Apache Cochise 32 Geistertanz im Cheyenne Lager

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Frank Callahan

Geistertanz im Cheyenne-

Lager

Apache Cochise

Band Nr. 32

Version 1.0

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3

Prolog

Ihr Land war es, in das Mexikaner und Amerikaner
eindrangen. Das Land ihrer Väter. Karstig und elend,
wasserarm und unfruchtbar schmorte es unter heißer
Arizonasonne. Wüste, bizarre Klippen, himmelansteigende
Berge und Giftschlangen. Trotzdem verteidigten sie es mit der
Stärke ihrer Seele und dem wilden Schlag ihrer Herzen. Zu
diesem Zeitpunkt waren sie längst keine Athapasken mehr,
sondern deren Nachfahren: Apachen.

Sie selbst nannten sich T'Inde – Volk, auch Naizhan – Unsere

Rasse. Und sie besiedelten ein Land so groß wie Deutschland
und Frankreich zusammen. In diesen ihren Jagdgründen
leisteten sie Eindringlingen Widerstand und verteidigten jeden
Fußbreit Boden mit ihrem Herzblut.

Zur Zeit der Handlung unserer Geschichte APACHE

COCHISE lebten 6000-7000 Apachen, die in Arizona und
Neumexiko Angst und Schrecken verbreiteten, besonders im
amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet und weit in Sonora,
bis hinunter zur Sierra Madre Occidental.

Ihren Haß gegen die Nachfahren der Spanier und den

Erzfeind, die Comanchen, übertrugen sie auf ihre neuen
Unterdrücker. Von ihnen ist die Rede in unserer Serie. Sie ist
die historiengetreue Basis der Thematik APACHE COCHISE.

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***

Ein Pfeil sirrte heran, traf die Brust des Mannes und setzte
seinem Leben ein Ende. Der Getroffene sackte in sich
zusammen. Die Zügel rutschten aus den sich öffnenden
Händen.

Der Beifahrer auf dem Kutschbock des Ranchwagens starrte

auf den wippenden Pfeilschaft und wirkte für
Sekundenbruchteile wie gelähmt. Er wollte seine Parker Gun
hochreißen und auf die huschenden Schatten feuern, die aus
dem Boden zu wachsen schienen, doch er schaffte es nicht.

Zwei weitere Pfeile zischten heran und bohrten sich in den

Körper des noch jungen Mannes. Sein gellender Aufschrei
verwehte. Er stürzte vom Kutschbock. Staub wölkte auf.

Sechs Männer glitten näher. Ihre Gesichter waren mit grellen

Farben bemalt. Büffelmesser blitzten im ersten Licht des
beginnenden Morgens. Die langen Haare wurden von
Schweißtüchern gebändigt, die an dünngewickelte Turbane
erinnerten.

Die Indianer rissen den toten Fahrer vom Kutschbock.

Andere kümmerten sich um den am Boden liegenden jungen
Mann, dessen Mund zu einem lautlosen Schrei geöffnet war.

Ein Tomahawk zuckte hernieder. Der Weißhäutige fiel auf

den Rücken und hauchte sein Leben aus. Sekunden später
schwenkten die Rothäute die Skalps der Toten.

Zwei von ihnen lösten die Pferde aus dem Geschirr und

trieben sie davon. Die anderen Indianer verschwanden
zwischen Mesquitebüschen, Kakteen und Felsbrocken, als habe
es sie nie gegeben.

Die Toten und der Ranchwagen blieben zurück.
Erste Lichtexplosionen im Osten kündigten den

Sonnenaufgang an. Das schmutzige Grau des Himmels wurde

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heller, wandelte sich langsam in ein intensives Blau.

Kleine dunkle Punkte zeigten sich in der Bläue, näherten sich

rasch und kreisten über dem Ort des Überfalls.

Geier!
Ihr Gekrächze schallte durch den jungen Morgen. Vorsichtig

senkten sich die Aasfresser nieder. Die nackten Köpfe reckten
sich, starrten kaltäugig auf die willkommene Beute, die sich
nicht regte.

Die Geier hüpften näher.

*

Der einsame Reiter zügelte sein Pferd und richtete seinen
Oberkörper kerzengerade auf.

Der Mann wirkte großgewachsen, hatte breite Schultern und

eine schlanke Taille. Braune, gewellte Haare umsäumten ein
schmales, bartloses Gesicht in dem zwei energisch blickende
Augen funkelten.

Der staubige Stetson hing von der Fangschnur gehalten auf

dem Rücken. John Haggerty, der ehemalige Chiefscout von
General Oliver O. Howard, wischte sich über die Stirn, auf der
feine Schweißperlen schimmerten.

Obwohl es noch früh am Tag war, meinte es die Sonne

bereits zu gut. Wie eine glühende Fackel stand sie am Himmel,
um Mensch und Tier das Mark aus den Knochen zu saugen.

Eine Klapperschlange kroch aus ihrem Erdloch. Ihr

warnendes Rasseln durchdrang die Stille.

Haggerty griff fester in die Zügel und beruhigte sein

schnaubendes Pferd.

