechte und hielt eine kurze Ansprache.

»Krieger, heute haben die Aravaipas die räuberischen Hunde

in der Falle«, rief er, »wir jagen sie dorthin zurück, woher sie
gekommen sind. Cochise hilft uns. Vergeßt nicht, daß von
unseren Taten der Frieden abhängt. Denn wenn die
Pferdesoldaten erst aufmerksam werden, wenn sie eingreifen,
steht die Sache der Apachen schlecht. Hört mir zu, Krieger…«

Nach wenigen Minuten waren die drei Trupps unterwegs.

Cochise ließ seine Gruppe langsam reiten. Eskaminzin
brauchte einen Vorsprung, um auf schmalen Pfaden, die nur
den Apachen bekannt waren, zur anderen Seite der Schlucht zu
gelangen.

Was Cochise jedoch nicht wußte, war, daß der Häuptling der

Aravaipas einen Weg kannte, der ihn in kurzer Zeit in den
Rücken der Feinde gelangen ließ.

Die Chiricahuas trieben ihre Mustangs an. Geschickt wie

Bergziegen kletterten die struppigen Tiere auf kaum fußbreiten
Felsbändern in die Höhe. Zwischen den Drehkiefern tauchten
die Ponys ein, verschwanden, als hätte es sie nie gegeben.

Quachan lenkte sein Pferd neben Cochises Tier. Der

Aravaipa-Krieger sagte halblaut: »Chief, wir müssen reiten.
Dein Plan ist gut. Wenn aber Eskaminzin vor uns angreift,
bleibt den Wichitas der Fluchtweg nach Westen offen.«

Cochise blickte den Krieger aufmerksam an und fragte:

»Dein Häuptling braucht einen Vorsprung, Quachan. Wie kann
er vor uns sein Ziel erreichen?«

»Er nimmt den Hirschweg«, erwiderte Quachan. »Die Berge

sind kein Hindernis für unsere Mustangs.«

Mit wenigen Worten erklärte der Aravaipa, was es mit

diesem Hirschweg auf sich hatte.

Vor langen Jahren, vor mehr Sommern, als der älteste

Krieger des Stammes an Jahreszeiten zählte, mußte ein
Aravaipa vor einer Übermacht die Flucht ergreifen. Seine

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38

Feinde töteten das Pony. Lanze und Kriegskeule waren
verloren. Der Apache machte sich zu Fuß auf den Weg. Im
Wolfstrab hetzte er auf die Berge zu. Zwischen Abgründen,
brüchigem Gestein und kargen Pflanzen lief der Gejagte
bergan. Er wandte jene List an, die er kannte. Vergebens, seine
Verfolger kamen immer näher. Einer der Jäger ließ seine
Freunde weit hinter sich. Er trieb sein Pony an, holte alles aus
dem Tier heraus und ließ es breite Klüfte überspringen, bei
denen jedes andere Pferd den Gehorsam verweigert hätte.

Der Aravaipa hatte keine Chance mehr. Sein Feind war nur

noch Minuten entfernt.

Der Gejagte suchte Deckung in einem breiten Streifen junger

Drehkiefern. Langsam arbeitete er sich zum Ende des Waldes
vor. Nur noch vier Reihen Bäume standen vor dem Krieger.
Zwischen den Stämmen glänzte die nackte Felswand im
Sonnenlicht. Hier war der Weg des Aravaipa zu Ende.

Zögernd machte er die letzten Schritte. Auf einmal richtete

sich ein großer Hirsch vor ihm auf. Das Tier senkte den Kopf.
Drohend wiesen die nadelscharfen Spitzen seines Geweihs auf
den Apachen. Er blieb reglos stehen. Es war nicht die Zeit zu
jagen. Der erlegte Hirsch bot den Verfolgern einen zu
deutlichen Hinweis.

Plötzlich warf sich das Tier herum. Mit drei, vier langen

Sprüngen gelangte es zur massiv wirkenden Felswand. Und
dann streckte es sich, vollführte einen Satz wie ein Berglöwe
und fand Halt auf einem Vorsprung, der von unten her nicht zu
erkennen war.

Der Krieger folgte dem Tier, gelangte auf das Gesteinsband

und folgte ihm in die Höhe. Ein Stück weiter mündete der Weg
in einer klaffenden Öffnung, die wie eine Höhle in das Innere
des Berges führte.

Diese Spalte endete auf der Westseite des Gebirgszuges. Und

seit dieser Zeit nannten die Aravaipas den gefährlichen Pfad
den Hirschweg. Sie benutzten ihn nur im Notfall, denn kein

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anderer sollte von ihm erfahren.

Cochise hatte gespannt zugehört und nickte, als Quachan

schwieg.

»Wir reiten!« rief der große Jefe und hob den rechten Arm.
Innerlich verspürte er Zorn. Warum hatte Eskaminzin ihm

nicht davon erzählt? Er mußte doch wissen, daß jede
Kleinigkeit bei einem solchen Kriegszug wichtig war.

Vielleicht hatte das friedliche Leben aus Eskaminzin

wirklich schon einen Farmer und Viehzüchter gemacht?
Konnte er überhaupt noch wie ein Apache denken, wie ein
Krieger handeln?

Der Häuptling schüttelte diese Gedanken ab. Er brachte sein

Pony in Galopp und jagte weit vor den anderen her. Quachan
folgte Cochise.

Der Jefe beobachtete den Aravaipa aus den Augenwinkeln

und folgte jeder noch so kleinen Richtungsänderung des
anderen.

Quachan hob die Linke und deutete auf eine Kerbe im

Gestein. Sie sah aus, als hätte ein Riese eine gewaltige Axt in
die Felsen geschmettert.

Im selben Moment krachten Schüsse!
»Angreifen!« rief Cochise und gab seinem Mustang die

Zügel frei.

Er sah sich nicht um, er wußte, daß ihm die Krieger folgten.

Quachan riß den Ulmenholzbogen von der Schulter. Diese
Waffe beherrschte er vollkommen. Selbst vom Rücken des
galoppierenden Pferdes aus traf er mit einem Pfeil jeden
Gegner. In dieser Situation verschmähte der Apache die Waffe
der Weißen, die dreizehnschüssige Winchester, die in einer
Lederschlinge an der Seite des Mustangs hing.

Die kleine Streitmacht des Häuptlings drang in die Schlucht

ein. Nach wenigen Längen sahen die Kämpfer Wickiups,
Feuerstellen und eine Menge Pferde. Überall kletterten
feindliche Krieger in die Felswände, um von oben auf die

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40

Angreifer zu feuern.

Eskaminzin hatte seine Männer bis zur Mitte des Tales

geführt. Nun war er umzingelt. Die Späher der Gegner hatten
den Ring hinter dem Jefe der Aravaipas geschlossen. Die Linie
war nur dünn, mit großen Lücken zwischen den einzelnen
Kämpfern. Eskaminzin konnte sich zurückziehen. Er dachte
nicht daran. Hier stand er den Mördern gegenüber, die über
zahlreiche Sippen seines Volkes hergefallen waren. Sie hatten
den Tod verdient, und er würde ihnen den Tod bringen.

Cochises Streitmacht verteilte sich in weitem Halbkreis. Ein

Schauer von Pfeilen regnete auf die überraschten Caddos und
Wichitas herab.

Der Häuptling fühlte sein Blut heiß aufwallen, als er die

Kriegskeule vom Gürtel löste und seinem Pferd die Hacken in
die Flanken hieb. Der Mustang wieherte laut und streckte sich,
machte förmlich einen Satz nach vorn.

Cochise lenkte das Tier nur mit den Knien auf den dichtesten

Pulk Feinde zu. In der Rechten schwang der Chief den
Schädelbrecher, und mit der Linken umklammerte er die
Lanze, deren Eisenspitze er selbst aus einem erbeuteten Messer
gefertigt hatte.

Die roten Bänder flatterten, als Cochise den Speer vorstieß

und einen Caddo tötete. Ein Wichita preschte von der anderen
Seite heran. Der Krieger riß hart an den Zügeln. Mit der
Hinterhand schrammte das Pferd über die Grasnarbe und riß sie
mehr als drei Yards lang auf. Cochise sah das metallische
Blitzen und warf den Schädelbrecher. Der Granitkopf prallte
gegen die Stirn des Feindes und tötete ihn sofort.

Die Kriegskeule war verloren, denn in diesem Getümmel war

es unmöglich, die Waffe vom Boden aufzuheben.

Ein Dutzend Gewehre peitschten. Caddos, Wichitas und

Pferde sanken sterbend zu Boden.

Cochises Chiricahuas hatten mit einer Salve von oben herab

vorübergehend Luft geschaffen. Der Jefe glitt vom Pferd, nahm

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den Revolver des toten Gegners und spannte den Hahn.

Drei Caddo-Krieger jagten auf den großgewachsenen Führer

aller Apachen zu. Vier-, fünfmal peitschten die Gewehre der
Angreifer. Die Kugeln jaulten hinter dem Chief als
Querschläger davon. Vom Sattel aus war die Treffsicherheit
mit den Waffen der Weißen ziemlich gering.

Cochise feuerte mit dem erbeuteten Revolver. Nach dem

dritten Schuß spürte der Häuptling einen harten Schlag an der
Rechten. Blut lief über Finger und Handrücken. Der Beutecolt
war auseinandergeflogen. Zornig warf er die nutzlose Waffe
weg und nahm im Aufsitzen seine Kriegskeule wieder an sich.

Der Revolver mußte eine sogenannte Spanische Waffe sein,

aus schlechtem Material gefertigt und nur für wenige Schüsse
gut.

Cochise achtete nicht auf die Wunde. Er stürzte sich mit

seinem Pony wieder in den dichtesten Pulk Caddos und wütete
wie ein Berserker unter den Kriegern. Sie wichen zurück,
rissen die Pferde herum, und im Peitschen der Gewehre
ergriffen die Feinde die Flucht.

Cochise stieß einen gellenden Schrei aus und wendete seinen

Mustang. In breiter Linie jagten die Caddos nach Westen. Die
Aravaipas hatten sich entlang der Talwände verteilt und
drangen zur Mitte hin vor. Eskaminzins Männer zogen einen
Kreis um die Gefangenen und schützten sie vor der Wut der
Wichitas, die nicht ohne Beute die Flucht ergreifen wollten.

Und jetzt stieg Cochises Leibgarde aus den Felswänden

herab. Die zwölf Krieger feuerten mit den
Winchestergewehren, die sie von Eskaminzin erhalten hatten.

Immer wieder gellten die Kampfschreie der Apachen auf.

Wieselflink wechselten sie ihre Standorte, boten den Feinden
ein nie verweilendes, ständig wechselndes Ziel und jagten
Kugel auf Kugel zwischen die indianischen Banditen.

»Zastee!« brüllten die Chiricahuas. »Tötet!«
Ein hünenhafter Caddo lenkte seinen Mustang auf die

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Felswand zu. Wie ein Brett ragte eine Steinplatte mannslang
waagerecht aus der Wand. Oben stand ein Chiricahua, suchte
sich seine Ziele und setzte seine Kugeln mit tödlicher
Sicherheit.

Der Caddo trieb sein Pferd an. Es wurde noch schneller.

Schaum flockte von seinem Maul, und als es dicht vor der
Felsplatte angelangt war, stieß sich der muskulöse Krieger mit
einem gewaltigen Satz ab und landete oben neben dem
Apachen.

Der Chiricahua riß das Gewehr herum. Die Mündung war

nur zwei Handbreit von der Brust des Caddo entfernt Als der
Apache abdrückte, klickte es nur metallisch.

Der Caddo grinste wie ein ausgehungerter Wolf im Winter,

der Beute wittert, sie sicher wähnt und riß Messer und Colt aus
dem Ledergurt, den er nach Art der Weißen um die Hüften
trug.

Der Chiricahua wirbelte das Gewehr herum und schlug zu.

Der Kolben traf die Schläfe des Caddos. Wie von einer
gewaltigen Faust wurde der Krieger vom Felsvorsprung gefegt
und geriet unter die Hufe eines Pferdepulks. Die Caddos
flohen, brachen nach Westen durch. Und die Wichitas
ebenfalls. Denn wurden beide Gruppen getrennt, waren sie
schon so gut wie verloren. Jeder einzelne Krieger wußte das.
Nur die vereinigte Streitmacht der beiden verwandten Stämme
konnte den Apachen standhalten.

Cochise zügelte seinen Mustang und prüfte die Lage. Er stieß

einen lauten Schrei aus, deutete auf die Fliehenden und hob die
Kriegslanze in ihre Richtung.

Die Chiricahuas reagierten sofort. Eskaminzins Krieger

hingegen zögerten, suchten ihren Häuptling, warteten auf
seinen Befehl.

Cochise sah den Chief nicht mehr. Plötzlich wummerten

Revolverschüsse bei den Jacales. Sofort riß Cochise sein Pony
herum.

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Ein Dutzend Caddos durchbrach den Ring der Aravaipas, die

wütend brüllten und Pfeil um Pfeil auf die Fliehenden
schwirren ließen. Vier, fünf, sechs Caddos stürzten von ihren
Pferden.

Die anderen schirmten ein Tier ab, auf dessen Rücken eine

verschnürte Gestalt lag. Die Aravaipas trieben ihre Mustangs
an, folgten den fliehenden Feinden und schoben sich zwischen
Cochise und den Gefangenen.

Dieser Mann mußte wichtig sein, dachte der Häuptling. Die

Wichitas und Caddos versprachen sich etwas von ihm.

Bevor der Führer aller Apachen die Streitmacht neu

verteilen, bevor er den Befehl zur Verfolgung geben konnte,
galoppierten die Ponys der Gegner aus dem Tal.

Es war sinnlos, hinter ihnen herzuhetzen. Die ersten

Flüchtlinge hatten Zeit genug gehabt, einen Hinterhalt zu
legen. Die Aravaipas würden zuerst die befreiten Squaws in ihr
Lager bringen wollen.

Cochise ritt auf Eskaminzin zu. Der Jefe schien bedrückt,

verlegen zu sein und sah an Cochise vorbei.

*

John Haggerty lag in seiner Hütte, als der Kampf begann. Der
Scout hörte die schrillen Rufe und wußte, das Chiricahuas in
der Nähe waren. Brachten die Krieger Hilfe? Hilfe für den
Gefangenen?

Bevor sich John entschied, den Ruf des Falken auszustoßen

und so seinen Standort zu verraten, sprang Gelbschlange in die
Hütte.

Der Anführer der indianischen Banditen grinste verzerrt und

sagte laut: »Du bleibst bei uns, weißer Mann. Dich nehmen wir
mit. Denn du bist mehr wert als alle Beute, die wir bisher
machten.«

Haggerty drehte den Kopf weg, stieß mit den gefesselten

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Beinen nach dem Wichita, der mühelos auswich.

John biß zu, als die Hand des anderen dicht vor seinen

Lippen war. Darauf hatte Gelbschlange nur gewartet.
Blitzschnell stopfte er dem Scout einen Lederlappen in den
Mund. Bevor John das Ding mit der Zunge herausdrücken
konnte, schlang der Indianer einen breiten Streifen um den
Kopf seines Gefangenen und sicherte so den Knebel.

Das Gewehrfeuer wurde stärker.
Haggerty fragte sich, ob Cochise in der Nähe war. Nur der

Jefe der Chiricahuas besaß die Macht, den weißen Späher zu
retten. Seine Krieger würden ihn töten. Und die Aravaipas
nahmen sicher keine Rücksicht auf den Kundschafter. Sie
waren zwar friedlich gegenüber den Weißen und kämpften
nicht. Trotzdem konnte sich John vorstellen, daß sie einen
weißen Skalp nicht verachten würden.

Hundertzwanzig Krieger, dachte Haggerty, alle entschlossen,

Beute zu machen und diese Beute mit nach Hause zu nehmen.
Was hatte Eskaminzin dieser Streitmacht entgegenzusetzen?
Wieviel Chiricahuas verstärkten die Krieger der Aravaipas?

Die Kriegsschreie der Apachen gellten, Schüsse krachten und

Pferde wieherten grell vor Todesangst.

Sie haben Mut, sind berauscht vom Kampf und dem Sieg

über die Soldaten, dachte John unruhig. Die Angreifer werden
einen schweren Stand gegen die siegestrunkenen Caddos und
Wichitas haben.

Haggerty fragte sich, ob die Krieger die Abteilung bis auf

den letzten Mann niedergemacht hatte. Die Army mußte
eingreifen, eine Strafexpedition ausrücken lassen, um den
Indianern ihre Stärke zu zeigen. Natürlich würden die Soldaten
gegen die Apachen ziehen, denn keiner der Offiziere wußte
von der Horde Caddos und Wichitas, die sich auf einem
Beutezug befanden.

Cochise ist die einzige Hoffnung, wenn ich nicht freikomme,

dachte John niedergeschlagen. Schafft es der Jefe nicht, diese

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räuberischen Eindringlinge zu stellen, zu töten, reiten die
Soldaten gegen die Apachen. Der Krieg ist unvermeidlich. Und
Victorios Anhängerschaft wird wachsen. Auf eine solche
Situation wartet der kriegslüsterne Mimbrenjo-Chief nur.

Drei Krieger stürzten in das Jacale. Sie rissen Haggerty hoch,

behandelten ihn wie ein lebloses Bündel, einen Mehlsack und
schleppten ihn ins Freie.

Nun ist es soweit, schoß es John durch den Kopf. Jetzt zeigen

sie mich den Aravaipas und ihren Verbündeten. Das ist meine
Chance. Wenn Cochise seine Krieger selbst führt, erkennt er
mich.

Aber der Scout hatte sich geirrt. Er fühlte, wie er

hochgehoben wurde und unsanft auf einem Pferderücken
landete. Haggerty sah nur den Bauch des Tieres und auf der
anderen Seite die eigenen Füße.

Sekunden später trieben die Indianer das Pony an. Die Stöße

brachten Johns Magen zur Rebellion. Krampfhaft schluckte der
Kundschafter. Wenn er sich erbrach, würde er ersticken.

Im Galopp jagten die Caddos davon. Zwischen den

wirbelnden Hufen sah der Scout drei, vier Körper fallen. Das
Gewehrfeuer ließ nach. Kein Pfeil schwirrte mehr durch die
Luft, und die Stimmen der Krieger klangen zufriedener.

O verdammt, keine Chance für mich, dachte Haggerty. Sie

bringen mich zu einem Ausweichlager. Bis die Apachen das
gefunden haben und wieder angreifen, vergeht zuviel Zeit.
Weiß der Satan, was Gelbschlange nun vorhat.

Der gefesselte Mann rutschte auf dem Pferderücken nach

hinten, als die Tiere einen steilen Bergpferd unter die Hufe
nahmen. Ein Krieger rief etwas, und Gelbschlange ließ
anhalten.

»Hör zu, Kundschafter«, sagte der Chief, »wir setzen dich

jetzt auf das Pferd. Du bleibst gefesselt. Versuchst du zu
fliehen, bekommst du eine Kugel in die Schulter. Hast du das
verstanden?«

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Haggerty antwortete nicht. Er spürte eine seltsame Leere im

Kopf, als ihn zwei Krieger packten, hochrissen und auf den
Pferderücken setzten.

»Nehmt ihm den Knebel ab«, befahl Gelbschlange. »Ich will

hören, was er sagt.«

Erleichtert atmete John durch den Mund, als das schmutzige

Leder draußen war.

»Hast du verstanden, was ich gesagt habe?« fragte

Gelbschlange nochmals.

Haggerty nickte nur. Wenn er jetzt antwortete, konnte er sich

nicht mehr zurückhalten.

Gelbschlange war zufrieden. Er ritt an die Spitze der

Kolonne und bestimmte das Tempo. Die indianischen Banditen
besaßen alle ausgezeichnete Pferde. Nach einigen Minuten
wußte John, auf welche Kommandos der Mustang unter ihm
reagierte. Lange überlegte Haggerty, ob er einen Fluchtversuch
riskieren sollte. Unauffällig wandte er den Kopf, musterte die
Krieger hinter sich und erkannte, daß er keine Chance hatte.

Die kampfgewohnten Caddos waren in zahllosen Raubzügen

erprobt. Sie handelten im Bruchteil einer Sekunde, sollte ihr
Gefangener das Pony zur Seite lenken.

Haggerty konnte nur durchhalten und hoffen, daß Cochise in

der Nähe war. Wenn der Jefe seinen weißen Freund entdeckte,
würde er alles zu Johns Rettung unternehmen.

Der Trail führte durch die Bergwelt der Galiuros. Blüten des

Petersbarts, Akeleien und ab und zu die weißen Matten der
Portulakblüten wucherten zwischen Drehkiefern und niedrigen
Tannen.