»Vorwärts, Alter«, murmelte der großgewachsene

Westmann. »Bis nach Tres Alamos sind es nur noch wenige
Meilen. Dort werden wir beide eine längere Ruhepause
einlegen, die wir uns verdient haben. Außerdem freue ich mich,
meinen alten Freund Nat Baxter wieder einmal zu sehen. Wir

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haben uns seit langer Zeit aus den Augen verloren. Ich bin
gespannt, ob er noch immer das Gesetz in Tres Alamos
vertritt.«

Der Rapphengst hob und senkte den Kopf, als habe er die

Worte seines Herrn verstanden. Es war aber nur die sanfte
Stimme von John Haggerty, die das Tier beruhigt hatte.

Der ehemalige Chiefscout, der offiziell nicht mehr der

Armee angehörte, aber im Sonderauftrag von General Howard
durch den Südwesten trailte, um Frieden zwischen Weiß und
Rot zu stiften und um größere Konflikte zu verhindern, ritt
schneller.

Vor einigen Stunden hatte er den San Pedro River

durchfurtet. Zu seiner Linken lagen die Santa Catarina
Mountains. Wenn er seinen Blick nach Rechts wandte, konnte
Haggerty in der Ferne die Ausläufer der Dragoon Mountains
erkennen.

John parierte seinen Rapphengst, als er dunkle Punkte am

Himmel sah. Er erkannte auch einen dunklen Gegenstand, der
dicht in der Nähe einer Buschinsel verhielt.

John Haggertys Interesse wurde schlagartig geweckt. Die

Vögel konnten nur Geier sein. Und wenn die Aasfresser
auftauchten, bedeutete das meistens, daß der Tod in irgendeiner
Form bei Mensch oder Tier zugeschlagen hatte.

Er zog seine Winchester aus dem Scabbard und sah sich nach

allen Seiten um, obwohl er so dicht vor Tres Alamos nicht mit
einem Angriff der Apachen rechnete. Außerdem wußten die
Chiricahuas und Mimbrenjos, daß Haggerty ein Freund
Cochises war.

Einige Minuten später näherte sich der einsame Reiter einem

Ranchwagen, der ohne Pferde halb aus einer Senke
hervorragte. Haggertys Blicke wurden noch wachsamer.

Er glitt aus dem Sattel und schlich vorsichtig näher. Die

Aasfresser krächzten wütend, schwangen sich in die Lüfte, um
einige Pferdelängen entfernt wieder zu Boden zu schweben.

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John Haggerty biß sich auf die Unterlippe, als er die beiden

Toten fand. Sie sahen nicht schön aus, denn die Geier hatten
mit ihrer grausigen Mahlzeit bereits begonnen.

Der ehemalige Armee-Scout starrte auf die skalpierten

Männer und sah die Pfeilschäfte, die noch in den Körpern der
Toten steckten. Ein Schauer durchlief den harten Mann,
obwohl er schon so oft in seinem ereignisreichen Leben mit
dem Tod konfrontiert worden war.

Er fand auf dem Ranchwagen einige Decken, in die er die

Toten einwickelte und zur Ladefläche des Wagens brachte.

Immer wieder sah sich Haggerty um. Natürlich wußte er, daß

der Überfall noch nicht lange zurücklag. Er suchte nach Spuren
und stellte schnell fest, daß es sechs oder sieben Rothäute
gewesen waren, die aus dem Hinterhalt die beiden
Bleichgesichter überfallen hatten. Den Weißen schien keine
Chance geblieben zu sein, um sich gegen die Angreifer zu
wehren.

John Haggerty trat zu seinem Rapphengst und tätschelte ihm

sanft den schlanken Hals. Das Tier rieb die Nüstern an den
Schultern des großgewachsenen Mannes.

»Ich werde dich vor den Wagen spannen müssen, mein

Guter«, murmelte John Haggerty. »Es ist die einzige
Möglichkeit, um die Toten mit nach Tres Alamos zu nehmen.
Ihr Trail führte in diese Richtung. Und ich hoffe, mein Guter,
daß du da mitspielst, denn ich kann den Ranchwagen nicht
ziehen.«

Kurze Zeit darauf saß der ehemalige Scout auf dem

Kutschbock und trieb sein Pferd an, das auch willig antrabte.
Der Ort des Überfalls blieb zurück.

Die Geier kreisten noch einige Zeit, verfolgten den Wagen,

ehe sie davonflogen, irgendeiner neuen Beute entgegen.

*

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Cochise zügelte seinen Mustang.

Wie versteinert saß er auf dem Pinto. Nur der mächtige

Brustkorb des großgewachsenen und breitschultrigen Indianers
bewegte sich. Die dunklen Augen blickten über das vor ihm
liegende Land, das wild, einsam und zerklüftet vor dem
Häuptling der Apachen lag.

Kakteen, Mesquitebüsche und verkrüppelte Bäume glichen

Farbtupfern in der wüstenähnlichen Einöde.

Eine Eidechse schob sich zwischen zwei Felsbrocken hervor

und huschte schnell davon.

Neben dem Jefe der Chiricahuas hielt ein weiterer Reiter

seinen Mustang an. Der Mann war jünger, gerade dem
Knabenalter entwachsen und ähnelte Cochise sehr.

Es war sein Zweitältester Sohn Naiche, der den Chief

forschend ansah.

»Woran denkst du, Vater?« fragte er.
Es war ein wissendes Lächeln, das die Lippen des Indianer-

Häuptlings teilte. Er, wie auch sein Sohn, waren mit grauen
Calicohemden, wollenen Hosen und kniehohen
Wüstenmokassins bekleidet. Farbige Schweißtücher wanden
sich um die Stirn und bändigten die langen schwarzen Haare
der beiden Apachen.

»Wir reiten nun seit Tagen durch unser Land, mein Sohn. Ich

frage mich, ob die Gerüchte stimmen, daß Apachen hier in
dieser Gegend die Weißhäutigen erschlagen, wo immer sie
diesen begegnen. Wir haben nichts entdecken können, was
diesen Verdacht erhärtet.«

Naiche nickte zögernd.
»Wir können nicht überall sein, Vater. Wir wissen genau,

daß es keine Krieger der Chiricahuas sind, die Tod und
Verderben bringen. Aber es gibt noch andere Stämme, die
daran interessiert sind, die Auseinandersetzung zwischen den
Apachen und den Weißhäutigen zu schüren.«

Nun nickte auch der Häuptling der Apachen.

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»Du denkst an Victorio und seine Mimbrenjos. Er soll sich

aber viel weiter westlich mit seinen Kriegern aufhalten. Laß
uns weiterreiten. Vielleicht ist es auch nur eine
zusammengewürfelte Kriegerschar, die nur auf Beute aus ist
und gar nicht weiß, was sie mit den Überfällen
heraufbeschwört. Die Weißen werden nicht stillhalten, sondern
sich wehren und auf jeden roten Krieger die Jagd eröffnen. Sie
fordern Blauröcke an. Der einarmige General wird sich dann
nicht mehr an den Vertrag mit uns halten und glauben, daß wir
ihn wissentlich gebrochen haben.«

Cochise ließ seinen Pinto angehen. Naiches Mustang folgte

sofort. Die beiden Apachen ritten Seite an Seite.

Seit Tagen durchkämmten sie das Land östlich der Galiuro

Mountains, ohne auch nur einem Indianer zu begegnen. Hin
und wieder sahen sie Bleichgesichter, vor denen sie sich aber
geschickt verbargen.

Cochise wollte aber noch nicht aufgeben. Wieder einmal

stand der Ungewisse Frieden auf dem Spiel. Der Häuptling der
Chiricahuas hatte davon gehört, daß eine Indianerbande alle
Weißen überfiel und niedermetzelte.

Und er mußte diese Krieger finden und zur Rechenschaft

ziehen, um einen neuen Krieg mit den Bleichgesichtern zu
verhindern.

*

Tres Alamos war eine kleine Ansiedlung in der Nähe des
Ewells Passes am San Pedro River gelegen. Weiter östlich
reckten sich die Berggipfel der Limestone Mountains in den
blauen Himmel.

John Haggerty erreichte auf seinem schwankenden Gefährt

die ersten Häuser von Tres Alamos. Sein Rapphengst hatte die
ungewohnte Aufgabe gut gelöst.

Einige Bürger der Stadt blieben stehen, als sie den Wagen

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und den fremden Kutscher sahen. Sie erkannten auch die in den
Decken eingehüllten Körper, deren Umrisse sich deutlich
abzeichneten.

So war es nicht verwunderlich, daß sich eine

Menschenmenge ansammelte, als John Haggerty den
Ranchwagen vor dem Sheriff-Office anhielt.

Er kletterte vom Kutschbock.
Ein untersetzter Mann, mit breitflächigem Gesicht und einer

roten Knollennase, schob sich zwischen den Menschen
hindurch und blieb vor Haggerty stehen.

Er deutete auf den Wagen.
»Was ist geschehen?« fragte er ruhig. »Das ist der

Ranchwagen von Burt Taylor und seinem Sohn Jesse.«

John Haggerty berichtete mit wenigen Worten, wo er die

Toten gefunden hatte. Er sah die Abscheu und auch die
Empörung in den Gesichtern der umstehenden Menschen.

Eine schon ältere Frau bekreuzigte sich. Einer anderen

rannen Tränen über die bleichen Wangen.

Der Knollennasige zupfte an seinem Gesichtserker und

wandte sich an John Haggerty, nachdem er einigen
umstehenden Männern die Anweisung gegeben hatte, die Toten
zum Sargmacher zu bringen.

»Wir haben schon mehr als zehn Tote zu beklagen«, sagte er

schrill. »Dazu kommen noch über ein Dutzend Verwundete.
Die Apachen töten jeden Weißen, dem sie begegnen. Bald ist
es soweit, daß wir Tres Alamos nicht mehr verlassen können,
ohne in Gefahr zu geraten, umgebracht zu werden.«

Der untersetzte Mann schneuzte sich und blickte Haggerty

aus funkelnden Augen an.

»Natürlich haben wir schon Jagd auf die verdammten

Rothäute gemacht, doch wir hatten keinen Erfolg. Sobald mehr
als zehn bewaffnete Männer die Stadt verlassen, sind diese
roten Teufel spurlos verschwunden. Wir wissen uns nicht mehr
zu helfen.«

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Ein schlanker Mann, der schon fast dürr wirkte, schob sich

neben den Knollennasigen.

»Hör zu, Harper«, zischelte er. »Das Maß ist voll. Wir

müssen unbedingt Militär nach Tres Alamos holen, damit diese
verdammten Bestien ein für allemal zum Teufel gejagt werden.
Du bist unser Bürgermeister. Warum unternimmst du nichts?
Sollen wir erst alle massakriert werden, ehe du die Blaubäuche
verständigst?«

Der Dürre blickte John Haggerty finster an, als träfe ihn die

Schuld an dem grauenhaften Geschehen.