Bergkräuter wuchsen in jeder Felsspalte, in die der Wind

Erde getragen hatte. Zwischen den Ästen der Kiefern turnten
Kaibab-Hörnchen umher, verharrten, wenn sie die Reiter sahen
und schimpften nach einer Weile keckernd auf die Indianer
hinab.

Haggerty mußte widerwillig anerkennen, daß die Banditen

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die Berge sorgfältig erkundet hatten. Nicht einmal wurde
Gelbschlange unsicher. Immer lenkte er seinen Mustang bei
Abzweigungen ohne Zögern in die neue Richtung.

Die Drehkiefern blieben hinter den Reitern zurück.

Kriechgewächse bedeckten den Boden, klammerten sich mit
langen Wurzeln in winzigen Spalten fest und trieben Ausläufer
in alle Richtungen. Sobald einer dieser Tentakel mit
fruchtbarer Erde in Berührung kam, schlug er Wurzeln.

Oft genug waren die Entfernungen zu weit. Die Ausläufer

lagen locker auf dem Gestein. Und die Blätter vertrockneten in
der Sonne. Grau schimmerte der nackte Fels zwischen den
verdorrten Zweigen des Kriechgewächses hindurch.
Gelbschlange bog in einen Canyon ein, dessen Zugang von
einer Gruppe kräftiger Drehkiefern verdeckt wurde. Ein Reiter
mußte bis zu den letzten Bäumen vordringen und dann
rechtwinklig abbiegen. Das war der Trick bei der Sache.

Zwischen den letzten beiden Baumreihen öffnete sich nach

einem halben Dutzend Pferdelängen das Tal, das kaum mehr
als eine halbe Meile breit war. Zahlreiche Rinnsale sickerten
aus den Felsspalten herab. Sie vereinigten sich am tiefsten
Punkt des Canyons zu einem kleinen Fluß, der nach Süden
rann. Irgendwo außerhalb der Galiuro Mountains mündete
dieser Wasserlauf in den Aravaipa River.

Neugierig sah sich John um. Als Gelbschlange sein Pony

zügelte, war vom zweiten Ausgang noch nichts zu entdecken.
Der Chief ließ in einer großen Biegung lagern. Hier schnitt das
Tal tief in die Felswände zur Linken ein. Auf Haggerty wirkte
der Canyon wie das Bett eines mächtigen Flusses, der vor
Urzeiten seine Bahn in die Berge gefressen hatte und im Laufe
der Jahre ausgetrocknet war.

Es dauerte nicht lange, bis die Krieger neue Zweighütten

errichtet hatten. Feuer loderten vor den provisorischen
Wickiups auf. Es roch nach bratendem Fleisch, nach Kräutern,
und dem Scout lief das Wasser im Mund zusammen.

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Der Häuptling der Horde ging langsam auf den Scout zu, der

vor einer halbfertigen Hütte lag.

»Was willst du?« fragte John gelassen.
Gelbschlange lächelte tückisch, als er antwortete: »Du bist in

meiner Gewalt. Wenn ich es will, stirbst du den Tod der
tausend Martern. Er dauert tagelang, Kundschafter Haggerty.
Wir können genausoviel Spaß mit dir haben wie die Apachen.
Du solltest etwas freundlicher mit mir reden, weißer Mann.
Denk an die Martern.«

John erwiderte etwas sehr Unfeines und sah zufrieden, daß

der Anführer der Kriegerhorde zusammenzuckte.

»Vielleicht können wir uns nun vernünftig unterhalten«, fuhr

der Scout fort. »Ich bin dein Trumpf, Gelbschlange, das hast du
selbst zugegeben. Wenn du mir auch nur ein Haar krümmst,
verliere ich an Wert.«

Haßvoll erwiderte der indianische Bandit: »Ich ziehe dir

mein Messer durch die Kehle, wenn du noch einmal so redest,
du weißes Stinktier.«

»Wer sich vor einem Wichita fürchtet«, entgegnete John

spöttisch, »hat auch Angst vor einer Eidechse. Wahrscheinlich
ist dein Messer stumpf, Gelbschlange, und du hast viel Arbeit
mit meinem Hals.«

Der Indianer holte tief Luft. Seine dunklen Augen funkelten

voller Haß. Er wollte antworten, diesem weißen Hund zeigen,
wer hier der Gefangene und wer der Herr war, als ein
Goldadler schrie. Sofort drehte sich der Wichita um und ging
davon.

Aha, dachte John, die Kundschafter kommen zurück. Ich

möchte für mein Leben gern wissen, was die Späher zu
berichten haben.

Er sollte es erfahren. Denn nach einiger Zeit kehrte

Gelbschlange zu seinem Gefangenen zurück. Triumph
zeichnete das Gesicht des Wichitas, als er dicht neben
Haggerty stehenblieb.

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»Du bist mein Gefangener, und du bleibst es nach meinem

Willen«, sagte der Chief laut. »Du bist das Mittel, mit dem wir
neue, reiche Beute erkämpfen werden. Hör mir gut zu, weißer
Hund.«

Haggerty rollte sich herum. Mit einem Tritt seines Fußes

brachte Gelbschlange den Gefangenen wieder in die alte
Stellung. John lag auf, dem Bauch und spürte den Fuß des
räuberischen Halunken in seinem Nacken:

Der Wichita stieß einen Ruf aus, der in einem langgezogenen

Triller endete.

Es dauerte nicht lange, bis sich die Krieger im Halbkreis vor

ihrem Anführer versammelten.

»Ich habe euch zu reicher Beute geführt«, rief Gelbschlange.

»Wir mußten alles im Stich lassen. Die Apachensquaws, die
unsere tapfersten Krieger verwöhnen sollten, sind von ihren
Stammesgenossen befreit worden. Wir liefen vor Gegnern
davon, die höchstens halb so stark wie wir waren. Seid ihr
Krieger eigentlich Weiber? Oder seid ihr alte, zahnlose Greise,
die in der Sonne hocken und mit ihrer Spucke einen Käfer
treffen wollen?«

Haggerty drehte den Kopf zur Seite, lachte und rief so laut er

konnte: »Nein, sie sind die Käfer, Gelbschlange. Und was
kannst du von Käfern schon erwarten? Fällt der Schatten des
Feindes über sie, so laufen sie davon und verkriechen sich, statt
zu kämpfen.«

Der Wichita preßte nun mit aller Kraft seinen Fuß in den

Nacken des hilflosen Weißen. John spürte den scharfen Sand
an den Lippen, atmete ganz flach, um nicht den feinen Staub
einzusaugen, der ihn unweigerlich zum Husten bringen würde.
Diesen Triumph gönnte er dem Wichita nicht.

Die Krieger murrten. Ob sie wegen der Worte des Weißen

oder wegen der Vorwürfe ihres Anführers ungehalten waren,
konnte John nicht feststellen.

»Ich verspreche euch gute Beute«, rief Gelbschlange laut.

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»Keine Squaws, keine Gewehre, nein, ich verspreche euch
Gold!«

Es wurde still. Erwartungsvoll blickten die Krieger ihren

Häuptling an.

»Die Späher sind zurückgekehrt«, fuhr der Chief fort, »die

weißen Goldsucher ziehen davon. Sie haben ihre Ausbeute
mitgenommen. Wir holen uns das Gold, denn es gehört uns,
wie das Land dem Roten Mann gehört.«

Ein paar Sekunden blieb es still. Doch dann rief einer der

Krieger: »Gelbschlange, wir wurden schon einmal von den
Weißen zurückgeschlagen. Ihre Gewehre schießen schneller,
als wir laden können. Wenn wir die Goldsucher noch mal
angreifen, zahlen wir mit unserem Blut dafür. Und die Beute
behalten die Weißen.«

»Nein!« brüllte Gelbschlange laut, »diesmal wird es anders

sein. Wir haben einen Gefangenen, den obersten Kundschafter
der Pferdesoldaten. Wir zeigen ihn, den Goldgräbern und
drohen, diesen Mann hier zu töten. Sie werden uns all ihr Gold,
ihre Waffen und Patronen geben, denn sie wollen den Mann
retten. Verlaßt euch auf mich. Ich kenne die Weißen. Sie geben
nach, das verspreche ich euch.«

»Wenn du dich nur nicht irrst«, sagte John gepreßt.
Obwohl er den Mund voll Sand bekam, als er sprach, mußte

er diese Worte loswerden. Gelbschlange schien die Weißen
weniger gut zu kennen wie er seine Freunde glauben machen
wollte. Haggerty wußte ganz genau, daß die Abenteurer, die
den Süden heimsuchten, zur hartgesottenen Art gehörten, die
nur an sich selbst dachten.

»Wir zeigen ihnen diesen Kundschafter«, fuhr der Häuptling

fort, »wir binden ihn an den Pfahl und beginnen mit den
tausend Martern. Selbst wenn John Haggerty schweigt, wenn er
nicht vor Schmerzen schreit, so werden doch die anderen
nachgeben. Sie können es nicht ertragen, sehen zu müssen, wie
einer ihrer Rasse gemartert wird.«

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Die Krieger redeten in ihrem gutturalen Dialekt miteinander.

Haggerty verstand kaum ein Wort. Er spürte jedoch, daß die
Männer die Chancen gegeneinander abwogen.

»Gut, wann greifen wir an?« fragte ein Caddo.
»Im Morgengrauen«, erwiderte der Chief, »wir beobachten

sie und suchen einen sicheren Hinterhalt. Noch in der Nacht
errichten wir den Marterpfahl.«

Gelbschlange entwickelte seinen Männern einen Plan, der

kaum fehlschlagen konnte, wenn die Digger in der
gewünschten Art reagierten.

John Haggerty dachte bitter an seine Lage. Sie würden ihn

fesseln und knebeln, diese indianischen Halunken.

Denn ließen sie ihn reden, würde er die Goldsucher

beschwören, nicht nachzugeben. Es ging um mehr als das
Leben eines einzelnen Mannes. Es ging um den Südwesten an
sich. Lohte der Feuerbrand des Krieges wieder auf, so waren
Apachen und Weiße gleichermaßen verloren. Nach langen
Auseinandersetzungen würden die Weißen siegen, dessen war
sich John gewiß. Aber der Blutzoll würde schrecklich sein.

Die Krieger zerstreuten sich. Der Chief nahm seinen Fuß von

Haggertys Nacken und ließ zu, daß sich der Gefangene
umdrehte.

John sah das spöttische Lächeln im Gesicht des anderen und

sagte halblaut: »Ich hoffe, daß sich die Digger nicht dazu
zwingen lassen, verdammter Gelbkäfer. Warum verkriechst du
dich nicht unter einem Felsen? Ich spüre, daß du vernichtet
wirst, daß dein Tod nahe ist, Caddo. Dieser Angriff auf die
abziehenden Goldsucher ist der Anfang von deinem Ende.«

Gelbschlange lachte höhnisch und erwiderte: »Es ist der

Anfang von reicher Beute. Alles, was wir bisher holten, ist
nichts, gar nichts gegen das, was du uns einbringen wirst,
Chiefscout John Haggerty.«

Der Kundschafter schüttelte den Kopf und wünschte sich

heftig, daß niemand auf ihn Rücksicht nehmen würde. Die

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52

Caddo-Wichita Allianz durfte einfach nicht raubend und
mordend durch den Südwesten ziehen. Sie konnten nicht jeden
Menschen umbringen, dem sie begegneten. Und entkam auch
nur ein weißer Mann, so ritten die Soldaten. Und die Apachen
waren die Leidtragenden, denn sie sahen sich noch immer als
die Herren des Landes. Und gegen sie richtete sich der Angriff
der Pferdesoldaten.

Gelbschlange schien Haggertys Gedanken zu ahnen, denn

der Chief sagte grinsend: »Je mehr Unruhe, Kämpfe in diesem
Land ausbrechen, um so besser ist es für uns, Scout. Du hat
keine Chance. Du bist nur von meiner Gnade abhängig. Und
wer weiß, vielleicht lasse ich dich frei, wenn wir genügend
Beute gemacht haben? Vielleicht schenke ich dir auch einen
schnellen Tod. Das kommt ganz auf dich an, weißer Mann. Nur
auf dich.«

John antwortete nicht. Seine Situation war mehr als

hoffnungslos. Außer einem schnellen Tod erwartete er nichts
mehr. Selbst im größten Kampfgetümmel konnte einer der
Caddos oder Wichitas den Gefangenen mit einer Kugel, einem
Pfeil oder einem Messerwurf erledigen. Es sei denn, Cochise
war in der Nähe. Hatte der große Jefe seine Chiricahuas
begleitet, griffen diese Krieger in die Auseinandersetzung ein,
so hoben sich Haggertys Chancen beträchtlich. Denn Cochise
opferte keinen Blutsbruder für irgendeinen Vorteil.

Und Apachenlist war den Tricks der Wichitas und Caddos

mehr als überlegen.

*

»Cochise, es ist meine Schuld«, stieß Eskaminzin hervor. »Ich
habe nur gesehen, daß wir den elenden Hunden von Caddos
eine Niederlage zufügen können. Ich habe nicht weit genug
geschaut.«

Der große Jefe lächelte, und es war ein warmes, freundliches

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Lächeln.

»Das zeigt mir, Bruder«, sagte er, »daß du noch ein Apache

bist und kein weißer Mann in den Stiefeln der Wüstenkrieger.«

Eskaminzin atmete erleichtert auf. Cochise war nicht zornig

über den fehlgeschlagenen Angriff, über die Zeitverwirrung,
die durch Eskaminzins Weg durch den Hirschpfad entstanden
war.

»Das ist genau die Kampfweise, die wir uns nicht erlauben

dürfen«, fuhr Cochise fort, »wenn wir kämpfen und den
Eindringlingen Widerstand leisten wollen. Wir müssen mehr
über alle Dinge reden, Bruder.«

Eskaminzins Gesicht zeigte einen besorgten und unsicheren

Ausdruck.

Cochise ahnte, woran der Häuptling der Aravaipas dachte

und sagte: »Ich will nicht in deine Geheimnisse eindringen
Bruder. Und wenn es nötig ist, daß ich davon höre, so wird
mein Mund verschlossen bleiben. Aber alles ist wichtig, wenn
es um unsere Gegner geht.«

Eskaminzin nickte und sah etwas zuversichtlicher aus. Große

Dinge behielt er nicht mehr für sich. Von den modernen
Winchestergewehren wußte Cochise schon. Und der Besitz
dieser Waffen war das größte Geheimnis der Aravaipas
gewesen. Ferner zählte auch die Kenntnis der alten Goldmine
der Eisenmänner im Tal des hundertfachen Todes dazu. Auch
das war dem großen Jefe inzwischen bekannt, und er würde
keinen Gebrauch von diesem Wissen machen.

»Die Gefahr ist nicht vorbei«, sagte Cochise deutlich. Noch

immer treiben sich die Caddo- und Wichita-Krieger in deinem
Land herum, Bruder. Sie geben nicht auf. Sie sind wie die
Weißen, klammern sich zäh an unnütze Dinge und hoffen,
eines Tages reiche Beute zu machen. Ich sende meine Späher
aus. Sie sollen die Fährte der Halunken aufnehmen und ihr zum
neuen Lager folgen.«

»Und wir?« fragte Eskaminzin, »was machen meine

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Krieger?«

Der Chief der Aravaipas war etwas gekränkt. Denn seine

Männer waren genauso gute Apachen und ausgezeichnete
Späher, wie es Cochises Krieger waren.

»Sieh dich um«, erwiderte Cochise.
»Haben unsere Feinde keinen Anspruch auf Ehre? Sie sind

tot. Ihre Freunde können sie nicht bestatten, wie es die Sitte
verlangt. Es ist unsere Pflicht, Eskaminzin, die Toten würdig
auf den Weg zu den ewigen Jagdgründen vorzubereiten. Denke
auch an die weißen Soldaten. Deine Männer sollen sie getrennt
hinlegen. Deine Krieger kennen das Land. Sie werden eine
Felsspalte finden, die für alle toten Kämpfer groß genug ist.«

Eskaminzin starrte den Chief der Chiricahuas an und fragte:

»Die Pferdesoldaten und die Räuber unserer Rasse sollen in ein
gemeinsames Grab gesenkt werden?«

Cochise lächelte. Sein Blick wirkte traumverloren, als er zu

den Gipfeln der Berge hinaufblickte und leise antwortete: »Der
Tod, Bruder, macht alle lebenden Wesen gleich. Er stößt die
Tür in ein Land auf, das wir nicht kennen. Wir stellen uns
dieses Land vor, ja, aber wir wissen nichts von ihm. Ist es so,
wie unsere Überlieferungen berichten? Ist es ein wasserreiches
Gebiet mit vielen Tieren, die allen Apachen Nahrung im
Überfluß bieten? Oder ist es so, wie die weißen Kuttenmänner
erzählen? Wachsen den Menschen im jenseitigen Land Flügel
aus den Schultern? Brauchen sie keine Mustangs mehr und
keine Waffen? Spielen sie auf merkwürdigen Instrumenten
wunderbare Musik, die alle Seelen sanft macht? Wir wissen es
nicht, Bruder, aber wir ahnen, daß der Tod nur einen Moment
währt, etwa so lang, wie der Atemzug eines Kindes dauert.«

Eskaminzin fühlte sich von den Worten des Chiefs seltsam

angerührt. Wie alle Apachen glaubte er an die Urgewalt der
Natur in ihren vielfältigen Erscheinungsformen. Ein Blitz zur
unrechten Zeit konnte Unheil, konnte den Zorn der Gottheit
bedeuten. Ein Regenguß mitten im Sommer versetzte ganze

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Stämme in Unruhe. Aber so weit wie Cochise war Eskaminzin
in seinem Denken noch nicht vorgedrungen.

Er wandte sich ab und gab eine Reihe von Befehlen.
Sofort schwärmten die Aravaipas aus. Sie sammelten die

gefallenen Gegner und die Körper der Pferdesoldaten ein.

Reglos standen die beiden Pferde der Häuptlinge im Schatten

einer vorspringenden Felsplatte.

Die Wege der Krieger wurden länger, nahmen mehr Zeit in

Anspruch, und nach einer Stunde, gemessen an der Uhr der
Weißen, lagen alle Toten im Talkessel vor den Wickiups.

Cochise schnalzte mit der Zunge. Sein Pferd ging los und

trug ihn zu den Soldaten.

»Vier Männer fehlen«, sagte Cochise, als Eskaminzin sein

Tier neben ihm verhielt. »Es sind zwei Soldaten, dann der
Mann, der sich Lieutenant John Cummings nennt und der
kleine Offizier, der Winkel und Streifen am Ärmel trägt.«

Eskaminzin gab seinen Kriegern sofort den Befehl, die

Fährte der vier vermißten Blauröcke aufzunehmen.

Die Chiefs konnten nur noch warten.
Cochise nutzte die Zeit und durchsuchte die Zweighütten.

Nach Apachenart hatten die Caddos und Wichitas Unterkünfte
errichtet. Alle Hütten waren leer. Alle bis auf eine.

Und was Cochise hier fand, ließ ihn an allem zweifeln, was

er sich bisher überlegt hatte.

Denn auf dem Boden der Hütte, aus der die Feinde einen

Mann herausgezerrt hatten, fand er ein Lederbild, das er genau
kannte. Es gehörte seiner Schwester Tla-ina. Es hatte ihr
gehört. Und es gab nur einen einzigen Mann, dem sie es
geschenkt haben konnte: John Haggerty, dem Falken.

Reglos stand der hochgewachsene Cochise. Er starrte auf die

matten Farben der Zeichnungen und atmete schwer.

Ein solches Bild bekam jede Apachin, wenn sie zur Frau

wurde. Ein heiliger Ritus, an dem der ganze Stamm teilnahm.
Zum Zeichen dafür, daß sie nun nicht mehr zu den sorglos

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spielenden kleinen Squaws gehörte, als Hinweis auf ihre
Fähigkeit, junge Krieger gebären zu können, fertigten die
ältesten Squaws mit Hilfe des Medizinmannes dieses Bild an.
Es enthielt die Eigenschaft der jungen Frau, zeigte ihre
Fähigkeiten und ihren Namen auf.

Es gab immer nur einen Menschen, dem sie dieses Bild

zeigte: ihrem Geliebten.

Cochise steckte den Lederfleck sorgsam ein. Er durfte nicht

verlorengehen, denn das bedeutete nach dem Glauben der
Apachen schlimmes Unglück. Bevor er weiter über John
Haggerty nachdenken konnte, rief Eskaminzin. Der Häuptling
der Aravaipas war von einem halben Dutzend Krieger umringt,
die ihm Bericht erstatteten.

Cochise ging mit langen Schritten zu den befreundeten

Apachen. Seinem Gesicht war nichts von der Erschütterung
anzumerken, die ihn ergriffen hatte.