»Wer sind Sie, Mister?« fragte er barsch.
John wollte keinen Streit, daher sagte er freundlich: »Mein

Name ist John Haggerty. Ich will hier in Tres Alamos für
einige Tage eine Ruhepause einlegen.«

John ließ die beiden Männer stehen und stieg die Stufen zum

Sidewalk hinauf. Er klopfte gegen die Tür des Sheriff-Offices.

Der dürre Bursche rief: »Das Hotel ist auf der anderen

Straßenseite, Mister.«

Nun reichte es John Haggerty. Sein Körper straffte sich, als

er sich dem unfreundlichen Zeitgenossen zuwandte.

»Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Mist, Mister. Und

wenn Sie Ärger suchen, können Sie ihn haben!«

Der dürre Mann wandte sich ab und stiefelte davon. Der

Knollennasige trat zu Haggerty.

»Richy Valentine meint es nicht so, Mr. Haggerty. Er ist

gegen jeden Fremden. Wenn Sie zum Sheriff wollen, dann
haben Sie Pech. Nat Baxter liegt drüben beim Doc. Er wurde
aus dem Hinterhalt schwer angeschossen. Er kämpft gegen den
Sensenmann an. Und es ist noch nicht sicher, wer diesen
Kampf gewinnen wird.«

John Haggerty erschrak, als er das hörte.
»Nat ist ein guter Freund von mir. Ich verdanke ihm viel.

Wir haben uns aber in den letzten Jahren aus den Augen
verloren. Natürlich wußte ich, daß er hier Sheriff ist. Ich

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besuche ihn.«

»Dort drüben das kleine Haus. Vielleicht wird Ihnen der Doc

erlauben, mit Nat zu sprechen.«

*

»Der Sheriff ist bei Bewußtsein, Mr. Haggerty, doch es geht
ihm noch sehr schlecht. Er braucht viel Ruhe und wird noch
einige Wochen auf der Nase liegen. Sie können mit ihm
sprechen, aber bitte nicht zu lange.«

Der ehemalige Armee-Scout nickte dem kleinwüchsigen Doc

zu, der seine Nickelbrille auf der kurzen Nase zurechtrückte
und freundlich lächelte.

»Besuch für dich, Nat«, sagte Doc George Henderson später.
Der Arzt nickte John aufmunternd zu und verließ geräuschlos

das abgedunkelte Krankenzimmer. John Haggerty blickte auf
das bleiche Gesicht seines Freundes, das sich kaum von dem
weißen Bettlaken abhob.

Nat Baxters Wangen wirkten eingefallen. Die Augen blickten

trübe und lagen tief in den Höhlen.

»Ich bin es, Nat, dein alter Freund John Haggerty. Erkennst

du mich?«

Der Sheriff von Tres Alamos blickte John starr an, ehe ein

leichtes Lächeln seine Lippen teilte. Eine magere Hand kroch
unter dem Laken hervor, die John leicht drückte.

Er zog sich einen Stuhl herbei.
»Unser Wiedersehen habe ich mir aber ganz anders

vorgestellt, Nat«, sagte John ernst. »Dir geht es nicht besonders
gut, alter Junge. Kann ich etwas für dich tun?«

Der Sheriff räusperte sich. Seine Stimme klang knarrend wie

eine verrostete Tür, die schon seit Hunderten von Jahren nicht
mehr geöffnet worden war.

»Schön, dich zu sehen«, flüsterte Nat Baxter. »Irgendein

Hundesohn jagte mir eine Kugel in den Rücken. Ich hatte keine

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Chance. Beinahe wäre ich draußen in der Wildnis elend
verreckt.«

Nat Baxter atmete schwer. Seine Wangen röteten sich leicht.

Er tastete mit seiner Hand nach Johns Arm.

»Es gehen schlimme Dinge in Tres Alamos und in der

näheren Gegend vor. Es sieht so aus, als wollten die Apachen
uns alle umbringen. Die Überfälle dauern schon Wochen. Und
nun bin auch ich noch ausgefallen. Es …«

Seine Stimme verstummte. Baxter schloß die Augen. John

glaubte schon, daß sein Freund eingeschlafen war, als der
verwundete Sheriff wieder die Augen öffnete.

»Ich falle noch einige Wochen, vielleicht Monate aus, John.

Willst du mir wirklich helfen?«

»Wenn es in meiner Macht steht, Nat, will ich alles für dich

tun. Du hast mir vor Jahren einmal das Leben gerettet. Wie
könnte ich das je vergessen.«

Der Verwundete versuchte seinen Oberkörper aufzurichten,

doch er schaffte es nicht. Schwer atmend fiel er auf das Kissen
zurück. Das Laken verschob sich dabei.

John sah den breiten Verband, der sich um die Brust des

Sheriffs schlang.

Ȇbernimm meinen Job, John. Du sollst mein Stellvertreter

werden, bis ich wieder auf den Beinen stehe. Moment, laß
mich ausreden. Der Stadtrat wird zustimmen, denn es findet
sich niemand, der meinen Posten übernehmen will. Jeder
fürchtet sich davor, ebenfalls eine Kugel aus dem Hinterhalt
abzubekommen.«

John Haggertys Gesicht wirkte für einige Sekunden

verkniffen. Er dachte daran, daß er auf dem Weg zu Cochise
war, um mit ihm über die Ereignisse der letzten Wochen zu
sprechen. John dachte auch daran, daß er sich auf ein
Wiedersehen mit Tla-ina, Cochises Schwester, sehr freute.

»Ich kann dich nicht dazu zwingen, John«, fuhr Nat Baxter

leise und mit schwacher Stimme fort. »Wenn du ablehnst, bin

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ich dir auf keinen Fall böse. Du wirst deine Gründe dafür
haben. Nur, du würdest nicht nur mir einen Gefallen erweisen,
sondern auch allen – fast allen – Bürgern dieser kleinen Stadt.
Du bist schon immer ein Mann gewesen, der mit den Indianern
zu sprechen verstand. Ich glaube nicht einmal daran, daß es
Chiricahuas oder Mimbrenjos sind, die immer wieder
gnadenlos zuschlagen. Ich kenne des Rätsels Lösung nicht.
Aber es muß mehr dahinterstecken.«

John Haggerty ergriff die bleiche Hand des Freundes. Sie

fühlte sich kalt an.

»Ich überlege es mir, Nat. Ruhe dich erst mal aus. Ich melde

mich später wieder. Einverstanden, alter Freund?«

Der einstige Chiefscout lächelte herzlich. Nat Baxter schloß

die Augen. Das lange Gespräch hatte viel von seinen Kräften
verbraucht.

John verließ das Zimmer und stand kurze Zeit darauf Doc

Henderson gegenüber, der ihm einen Drink anbot.

»Sie sind ein Freund von Nat?« fragte der Arzt.
»Ein guter Freund«, erwiderte Haggerty. »Uns beide

verbindet sehr viel. Ich sorge mich sehr um ihn. Bitte sagen Sie
mir ehrlich, ob er es schaffen wird.«

»Ich bin zuversichtlich, Mr. Haggerty. Es ist schließlich nicht

das erste Blei, daß Nat schlucken mußte. Ich bringe ihn schon
wieder auf die Beine. Es braucht aber seine Zeit.«

John Haggerty leerte sein Glas und stellte es auf den Tisch

zurück. Er erhob sich und nickte dem Doc zu.

»Danke für den Drink, Doc. Wo finde ich den Bürgermeister

von Tres Alamos?«

»Sein Haus befindet sich neben dem Saloon. Sein Name ist

Clark Harper.«

»Aha, seine Knollennase ist nicht zu übersehen, nicht wahr?«
»Sie kennen Harper?«
»Yeah, Doc, ich habe ihn vorhin getroffen, als ich die beiden

Toten in die Stadt brachte. Vielen Dank für das Gespräch und

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natürlich auch für den Drink.«

*

»Wir wollen eine Rast einlegen, mein Sohn«, sagte Cochise
und sah sich um. »Dort drüben scheint eine Quelle zu sein,
denn der Pflanzenwuchs ist üppig. Unser Ritt ist umsonst
gewesen. Wir müssen umkehren. Dort hinter den Hügeln liegen
die Wicki-ups der Weißhäutigen. Sie nennen die Stadt Tres
Alamos.«

Cochise und Naiche sahen sich um. Die Sonne stand wie ein

gefräßiges Untier am Himmel und sengte heiß hernieder. Die
fernen Hügel flimmerten messingfarben.

Weit und breit war weder Mensch noch Tier zu sehen. Alles

Leben verkroch sich bei dieser Hitze, bis auf einige
Klapperschlangen, die sich auf großen Felsbrocken sonnten
und gar nicht genug von der Hitze bekommen konnten.

Cochise und Naiche trieben ihre Mustangs an. Schnell

näherten sie sich einer Waldinsel, die aus verkrüppelten
Kiefern bestand. Farne und niedrige Büsche wuchsen im
weiten Rund.

Cochise parierte plötzlich seinen Pinto. Das gefleckte Tier

spitzte die Ohren. Es schien, als witterten der Häuptling der
Chiricahuas und das Tier die drohende Gefahr.

Doch es war bereits zu spät.
Acht Männer schoben sich hinter Büschen, Bäumen und

Felsbrocken hervor. Gewehre und Revolver richteten sich auf
die beiden Apachen, die regungslos in den Sätteln saßen.

Naiches Hand tastete zum Gewehr, das über seinen Knien

lag. Cochise schüttelte den Kopf. Er sah ein, daß Gegenwehr
nur den sicheren Tod bedeuten würde.

Sie steckten in einer tödlichen Falle, aus der es kein

Entkommen mehr gab.

»Wir ergeben uns«, bestimmte Cochise. »Ich versuche mit

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den Weißen zu verhandeln. Wenn Sie uns töten wollten, hätten
sie es bereits getan. Laß mich sprechen, Sohn!«

Die acht Männer schoben sich näher. Es waren harte

Burschen, stoppelbärtig und mit brutalen und verschlagenen
Gesichtern. Nach wie vor waren ihre Waffen auf die beiden
Indianer gerichtet.

»Wenn ihr auch nur eine falsche Bewegung macht, füllen wir

euch mit Blei«, stieß ein breitschultriger Mann hervor. Er
schob seinen Stetson lässig in den Nacken und wippte auf den
Zehenspitzen.