»Bruder«, rief Eskaminzin, »meine Späher haben die vier

Pferdesoldaten gefunden. Sie liegen unter einem Felsendach,
Wasser rinnt aus Gesteinsspalten, und Sträucher bieten
Deckung und Schatten.«

Cochise schwang sich auf seinen Mustang und fragte:

»Leben sie noch?«

Setonya, einer der Späher, antwortete: »Noch leben sie, Jefe.

Ihre Wunden sind schwer. Das Blut rinnt aus den weißen
Männern heraus.«

Listig blickte der Späher den hochgewachsenen Chiricahua

an.

»Wenn wir sie vergessen«, fuhr Setonya fort, »leben vier

weiße Männer weniger in der Heimat der Apachen.«

Cochises Gesicht wirkte, auf einmal hart und abweisend. Die

dunklen Augen drohten förmlich.

»Wir lassen keinen Pferdesoldaten sterben«, sagte der große

Häuptling. »Wir haben Frieden mit den Blaubäuchen, Setonya.
Auch ein Späher der Aravaipas sollte das wissen. Gerade er

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müßte es wissen, denn dein Chief hält schon lange Frieden mit
den Weißen.«

Der Kundschafter nahm die Zurechtweisung mit stoischer

Miene auf. Er blickte an Cochise vorbei. Sein Gesicht wirkte
leer, und mit keiner Geste zeigte er seinen Unmut.

Innen sah es bei dem Krieger so aus, wie bei den meisten

Aravaipas. In ihren Gedanken widersetzten sie sich
Eskaminzin, der Frieden predigte. Die Krieger sollten die
Apachentradition nicht aufgeben, die aus Raub, Mord und
Marter und Skalps bestand. Eskaminzin jedoch hatte seine
kaum sechzig Krieger fest in der Gewalt.

Der Stamm war klein genug, um jederzeit über die Wege der

einzelnen Kämpfer Bescheid zu wissen. Andererseits war er zu
klein, um mit der eingedrungenen Horde Wichitas und Caddos
fertig zu werden.

Der Jefe beobachtete die Squaws, die sich für den Heimweg

rüsteten. Sie waren froh, aus der Gewalt der indianischen
Banditenhorde befreit zu sein. In Eskaminzins Dorf würde der
Ruhm der Krieger vor ihrer Rückkehr die Gemüter erhitzen.

Hoffentlich, so dachte Cochise, werden die Ältesten nicht

übermütig. Wenn sie die Halbwüchsigen ausschicken, war alles
umsonst. Denn die jungen Männer, die noch keine Krieger
waren, gierten nach Ruhm, nach der ersten Beute und den
ersten Skalps.

Ein Dutzend Aravaipas leitete die Mustangs in die Richtung,

aus der die Späher gekommen waren. Die meisten Krieger
hielten Decken in den Händen. Wenn die Weißen wirklich so
schwer verwundet waren, gab es nur eine Möglichkeit, sie zu
transportieren. Ihre Verletzungen durften nicht wieder
aufbrechen, denn dies bedeutete den sicheren Tod für die
Soldaten.

Cochise ging zu jenem Jacale zurück, in dem er das

Lederbild gefunden hatte. Mit gekreuzten Beinen setzte er sich
in die Öffnung der Strauchhütte.

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Seine Gedanken beschäftigten sich mit John Haggerty, den er

Freund nannte, der sein Blutsbruder war und seine Schwester
liebte.

War Falke zum Verräter geworden?
Cochises Gedanken wurden schwer vor Kummer. Konnte es

sein, daß die Macht der Weißen über ihre Mitmenschen so weit
reichte, daß diese Macht Freundschaften zerstörte, die
Zuneigung zwischen Männern, Kämpfern abwürgte?

Cochise kam ein furchtbarer Gedanke. Der einarmige

General Howard hatte gelobt, sechs Mondzeiten Frieden zu
halten. Er hatte dieses Versprechen mit seinem Wort besiegelt.
War es möglich, daß Howard sein Wort brach? Hatte der Vater
der Pferdesoldaten die räuberischen Caddos und Wichitas
selbst ins Land geholt, um Unfrieden unter den
Apachenvölkern zu stiften?

Vielleicht wollte Howard, daß die Wüstenkrieger den

Frieden brachen. Vielleicht wartete er nur darauf, mit seinen
Truppen eingreifen zu können, um so endgültig den
Niedergang der Apachenstämme einzuleiten und das gesamte
Gebiet für die weißen Eroberer freizumachen?

Cochise wog gegeneinander ab, was das Wort eines weißen

Pferdesoldaten und das eines Chiefs wert war. Er kam zu dem
Schluß, daß die Weißen immer wieder ihre Versprechen
brachen, sich nicht an feierlich geschlossene Verträge hielten.
Aus dem Norden, dem Land des Winters, drangen immer
wieder Nachrichten zu den Apachen. Nachrichten, die vom
Tod ganzer Sippen, ja, vom Untergang ganzer Stämme
berichteten. Und immer hatten die Weißen ihre Hände im
Spiel.

Gefiel einem weißen Siedler oder Rancher das Land, das für

ewige Zeiten den Indianern zugesprochen war, so brachen die
weißen Männer diesen Vertrag. Wurde gar Gold, Silber oder
Kupfer gefunden, so konnten die Krieger nur noch fliehen oder
kämpfen. Und der Kampf endete zumeist mit dem Tod der

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roten Männer.

Cochise haderte mit sich selbst. Er nannte sich innerlich den

dümmsten Chief seit ungezählten Jahreszeiten, weil er einen
Weißen zu seinem Blutsbruder gemacht hatte. Es war nicht gut,
sich mit den Langmessern einzulassen. Das Volk litt darunter,
wenn nicht heute, so doch morgen oder im nächsten Winter.

Auf der anderen Seite hoffte er, daß John Haggerty selbst

Gefangener der Caddos war. Aber wie konnte Falke in eine
Falle dieser roten Banditen geraten? Das erschien Cochise fast
unmöglich. An das nächstliegende, an eine Verwundung seines
Bruders, dachte er nicht.

»Ich muß abwarten«, murmelte er und hob sein Gesicht zur

Sonne.

Die wärmenden Strahlen drangen nicht bis in sein Herz, wie

er es gehofft hatte. Dumpfe Unruhe blieb zurück, schwelte und
machte den Führer der Apachen innerlich zu einem zagenden
Mann, der mit sich rang, ob er wirklich den richtigen Weg
eingeschlagen hatte.

Cochises Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. Er sah

eine weiße, rehlederne Hose, die mit bunten Fäden bestickt war
und schaute auf.

Er bemerkte den beinahe ehrfürchtigen Ausdruck in

Quachans Gesicht und unterdrückte ein Lächeln. Bei den
Aravaipas galt die Weisheit, daß die Träume eines Mannes
heilig waren und in Erfüllung gingen. Die Krieger dieses
Stammes respektierten die Gedankenversunkenheit eines jeden
anderen Mannes und warteten selbst mit der dringendsten
Nachricht, bis der träumende Mann wieder zu sich selbst
gefunden hatte.

»Chief, die Krieger haben die vier Blauröcke gebracht«,

sagte der Aravaipa achtungsvoll. »Eskarninzin will sie in unser
Dorf bringen lassen. Die Weißen sterben, wenn wir sie zu
ihrem Palisadenfort tragen, sagt unser Chief. Die Entscheidung
liegt bei dir, Cochise. Denn du bist der Führer aller Stämme.«

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Der hochgewachsene Apache stand geschmeidig auf. Er

überragte alle Krieger, selbst seinen Sohn Naiche, der in den
Dragoon Mountains die Felsenfestung der Chiricahuas
befehligte.

Der mächtige Brustkorb des Häuptlings weitete sich unter

einem tiefen Atemzug. Ja, es gab zu tun, Entscheidungen
waren zu treffen. Entscheidungen, die vielleicht alle Völker der
Apachen beeinflußten. Cochise ging zu Eskaminzin hinüber.
Vor dem Chief der Aravaipas lagen auf vier Decken vier weiße
Männer in der Uniform der Pferdesoldaten. Die roten
Halstücher und die gleichfarbigen Streifen an den Hosen
wiesen die Bewußtlosen als Angehörige der Dragoner aus.
Dazu trugen die Soldaten der Kavallerie im Gegensatz gelbe
Streifen und Halstücher.

Der große Jefe beugte sich vor, musterte jeden Verwundeten

und sah Eskaminzin besorgt an, als er sich wieder aufrichtete.

»Sie sterben«, sagte Cochise leise, »wenn sie nicht bald Hilfe

bekommen. Der Weg zum Fort ist zu weit, Bruder.«

Der Führer des kleinen Aravaipa-Stammes nickte und schlug

vor: »Ein Drittel meiner Krieger bringt sie in mein Dorf. Die
Alten kümmern sich um die Pferdesoldaten. Wir haben gute
Medizin, die das Fieber vertreibt und das heiße Brennen der
Wunden zurückhält.«

Cochise grinste und erwiderte: »Und auf dem Rückweg

hierher spähen deine Krieger die Fährte unserer Feinde aus. Ist
es so, mein Bruder?«

Eskaminzin erwiderte das Grinsen und nickte. Ja, genau das

war sein Plan. Denn ohne Kenntnis des neuen Lagers konnten
die Krieger die Gegner aus dem Land des Sonnenaufganges
nicht angreifen.

Eskaminzin gab eine Reihe von Befehlen. Jeweils vier

Krieger lenkten ihre Mustangs an die vier Zipfel einer Decke,
auf der ein verwundeter Soldat lag. Zugleich beugten sich die
Apachen weit aus den Sätteln, packten die Decken und hoben

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sie hoch.

Die Mustangs marschierten auf Kommando los. Im gleichen

Schrittmaß fielen sie in Trab. Die sehnigen Arme der Krieger
schwangen im Rhythmus der Gangart, und die bewußtlosen
Weißen lagen wie in einer Sänfte; Kein Stoß, kein Ruck
erschütterte die geschwächten Leiber der Soldaten. Sie wurden
behutsamer als mit einem Sanitätsfuhrwerk der Army
transportiert.

Weitere zwölf Reiter schlossen sich den sechzehn Kriegern

an, die den Rest der Abteilung davontrugen. Dieses Dutzend
diente der Sicherheit. Kein Mensch konnte sagen, ob die
Caddo-Wichita-Banditen irgendwo einen Hinterhalt gelegt
hatten, nachdem ihre wilde Flucht weit genug vom Ort ihrer
Niederlage entfernt zum Stillstand gekommen war.

Cochise war zufrieden. Er bedauerte nur, daß er nicht mehr

Chiricahua-Krieger mit zu Eskaminzin genommen hatte. Im
Moment war die Kampftruppe der Apachen zu sehr
geschwächt, um einen Angriff auf die immer noch
übermächtigen roten Banditen durchzuführen.

Nur List konnte zum Erfolg führen. Und die Listen der

Apachen waren unter den Weißen bereits zu dieser Zeit
Legende.

*

Die Goldsucher zogen langsam nach Süden. Cochise und
Eskaminzin hatten den Diggern ihr Wort gegeben, daß sie
unbehelligt davontrailen konnten. Lynn Rogers saß im Sattel
ihres Pferdes. Das Tier paßte seine Schritte denen der müde
dahintrottenden Mulis an.

Die Sonne stand tief über den Gipfeln der Mountains, und

die Schatten der Reiter wurden länger.

Ed Cooper, der Revolvermann, hatte die Führung des

Reiterzuges übernommen. In der Mitte ritt Lynn, die als

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einzige Frau unter zwanzig Männern vor wenigen Tagen an
den Aravaipa River gekommen war. Sie hatte Gold gesucht,
wie die anderen. Ihr Führer war ein Mann gewesen, den sie nur
unter dem Namen Captain Jack gekannt hatten. Er war ein
fähiger Digger gewesen, der die verschiedenen Bodenschichten
gekannt und seine Gruppe zu einem Stück sandigen Flußufers
gebracht hatte, das ihnen allen etliche Funde einbrachte. Aber
dann versiegte das Glück. Nicht nur das Gold war knapp
geworden. Nach kurzer Zeit war Cochise, der Führer aller
Apachenstämme, mit mehr als sechzig Kriegern erschienen.
Der Chief hatte den Abzug aller Weißen aus dem Gebiet der
Aravaipas verlangt.

Captain Jack hatte Widerstand leisten wollen, Cochise

beleidigt und ihn schließlich zum Zweikampf herausgefordert.

Der Anführer der Digger war dem bärenstarken Cochise im

Messerkampf unterlegen gewesen. Diese Niederlage hatte der
Goldsucher nicht verwinden können, sich einen Colt
geschnappt, um den Jefe zu ermorden, der ihm großmütig das
Leben geschenkt hatte.

Captain Jack war durch Cochises Tomahawk gestorben.
Die Digger mußten abziehen. Denn so hatten sie es

vereinbart. Ihr Rückzug war der Preis für Captain Jacks
Niederlage.

Und nun trailten sie nach Süden. Tombstone war ihr Ziel.

Dort wollten sie ihr Gold verkaufen, die Nuggets, den Flitter
und den Goldsand in blanke Dollars verwandeln.

Wie es weiterging, vermochte noch keiner der Männer zu

sagen. Lediglich Lynn Rogers, die einzige Frau unter den
harten Kerlen, hatte eine feste Vorstellung von ihrer Zukunft.
Sie würde, nachdem sie ihr Gold eingetauscht hatte, ein drei
Stunden währendes Bad nehmen. Sie hatte schon jetzt das
Gefühl, den Staub des Apachenlandes von ihrer Haut spülen zu
müssen. Eine Strähne des kastanienfarbenen Haares fiel ihr in
die Stirn. Sie packte sie mit zwei Fingern, hielt sie ein Stück

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von den Augen weg und musterte die Haare.

»Pfui Teufel«, murmelte sie, »ich sehe aus wie eine

Grandma. Meine Haare hatten die Farbe einer reifen Kastanie,
aber nun sehen sie grau aus.«

So leise sie auch gesprochen hatte, der bärtige Digger an

ihrer Seite hatte die Worte doch verstanden. In seinem dunklen
Bartgestrüpp öffnete sich auf einmal ein Loch. Der Mann
grinste, und das Loch war der Mund.

»Lady«, sagte der Mann, »ich weiß genau, wieviel gelben

Dreck Sie aus dem Boden gekratzt haben. Dafür können Sie
selbst in Tombstone zwei Jahre lang baden. Und dort ist alles
doppelt so teuer wie in einer anderen Stadt.«

Lynn lächelte dem bärtigen Mann zu. Er war ihr schon

mehrmals aufgefallen. Er verhielt sich so, wie sie sich gedacht
hatte. Denn in einer Gemeinschaft, die auf sich allein gestellt,
im Apachenland nach Gold schürfte, durfte es wegen einer
Frau keinen Ärger geben.

»Wie heißen Sie eigentlich?« fragte Lynn Rogers. »Ich habe

keine Lust, Sie immer mit Mister anzureden.«

Der Bärtige kratzte sich in dem dicht wuchernden

Haargestrüpp, und das Loch verschwand abrupt.

Lynn blickte den Mann forschend an. Sie glaubte, so etwas

wie Verlegenheit in seinem Blick zu erkennen.

»Nun, eigentlich heiße ich Zebu-Ion«, antwortete der

Goldsucher, »aber es genügt, wenn Sie mich Zeb nennen,
denke ich, Lady.«

Lynn lachte nicht, sie lächelte nicht einmal, als sie den

Namen hörte.

»Sagen Sie Lynn zu mir«, forderte sie den Schwarzbärtigen

auf.

Abermals öffnete sich das Loch im Bart, und der Mann

fragte: »Lady Lynn, was haben Sie vor, wenn Sie sich in
Tombstone den Dreck vom Leib gespült haben?«

Die schöne Frau lächelte und erwiderte: »Ich suche mir einen

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Saloon, der gut besucht ist und miete einen Spieltisch. Denn
Pokern und Würfeln sind die einzigen Fähigkeiten, die ich
besitze.«

Zeb lachte halblaut und sagte: »Das stimmt nicht ganz. Sie

behalten zusätzlich noch einen kühlen Kopf und wissen Ihre
Chancen gut einzuschätzen. Das sind zwei weitere Fähigkeiten,
die im Westen kaum anzutreffen sind.«

Lynn lächelte und strich unbewußt über ihre schmutzigen

Haare.

»Aber bis Tombstone haben wir noch eine Menge Meilen

zurückzulegen«, fuhr Zeb fort.

Forschend schaute die schöne Frau den bärtigen Digger

neben sich an.

»Erwarten Sie Ärger?« fragte Lynn leise und sah sich

forschend um.

Keiner der anderen Reiter konnte ihre Worte gehört haben,

denn niemand hielt sein Muli in ihrer Nähe.

»Ich habe ein mächtig schlechtes Gefühl«, gab der bärtige

Digger zu. »Ich kann mich auf meine Ahnungen meistens
verlassen, Lady. Ich wette jeden Betrag, daß wir nicht
ungeschoren nach Tombstone gelangen.«

Lynn preßte die vollen Lippen zusammen. Sie verspürte

keine Angst, nur einen Anflug von Zorn und
Niedergeschlagenheit.

»Hält Cochise sein Wort nicht?« fragte die schöne Frau.

»Läßt er die Apachenkrieger auf uns los?«

Zeb schüttelte heftig den Kopf und erwiderte: »Nein, auf

keinen Fall. Wenn uns Apachen angreifen, handeln sie auf
eigene Faust. Der Chief steckt bestimmt nicht dahinter. Er hat
sein Wort gegeben, Lady Lynn.«

Sie dachte nach, und auf einmal wußte sie es!
»Die Wichitas und Caddos«, sagte die schöne Frau langsam.

»Sie treiben sich hier herum und wollen Beute machen. Ist es
das, Zeb?«

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»Ich nehme es an«, antwortete der bärtige Mann gelassen.

»Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Ich denke, wir können
sie zurückschlagen. Und da ist auch noch Cochise.«

Verwundert fragte Lynn: »Was hat der Häuptling damit zu

tun?«

Abermals öffnete sich das Loch in den schwarzen Haaren.

Zeb ließ sogar ein leises Lachen hören.

»Eskaminzin hat ihn zur Hilfe geholt«, erklärte Zeb. »Der

Chief der Aravaipas hat zuwenig Krieger, um uns und die roten
Banditen zu bekämpfen. Cochise ist ein großer Führer. Bei der
Army könnte er sicher General sein. Er hat einen Blick für
solche Dinge.«

Nachdenklich fragte Lynn Rogers: »Und Cochise reitet erst

wieder zu seinen Leuten, wenn er die Gefahren für seine
Freunde hier beseitigt hat?«

Nickend sagte Zeb: »Das meine ich, Lady. Wir können also

auf Hilfe hoffen, wenn die roten Halunken einen neuen
Überfall versuchen. Ich stelle mir vor, daß ihnen Cochise und
Eskaminzin schon auf der Spur sind.«

Lynn richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Pferd. Das Tier

wurde von selbst langsamer. Die Reiterin sah, daß die Mulis
der Digger in einen schmalen Canyon einbogen, dessen
Seitenwände hoch aufragten. Mißtrauisch musterte sie das
verwitterte, schrundige Gestein, die zahllosen Vorsprünge und
fußbreiten Felsbänder, die Indianerfüßen Halt gewähren
konnten.

Die vorderen Mulis marschierten zur Seite, verteilten sich in

dem engen Tal, strebten einer Stelle an der Ostwand zu und
senkten die Köpfe.

»Das ist eine sehr schlechte Stelle für ein Lager«, sagte Lynn

ruhig. »Warum reiten Sie nicht zu Ed Cooper und bringen ihn
davon ab, in dieser Falle das Nachtcamp aufzuschlagen?«

Zeb fuhr sich mit den Fingern durch seinen schwarzen Bart

und erwiderte: »Ich habe kein Talent, mich mit den Kerlen zu

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streiten, die sich für die Bosse halten, Lady. Sie haben es ja am
River gesehen. Captain Jack hätte mich am liebsten in kleine
Stücke geschlagen. Nein, ich warte ab.«

»Dann bleib ich in Ihrer Nähe«, sagte Lynn entschlossen.

»Ich glaube, wenn einer es schafft, sind Sie das.«

Zeb entfachte ein kleines Feuer, holte Wasser von dem

kleinen Rinnsal, das aus einer Felsspalte rann, und kochte
Kaffee. Lynn kümmerte sich um das Essen. Sie arbeiteten
Hand in Hand. Und als sie aßen, waren sie die ersten.

Die Sonne sank im Westen. Ein merkwürdiges Zwielicht

breitete sich im Canyon aus. Aufmerksam musterte Zeb die
Oberkante der Talwände.