»Endlich haben wir zwei von euch Hundesöhnen erwischt,

die seit Wochen hier die Umgebung unsicher machen.«

Er wandte sich an seine grinsenden Gefährten.
»Das sind bestimmt Kundschafter, die einen neuen Überfall

austüfteln sollen. Wir fesseln die roten Bastarde und nehmen
sie mit nach Tres Alamos. Hey, das wird ein Fest geben, wenn
wir diese Halunken anschleppen. Dann wird auch der letzte
Schwachkopf davon überzeugt sein, daß es wirklich rote
Bastarde sind, die seit Wochen das Land in Angst und
Schrecken versetzen.«

»Wir haben mit den Überfällen nichts zu tun«, sagte Cochise

in gut verständlichem Englisch. »Mein Sohn und ich haben
davon gehört und suchen die Männer, die für diese Untaten
verantwortlich sind.«

Der breitschultrige Mann lächelte spöttisch. Cochise mußte

sich sehr zusammennehmen, um nicht die Kontrolle über sich
zu verlieren. Er warf seinem Sohn einen kurzen Blick zu.

Naiche war zum Kampf bereit, auch wenn er wußte, daß es

keine Möglichkeit gab, ihn zu gewinnen. In seinen Augen
brannte das ungestüme Feuer der Jugend.

»Ihr seid festgenommen, ihr roten Teufel. Wir bringen euch

in die Stadt. Dort wandert ihr erst mal ins Jail. Natürlich werdet
ihr dort nicht lange bleiben. Ich bin sicher, daß ihr bald
baumelt. Daran geht kein Weg vorbei. Und nun laßt die

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Gewehre fallen, sonst wird es hart für euch!«

Niemand sollte es dem Häuptling der Apachen als Feigheit

auslegen, als er sein Gewehr zu Boden fallen ließ. Es gab keine
Chance, sich zur Wehr zu setzen. Es hätte den sicheren Tod
bedeutet.

Cochise nickte seinem Sohn zu. Auch Naiches Gewehr

polterte zu Boden.

Die acht Weißen grinsten zufrieden. Einer hob die Gewehre

auf und hängte sie sich über die Schulter.

»Runter von den Gäulen!« schnarrte die Stimme des

Breitschultrigen. »Wir wollen euch fesseln.«

Naiche war es, der alles auf eine Karte setzte. Er trieb seinen

Mustang an, der auf die Männer zupreschte. Zwei der
Weißhäutigen sprangen zur Seite, einer wurde umgeritten,
während einer der Burschen blitzschnell handelte.

Er warf sich nach vorn und erwischte Naiches Bein. Der

Sohn des Apachenhäuptlings wurde vom Pferderücken
gerissen. Er landete hart am Boden, überschlug sich, denn sein
Gegner hatte den Fuß losgelassen, und sprang wie ein Puma
wieder auf die Beine.

»Nicht schießen«, bellte die Stimme des breitschultrigen

Mannes. »Wir brauchen die Bastarde lebend.«

Das war das Zeichen für Cochise mitzumischen. Er sprang

auf zwei der Weißen zu und knallte deren Köpfe
gegeneinander, daß die Kerle bestimmt die Engel im Himmel
singen hörten.

Obwohl sich die beiden Apachen wie die Teufel wehrten, sie

schafften es nicht, sich gegen die Überzahl der weißen Männer
durchzusetzen.

Naiche erhielt einen Revolverlauf über den Schädel gezogen,

während drei Bleichgesichter den Apachenhäuptling unter sich
begruben und gnadenlos auf ihn einschlugen.

Als sie schließlich von den Chiricahuas abließen, blieben

Cochise und Naiche bewußtlos am Boden liegen.

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»Das wäre beinahe schiefgegangen«, murrte Sam Crown, der

breitschultrige Bursche. »Der junge Apache hat eine ganze
Menge Mut bewiesen.«

»Er war ein Narr«, sagte einer der anderen Männer.

»Normalerweise hätte ich ihn wie einen räudigen Hundebastard
abgeknallt. Die beiden hatten keine Chance. Der ältere Indianer
hat das erkannt. Erst als er hörte, daß wir sie lebend wollen,
griff er in den Kampf ein.«

Sam Crown nickte mehrmals.
»Unsere Aufgabe ist erfüllt, Jungs. Wir haben zwei der

Hundesöhne erwischt und bringen sie nach Tres Alamos. Sie
werden hängen. Vielleicht gibt das den anderen Rothäuten zu
denken.«

Er schmunzelte, während seine sieben Partner in rauhes

Gelächter ausbrachen.

»Bindet die Hundesöhne quer über die Pferderücken. Los,

Jungs, wir haben wirklich keine Zeit zu verlieren.«

Einige Minuten später setzte sich der Reitertrupp in

Bewegung und hielt auf Tres Alamos zu.

Cochise und Naiche waren noch immer bewußtlos. Der Trail

führte einem Ungewissen und vielleicht tödlichen Ziel
entgegen.

*

»Nachdem Sie den Eid geschworen haben, Mr. Haggerty, sind
Sie nun Deputy Sheriff von Tres Alamos. Stecken Sie sich den
Stern an Ihre Jacke. Ich hoffe, daß Sie die große Gefahr, in der
wir alle schweben, abwenden werden.«

Der knollennasige Clark Harper streckte John Haggerty seine

Rechte entgegen, die dieser ergriff. Der Händedruck zwischen
den beiden so ungleichen Männern war fest und herzlich.

»Ich danke Ihnen für das Vertrauen, Mr. Harper«, entgegnete

John Haggerty.

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Der Bürgermeister von Tres Alamos lächelte.
»Warum so förmlich? Nennen Sie mich Clark. Und ich

würde mich freuen, wenn ich John zu Ihnen sagen dürfte.«

»Einverstanden.«
»Das müssen wir begießen, John«, erwiderte Clark Harper.

»Nat Baxter hält sehr viel von Ihnen. Sie sollen ihn gegen
Abend nochmals aufsuchen. Er möchte mit Ihnen sprechen.«

Die beiden Männer prosteten sich zu. John Haggerty

befestigte den Sheriffstern an seiner Jacke. Irgendwie beschlich
ihn ein komisches Gefühl. Zum erstenmal in seinem Leben trug
er den Stern eines Gesetzeshüters.

Und er nahm sich in diesen Sekunden vor, Nat Baxter gut zu

vertreten und Unheil von Tres Alamos abzuwenden.

John wandte sich an Clark Harper, der zum Fenster

hinausspähte. Auf der Main Street war kaum Betrieb. Noch
immer brütete die Sonne heiß hernieder.

»Sind es wirklich nur die Indianer, die der Stadt so zu

schaffen machen?« wollte Haggerty wissen.

Eine tiefe Falte kerbte Clark Harpers Stirn genau über der

Nasenwurzel.

»Sie kennen Land und Leute, John. Es gibt immer

verschiedene Strömungen und Interessengemeinschaften. So
auch hier in Tres Alamos und in der näheren Umgebung. Ich
weiß nicht, warum die Apachen plötzlich über uns herfallen,
denn sie haben uns in den letzten Jahren toleriert, im großen
und ganzen in Ruhe gelassen. Natürlich betrachten sie uns als
Eindringlinge in das Land ihrer Ahnen, um es einmal so
auszudrücken. Finden Sie den Grund, warum die Rothäute
verrückt spielen. Dann sind Sie des Rätsels Lösung sehr nahe.«

John Haggerty wirkte ein wenig enttäuscht. Er hatte gehofft,

nähere Einzelheiten von Clark Harper zu erfahren. Der neue
Sheriff von Tres Alamos erhob sich.

»Ich spreche nochmals mit Nat Baxter. Vielleicht weiß er

mehr. Es muß einige Gents geben, denen er im Weg war.

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Bestimmt haben die Apachen mit dem heimtückischen Schuß
aus dem Hinterhalt nichts zu tun. Sie hätten Nat getötet und
sich seinen Skalp geholt.«

Der Bürgermeister nickte.
»Das sind auch meine Überlegungen, John. Achten Sie gut

auf sich. Niemand ist gegen eine Kugel gefeit und schon gar
nicht, wenn sie aus sicherer Deckung abgefeuert wird.«

John Haggerty verließ gemeinsam mit Clark Harper sein

Office. Draußen wehte ihm der heiße Atem des Tages
entgegen. Kein Wölkchen zeigte sich am Himmel.

Die Straßen und Gassen von Tres Alamos wirkten wie

ausgestorben. Nur ein Hund von undefinierbarer Rasse
schleppte schwer an einem Knochen und verkroch sich unter
dem Sidewalk.

Doc Henderson lächelte freundlich, als er den Besucher

erkannte. Sein Blick zeigte Überraschung, als er den
Sheriffstern auf Haggertys Jacke sah.

»Ich möchte nochmals mit Nat sprechen, wenn es irgendwie

möglich ist, Doc. Es ist sehr wichtig.«

»Kommen Sie, Sheriff. Nat ist aufgelebt, seitdem er Sie in

der Stadt weiß. Sie wirken auf ihn, als wären Sie eine
ausgezeichnete Medizin. Ich glaube nicht, daß Ihr Besuch ihm
schaden wird.«

Nat Baxter winkte John zu, während sich ein leichtes

Lächeln um seine Mundwinkel legte.

»Du hast den Stern genommen, Freund John«, sagte er leise.

»Ich danke dir. Das vergesse ich dir nie. Nun weiß ich Tres
Alamos in guten Händen.«

Der Verwundete schloß für einen Moment die Augen. Das

Sprechen strengte Nat Baxter sehr an. Trotzdem redete er
wenige Sekunden später weiter.

»Hör gut zu, John. Ich bin fest davon überzeugt, daß die

Angriffe der Indianer von irgendwelchen weißen Hundesöhnen
in Szene gesetzt werden. Das sind weder Chiricahuas, noch

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21

Mimbrenjos, die alle Bleichgesichter totschlagen.«

»Du glaubst an irgendwelche roten Banditen, an

Ausgestoßene der verschiedenen Stämme, die auf eigene
Rechnung morden, nur um große Beute zu machen?«

»So ähnlich, John. Es ist nur ein Verdacht, den ich

ausspreche und den ich auch nicht beweisen kann: Ich werde
den Eindruck nicht los, daß Weiße dahinterstehen.«

John Haggerty setzte sich auf einen Stuhl und stützte den

Kopf in beide Hände. Sein Blick war auf den grauen Fußboden
gerichtet.