»Da, genau gegenüber«, sagte er heiser, »zwei alte Bäume

stehen dort. Passen Sie genau auf, Lynn.«

Sie blickte hinauf und spürte einen heißen Schrecken. Denn

drei Männer standen dort oben. Ihre Körper schimmerten
bronzefarben im Schein der untergehenden Sonne. Die hellen
Rehlederhosen wirkten strahlend weiß, und von den Gewehren
reflektierte blitzend das letzte Sonnenlicht.

»Ich bin gespannt, wann die anderen etwas merken«,

murmelte Zeb.

Sie merkten nichts. Sie waren wie blinde Schafe. Erst als

einer der Krieger dort oben sein Gewehr hob und eine Kugel in
die jenseitige Talwand jagte, sprangen die Digger auf.

»Was ist das?« rief einer.
»Die verfluchten Apachen«, brüllte ein anderer.
»Wir schicken sie zur Hölle, diese verdammten Stinker«,

schrie ein anderer.

In wenigen Sekunden hielten die Digger ihre Gewehre

schußbereit. Sie zielten auf die drei Krieger, die im letzten
Sonnenschein deutlich zu sehen waren.

Lediglich die beiden Kämpfer, die bisher den Zug geführt

hatten, behielten die Nerven. Ed Cooper lief zu Zeb, grinste
schwach und fragte: »Hör mal, Schwarzbart, du kennst dich

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doch mit den Roten aus. Was passiert jetzt? Sind das
Apachen?«

Zeb schüttelte den Kopf und erwiderte: »Nein, das sind die

Kerle, die uns schon am Aravaipa River angegriffen haben.
Jetzt versuchen sie es noch mal.«

»Sie wollen unser Gold, unsere Waffen, die Tiere, einfach

alles«, sagte Tomeo Avellan mit zorniger Stimme. »Wir geben
ihnen heißes Blei, das bekommen sie von uns.«

»Abwarten«, entgegnete Zeb, »sie zeigen uns jetzt nur, daß

wir in der Falle sitzen. Es dauert nicht lange, bis sie ihre
Forderungen stellen. Erst danach können wir handeln.«

Lynn saß mit gekreuzten Beinen neben dem Feuer. Ihr

Reitrock war etwas hochgerutscht und gab wohlgeformte Knie
frei. Der Mexikaner blickte bedauernd darauf und seufzte.
Diese Frau blieb für ihn unerreichbar. Und wenn das Pech bei
ihnen im Tal war, konnten sie alle sterben. Tomeo wandte sich
ab. Er ging mit steifbeinigen Schritten zu den Mädchen, die im
Camp am Floß ihre Liebesdienste angeboten hatten.

Ed Cooper blickte unverwandt zu den Talkämmen hinauf.

Immer mehr Krieger erschienen dort. Nun ritt ein Indianer bis
dicht an den Rand des Abgrundes. Reglos wie ein Denkmal
stand das prachtvolle Pferd im roten Schein der Abendsonne.

»Ein gutes Ziel«, sagte Ed langsam, »ich weiß, daß ich den

Kerl aus dem Sattel holen kann, Schwarzbart.«

»Laß es sein«, antwortete Zeb, »sie sind marodierende

Krieger. Sie geben nicht auf, wenn ihr Chief tot ist. Im
Gegenteil, sie überschütten uns dann mit einem Hagel aus Blei
und Pfeilen.«

Der Reiter hob den rechten Arm und rief: »Weiße Männer,

ihr seid in der Falle. Ein Entkommen gibt es für euch nicht.
Meine Krieger bewachen beide Zugänge des Tales. Wenn ihr
meine Forderungen erfüllt, könnt ihr davonziehen, aber auch
nur dann.«

Ed Cooper spannte die Lippen zu einem bösen Lächeln.

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»Was machen wir«, fragte er, »kämpfen wir uns durch?«
»In der Nacht müssen wir einen Scheinangriff durchführen«,

antwortete Zeb. »Die größere Gruppe bricht aus und macht uns
den Weg frei, um hinterherreiten zu können. Alle Ausrüstung
bleibt hier. Die Pferde dürfen keine schweren Lasten tragen.
Nur uns, die Waffen und das Gold.«

Ed nickte. Diese Idee versprach einigen Erfolg. Natürlich

würden Männer verwundet werden oder sterben. Alles war
besser, als sich von den roten Banditen ausplündern zu lassen.

»Los, antworte dem Roten«, forderte Ed den

Schwarzbärtigen auf.

Zeb öffnete den Mund, wollte rufen, als der Anführer der

Horde brüllte: »Ihr habt keine Chance, ihr weißen Hunde. Ich
weiß, was ihr euch ausdenkt. Seht her, schaut euch den Mann
genau an. Wir lassen ihn an einem Seil hinab.«

»Verdammt«, sagte Zeb und starrte auf die Kante der

Talwand.

Vier Krieger hoben einen gefesselten Mann über den

Abgrund und ließen ihn langsam an einem kräftigen Strick
etwa zwei Dutzend Yards herab.

»Ein Weißer«, stieß Lynn Rogers hervor, »o mein Gott!«
»Ich kenne den Mann«, sagte Ed unruhig, »ich habe ihn

schon gesehen, ich weiß nur nicht mehr, wo das war.«

»Das ist John Haggerty«, rief der Häuptling, »er ist der

oberste Kundschafter der Pferdesoldaten in diesem Land. Er
stirbt, wenn ihr kämpft. Ich will alle Waffen, alle Patronen, das
Gold und alle Werkzeuge. Ihr habt Zeit zum Überlegen. Wenn
die Sonne wieder über die Berge scheint, will ich eure
Entscheidung wissen.«

Zeb fluchte halblaut vor sich hin. Ihre Lage war miserabel.

Sie saßen in einer fast perfekten Falle. Die Rothäute würden
nicht aufgeben. Sie wollten sich für die Niederlage beim
Angriff rächen.

Was Zeb nicht wußte, war, daß in der Zwischenzeit die

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Apachen den plündernden Indianern die Beute wieder
abgenommen hatten. Sie mußten also erneut zuschlagen,
wollten sie nicht ohne Gewinn wieder ganz von vorn anfangen.

»Okay, morgen früh!« brüllte Ed Cooper zurück. »Wir sagen

dir, wie wir uns entschieden haben!«

Zeb klappte den Mund zu. Die Augen des Diggers wirkten

auf einmal hart.

»Was ist«, brüllte er, »wenn wir uns von euch nicht

einschüchtern lassen? Was passiert mit Haggerty?«

Der Anführer der feindlichen Horde lachte laut, und dieses

Lachen rollte förmlich ins Tal hinab.

»Dann dürft ihr zusehen, wie der Kundschafter der Soldaten

gemartert wird«, erwiderte der Häuptling. »Wir stellen den
Pfahl so auf, daß ihr alles erkennen könnt. Und danach, weißer
Mann, kommen meine Krieger über euch.«

»Haggerty soll selbst reden!« schrie Zeb.
»Er ist geknebelt«, entgegnete der Anführer der räuberischen

Wichitas.

Ein paar Digger hatten offenbar die Nase voll. Sie rissen ihre

Gewehre an die Schultern und feuerten nach oben. Die
kampfungewohnten Männer verschätzten sich beim Zielen
gewaltig. Harmlos prallten die Kugeln gegen das mürbe
Gestein und rissen einen Splitterregen herab.

Sofort bekamen die Digger die Quittung für ihren Versuch.
Die Männer, vier waren es, konnten nicht mal mehr schreien.

Eine Pfeilwolke senkte sich herab, und in das Sausen dieser
Geschosse mischte sich das Peitschen mehrerer Gewehre.

Die vier Goldsucher waren sofort tot.
»Diese verdammten Narren«, sagte Zeb böse. »Vier

Schützen können bei einem Angriff eine Menge ausmachen.
Jetzt haben wir vier Männer weniger.«

»Bei Sonnenaufgang!« rief der Häuptling am Talrand.
Auf ein Zeichen von ihm holten die Krieger das Seil ein, an

dem John Haggerty, der Chiefscout für den Südwesten, hing.

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70

»Wir müssen beraten«, sagte Ed Cooper. »Los, kommt, es

muß doch einen Ausweg geben.«

Der Revolvermann eilte mit langen Schritten davon. Er rief

die anderen Goldsucher zusammen.

»Cochise ist unser einziger Ausweg«, murmelte Zeb. »Aber

wo der Chief jetzt ist, weiß niemand.«

*

Ein Apache lag zwischen ein paar Felsbrocken. Niemand
konnte den Krieger von der Umgebung unterscheiden. Ein paar
Hände voll Sand hatten genügt, die Tarnung perfekt zu
machen.

Aufmerksam hörte der rote Kämpfer zu, als die Caddos und

Wichitas die großartige Idee ihres Häuptlings lobten.

Gelbschlange ritt vorbei. Er ahnte nicht, daß kaum zwei

Mannslängen neben seinem Pferd ein Späher seiner Feinde lag.
Ein paar Schritte hinter dem Häuptling stolperte Haggerty mit
gefesselten Beinen hinter dem Pferd her. Die Lederschlingen
gestatteten dem Scout nur kurze Schritte. Noch immer war er
geknebelt, und die Hände hatten ihm die Krieger auf dem
Rücken verschnürt.

Der Apache war ein Chiricahua. Er empfand eine wilde

Freude, als er den gefährlichsten Kundschafter der
Pferdesoldaten gefangen sah. Obwohl der Chief für den
Frieden eintrat, brannte in dem Krieger der Chiricahuas immer
noch die Sehnsucht, einen Weißen zu töten und auszurauben,
seinen Skalp mit in die Felsenfestung zu bringen. Solange kein
richtiger Kriegszug aus einer solchen Aktion wurde, griff
Cochise nicht ein.

Freilich ging es hier um mehr. Dem Späher war klar, daß die

Apachen dem weißen Scout helfen mußten. Nur so konnten sie
die plündernden und mordenden Eindringlinge aus dem Osten
niederkämpfen. Wer weiß, vielleicht erwiesen sich die

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71

Goldsucher sogar als wertvolle Verbündete.

Der Späher wartete lange. Unverwandt blickte er auf die

Fährte der Feinde. Kein gegnerischer Krieger ließ sich blicken.
Die Sonne war nicht mehr zu sehen, als der Chiricahua
vorsichtig aufstand und in der Deckung der Gesteinstrümmer
davontrabte.

Nach mehr als fünfhundert Yards erreichte der Kundschafter

seinen Mustang, sprang mit einem Satz auf den Pferderücken
und schnalzte mit der Zunge. Das Tier ging los, gehorchte dem
leisesten Druck der Schenkel und den winzigsten Bewegungen
der Graszügel.

Der Späher trieb sein Pony an, als er sichere Deckung

erreichte. Im Trab lief das Tier auf Umwegen zum Talkessel, in
dem Cochise und Eskaminzin auf die Nachrichten ihrer
Kundschafter warteten.

Der Krieger brachte das Tier in Galopp, erreichte das Tal und

jagte zu den beiden Jefes, die vor einem Jacale mit gekreuzten
Beinen saßen.

»Doppelhund«, sagte Cochise, als er seinen Mann erkannte,

»welche Nachricht bringst du?«

»Die Wichitas und Caddos brechen dein Wort, Häuptling«,

berichtete der Kundschafter, nachdem er vom Pferd
gesprungen war. »Sie lauerten den weißen Männern auf, die
nach Süden ziehen. Die Langmesser waren dumm genug, in
einer engen Schlucht zu lagern. Jetzt haben unsere Feinde sie
in ihrer Gewalt.«

Cochises Gesicht blieb unbewegt. Obwohl wilder Zorn in

ihm aufstieg, beherrschte er sich.

»Ist das alles?« fragte der Chief der Chiricahuas.
Doppelhund lächelte grausam und fuhr fort: »Nein, Jefe, die

Feinde haben einen weißen Mann in ihrer Gewalt. Sie martern
ihn bei Sonnenaufgang, wenn die Goldsucher nicht aufgeben.«

Forschend blickte Cochise seinen Krieger an und fragte

halblaut; »Wie ist der Name dieses Weißen, Doppelhund? Du

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kennst ihn. Ich fühle das.«

»Du nennst ihn Falke«, erwiderte der Späher.
Der Häuptling straffte sich. Ein kühnes Funkeln trat in den

Blick seiner schwarzen Augen. Cochise holte tief Luft.

»Beschreibe mir deinen Weg«, befahl er Doppelhund. »Ich

werde selbst spähen.«

Der Krieger hatte erst drei Landmarken genannt, als

Eskaminzin schon abwinkte. Der Chief der Aravaipas kannte
sein Gebiet genau und wußte, wie Cochise am schnellsten und
sichersten die Schlucht erreichen konnte.

Doppelhund ging davon. Für heute hatte er seine Aufgabe

perfekt gelöst.

»Bruder, was wirst du tun?« fragte Eskaminzin. »Wenn wir

die Feinde angreifen, sterben wir alle. Fast die Hälfte meiner
Krieger bringt die verwundeten Pferdesoldaten in mein Dorf.
Wir können keinen offenen Kampf wagen.«

Cochise sagte halblaut:
»Falke ist mein Bruder, Häuptling. Ich muß ihn befreien.

Außerdem haben wir beide unser Wort gegeben, daß die
weißen Goldsucher in Frieden abziehen dürfen. Wir müssen
unser Wort halten.«

Eskaminzin schien besorgt zu sein.
»Die Feuer werden wieder lodern«, sagte er mit matter

Stimme. »Nacht für Nacht durchdringen ihre Glutaugen die
Dunkelheit. Unsere Krieger werden reiten und die
Pferdesoldaten töten. Alle Weißen im Apachenland sterben,
Cochise. Was geschieht danach? Mehr und mehr Weiße
kommen, Soldaten dringen ein und töten jedes Kind, jede
Squaw und jeden Krieger. Unser Volk stirbt, Cochise, wenn die
Signalfeuer wieder brennen.«

Der große Führer der Stämme vollführte eine abwehrende

Handbewegung.

»Dies darf nicht geschehen, Bruder«, erwiderte Cochise

dumpf. »Unser Volk muß leben, muß von den Weißen lernen

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und zugleich seine Eigenart erhalten. Das ist unser Ziel.«

Nach langem Schweigen fragte Eskaminzin: »Wie willst du

das erreichen? Wenn auch nur ein Gegner entkommt, wird er
das Gerücht verbreiten, daß die Apachen wieder auf dem
Kriegspfad sind.«

Cochise antwortete nicht. Scheinbar verloren blickte er in

den grauen Horizont des Abendhimmels.

Erst nach einer Weile sagte der Chiricahua: »Die Wichitas

und Caddos müssen sterben. Alle, Eskaminzin.«

Natürlich, dachte der Chief der Aravaipas, das ist die einzige

Lösung. Aber wie können wir das erreichen, denn wir sind zu
schwach. Die Zeit ist zu kurz, um Cochises Chiricahuas
herbeizurufen.

»Wenn die Caddos und ihre Verbündeten die Weißen getötet

haben«, sagte Eskaminzin schwerfällig, »vernichten wir jede
Spur. Unsere Krieger suchen das gesamte Gebiet ab und sorgen
dafür, daß niemand mehr von den Dingen erfährt, die hier
vorgegangen sind.«

»Nein«, erwiderte Cochise scharf, »nach Monden oder

Jahreszeiten reden die Krieger darüber. Die Weißen vergessen
nicht. Das ist keine Lösung, Bruder.«

»Was willst du denn?« rief Eskaminzin aufgebracht. »Die

Goldsucher sitzen in einem engen Tal. Wenn wir hundert
Krieger hätten, würde ich angreifen, die Plünderer zu den
Langmessern hinabwerfen, die unseren Feinden dann den Rest
geben könnten. Aber wir haben keine hundert Krieger! Noch
nicht einmal die Hälfte können wir einsetzen.«

Cochises Gedanken waren schwer. Er verspürte eine

Ahnung, daß die Lösung des Problems greifbar nahe vor ihm
lag. Immer wieder schob sich Haggerty, der Falke, in die
Überlegungen des Chiefs. Cochise dachte keine Sekunde
daran, seinen weißen Blutsbruder im Stich zu lassen. Das wäre
gleichbedeutend mit seinem Tod gewesen. Kein Apache würde
in einem solchen Fall noch den Häuptling anerkennen. Der

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74

Stamm mußte ihn ausstoßen. So lautete das Gesetz, und das
Gesetz war gut.

Cochises Position war selbst dann gefährdet, wenn die

Goldsucher ausgeraubt oder gar getötet würden.

Wie ein Feuerbrand durchraste dann die Nachricht, daß der

große Cochise sein Wort nicht mehr hielt, den Südwesten. Die
Weißen würden unruhig werden, wenn sie das hörten. Das
Militär würde in Alarmbereitschaft versetzt, und der einarmige
General Howard bekäme endlich die Verstärkung, die er seit
langem gefordert hatte.

Cochise wollte nicht noch mehr Pferdesoldaten im Gebiet der

Apachen wissen. Selbst wenn er Howard davon überzeugen
konnte, daß er unschuldig an allem war, kam Unruhe auf.
Unruhe, die sich leicht zu einem gnadenlosen Krieg ausweiten
konnte.

Gold! Das war ihre Rettung. Warum hatte er nicht sofort

daran gedacht? Die Lösung hatte wirklich nahegelegen. Sie
würden den rothäutigen Banditen Gold geben, Unmengen des
gelben Eisens zeigen. Mitnehmen jedoch würde kein einziger
Krieger der indianischen Horde aus dem Osten auch nur so
viel, wie unter einen Fingernagel paßte. Weggehen würde auch
keiner der Feinde. Sie mußten sterben, und die Wächter des
Goldes töteten zuverlässig.

»Hör mir zu, Eskaminzin«, raunte Cochise und entwickelte

dem Aravaipa einen verblüffenden Plan.

Der Häuptling des kleinen Stammes hörte mit wachsendem

Erstaunen zu. Erregt sprang er auf und rief: »Du bist der größte
Führer unserer Stämme, Cochise. Mit dir können wir alles
hinwegfegen, denn der große Geist hat dir besondere Gaben
verliehen. Ich reite sofort, Jefe.«

Cochise nickte und sah zu, wie Eskaminzin seine Krieger

aufscheuchte, Auch die Chiricahuas sollten den Aravaipa
begleiten. Gemeinsam mit den anderen Kämpfern stellten sie
die Fallen auf. Tödliche Fallen, aus denen es für die rote

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Mordbrennerhorde kein Entweichen mehr gab.

Der große Häuptling hingegen führte seinen Mustang am

Zügel davon. Irgendwo zwischen Wacholdersträuchern legte
sich Cochise auf den Boden, starrte in den Nachthimmel und
hoffte, daß er nicht vom Schicksal durch eines der silbern
glänzenden Löcher der Sterne gerissen wurde.

Er schlief ein. Er war sicher, zur richtigen Zeit zu erwachen.

Und er war auch sicher, daß Eskaminzin alle Vorbereitungen
während der Nacht traf.

*

Lynn kniete neben Zeb am Feuer. Die vier anderen Frauen, die
sich ihr Geld auf eindeutige Weise im Diggercamp verdient
hatten, waren nahe an Lynn herangerückt.

Das Wort hatte ein Mann, der bisher durch nichts aufgefallen

war. Er stand auf der anderen Seite der Flammen und achtete
sorgsam darauf, nicht in den Lichtschein zu geraten. Sicher
fürchtete er eine Kugel oder einen Pfeil der Indianer.

»Ich frage euch«, rief der Kerl, »was haben wir mit diesem

Spurensucher zu schaffen? Er gehört zur Army. Sollen sich die
Yankees um ihre Leute selbst kümmern. Wie komme ich dazu,
meine Waffen, meine Ausrüstung und die paar Unzen Gold für
einen Narren herzugeben, der den Rothäuten ins offene Messer
gelaufen ist?«

Zufrieden trat der Digger zurück. Er lauschte auf die

Stimmen der anderen Goldsucher. Fand er eine genügend
starke Anhängerschaft, war die Entscheidung schnell
herbeizuführen.

»Du bist ein Narr, Frank«, rief ein anderer Mann. »Wenn wir

nicht nachgeben, schneiden die Roten den Scout in Stücke.
Okay, wir haben mit dem Fährtensucher nichts zu schaffen. Da
gebe ich dir recht. Was aber passiert anschließend?«

»Das kann ich dir genau sagen«, rief ein Digger. »Die roten

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Hurensöhne haben sich durch die Marter in einen Blutrausch
gesteigert. Und dann fallen sie über uns her, Freunde. Wir
haben nur eine Wahl. Entweder geben wir unseren Kram her
und kommen vielleicht mit dem Leben davon. Oder wir
bekommen heißes Blei und sind Gold, Ausrüstung und die
Mulis los. Von unserem Leben ganz zu schweigen.«

Stimmen brandeten auf. Erregt redeten die Männer

aufeinander ein.

Die Mexikanerin, die bei den Freudenmädchen das Wort

führte, schüttelte den Kopf und sagte zu Lynn: »Davon habe
ich immer geträumt, daß sich Männer wegen uns streiten.
Leider haben sie niemals so viel Gold gefunden, daß es dazu
kam.«

Lynn Rogers lachte und erwiderte: »Außerdem streiten sie

sich nur darum, ob sie sterben wollen oder nicht.«

»Und keiner denkt an Haggerty«, sagte Zeb, »diese

verdammten Bastarde. Hoffentlich leben sie noch, wenn ihnen
die Roten die Skalps nehmen.«

Überrascht schaute Lynn den bärtigen Zeb an. So etwas wie

Respekt glomm in ihren Augen auf. Auch die drei leichten
Girls betrachteten den Bärtigen genauer. Sie alle spürten die
Verachtung, die der Mann für die anderen Digger hegte. Die
Kerle waren nur darauf aus, ihr eigenes Leben zu retten und
möglichst noch das Gold und die Ausrüstung dazu.

Zeb stand auf, marschierte zum Feuer und stellte sich in den

Flammenschein.

»Jetzt hört mir mal alle genau zu«, sagte der bärtige Digger

grob, »ihr seid allesamt verdammte Narren. Wie könnt ihr
einen Weißen verrecken lassen? Wie könnt ihr es vor euch
selbst verantworten, he? Du da, und du, was denkt ihr euch
eigentlich dabei? Dieser Haggerty stirbt den schlimmsten Tod,
den ihr euch vorstellen könnt. Ihr aber denkt nur an den gelben
Dreck, an nichts anderes. Ich wünsche euch, daß ihr eines
Tages in die gleiche Lage kommt. Ich wünsche euch, daß euch

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77

– die anderen dann auslachen, wenn ihr Hilfe braucht. Was sagt
ihr dazu, na? Wo sind eure großen Schnauzen geblieben?«

Es war totenstill geworden. Nur die dürren Äste und Zweige

im Feuer knackten, wenn sich die Flammen weiterfraßen.

»Recht hast du, Schwarzbart«, rief ein älterer Goldsucher

»Es ist 'ne verdammte Schande für uns, daß wir um das Leben
eines Weißen streiten.«

»Was passiert, wenn wir den roten Schurken unser Gold

geben?« fragte ein junger Mann, dessen scharfe Gesichtszüge
wie eine Teufelsfratze im rötlichen Schein der Flammen
wirkten. »Lassen uns die Redmen dann laufen? Oder jagen sie
uns trotzdem Pfeile und heißes Blei auf den Pelz?«

Zeb strich sich durch den Bart und antwortete: »Die Chance

steht fünfzig zu fünfzig, Mann. Auf jeden Fall brauchen wir
uns nicht mies zu fühlen, wenn sie uns trotzdem umlegen.«

Die Digger redeten aufgeregt durcheinander. Zeb hatte den

Eindruck, daß alle nur redeten, daß keiner dem anderen
zuhörte. Und was er so an Gesprächsfetzen aufnahm, ließ ihn
innerlich vor Zorn kochen. Noch immer waren die Meinungen
geteilt. Etwa die Hälfte der Digger wollte nachgeben, und die
andere Hälfte blieb starrsinnig, kümmerte sich nicht um das
Schicksal eines weißen Scouts, der zu Tode gemartert werden
sollte.

»Ihr entscheidet euch«, rief Zeb, »nun gut, das ist eure Sache.

Aber wenn ihr Haggerty morgen brüllen hört, wenn er wie ein
Tier wimmert, weil die Rothäute ihm ihre Messer in Arme und
Beine werfen, wenn sie ihn mit glühenden Aststücken quälen,
wenn ihr das hört, dann wünscht ihr euch alle, ihr hättet euer
Gold und eure Ausrüstung abgeliefert. Dafür garantiere ich.«

Zeb hatte nicht verhindern können, daß Bitterkeit in seiner

Stimme mitklang, als er diese Worte sagte. Abrupt wandte er
sich vom Feuer ab und ging zu Lynn zurück.

An der kleinen Brennstelle setzte sich der Bärtige nach

Cowboyart auf die Hacken und starrte in die Flammen. Eine

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lange Weile sagte er nichts. Lynn und die Mexikanerinnen
schwiegen ebenfalls.

»Sie wissen ja nicht, was auf sie zukommt«, sagte Zeb nach

langer Zeit halblaut. »Ich habe das schon mal mitgemacht.«

Seine Augen wirkten kalt und hart im Spiel der Flammen.

Von dem Goldsucher ging etwas aus, das die Mädchen frösteln
ließ.

»Wenn ich einen Freund hätte«, fuhr Zeb fort, »der in

Haggertys Lage wäre, ich würde ihn erschießen, wenn die
Roten mit dem Zauber anfingen. Und wenn ich gemartert
werden sollte, würde ich mir wünschen, daß mich ein Freund
mit einer glatten Kugel erlöste.«

Geschmeidig stand Lynn auf und ging zum großen Feuer.
»Ich habe auch was zu sagen«, rief sie mit heller Stimme.

»Wir verlieren unser Gold auf jeden Fall. Das ist doch jedem
von euch klar. Die Frage ist doch nur, ob deswegen ein Weißer
sterben muß oder nicht. Wenn die Indianer den Mann zu Tode
gemartert haben, fallen sie über uns her. Was gibt es da noch
zu überlegen? Seid ihr alle verrückt?«

Lynn spürte die Feindseligkeit der Digger fast körperlich.

Daß sie als Frau genauso hart wie die Männer geschuftet hatte,
war auf einmal vergessen. Sie war eine Frau, und sie hatte sich
nicht in diese Dinge einzumischen. Daß es auch um ihr Leben
ging, daran dachten die Goldsucher nicht. Zwei Stunden
dauerte es noch, bis die Digger abstimmten. Ein alter Mann
ging mit seiner Waschpfanne von einem zum anderen. Wer
dafür war, Haggerty zu retten, warf ein Holzstöckchen hinein.
Wer nicht aufgeben, sondern um das Gold kämpfen wollte,
nahm einen Kieselstein. Und am Ende, als alle Holzstückchen
und alle Kiesel gezählt waren, lachte Zeb bitter auf. Denn der
Oldtimer verkündete: »Die Mehrheit ist dafür, daß wir
kämpfen. Es ist beschlossen. Stellt Wachen aus, seht die
Waffen nach, es wird mächtig heiß, wenn die Sonne aufgeht.«

»So wird über das Leben eines guten Mannes gerichtet«,

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sagte Zeb bitter. »Narren bringen ihn ums Leben. Wenn ich ihn
günstig vor die Mündung bekomme, gebe ich ihm eine Kugel.
Dann ist er wenigstens tot, und den Roten vergeht der Spaß.«

Lynns Augen schienen vor Zorn zu sprühen. Auch die drei

leichten Girls waren mit der Entscheidung der Digger nicht
einverstanden. Weder die Frauen noch Zeb konnten etwas
unternehmen. Sie mußten auf den Morgen warten und um ihr
Leben kämpfen.

Lynn saß reglos am Feuer. Sie bewegte sich nur, um Holz

nachzulegen. Zeb und die drei Mädchen schliefen, aber sie
schliefen unruhig.

Als im Osten ein heller Streifen über die Gipfel der Berge

zog, fror Lynn Rogers auf einmal.

Sie blickte zu den Kanten des Tales hinauf. Die Indianer

schienen aus dem Boden zu wachsen. Ein Reiter kam dicht an
den Abgrund heran.

»Weiße Männer«, dröhnte die Stimme des Anführers, »ich

bin gekommen, um eure Entscheidung zu hören.«

Die Goldsucher packten ihre Waffen fester. Ein junger Mann

rief laut: »Du wirst es nicht wagen, John Haggerty zu martern.
Du weißt, daß sich sämtliche Soldaten auf deine Spur setzen
werden wenn Haggerty stirbt. Wir geben nichts heraus. Wenn
du Beute machen willst, so mußt du kämpfen.«

Der Häuptling lachte und erwiderte:
»Ihr habt eure Wahl getroffen. Ihr werdet alle sterben. Und

wenn ihr gefunden werdet, was dann? Was ist denn, wenn die
Pferdesoldaten den gemarterten Haggerty finden? Ich will es
euch sagen: dann reiten die Blauröcke gegen die Apachen. Und
wenn Krieg in diesem Land herrscht, machen wir reiche
Beute.«

Der Indianer wandte sich im Sattel um und winkte mit der

Hand.

Sechs Krieger schleppten einen Baumstamm heran, ließen

ihn hinab und verankerten ihn in einer Felsspalte. Jeder im Tal

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starrte wie gebannt auf diesen mächtigen Pfahl.

Andere führten Haggerty heran. Eine Messerklinge blitzte in

den ersten Strahlen der Sonne. Die Fesseln fielen zerschnitten
herab. Sofort packten die Krieger zu, zerrten den Scout an den
Pfahl und verschnürten ihn.

Der Anführer der Mordbrenner pfiff gellend.
Ein gutes Dutzend seiner Männer stürmte vor, blieb plötzlich

stehen, und dann wirbelten die Tomahawks durch die Luft.
Haarscharf an Haggertys Gesicht flogen die gefährlichen
Kampfbeile vorbei.

Der Scout gab keinen Laut von sich. Er beherrschte sich

gewaltsam, denn er wollte nicht als feige gelten.

Messer schwirrten durch die Luft. Die Schneiden zerfetzten

Haggertys Hemd, und eine Klinge schnitt in sein Ohr ein.

Wie gebannt sahen die Goldsucher zu. Lynn wollte sich

zwingen, wegzuschauen – sie konnte es nicht.

Wenn er verletzt wird, dachte die schöne Frau, dann

zerbricht der Bann, dann kann ich mich verkriechen. Denn ich
möchte nicht sehen, wie ein Mann in Stücke geschnitten wird.

Zeb nahm sein Gewehr, sah es sorgfältig nach und hob es an

die Schulter. Die Sonne war ein Stück auf ihrem Weg
weitergewandert. Der Bärtige mußte gegen das gleißende Licht
des jungen Morgens zielen. Resigniert ließ er das Gewehr
sinken. Es war sinnlos. Zeb konnte keinen sicheren Schuß
anbringen. Bis die Sonne den Goldsucher nicht mehr blendete,
war Haggerty vielleicht schon tot.

Eine weitere Gruppe Indianer stellte sich vor dem

Gefangenen auf und hob die kurzen Kriegsbogen. Pfeile
schwirrten von den Sehnen, und die Geschosse schlugen um
Johns Kopf herum ein.

»Wenn wir jetzt einen Ausbruch wagen«, raunte Lynn und

blickte Zeb an.

Er schüttelte den Kopf. Es war sinnlos. Die roten Banditen

paßten genau auf. Mit ihrem Gefangenen beschäftigte sich

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immer nur eine Gruppe. Die anderen ließen die Goldsucher in
der schmalen Schlucht nicht aus den Augen.

Auf einmal riß der Häuptling dort oben sein Pferd herum.

Das Tier ging los. Nach zwei Sekunden war von dem Anführer
der Horde nichts mehr zu sehen.

Was hatte das zu bedeuten?
Die Minuten vergingen in quälender Langsamkeit.
Ein Ruf klang auf. Die Krieger ließen ihre Bogen sinken.

Langsam marschierten drei Indianer auf den Pfahl zu, schnitten
Haggerty los und trugen ihn davon.

»Welche Teufelei haben sie sich jetzt ausgedacht?« fragte

Lynn mit gepreßt klingender Stimme.

Zeb kratzte sich seinen Bart und erwiderte: »Keine Ahnung.

Ich schätze, da oben hat sich was geändert, ganz gewaltig
geändert.«

Es dauerte lange, bis die Digger erfuhren, was geschehen

war. Ein Reiter zügelte sein Tier dicht am Abgrund.«

»Cochise«, sagte Zeb verblüfft, »er läßt seinen Blutsbruder

Haggerty nicht im Stich. Was hat der Jefe vor?«

Sie alle sollten es gleich erfahren.
»Ich habe mein Wort gegeben«, rief der Häuptling der

Chiricahuas in die Tiefe. »Und ich dulde nicht, daß andere
dieses Wort brechen. Reitet nach Süden und kommt nicht
wieder in das Gebiet der Aravaipas. Euch geschieht nichts. Die
Caddos und Wichitas lassen euch in Frieden ziehen.«

»Da haben wir aber noch mal mächtig Schwein gehabt«,

sagte Zeb leise. »Los, Lynn, verschwinden wir. Die anderen
sollen den Staub schlucken.«

Innerhalb von Minuten ritten Zeb, Lynn Rogers und die drei

leichten Girls davon. Gespannt beobachteten die anderen die
kleine Gruppe, die unbeirrt auf den südlichen Ausgang der
Schlucht zuhielt. Sicher waren die Digger froh, ein paar
Dumme gefunden zu haben, die Cochises Wort auf die Probe
stellten.

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82

Nichts geschah. Ungeschoren verließen die vier Frauen und

Zeb das Tal. Erst jetzt sattelten die anderen Digger und suchten
ihre Ausrüstung zusammen.

Binnen Minuten lag der enge Canyon verlassen. Die

Goldsucher waren gerettet, entkommen. Aber wieder einmal
hatten nicht die überlegenen Waffen der Weißen die
Entscheidung gebracht. Weder sie noch der Mut der Digger
hatten ihnen freien Abzug verschafft: es war die Macht und die
Klugheit eines großen Mannes, des Führers aller Apachen:
Cochise.

*

Cochise erwachte, als es noch dunkel war. Ein paar Sekunden
lauschte er auf die Geräusche der Nacht, auf den leichten
Wind, der kühl durch die Berge fächelte.

Lautlos und geschmeidig stand er auf. Sein Pferd döste

zwischen ein paar halbhohen Drehkiefern und kam sofort
heran, als es die Witterung seines Herrn in die Nüstern bekam.
Cochise saß auf und lenkte das Tier zwischen den Bäumen
hindurch. Er erkannte die Landmarken, die Doppelhund und
Eskaminzin ihm beschrieben hatten.

Als der Chiricahua nicht mehr weit von der Schlucht entfernt

war, saß er ab. Ein sanfter Ruck am Zügel und ein paar
geraunte Worte genügten, damit sich der Mustang hinlegte.
Hinter einer Wacholdergruppe wurde er unsichtbar.

Cochise sank zu Boden. Ohne ein Geräusch zu verursachen

glitt der große Kämpfer wie eine Schlange voran. Er bemerkte
ein halbes Dutzend Caddo-Späher, die aufmerksam die
Umgebung beobachteten. Für einen Apachen waren sie nicht
gut genug, und erst recht nicht für den Jefe der Chiricahuas.

Cochise hörte die Worte des Häuptlings, seine Befehle, den

Pfahl aufzustellen und den Gefangenen zu holen. Haggerty sah
blaß aus, hatte sich aber in der Gewalt.

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83

Falke, du mußt noch warten, dachte Cochise. Ich bin dein

Bruder. Bald wirst du wieder frei sein, Falke.

»Nehmt die Tomahawks«, rief der Anführer der

Mordbrenner. »Verletzt den Kerl nicht. Die weißen Hunde im
Tal sollen lange Freude an der Sache haben.«

Die Kampfbeile wirbelten durch die Luft. Danach kamen die

Messer und die Bogenschützen an die Reihe. Cochise wußte,
daß dies alles nur harmlose Vorgeplänkel waren. Sie sollten
den Gefangenen einschüchtern, an seinem Mut, seinem Willen
zehren und ihn empfänglich für die eigentliche Marter machen.
Cochise entschied, daß er genug gesehen hatte. Dieser fremde
Chief würde ernst machen. Ungesehen gelangte der Chiricahua
zu seinem Pony zurück.

Während Cochise das Pferd antrieb, hielt er es immer auf

weichem Untergrund, um sich nicht vorzeitig zu verraten. Es
gelang ihm sogar, ungesehen an den sechs Beobachtern
vorbeizugelangen. Ein spöttisches Lächeln huschte über
Cochises Gesicht. Diese Caddos und Wichitas waren den
Apachen mehr als unterlegen.

Erst die Späher des zweiten Ringes entdeckten den

Häuptling. Sofort sprangen vier Krieger hoch, legten Pfeile auf
die Bogensehnen und zielten drohend auf den Apachenführer.
Cochise kümmerte sich nicht um die Gefahr. Er ritt genau auf
die fremden Krieger zu. Sie sprangen zur Seite. Wütend
blickten sie dem hochgewachsenen Häuptling der Chiricahuas
nach, der sie gar nicht zu sehen schien. Für ihn waren sie nichts
als vier Käfer unter vielen anderen.

Wenigstens gab sich der Jefe so.
Als er noch ein halbes Dutzend Längen vom größten Pulk

der Krieger entfernt war, stieß einer der Männer einen Ruf aus
und deutete mit der Rechten auf Cochise.

Der Häuptling der räuberischen Indianer riß am Zügel. Sein

Pferd trabte auf Cochise zu. Triumph stand in seinem Gesicht,
als er Cochise erkannte.

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»Das ist ein großer Tag für uns«, sagte Gelbschlange

grinsend. »Wir machen reiche Beute, nehmen einem weißen
Gefangenen den Skalp und haben den Chief der Apachen in
unserer Gewalt!«

Cochise blickte Gelbschlange erstaunt an.
»Ein Mann sollte nicht träumen, wenn die Zeit der Taten

gekommen ist«, sagte Cochise tadelnd. »Und du träumst,
fremder Häuptling. Wah, bin ich in deiner Gewalt? Ich sehe
hier keinen Krieger, der mich festhalten kann.«

Der letzte Satz war eine böse Beleidigung der Caddos und

Wichitas. Die Kämpfer, die Cochises Worte gehört hatten,
drängten vor. Drohend hoben sie ihre Waffen und stießen
grollende Laute aus.

Gelbschlanges Lächeln wirkte schlau und angespannt

zugleich. Er wußte nicht, wieviel Apachen der Führer der
Chiricahuas mitgebracht hatte, wieviel Krieger seine
Streitmacht umzingelt hatten.

»Der Weiße am Pfahl ist mein Bruder«, sagte Cochise

ernsthaft. »Ich darf meinen Bruder nicht im Stich lassen.«

»Ich bin Gelbschlange«, erwiderte der Anführer der

Banditen, »und der Weiße ist in meiner Gewalt. Ich habe
entschieden, daß er zu Tode gemartert wird. Vielleicht will ihm
der Chief der Apachen Gesellschaft leisten?«

Cochise vollführte eine verächtliche Handbewegung.

Gelbschlange preßte die Lippen zusammen. Er kochte innerlich
vor Zorn, denn die herablassende Art des Apachen brachte sein
Blut in Wallung. Ein Wink von Gelbschlange genügte, und
Cochise war nur noch eine Legende.

Obwohl der Häuptling von mehr als zwei Dutzend Caddos

und Wichitas umzingelt war, wagte deren Anführer nicht, ein
solches Zeichen zu geben. Er wußte, daß die Rache der
Apachen die beiden Stämme auslöschen wurde. Nach der
Trauerzeit um den größten Führer der Wüstenvölker würden
die Krieger nach Osten jagen und erbarmungslos jeden

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Angehörigen der beiden Stämme niedermachen.

»Ich gab den Weißen im Tal mein Wort«, sagte der große

Jefe, »daß sie ungehindert abziehen könnten. Du hast mein
Wort gebrochen, Gelbschlange. Du raubst, mordest und läßt
Feuerbrände in unserem Gebiet auflodern. Du bist der Feind
aller Apachen.«

Cochise sah, daß die Krieger sich anspannten. Er tat so, als

nehme er ihre immer stärker ausbrechende Unruhe gar nicht
wahr.

»Die Aravaipas sind zu schwach, um uns gefährlich zu

werden«, stellte Gelbschlange spöttisch fest. »Was können sie
unternehmen?«

»Du hast es gesehen«, erwiderte Cochise. »Vor einem Tag

gingen mehr als zwanzig deiner Krieger in die ewigen
Jagdgründe ein. Sind mehr als zwanzig Männer nichts,
Gelbschlange?«

Das Gesicht des Anführers der Kriegerhorde verzerrte sich.

Zorn und den Wunsch nach Rache las Cochise aus den Zügen
seines Feindes.

»Ich habe noch achtzig Kämpfer«, erwiderte Gelbschlange.

»Achtzig, außer mir. Wir sind stark genug, die Aravaipas zu
töten, alle zu töten. Niemand wird mehr leben, die
Stammesgefährten nach den Gesetzen in das Land des Todes
zu singen. Niemand wird mehr hier sein, der um die Toten
klagen kann.«

Cochise lächelte nachsichtig. Dieser Chief war sicherlich ein

mutiger Mann. Ihn beherrschte die Gier nach Rache. Und Mut
allein ersetzte nicht die Klugheit und Listigkeit, die ein jeder
Feind im Kampf gegen die Apachen brauchte.

»Höre, Gelbschlange«, sagte Cochise bedächtig, »ich habe

mit Eskaminzin gesprochen. Du willst Beute, Gold, mit zu den
Hütten deiner Völker nehmen. Auf dem Gebiet der Aravaipas
liegt eine Goldmine der Eisenmänner. Das Gold windet sich in
armdicken Strängen durch den Fels. Ich biete euch so viel von

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dem gelben Eisen, daß ihr es nicht tragen könnt. Gelbschlange,
nie bist du mit reicherer Beute heimgekehrt.«

Der Führer der Kriegerhorde saß starr im Sattel. Im

Gegensatz zu den Apachen, die den Ledersitz des weißen
Mannes verschmähten, ritten die Caddos und Wichitas in
erbeuteten Sätteln.

»Was verlangst du von mir, Cochise?« wollte Gelbschlange

wissen.

Der Chief stellte zufrieden fest, daß Erregung und Gier in der

Stimme des Gegners mitschwang. Gelbschlange war schon
gefangen, gefangen von der Idee eines goldenen Berges, von
Beute, wie sie reicher nie zuvor ein Anführer der Stämme
heimgebracht hatte.

»Halte, mein Wort«, erwiderte der Häuptling ernst, »laß die

weißen Digger abziehen. Und laß meinen Bruder Falke frei.
Das fordere ich, nicht mehr.«

Gelbschlange witterte das Geschäft seines Lebens. Er sah zu

den Kriegern, deren Gesichter ihre Gefühle widerspiegelten.
Sie alle träumten von Ruhm, großer Ehre und dem
einzigartigen Erfolg, der ihnen winkte.

»Gut, ich vertraue deinem Wort«, sagte Gelbschlange nach

einer Weile des Überlegens und grinste listig, »den
Gefangenen nehmen wir mit. Er bleibt so lange in unserer
Gewalt, bis wir drei Tage Vorsprung haben. Dann lassen wir
ihn frei. Die Weißen können davonreiten.«

Cochise wußte, daß der fremde Chief eine List plante. Der

große Führer der Chiricahuas kümmerte sich nicht darum.
Gelbschlange würde nie mehr eine List durchführen können.

»Hol meinen Bruder«, verlangte Cochise. »Ich sage den

Weißen, daß sie abziehen können.«

Ein kurzer Befehl genügte, und die Krieger sammelten sich.

Drei von ihnen gingen zum Marterpfahl und schnitten
Haggerty los. Sie trugen den Scout zu den Häuptlingen. Dort
stellten sie ihn auf die Füße.

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John lächelte schwach, als er Cochise erkannte.
»Mein Bruder«, sagte der Weiße, »du setzt zuviel ein, um

mein Leben zu retten. Ich bin keine hundert Sattelladungen
Gold wert.«

Cochise blieb ernst, als er in der Sprache der Chiricahuas

erwiderte:

»Tla-ina ist meine Schwester, Falke. Niemand vermag zu

sagen, was aus ihr und dir werden wird. Du bist mein Bruder.
Es ist die Pflicht eines Mannes, den Geliebten der Schwester zu
retten. Es ist seine Pflicht, seinen Bruder vor dem Tod zu
bewahren.«

Nach diesen Worten trieb er seinen Mustang an, ritt an die

Kante des Abgrundes und rief hinab: »Ich habe mein, Wort
gegeben. Und ich dulde nicht, daß andere mein Wort brechen.
Reitet nach Süden und kommt nicht wieder in das Gebiet der
Aravaipas. Euch geschieht nichts. Die Caddos und Wichitas
lassen euch in Frieden ziehen.«

Ein paar Minuten lang betrachtete der Häuptling den

Aufbruch der Weißen. Er verstand diese Menschen nicht. Ihr
Denken war verworren. Starb ein Farmer bei einem
Apachenangriff, brüllten viele weiße Männer nach Rache. War,
wie jetzt, ein Weißer gefangen und sollte gemartert werden, so
ließen sie ihren Rassegenossen im Stich.

Cochise zupfte am Zügel. Das Pony drehte sich und trabte zu

Gelbschlange zurück. Vor dem Häuptling der Kriegerrotte
stand Haggerty. Der Scout blickte an Gelbschlange vorbei.

»Wenn es eine Falle ist, wirst du sterben, weißer Mann«,

hörte Cochise den feindlichen Anführer sagen.

Der Chief unterdrückte ein Lächeln. Gelbschlange war

mißtrauisch. Er rechnete mit einer List der Apachen und
bereitete sich darauf vor.

Cochises Plan war großartig. Kein einziger der räuberischen

Caddos und Wichitas würde entkommen. Ja, es war eine List,
aber in so großem Maßstab, daß Gelbschlange sie nicht zu

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durchschauen vermochte.

»Sag mir«, forderte der Anführer der Bande Cochise auf,

»wo die Goldmine liegt. Ich will sicher sein, daß wir nicht
sterben, wenn wir an den Ort kommen.«

Der Chiricahua schüttelte den Kopf und erwiderte: »Du wirst

sehen, Gelbschlange, aber nicht hören. Nur während der
Dunkelheit dürfen Männer in den Stollen hinabgelassen
werden. Dies ist ein uraltes Gesetz der Aravaipas, und wir
müssen dieses Gesetz einhalten, soll uns nicht der Zorn
Manitus treffen. Eskaminzin sorgt für alles. Seine Squaws
bereiten Essen für euch, füllen hohle Kürbisse mit Wasser und
halten die vierkantigen Flaschen mit dem brennenden Wasser
der Weißen bereit.«

Gelbschlanges Augen leuchteten auf, als er vom Schnaps

hörte. Obwohl er sich auf den scharfen Trunk freute, blieb das
Mißtrauen in ihm wach.

»Willst du unseren Verstand umnebeln, Cochise?« fragte der

fremde Häuptling. »Sollen wir betrunken und von Sinnen sein,
damit deine Krieger uns töten können?«

Cochise lachte belustigt und erwiderte: »Um einen Caddo

oder Wichita zu töten, schicken wir unsere Kinder aus.«

Wütend murrten die Krieger. Schon wieder eine tödliche

Beleidigung. Die Gier nach dem Gold jedoch ließ sie schnell
wieder schweigen.

»Reiten wir«, sagte Cochise, »ich bleibe neben

Gelbschlange, und mein Bruder Falke reitet an meiner Seite.«

So geschah es, und wenig später zogen achtzig Krieger, zwei

Häuptlinge und ein gefesselter Weißer durch die Berge. Ihr
Ziel war das Tal des hundertfachen Todes, dessen Name
Cochise wohlweislich verschwiegen hatte. Denn er wollte
Gelbschlange nicht noch mißtrauischer machen, als er ohnehin
schon war.

*

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Eskaminzin war ständig unterwegs. Er beobachtete die
Squaws, die große Stücke Mulifleisch brieten, er trat zu den
Kindern, die an den Quellen frisches Wasser in ausgehöhlte
Kürbisse füllten und ging zu den Alten, die vom Schamanen
ein geheimnisvolles Pulver bekommen hatten. Diesen Staub
füllten die Alten mit zitternden Händen in die Flaschen, deren
Korken sie vorher behutsam entfernt hatten.

Nach einigen Minuten des Schüttelns hatte sich der Puder

aufgelöst, und die Flaschen wurden wieder verschlossen.

Eskaminzin war zufrieden. Alles lief so ab, wie Cochise es

geplant hatte. Die Caddos und Wichitas würden trinken. Nicht
nur der Alkohol der Weißen umnebelte anschließend ihre
Sinne, sondern auch die zermahlenen Früchte und Wurzeln des
Stechapfels. Sie verstärkten die Wirkung des Schnapses, riefen
Halluzinationen hervor und machten die Feinde unvorsichtig.

Die vielen Klapperschlangen im Tal würden leichtes Spiel

haben.

Eskaminzin lief im Wolfstrab aus dem Dorf. Mehr als zwei

Stunden war er unterwegs. Fünfzig Krieger und die zwölf
Chiricahuas hatten sich in der Umgebung des tödlichen Tales
verborgen. Sie lauerten dort, wo der Chief der Eindringlinge
mit Sicherheit Posten aufstellen würde.

Weder Cochise noch Eskaminzin nahmen an, daß der

feindliche Häuptling ihrer Einladung vertrauensvoll folgte. Er
versuchte sicher, sich gegen alle möglichen Dinge abzusichern.

Die Krieger der Aravaipas und der Chiricahuas würde er

nicht finden. Sobald Eskaminzin das Zeichen gab, griffen sie
an, töteten die gegnerischen Posten und warfen ihre Leiber in
die Schlucht hinab. Das aber durfte nicht vor dem Erscheinen
der Sonne über den Gipfeln geschehen. Denn dann erwärmte
sich der Boden im Tal, und die Klapperschlangen wurden
geschmeidig und angriffslustig, wenn die Steifheit der kalten
Nacht aus ihren Körpern vertrieben war.

Der Ruf eines Nachtfalken hallte von der Höhe des Berges

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herab. Eskaminzin lief schneller. Sein Atem ging gleichmäßig,
und die Beine stampften unermüdlich in langen Schritten
voran. Der Häuptling hatte keinen Mustang genommen, um
nicht die geringste Spur zu hinterlassen, wenn er die Posten
aufsuchte.

Der Schrei des Nachtfalken am hellichten Tag war das

Zeichen.

Die Feinde ritten auf das Dorf der Aravaipas zu. Dort sollten

sie zuerst essen und trinken, von dem Wasser trinken, daß
kleine Mengen des Stechapfelpulvers enthielt. Die Krieger
sollten sich leicht und frei und irgendwie großartig fühlen,
wenn sie ihre Posten einnahmen, wenn die anderen unter
Gelbschlanges Führung in die Mine eindrangen. Ihre
Aufmerksamkeit mußte geschwächt werden. Um so gewaltiger
würden die armdicken Goldadern in den Felswänden auf die
beutegierigen Gegner der Apachen wirken.

Eskaminzin erreichte die ersten Jacales und lief langsamer.

Ein Junge von vierzehn Sommern kam auf den Chief zu und
meldete gewichtig: »Die Pferdesoldaten wollen mit dir
sprechen. Einer der Männer ist bei klarem Verstand und weiß,
wo er ist.«

Unschlüssig blickte der Führer der Aravaipas nach Süden.

Von dort kamen Cochise und die räuberischen Fremden. Im
Osten schob sich die glutrote Sonnenscheibe immer höher über
die Berge und tauchte die Drehkiefern, die Fichten und die
schneeweißen Blüten des Portulaks in blutigen Schein.

»Ich komme, Kleiner Speer«, antwortete der Chief dem

halbwüchsigen Jungen, der in zwei Sommern ein Krieger sein
würde.

Ein baufällig wirkender Jacale im Hintergrund des Dorfes

diente den verletzten Pferdesoldaten als Quartier. Die Hütte sah
schlecht aus, war aber dicht. Eskaminzin wollte niemanden
herausfordern, neugierig machen, damit ließ er die Soldaten in
dieses alte Wickiup legen.

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Der Häuptling glitt in das Halbdunkel der Hütte.
»Ich bin Eskaminzin«, sagte er leise.
»Wir haben uns gesehen«, antwortete Lieutenant Cummings.

»Leben von meinen Männern nur noch diese drei?«

»So ist es, Soldat«, antwortete der Häuptling leise. »Wir

locken sie in eine Falle. Sie werden alle sterben.«

John Cummings holte tief Luft. Den stechenden Schmerz

mißachtete der Offizier. Es ging um mehr als einen schwer
verwundeten Lieutenant. Es ging um den Frieden im
Südwesten. Wenn diese Indianerhorde, die zu einem großen
Raubzug aus dem Osten gekommen war, weiterhin ihr
Unwesen trieb, zerbrach der Friede, der ohnehin gefährdet war.

»Du mußt zum Fort reiten«, sagte Cummings und stöhnte

schwer. »Der Colonel, Ballinger heißt er, muß alles wissen. Es
ist wichtig, es geht nicht nur um euch, es geht um alle Stämme
der Apachen. Wir wollen keinen Krieg, wir alle wollen ihn
nicht. Und wenn die fremden Plünderer weiterhin rauben und
morden, fällt es wieder auf die Apachen zurück.«

Cummings wollte noch etwas sagen, doch er verlor die

Besinnung.

Eskaminzin beugte sich hinab. Der Offizier atmete ruhig und

gleichmäßig. Er war erschöpft, und nur seine Sorge um den
Frieden hatte ihn so lange reden lassen.

Die Wunden waren gesäubert, verbunden, und der

Medizinmann hatte die Kugeln herausgeholt. In spätestens
zwei Wochen konnten die vier verletzten Pferdesoldaten
wieder zu ihrem Fort reiten.

Eskaminzin verließ die Hütte, lief zu seinem Mustang und

saß auf. Es galt, die fremden Indianer zu empfangen, ihr
Mißtrauen zu zerstreuen.

Abermals schrillte der Ruf des Nachtfalken durch die Luft,

gefolgt vom scharfen Ruf eines Blauhähers.

Die Truppe war in der Nähe des Dorfes.
Eskaminzin preßte seinem Pony die Hacken in die Flanken

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und ritt zu den letzten Jacales. Hinter dem Chief versammelten
sich die Krieger, und hinter ihnen die Squaws und Kinder. Alle
wollten die Männer sehen, die das Land zwischen den Galiuro
und Pinaleno Mountains mit Tod und Raub und Blut überzogen
hatten.

Sie kamen wie Eroberer, saßen stolz wie vor Jahrhunderten

die Eisenmänner auf den Pferden und schauten hochmütig auf
die Zweighütten der Aravaipas.

Hinter Eskaminzin klang das zornige Gemurmel der Squaws

auf. Ein scharfer Befehl des Chiefs brachte sie zum Schweigen.
Es galt, die fremden Mörder in eine tödliche Falle zu locken.
Sie durften durch nichts gewarnt werden.

Cochise ritt neben dem Anführer der Kriegerhorde. Und

neben dem großen Jefe saß John Haggerty, der Falke, im Sattel
eines Ponys. Der Scout war gefesselt. Mit beiden Händen
stützte er sich auf das Sattelhorn, um den sicherlich
schmerzenden Rücken zu entlasten.

Cochise trieb sein Pferd an. Vier Längen vor dem fremden

Häuptling erreichte der Apachenführer seinen Freund
Eskaminzin.

»Es geschieht so, wie wir besprochen haben«, raunte der

hochgewachsene Führer der Chiricahuas.

Laut fuhr er fort: »Dies ist Häuptling Gelbschlange. Wichitas

und Caddos haben sich verbündet. Sie suchen Beute, vor allem
Gold, Eskaminzin. Wie wir besprochen haben, schenken wir
den Fremden die Mine der Eisenmänner. Das Gold gehört
Gelbschlange und seinen Kriegern.«

»So sei es!« rief Eskaminzin und hob beide Arme, die Hände

zu den Seiten ausgestreckt, zur Sonne, die inzwischen zwei
Handbreit über den höchsten Gipfeln der Pinalenos stand. »Wir
versprechen feierlich, daß diese fremden Krieger so viel Gold
mitnehmen dürfen, wie ihre Pferde tragen können. Und wir
verlangen, daß die Caddos und Wichitas das Land der Apachen
verlassen und den Weißen, den Cochise Falke und Bruder

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nennt, dem Häuptling der Chiricahuas übergeben.«

Gelbschlange grinste unverschämt. Er schien das Gefühl zu

haben, daß seine Kämpfer den Aravaipas auch das letzte
Quentchen Mut abgekauft hatten. Trotzdem blieb der
feindliche Anführer wachsam. Er teilte mit einigen Befehlen
die Wachen ein. Zehn Krieger führten die Pferde zu einer
Weide, die für die Tiere der Gäste reserviert war.

Eskaminzin verbiß sich ein Grinsen. Diese Pferde brachten

dem Stamm gute Beute. Denn die Tiere sollten nicht mit ihren
Reitern untergehen.

»Die Squaws haben ein Festmahl zubereitet«, rief er, »wir

wollen gemeinsam essen, Tizwin trinken und danach
aufbrechen. Sobald die Sonne versinkt, gestatten die alten
Gesetze uns, den Fundort des gelben Eisens zu betreten.
Kommt an die Feuer, ihr seid in meinem Dorf die Gäste des
Stammes.«

Lediglich Haggerty bemerkte den feinen Unterschied.

Eskaminzin hatte gesagt, daß die Caddos und Wichitas hier im
Dorf die Gäste des Stammes seien. Von der Mine hatte er nicht
gesprochen. Der Scout ahnte, daß Cochise und Eskaminzin
eine ganz große Teufelei ausgebrütet hatten, eine List, die mit
dem Tod, der Vernichtung der Eindringlinge, ihr Ende und ihre
Erfüllung fand.

Der noch immer gefesselte Scout fragte sich, mit welchem

Trick Cochise die Feinde der Aravaipas vernichten wollte.

Haggerty war sicher, das zu erfahren. Vorher jedoch

bereiteten die Apachen ihren Gegnern, die über zahlreiche
Sippen Unglück und Tod gebracht hatten, ein Festmahl.

Argwöhnisch musterte Gelbschlange die gereichten Speisen.

Erst als Eskaminzin und Cochise ein großes Bratenstock teilten
und selbst davon aßen, griff der Häuptling der marodierenden
Horde selbst zu und nickte, als ihn ein paar Krieger fragend
anblickten.

Die Caddos lösten Johns Fesseln, gaben eine Hand frei. Die

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andere verbanden sie mit Schlingen, die bis zu den Beinen
hinabreichten.

Cochise selbst gab seinem Blutsbruder vom eigenen

Bratenstück ab. Die Aravaipas bemerkten diese ehrende Geste
und nickten respektvoll. Gelbschlange hingegen grinste, als sei
ihm gerade eine besonders großartige Gemeinheit eingefallen.

Fast zwei Stunden dauerte die große Fresserei, wie sie

Haggerty bei sich nannte. Erst als die Kürbisflaschen kreisten
und milder Tizwin als Abschluß auf die Speisen gegossen
wurde, lockerte sich die Anspannung der unerwünschten Gäste
etwas.

Gelbschlange rülpste lautstark und erhob sich umständlich.

Der untersetzte Anführer gab sich Mühe, seine Verachtung zu
verbergen. Ganz gelang es ihm nicht, denn diese Apachen
entsprachen gar nicht den Legenden über diese harten, listigen
Wüstenkrieger.

»Wir waren eure Gäste«, rief Gelbschlange, »ihr habt uns

Essen und Wasser gegeben, und wir danken euch dafür. Wir
sind froh, daß die Aravaipas keinen verworrenen Geist
besitzen. Wir sind froh, daß wir unser Ziel erreichen, ohne
weitere Krieger im Kampf zu verlieren.«

Jetzt kommt es, dachte Haggerty. Zuerst lobt er die Feinde,

verhält sich so, als seien seine Männer Feiglinge, und nun
beleidigt er seine Gastgeber.

So war es auch.
»Auch ihr werdet euch freuen«, fuhr Gelbschlange fort. »In

keiner Hütte wird das Totenlied erklingen, und die Männer des
Stammes können weiterhin die Sippen mit Nahrung versorgen,
ohne in Gefahr zu geraten.«

Die Alten am Feuer verzogen grimmig die faltigen Gesichter.

Zu ihrer Zeit hätten sie den dreisten Halunken nach diesen
Worten niedergemacht. Beleidigte er doch alle Krieger, nannte
er sie Weiber, die für Nahrung sorgten und dem Kampf
auswichen.

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»Ich sehe, daß nur wenige Krieger im Dorf sind«, fuhr

Gelbschlange verschlagen fort. »Sicher sind die anderen in den
Bergen unterwegs, um Wild zu erbeuten.«

Eskaminzin stand auf, breitete die Arme aus und rief: »O

Gelbschlange, du und deine tapferen Krieger, ihr seid unsere
Gäste. Aber ihr solltet nicht die Toten verspotten. In vielen
Jacales herrscht Trauer. Die Squaws und Kinder weinen um
den tapferen Mann und Vater. Mein Stamm verlor über die
Hälfte seiner Krieger in den letzten Wochen. Und trotz unserer
Trauer bereiten wir dir ein Festmahl, geben wir dir das gelbe
Eisen, denn ich will mein Volk nicht untergehen lassen. Wir
sind schwach, aber tapfer.«

Gelbschlange unterdrückte ein zufriedenes Lächeln nur

unvollkommen. Also, so schloß er, hat der gestrige Angriff der
Aravaipas im Talkessel den Apachen einen hohen Blutzoll
abgefordert. Nun besaß Eskaminzin nicht mehr genügend
Krieger, um den beutegierigen Caddos und Wichitas gefährlich
werden zu können.

Der Anführer der Horde dankte nochmals für das Mahl und

blickte zur Sonne.

»Wenn der Weg weit ist, sollten wir aufbrechen«, rief er.

»Der Mantel der Nacht legt sich bald über das Land, und wir
möchten sehen, was ihr uns versprochen habt.«

Cochise nickte zum Zeichen seines Einverständnisses.
Gelbschlange sah erstaunt zu, wie die Halbwüchsigen ein

Muli mit starken Seilen beluden. Ledergeschirre,
zusammengefaltete Eimer aus der gegerbten Haut des Hirsches
und Ledersäcke bildeten den Rest des Gepäcks.

Natürlich wollte der Anführer der Horde wissen, was es mit

diesen Dingen auf sich hatte. Er fragte nicht. Spätestens bei der
Goldmine würde er es erfahren. Gelbschlange ritt zu seinen
Kriegern und sprach leise mit ihnen. Mehr als vierzig Männer
erhielten den Befehl, sich am Ziel zu verteilen und das Gebiet
zu bewachen. Noch immer rechnete der Führer der

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Eindringlinge mit einer Falle, einer tückischen List der
Apachen. Zwar hatte sich sein Mißtrauen zum großen Teil
gelegt, als er Eskaminzins Rede gehört hatte, doch
Gelbschlange wollte sichergehen.

Außer Cochise und Eskaminzin schloß sich kein Apache der

Gruppe an. Die Halbwüchsigen hatten das Packtier einem
Krieger der Caddos übergeben, der das Leitseil des Mulis am
Sattelknauf festband.

Die beiden Apachenhäuptlinge übernahmen mit

Gelbschlange die Spitze. Haggerty blickte Cochise an. Der
Scout kannte den großen Jefe gut und entdeckte den Funken
von Spott in dessen Blick. Spott mischte sich mit gnadenloser
Grausamkeit, stellte Haggerty fest, und er konnte ein Frösteln
nicht unterdrücken.

Die Krieger ritten los. Im Schritt führten die Mustangs der

Apachen die Gruppe weiter nach Westen. Dort lag das Ziel, da
lag die vermeintliche Beute der Horde.

In Wahrheit ritten sie ihrem Tod entgegen, einem ruhm- und

würdelosen Tod, der jeden wahren Krieger zutiefst beschämen
mußte.

*

Nach einem langen Ritt, der über verschlungene Wege,
schmale Felspfade und durch dichte Wälder führte, zügelte
Eskaminzin seinen Pinto.

»Dort, Gelbschlange«, sagte der Häuptling, »in dieser

Schlucht führt ein Weg in den Berg. Die Eisenmänner bahnten
ihn vor undenklichen Zeiten. In dieser Höhle wartet das Gold
auf dich.«

Mißtrauisch blickte sich Gelbschlange um. Er witterte,

spürte, daß dies eine Falle war, konnte sie jedoch nicht
entdecken.

»Warum ritten wir an diesen Ort?« fragte er nachdrücklich.

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»Wie sollen wir zur Mine gelangen? Unsere Pferde hätten im
Tal einen leichteren Weg gefunden.«

Cochise lächelte und erwiderte: »Sie hätten den Weg in den

Tod gefunden, Häuptling. Die Schlucht hat einen Namen bei
meinen Freunden. Sie nennen sie das Tal des hundertfachen
Todes.«

Gelbschlange umkrampfte mit der Rechten den Revolvergriff

und starrte Cochise mißtrauisch und wütend an.

»Hunderte von Klapperschlangen beherrschen das Tal«, fuhr

der Chief ungerührt fort. »Jedes Pferd, jeder Krieger wäre ein
Opfer der Würmer geworden, hätten wir den Weg durch die
Schlucht genommen. Darum zogen wir hierher. Ein Schacht
führt in den Stollen. Die Seile dienen uns als Hilfe. Deine
Männer bewachen hier oben den Eingang. Bist du nun
zufrieden?«

Gelbschlange blieb mißtrauisch und fragte: »Und die Höhle

wimmelt auch von Schlangen, nicht wahr? Und Gold enthält
sie nicht. Ist es so, Chochise?«

Der Häuptling lächelte nachsichtig und erwiderte: »Es ist

nicht so. Für die Schlangen sind die beiden Pfade zum Stollen
zu steil. Sie erreichen ihn nicht. Laß die Seile ausrollen.
Eskaminzin und ich gehen als erste hinab, wenn du das
verlangst. Es besteht keine Gefahr, Gelbschlange. Zudem trägst
du doch den Namen der Schlange. Wie können die Würmer dir
gefährlich werden?«

Der fremde Häuptling schluckte den Spott und sagte: »Gut.

Fünf meiner Krieger sollen zuerst hinabgelassen werden.
Danach Fackeln, Beutel und Wasserflaschen. Anschließend
kommt ihr beide und der weiße Hundesohn an die Reihe. Ich
betrete die Höhle zuletzt. Ich warne euch. Meine Krieger töten
euch, wenn ihr nicht die Wahrheit gesagt habt.«

Cochise breitete die Arme aus und schüttelte traurig den

Kopf.

»Warum sollten wir dich belügen?« fragte er erstaunt. »Ja,

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wenn meine Krieger in diesem Gebiet wären, sähe alles anders
aus. Dann würdet ihr jetzt schon auf goldenen Mustangs in den
ewige Jagdgründen reiten. Aber ich bin allein. Wir können nur
überleben, wenn wir dir Beute übergeben.«

Gelbschlange stieß eine Reihe von Befehlen aus. Die Hälfte

seiner Krieger ritt davon. Gleichgültig sahen Eskaminzin und
Cochise zu, wie zwanzig Männer ihre Pferde in einiger
Entfernung über die klaffende Schlucht zwangen. Nun suchten
auf jeder Seite des tiefen Taleinschnittes über zwanzig Krieger
die Umgebung ab. Sie fanden nichts, keinen Apachen, und
bezogen Posten an genau den Stellen, die Eskaminzin durch
Männer gesichert hatte.

Die restlichen Caddos und Wichitas rollten die kräftigen

Seile aus. Fünf Krieger suchten trockenes Gras zusammen,
wickelten es um Aststücke und entzündeten die provisorischen
Fackeln, bevor ihre Freunde ihnen die Schlingen der Stricke
um die Oberkörper legten.

»Es sind etwa zwölf Mannslängen bis zum Grund des

Schachtes«, sagte Eskaminzin. »Die Wände sind glatt und
bieten keinen Halt.«

Gelbschlange gab das Kommando. Ohne Zögern trat sein

erster Krieger an den Rand der Öffnung, ließ sich in die
Dunkelheit gleiten, und die anderen Männer gaben Seil nach.

Ein dumpf klingender Ruf schallte aus der gähnenden

Schachtmündung. Gelbschlange beugte sich etwas vor.
Schwach nur drang der Schein der Fackel herauf.

Der zweite Krieger verschwand nach unten. Innerhalb

weniger Minuten erreichten die fünf Männer den Stollen.

Priviant und Wasserflaschen wurden in den Ledereimern

verstaut und hinabgelassen.

Ohne Aufforderung traten Cochise, Eskaminzin und

Haggerty vor. Es dauerte nicht lange, bis auch diese drei
Männer im Goldstollen ankamen.

Neugierig sah sich Haggerty um. Er glaubte nicht so recht an

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die armdicken Adern im Gestein. Die beiden Apachen
entzündeten Fackeln und gingen voraus.

»Dort sind sie«, sagte Eskaminzin düster und hob sein Licht.
John Haggerty hielt den Atem an. Die Beschreibung

Cochises hatte der Wahrheit entsprochen, war eher untertrieben
gewesen, denn an manchen Stellen verdickten sich die
Goldstränge so, daß sie breit wie der Oberschenkel eines
Mannes waren. Ein ungeheures Vermögen barg dieser Berg.
Sollten jemals weiße Digger davon erfahren, würde die Hölle
über die Aravaipas hereinbrechen. Kein Gesetz, keine Soldaten
konnten die goldgierigen Menschen dann noch zurückhalten.

Ein seltsames Schwirren klang auf, als die Caddo-Krieger

weiter in den Stollen vordrangen. Die Banditen hatten
vergessen, daß sie auf die beiden Chiefs und den Weißen
achtgeben sollten.

»Was ist das?« fragte John leise. »Was kommt auf uns zu?«
Für einen Moment hatte ihn der Gedanke gepackt, daß sich

Eskaminzin und Cochise selbst opfern wollten, um den
Aravaipas den Untergang zu ersparen.

»Fledermäuse, Falke«, antwortete Cochise, »das Licht macht

sie scheu. Sie schwirren davon, in die Dunkelheit des Tales.«

Ein mächtiger Luftstrom zog durch die Höhle. Hunderte von

Flügeln peitschten und verursachten so einen Wirbel. Lautlos
zogen die Fledermäuse an den Männern vorbei.

»Was ist das?« fragte Gelbschlange dicht hinter den Apachen

und dem weißen Scout.

Cochise wiederholte seine Erklärung, und der feindliche

Häuptling gab sich zufrieden.

Er stapfte davon, hielt seine Fackel gesenkt und leuchtete den

Boden ab. Sicher suchte er nach Schlangenspuren. Auf dem
glatten Fels hinterließ nichts eine Fährte. Endlich marschierte
Gelbschlange weiter. Die Fackeln seiner Freunde loderten in
mehr als dreißig Yard Entfernung.

Langsam gingen Cochise, Eskaminzin und Haggerty

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100

hinterher.

Die dicken Stränge Gold setzten sich bis ans Ende des

ausgebauten Stollens fort. Mächtige Balken stützten das
Deckengestein ab. Dem Scout kam es so vor, als hätten die
Spanier vor langen Jahrhunderten beabsichtigt, den Adern bis
zu ihrem Ende zu folgen. Warum die Eroberer ihren Plan
aufgegeben hatten, vermochte heute niemand mehr zu sagen.
Vielleicht wurden sie der Klapperschlangen nicht Herr,
vielleicht starben die Eisenmänner von der Hand der
Apachenkrieger.

Freiwillig, so schätzte Haggerty, hatten die Eroberer auf

keinen Fall diesen riesigen Schatz fahren lassen. Die Unmenge
Gold erinnerte zu sehr an die Legenden der sagenumwobenen
sieben Städte Cibolas, die aus purem Gold errichtet gewesen
sein sollten.

Gelbschlange drehte sich um. Sein Gesicht spiegelte die

Zufriedenheit wider, die von dem Häuptling Besitz ergriffen
hatte.

»Gut, sehr gut«, sagte er, »ihr habt Wort gehalten. Auch ich

halte mein Wort, Cochise. Wir sind hier neun Männer. Wenn
wir alle arbeiten, brauchen wir einen Tag und eine Nacht, um
das Gold aus den Felsen zu lösen. Anschließend reiten wir
davon, in Richtung Sonnenaufgang. Nach drei Tagen lassen
wir den Kundschafter der Pferdesoldaten frei.«

Haggerty rief laut: »Ich denke gar nicht daran, für dich zu

schuften, du roter Halunke. Ich bin dein Gefangener, aber nicht
dein Sklave. Ich setze mich hier hin und sehe zu, wie ihr das
Gold aus den Steinen brecht.«

Cochise lächelte und sagte: »Gelbschlange, es ziemt sich

nicht für einen Chief der Chiricahuas, die Arbeiten einer
Squaw zu verrichten. Auch Eskaminzin wird nicht helfen.
Apachen wühlen nicht nach Gold. Hol deine Krieger herab. Ihr
wollt das Gold. Wir haben euch unser Wort gegeben, daß ihr
mitnehmen dürft, so viel ihr tragen könnt. Und dabei bleibt es.«

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Gelbschlange verzog das Gesicht. Es paßte ihm nicht, seine

Streitmacht oben an der Mündung des senkrechten Zuganges
zu vermindern. Ihm würde nichts anderes übrigbleiben, denn er
vermochte weder die beiden Apachen noch den Weißen zum
Arbeiten zu zwingen.

Der Häuptling ging zu den Seilen, streifte sich die Schlinge

über den Oberkörper und zog dreimal an einem der Stricke.
Sekunden danach schwebte Gelbschlange nach oben.

Es dauerte nicht lange, bis eine Menge Vorräte herabgelassen

wurden. Zwanzig Krieger folgten, und dann kam Gelbschlange
wieder unten an. Er ging zur dicksten Ader, zog sein Messer
und schnitt mit der scharfen Eisenklinge einen breiten Span aus
dem Gold.

»Einen Tag und eine Nacht«, rief der Häuptling, »und wir

sind fertig. Selbst wenn noch Gold im Gestein bleibt, können
unsere Mustangs doch nicht mehr tragen. Macht euch an die
Arbeit. Ich weiß, daß dies keine Arbeit für Krieger ist. Vergeßt
jedoch nicht, daß unser Ruhm noch den Söhnen unserer Söhne
an den Lagerfeuern Respekt abnötigen wird. Nie zuvor
brachten Krieger so reiche Beute in die Wigwams unserer
Völker. Und darum sage ich euch, daß dies keine Arbeit ist, die
dem Krieger die Ehre nimmt. Vergeßt nicht, wie wir an den
Schatz herangekommen sind.«

Die Krieger murmelten zustimmend. Gelbschlange war im

Recht. Diese Beute würde bei beiden Stämmen zur Legende
werden.

Die kräftigen Eisenklingen gruben sich in die Goldstränge.

Dicke Späne fielen herab. Sorgfältig hoben die Krieger das
Gold auf und warfen die Stücke in die Ledereimer.

Cochise trat zwei Schritte zurück und gelangte neben

Haggerty.

»Falke«, raunte er, »ich würde an deiner Stelle nicht von dem

Wasser trinken, das in den Kürbisflaschen ist. Du brauchst nur
kurze Zeit ohne frisches Wasser zu sein.«

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102

»Was hast du vor?« wollte Haggerty wissen.
Er spürte, daß die Freiheit winkte, daß Cochise und

Eskaminzin einen großartigen und zugleich furchtbaren Plan
geschmiedet hatten, um die Horde der indianischen Banditen in
die ewigen Jagdgründe zu schicken.

Cochise schüttelte leicht den Kopf. Er wollte nichts verraten.

Vielleicht ließ sich Falke doch etwas anmerken, und dann war
der ganze Plan gefährdet.

Nach einer langen Weile, der Schweiß rann den wild

schuftenden Kriegern von den nackten Oberkörpern, hielten sie
inne. Fast zugleich griffen die Männer nach den ausgehöhlten
Kürbissen und tranken in langen Zügen.

Cochise ließ sich seine Zufriedenheit nicht anmerken. Je

mehr die Feinde tranken, desto verwirrter wurden ihre Sinne.
Hoffentlich blieben die Wachen oben am Schachtrand nicht
standhaft und öffneten die Flaschen mit dem brennenden
Wasser und tranken davon.

*

In dieser Nacht unterdrückten die abergläubischen Apachen
ihre Furcht vor Bu, der Eule, die während der Dunkelheit durch
das Land streifte und die Seelen der Toten ins jenseitige Reich
brachte. Die Krieger mißachteten die Gefahren, die ihnen durch
zahllose Naturgeister drohten und griffen an. Es galt, den
Stamm der Aravaipas zu retten. Es galt, den Frieden im
Apachenland zu erhalten und die räuberischen Feinde nicht
entkommen zu lassen.

Ein Apache stand plötzlich neben einem umgestürzten Baum.

Eine Sekunde zuvor hatte nichts darauf hingedeutet, daß ein
Krieger in der Nähe des faulenden Holzes lag. Und wieder eine
Sekunde später brach ein Wichita-Krieger unter dem Hieb der
Streitkeule tot zusammen.

Der Apache band Arme und Beine des Toten mit einem

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103

ledernen Riemen zusammen, suchte anschließend das Pferd des
Wächters und führte es herbei. Nun hockte sich der Krieger auf
die Hacken. Er mußte warten, bis das Signal erklang. Alles
andere war nur noch eine Sache der Zeit.

So wie diesem Wichita erging es sämtlichen Posten, die

Gelbschlange ausgestellt hatte. Eskaminzins Krieger, verstärkt
durch die zwölf Chiricahuas, hatten mit sicherem Blick alle
gefährdeten Orte bereits vor der Ankunft der Wächter aus der
Horde besetzt.

Einem Apachen machte es nichts aus, länger als zehn

Stunden in Deckung zu liegen und auf Beute zu warten. Unter
einer dünnen Sandschicht in der Wüste, zwischen umgestürzten
Kakteen, getarnt mit der trocknenden Stachelhaut, im Fell eines
Hirsches reglos liegend, verbrachten die Krieger der Halbwüste
geduldig Stunde um Stunde mit Beobachtungen.

War die Beute zum Greifen nahe, stand der Feind neben

ihnen, schlugen sie erbarmungslos zu.

Nicht umsonst galt bei den Weißen im Südwesten das

Sprichwort: einen Apachen siehst du erst, wenn er vor dir aus
dem Boden wächst. Aber dann ist es für dich zu spät.

Der einsame Krieger lauschte mit halb geschlossenen Lidern

in die Nacht. Merkwürdige Geräusche zerrten an den Nerven
des Aravaipas. In weiter Ferne schrie eine Eule, bekam
Antwort von einem Kaktuskauz, und der Krieger konnte nicht
verhindern, daß ihm ein Schauer der Furcht über den Rücken
lief.

Schließlich erinnerte sich der Mann an den Toten, der ein

paar Schritte entfernt lag und fing sich wieder. In dieser Nacht
brachte Bu nicht die Seelen der Apachen, sondern die ihrer
Feinde in das dunkle Land.

Endlich erklang das Hämmern eines Gilaspechtes. Dieser

Vogel höhlte mit seinem starken Schnabel die holzigen
Stämme der Saguarokakteen aus und baute sich so eine
Wohnstatt. Doch niemals klopfte ein Gilaspecht in der Nacht

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104

seine Höhle.

Der Krieger zählte lautlos mit. Zweiundvierzigmal klang das

Hämmern auf. Und das bedeutete, daß die gleiche Anzahl
Feinde tot oder kampfunfähig war. Den letzten Ruf stieß der
Aravaipa aus, bevor er sich bückte und den Toten aufhob und
über den Rücken seines eigenen Pferdes warf.

Das kalte silberne Licht der Sterne erhellte die Nacht nur

notdürftig. Die Sichel des Mondes spendete nicht genügend
Glanz, um genau erkennen zu können, was in der Nähe der
Schlucht des hundertfachen Todes vorging.

Von allen Seiten trieben die Aravaipas und Chiricahuas

Pferde an den Rand des Einschnitts. Leblose Körper fielen
herab, wurden an die Steilkante geschleift und hinabgeworfen.
Keine Spur sollte von den Eindringlingen übrigbleiben.

Das Dutzend Chiricahuas und weitere zwölf Aravaipas

glitten zu Fuß zur Öffnung des Schachtes. Lange Zeit
belauerten die Apachen die restlichen Caddos und Wichitas.

Sie saßen um das Feuer herum. Fünf Krieger waren

umgesunken. Die anderen starrten wie gebannt in die
Flammen. Das Pulver des Medizinmannes, vermischt mit dem
brennenden Wasser der Weißen, tat seine Wirkung.

Die Apachen huschten lautlos hinter die Feinde, die mit

Mord und Feuer über die Sippen gekommen waren und lösten
die Kriegsbeile aus den Gürtelschlaufen.

Keiner der Gegner war fähig, sich zu wehren. Sie alle

erblickten in den Flammen wundersame Dinge und wußten
nicht, daß die Droge in ihrem Blut ihr ganzes Denken, all ihre
Sinne gefangennahm.

Minuten später trugen die Apachen die Toten davon,

brachten auch sie an den Rand der Steilwand, die in das Tal des
hundertfachen Todes beinahe senkrecht hinabführte.

Anschließend warteten die Krieger am Feuer, das ihren

Feinden Traumbilder vorgegaukelt hatte.

Sie warteten auf Eskaminzin und Cochise. Und auf den

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105

Weißen, den der große Jefe der Chiricahuas Bruder nannte.

Noch saßen die drei Männer in der Höhle der Eisenkrieger,

betrachteten mit gleichgültigen Blicken all das Gold,
betrachteten die Caddos und Wichitas, die ebenfalls
traumversunken an den Wänden lehnten. Lediglich zwei
Wachen blieben aufmerksam. Gelbschlange hatte ihnen strikt
untersagt, etwas zu essen oder zu trinken. Diese beiden Krieger
mußten die Gefangenen bewachen.

Sie wurden unruhig, flüsterten miteinander und gingen

vorsichtig zu ihren Gefährten und betrachteten sie eingehend.

Cochise packte seinen Dolch. Auch Eskaminzin zog lautlos

das Messer. Mit geschmeidigen Schritten huschten die
Apachenchiefs zu den Wächtern. Sie konnten keinen Laut
mehr von sich geben.

Haggerty atmete gepreßt. Er ahnte, daß Cochise und

Eskaminzin für den Frieden im Südwesten gesorgt hatten, auf
ihre Weise: Erbarmungslos hart, wie es die Art der Apachen
war.

Eskaminzin lief zum Schacht und zog zweimal an einem

Seil, wartete und zog noch dreimal. Sofort ruckte ein anderer
Strick. Der Aravaipa nickte zufrieden und schlang sich das Seil
um den Oberkörper.

Sofort entschwebte der Mann nach oben.
Cochise durchtrennte mit schnellen Schnitten Haggertys

Fesseln und raunte dicht am Ohr des Falken: »Jetzt du, schnell.
Sie sehen, was vorgeht, aber ich weiß nicht, wie stark ihre
Träume sind. Durchbricht einer den Bann, kann er uns
gefährlich werden und auch die anderen aus der Versunkenheit
lösen.«

John nickte, legte die Schlinge um und spürte den kräftigen

Zug der Krieger an der Schachtmündung.

Wenig später schwang sich auch Cochise über die Kante.
»Sie sind so gut wie tot«, sagte der große Häuptling hart.

»Sobald die Sonne aufgeht, erwärmt sich der Boden im Tal des

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106

hundertfachen Todes. Die Klapperschlangen kriechen in die
Höhle. Gelbschlange und seine Männer erwachen kurz vor dem
grauen Morgen. Ich warte hier und erzähle ihnen von der
Rache der Apachen.«

Die Krieger zogen die Seile herauf und rollten sie zusammen.

Eskaminzin schwang sich auf seinen Mustang und übernahm
die Führung.

»Reite ins Dorf, Falke«, forderte Cochise seinen Blutsbruder

auf, aber Haggerty schüttelte den Kopf.

Die Krieger ritten unter Eskaminzins Führung davon.
»Es war deine List, Cochise«, sagte John nach einer langen

Weile leise. »Ich weiß, daß General Howard dir dankbar sein
wird. Die Horde hätte einen neuen Krieg auslösen können. Alle
Untaten wären euch Apachen zugeschrieben worden.«

»So ist es«, erwiderte der Chief. »Sobald die Sonne über die

Berge blickt, spreche ich zu den Banditen. Sie sollen wissen,
daß weder ein Caddo noch ein Wichita jemals im Land der
Apachen Beute machen kann.«

»Was ist mit den anderen Kriegern?« fragte Haggerty nach

einiger Zeit.

»Sie sind tot«, entgegnete Cochise hart. »Ich kam zu

Eskaminzin, weil er Hilfe brauchte. Eskaminzin behagten die
weißen Goldsucher am Aravaipa nicht. Zudem suchten die
Angreifer aus dem Osten die Sippen heim. Meine Chiricahuas
und die Krieger meines Freundes töteten die Feinde während
der Nacht. Ihre Leiber liegen in der Schlucht des hundertfachen
Todes. Die Pferde sind Beute des Stammes.«

Haggerty holte Luft. Einem Apachenführer machte es

vielleicht nichts aus, eine derartige Menge Gegner zu töten. Für
einen Weißen jedoch war es ein Schock.

John dachte an den Bürgerkrieg und beruhigte sich etwas.

Die Stämme der Apachen lebten in ständigem Krieg mit
Eindringlingen aller Art, den Mexikanern und der Natur. Es
war kein Wunder, daß sie zweckbestimmt handelten, auch

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107

wenn diese Taten in den Augen der Weißen manchmal überaus
hart und grausam wirkten. Alles in diesem Land befand sich im
Einklang. Versiegten Wasserstellen, so verdursteten Apachen,
die sich auf ihren Zügen auf Wasser verließen. Raubten und
mordeten fremde Indianer, waren auch die Krieger der
Halbwüste nicht mehr sicher.

»Falke«, raunte Cochise, »ich dachte zuerst an weiße

Männer, die mit den Caddos und Wichitas gemeinsame Sache
machten. Ich dachte daran, daß Howard die Horde ins Land
geholt hätte, um uns zu bekämpfen. Ich fand einen
Stiefelabdruck nach unserem Angriff auf das erste Lager. Jetzt
weiß ich, daß du als Gefangener in der Gewalt der
Eindringlinge warst. Ich weiß es, seitdem ich dieses hier fand.«

Cochise holte unter seinem karierten Hemd das bemalte

Lederstück hervor, das Tla-ina dem Weißen gegeben hatte.

John blickte starr auf das Zeichen.
»Du weißt, was dies bedeutet?« fragte Cochise sanft. »Du

kennst den Brauch unseres Stammes, der Squaws?«

»Ja, mein Freund, ich weiß es«, erwiderte John Haggerty

leise.

»Hier, meine Schwester hat dir dieses Geschenk gemacht«,

sagte der Jefe und reichte dem Weißen, den er Bruder nannte,
das Lederstück. »Was wird aus Tla-ina und dir? Du bist ein
Freund der Apachen, aber weiß. Du gehörst nicht zu uns und
nicht zu deiner Rasse. Ich möchte Tla-ina nicht im Unglück
sehen, Falke. Denk an die vielen weißen Männer, die sich eine
Indianerin zur Frau nahmen. Denk daran, was deine Rasse dazu
sagt. Ich weiß nicht, ob du das durchstehen wirst.«

Haggerty dachte bitter: er zweifelt daran, denn er kennt die

Weißen. Aber er kennt auch mich. Warum zweifelt er? Seiner
Schwester traut er zu, daß sie durchhält, natürlich, sie ist eine
Apachin.

»Cochise«, erwiderte John ernst, »was wird, kann niemand

sagen. Vielleicht läßt mich Eskaminzin töten, weil ich die Lage

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108

dieser Goldmine kenne. Vielleicht fallen in zwei oder drei
Tagen Victorios Krieger über mich her, und mein Skalp
trocknet im Rauch eines Mimbrenjofeuers. Ich kann dir nur
versprechen, daß Tla-ina niemals leiden wird.«

Der Häuptling lächelte und sagte: »Das ist viel, Falke, sehr

viel. Ich bin zufrieden. Ich grüße meine Schwester von dir,
sobald ich wieder in meinem Jacale bin.«

Im Osten drängte ein grauer Streifen Helligkeit das Dunkel

der Nacht zurück. Die meisten Sterne waren schon verblaßt.
Cochise stand geschmeidig auf und trat an die Kante des
Schachtes und lauschte.

»Diese Hunde, diese Wüstenratten«, klang Gelbschlanges

Stimme auf.

»Höre, Mörder«, rief Cochise mit mächtiger Stimme, »diese

Höhle ist euer Grab. Ihr seid über ein Volk der Apachen
gekommen und habt den Tod gebracht. Ihr wolltet den
Feuerbrand in unserem Land wieder schüren, um Beute zu
machen. Dort unten hast du so viel Beute, wie du willst. Ich
stehe zu meinem Wort. Nimm mit, was du zu tragen vermagst.
Gelingt es dir, die Schlucht des hundertfachen Todes hinter
dich zu bringen, so bist du frei.«

»Du hast Krieger an beiden Enden des Tales aufgestellt, die

uns töten sollen«, antwortete Gelbschlange.

»Nein, kein Apache wartet auf euch«, erwiderte Cochise.

»Nur der Tod, denn tausend Schlangen leben dort. Wenn die
Sonne steigt, gleiten sie in den Stollen. Dort ist es warm, aber
nicht brennend heiß. Ihr werdet sterben, alle. Und euer Tod
wird nicht der eines Kriegers sein. Ehrlos sollt ihr in das
jenseitige Land eingehen, und ehrlos sollt ihr dort die Arbeit
der Sklaven für Krieger verrichten. Denn ihr habt euch zu
Sklaven gemacht, als ihr nur noch an Gold und Beute dachtet.
Ich habe gesprochen!«

Haggerty stand auf, betrachtete Cochise staunend und deutete

auf den Schacht und fragte: »Wie willst du sie daran hindern,

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109

heraufzuklettern? Das Loch ist eng genug, daß sich ein Mann
mit Armen und Beinen an den Wänden abstemmen kann.«

Cochise lächelte und stieß einen grellen Schrei aus. Es war

der Jagdruf des Rotschulterbussards, der hier im Süden
überhaupt nicht vorkam.

Plötzlich waren die beiden Männer von zwanzig Kriegern

umringt. Sie tauchten aus ihren Deckungen auf wie ein
Kistenteufel aus seiner Schachtel.

Die Krieger grinsten über Haggertys verblüfftes Gesicht und

machten sich ohne weiteren Befehl an die Arbeit. Gemeinsam
rollten sie einen mächtigen Felsbrocken heran, der wohl mehr
als eine halbe Tonne wiegen mochte. Sie waren erst zufrieden,
als der gewaltige Klotz genau auf der Mündung des Schachtes
lag.

»Beantwortet das deine Frage?« wollte Cochise wissen und

lächelte Falke an.

Haggerty nickte nur.
»Ich möchte ins Dorf der Aravaipas«, sagte er. »Vielleicht

kann der Medizinmann meine Wunden nachsehen.
Anschließend muß ich zurück. General Howard soll erfahren,
was hier vorgegangen ist.«

»Dein Pferd und die Waffen warten auf dich«, sagte einer der

Aravaipa-Krieger. »Vorher mußt du dich vom Rat der Alten
prüfen lassen. Zwei Männer fordern deinen Tod, Falke, denn
du weißt zuviel.«

Haggesty lächelte und erwiderte: »Ich werde die weisen

Männer überzeugen, Krieger. Ich bin kein Feind der Apachen,
wie Cochise und Eskaminzin bestätigen können. Das sollte
dem Rat zu denken geben.«

Der Krieger ginste und sagte respektlos: »Sie sind nicht

weise, Falke. Es sind Greise, denen der Starrsinn den Kopf
verdorben hat.«

Die Aravaipas führten Pferde heran. Minuten später trabten

die Mustangs Eskaminzins Dorf zu.

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110

Hinter den Apachen klangen Schüsse auf. Die engen

Talwände dämpften die Detonationen. Die Caddos und
Wichitas versuchten wohl, sich durch die Menge der Schlangen
zu kämpfen. Es war der Versuch, der zum Scheitern verurteilt
war. Denn Cochise versicherte Haggerty, daß mindestens
tausend Klapperschlangen das kleine Tal beherrschten.

Im Dorf der Aravaipas empfingen die Squaws die Krieger

mit schrillen Freudentrillern. Cochise erhielt den ganzen
Respekt, der ihm zustand. Immerhin war er der Retter des
Stammes. Seine List hatte den Feinden den Tod gebracht.

Eskaminzin saß hinter einem niedergebrannten Feuer. Das

Gesicht des Chiefs zeigte einen Ausdruck aus Resignation und
Belustigung.

Sechs alte Männer, Greise, hockten ihm gegenüber. Sie

wandten die Köpfe, als Cochise mit Haggerty nähertrat.

»Er muß sterben!« rief plötzlich einer der Alten mit

brüchiger Stimme und zeigte mit seinem dürren Arm, dessen
Finger wie Klauen wirkten, auf den Scout.

Es gelang den Häuptlingen, die Männer des Rates davon

abzubringen. John ließ sich vom Medizinmann behandeln,
überprüfte seine Waffen, die bei der Beute gewesen waren, die
die Aravaipas den Eindringlingen abgenommen hatten, und
verabschiedete sich von Cochise.

Erst jetzt erzählte der Häuptling von den vier überlebenden

Soldaten.

»Ich weiß, daß sie in den besten Händen sind«, erwiderte

Haggerty nur. »Berichte du in Fort Thomas, was sich
zugetragen hat. Ich reite zu Howard. Kein anständiger Weißer
vergißt, daß du den Südwesten vor einem Krieg bewahrt hast.«

Cochise hob die Linke und grüßte seinen Blutsbruder.

Chiefscout John Haggerty ritt davon.

»Es gibt nicht viele anständige Weiße«, murmelte der große

Häuptling. »Wenn wir mehr Freunde wie Falke hätten,
bräuchte ich nicht um unser Volk zu fürchten.«

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111

*

Am späten Vormittag verabschiedete sich der Führer aller
Apachen von Eskaminzin, sprach ein paar scharfe Worte zu
den Ältesten, ließ aber nicht den Respekt vor ihnen vermissen,
und zog mit seinen zwölf Chiricahuas nach Nordwesten.

Dort lag, in der Nähe des Gila Rivers, Fort Thomas, eine der

nördlichsten Befestigungen der Kavallerie.

Die Apachengruppe durchzog das Land wie

selbstverständlich. Dies war ihre Heimat, und hier waren sie
die Herren.

Gegen Mittag brachten Späher Wild, das sie am Feuer

brieten. Ein paar Schlucke Wasser rundeten die Mahlzeit ab.
Erst am frühen Abend erreichte Cochise mit seinen Kriegern
das Gelände des Forts.

Die Palisaden ragten mehr als doppelt mannshoch auf. Selbst

ein Reiter, der sich vom Mustang aus nach oben schwang,
konnte die Enden nicht packen. An allen vier Ecken hatten die
Soldaten Wachtürme errichtet, auf denen ständig Posten
Ausschau nach Feinden hielten.

»Wartet in den Hügeln«, befahl Cochise seinen Krieger. »Die

Weißen werden unruhig, wenn sie so viele Apachen auf einmal
sehen. Ich will nicht ihre Unvernunft herausfordern.«

Allein ritt der Jefe auf das Haupttor zu. Die Sonne stand

hinter ihm am Himmel. Deutlich hoben sich die Umrisse der
Überbauten vom Hintergrund des Himmels ab.

Cochise war noch etwa fünfzig Pferdelängen von den

Palisaden entfernt, als eine Stimme aufgellte.

»Indianer!« schrie ein Mann mit aller Kraft seiner Lungen.
Der Häuptling wußte, daß seine Krieger die Befehle

befolgten. Also konnte nur er selbst mit dem Alarmschrei
gemeint sein. Verwundert dachte Cochise darüber nach, daß
ein einzelner Apache eine solche Angst bei den weißen
Pferdesoldaten hervorrufen konnte.

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112

Denn in der Stimme des Postens war deutlich Angst

mitgeschwungen.

Das Pony tänzelte plötzlich ein wenig, als es mit den

Vorderhufen beinahe in das Loch eines Erdhörnchens getreten
war.

Im selben Moment krachten zwei Gewehre. Die Kugeln

sirrten knapp eine Armlänge an Cochises Kopf vorbei. Zornig
zügelte der Apache sein Tier. Drohend blickte er auf die
Palisaden.

Waren alle Weißen verrückt geworden?
»Welcher Idiot hat ohne Befehl geschossen?« brüllte

plötzlich ein Mann mit dröhnender Stimme.

»Ich, Sir, Reiter Luke, auf Posten, Sir!«
»Und Reiter Gleason, ebenfalls auf Posten!«
»Sir!« brüllte der andere.
»Ebenfalls auf Posten, Sir!« wiederholte der zweite Schütze.
»Wie kommt ihr hirnverbrannten Idioten dazu, durch die

Gegend zu ballern? Habt ihr ein Karnickel gesehen?«

»Nein, Sir, einen Indianer. Und Sie haben selbst gesagt,

wenn wir einen Apachen sehen, müßten wir schneller schießen
als er.«

»Idioten, ich bin nur von Verrückten umgeben!« schrie der

andere Mann, den Cochise für einen Sergeanten hielt. Denn
fast nur sie gaben ein derartiges Gebrüll von sich.

»Das gilt für das freie Land, wenn wir auf Patrouille sind, in

Feindgebiet, ihr Narren. Was habt ihr eigentlich in dem Ding,
auf dem euer Hut sitzt? Kopf sagen auch manche dazu. Aber in
einen Kopf gehört ein klein wenig Gehirn hinein. Und dieses
Gehirn sollte ab und zu mal nachdenken. Ich wette, ihr beide
habt nur getrockneten Büffelmist drin. Wenn Dummheit
stinken würde, könnte die Kavallerie mit eurem Gestank allein
sämtliche Indianer bis in den Golf von Mexiko jagen. Geht zur
Seite, ich will das Ding sehen, das ihr für einen Indianer
gehalten habt. Sicher ist es nur eine Springmaus oder ein

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113

Erdhörnchen, allenfalls eine Taschenratte.«

Cochise saß abwartend auf seinem Mustang. Der Jefe hatte

begriffen, daß zwei Neulinge aus Übereifer gefeuert hatten.
Aus solchen Situationen konnten Dinge entstehen, die
sämtliche Stämme wieder auf den Kriegspfad brachten. Die
Weißen mußten ihre Leute besser ausbilden und beobachten,
überlegte er.

»Hölle und Teufel!« stieß der Sergeant hervor, »das hätte

euch den Kopf kosten können. Reiter Luke, sausen Sie zum
Colonel und melden Sie, daß Cochise vor dem Tor wartet.
Gleason, runter mit Ihnen. Holen Sie Captain Arbogast aus
dem Kasino. Der Häuptling wird mit militärischen Ehren
empfangen. Und sorgen Sie dafür, daß das Tor geöffnet wird,
Sie Hohlkopf.«

Cochise lächelte und preßte seinem Pony die Absätze in die

Flanken. Langsam ging das Pferd auf die Palisaden zu.

Die Torflügel schwenkten nach innen. Im letzten Schein der

Sonne glänzten die Bajonette des Zuges, der in gerader Reihe
angetreten war, im Lichtschein.

»Aaaachtung!« brüllte der Sergeant.
Ein Captain zog den Säbel und präsentierte ihn. Der

Trompeter blies ein Signal, das sonst nur Vorgesetzten galt.

Langsam ritt Cochise an den stramm stehenden Soldaten

vorbei und empfand so etwas wie Genugtuung. Er bewertete
die Geste dieses Empfanges zwar nicht höher als sie war, aber
er ahnte, daß er mit dem kommandierenden Offizier ein gutes
Palaver führen konnte.

Er saß ab, überließ die Zügel seines Mustangs einem

herbeilaufenden Soldaten und verneigte sich leicht vor dem
Zug Soldaten.

Ein bulliger Sergeant betrachtete den Jefe mißtrauisch, trat

heran, salutierte und sagte: »Häuptling, ich habe die Ehre, Sie
zu Colonel Ballinger zu führen. Der Kommandant erwartet
Sie.«

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114

»Danke, Sergeant«, antwortete Cochise, »ich fühle mich

geehrt. Und wenn die beiden Pferdesoldaten auf Wache lernen,
daß Kugeln auch töten können, wird ihre Ausbildung noch
besser sein.«

Der Sergeant lief rot an, beherrschte sich aber und

marschierte steifbeinig vor dem Indianer her.

Eine Ordonnanz riß die Tür zur Kommandantur auf und

salutierte.

»Häuptling«, sagte der Sergeant fast flehend, »bringen Sie

Nachricht von unseren Männern? Was ist mit Ihnen?«

Cochises Gesicht schien sich zu verdüstern, als er leise

erwiderte: »Vier leben noch. Alle anderen sind tot. Sie starben
von der Hand unserer Feinde. Caddos und Wichitas waren in
das Land der Aravaipas eingedrungen. Sie kommen niemals
mehr wieder.«

Cochise wandte sich ab, als er die Trauer im Blick des

weißen Soldaten sah. Dem Kommandanten, Colonel Terence
Ballinger, berichtete er mit nüchternen Worten und kurzen
Sätzen, was sich in den letzten Tagen in Eskaminzins Gebiet
zugetragen hatte.

Cochise vergaß nicht zu berichten, Wie die feindlichen

Indianer gestorben waren. Und er vergaß auch nicht, John
Haggerty zu erwähnen, der bereits auf dem Ritt zu General
Howard war. Nur von der Goldmine sagte er kein Wort.

Colonel Ballinger dankte dem Führer der Stämme für seinen

Einsatz.

»Die Überlebenden, sind sie transportfähig?« wollte der

Oberst anschließend wissen.

Cochise erwiderte lächelnd: »Jetzt noch nicht. In zweimal

sieben Tagen reiten sie allein hierher. Sie sind bei Freunden,
Colonel. Der Stamm der Aravaipas sorgt für sie.«

»Ich wünschte, wir Soldaten hätten mehr solche Freunde«,

sagte der Oberst leise, und Cochise lächelte gedankenverloren.

Denn er sah in der Zukunft wieder nur Kämpfe und Blut,

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115

wenn die weißen Eroberer ihrer Gier nach Land und Gold
keine Zügel anlegten.

ENDE


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