»Das ist wirklich ein übler Verdacht, Nat. Dafür müßte es

aber einen Grund und ein Motiv geben. Welche Interessen
könnten unsere eigenen Landsleute verfolgen, wenn sie die
Indianer aufwiegeln, so gegen alle Weiße in der Umgebung
von Tres Alamos vorzugehen?«

»Ich habe darüber lange nachgedacht, John. Die Indianer

sind uns Eindringlingen ein Dorn im Auge. Das ist klar. Wir
drängen die Rothäute immer mehr zurück. Hier in der Nähe
von Tres Alamos wurde vor über einem Jahr Gold gefunden.
Die Indianer erfuhren das sehr rasch und schlugen gnadenlos
zu. Sie wissen, daß sofort Hunderte und noch mehr
Bleichgesichter wie ein Heuschreckenschwarm in ihr Land
einfallen würden, um nach dem gelben Metall zu suchen. Es
gab nur einen oder zwei Überlebende. Diese Goldmine soll
dreißig Meilen von hier entfernt sein. Niemand kennt die
genaue Lage.«

Nat Baxter blickte seinen alten Freund fest an.
»Nehmen wir aber mal an, daß jemand weiß, wo die Mine

liegt. Es ist ihm unmöglich an das Gold heranzukommen, da es
die Apachen nicht dulden würden. Dieser Unbekannte bringt
ein Spiel in Gang, so wie es momentan hier läuft. Er spekuliert
darauf, daß bald die Armee hier auftaucht und mit eisernem
Besen kehrt. Die Blaubäuche jagen die Indianer weiter nach
Norden. Dann wird der Weg zum Gold frei. Das sind meine

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22

Überlegungen, John. Wie gesagt, es gibt keine Beweise dafür.
Vielleicht liege ich auch völlig falsch.«

»Interessant, Nat«, sagte John Haggerty. »Du hast mir sehr

geholfen. Nun tappe ich nicht mehr so sehr im dunklen. Wer
könnte dahinterstecken?«

»Achte auf Richy Valentine, John. Es ist ein baumlanger und

meist sehr unfreundlicher Bursche. Ihm gehören der Saloon
und auch der General Store. Er hat viel zu sagen und gehört
auch dem Stadtrat an. Er will, daß die Armee alles in die Hände
nimmt. Es ist aber nur ein Verdacht, der durch nichts zu
beweisen ist.«

John Haggerty dachte an den langen Mann, der ihn bei der

Ankunft in Tres Alamos so unfreundlich behandelt hatte. Der
ehemalige Chiefscout erhob sich.

»Ich melde mich hin und wieder bei dir, Nat. Du hast mir

wirklich sehr geholfen. Ich will alles tun, damit in Tres Alamos
und in der näheren Umgebung wieder Frieden einkehrt.
Vielleicht gelingt es mir, Cochise eine Nachricht zukommen zu
lassen.«

»Du kennst den Häuptling der Chiricahuas?« fragte Nat

Baxter erstaunt.

»Cochise und ich sind gute Freunde. Wir sind oft Seite an

Seite geritten und haben viele gemeinsame Abenteuer erlebt.
Ich war auf dem Weg zu ihm, wollte ja hier in Tres-Alamos
nur eine kurze Stippvisite machen, um mich auszuruhen und
um dich zu besuchen.«

»Ausgezeichnet, John. Cochise soll ein gerechter und fairer

Gentleman sein, wie ich hörte. Er wird wissen, was in seinem
Land vor sich geht. Ich drücke dir die Daumen, daß es dir
gelingt, den Apachenhäuptling zu sprechen. Dann wirst du
klarer sehen.«

Nat Baxters Stimme war in den letzten Minuten immer leiser

geworden. Die Unterredung hatte zuviel Kraft gekostet.

»Ruhe dich aus, alter Freund«, sagte John Haggerty. »Wir

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23

sehen uns später.«

*

Die Hitze ließ nach, denn die Sonne näherte sich bereits den
Gipfeln der Sierra Colorado im Westen und würde dort in
weniger als einer Stunde in einem flammenden Feuermeer
versinken.

John Haggerty erhob sich hinter seinem Schreibtisch.

Mißmutig starrte er auf einen Papierberg, der sich dort
angesammelt hatte. Er war kein Freund von Schreibarbeiten,
obwohl dies natürlich auch zum Job eines Sheriffs gehörte.

Der einstige Chiefscout trat vor sein Office und blinzelte in

die tiefstehende Sonne. Die Main Street füllte sich mit Leben.
Frauen kauften ein. Kinder tollten herum und jagten eine
Katze, die miauend das Weite suchte.

John blickte zum Ortsrand und erkannte eine Staubwolke, die

sich langsam näherte. Haggerty rückte seinen Revolvergürtel
zurecht. Instinktiv fühlte der großgewachsene Mann, daß es
nichts Erfreuliches war, was sich der Stadt näherte.

Zuerst dachte Haggerty an Indianer, verwarf aber diesen

Gedanken. Dazu waren es zu wenige Reiter, die auf Tres
Alamos zuritten. Und er glaubte auch nicht, daß es die
Apachen wagen würden, die Stadt am hellichten Tag
anzugreifen.

John Haggerty wartete geduldig, bis der Reitertrupp die

ersten Häuser der Stadt erreichte. Es waren zehn Reiter, zwei
von ihnen Indianer.

Den Gefangenen waren die Hände auf den Rücken und die

Beine unter dem Pferdebauch zusammengebunden. Um ihren
Hals lagen Lassoschlingen, die an den Sattelhörnern von zwei
Pferden verknotet waren.

John hatte das Gefühl, als greife eine eiskalte Hand nach

seinem Herzen und wolle es ihm aus der Brust reißen. Einen

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Moment lang schloß er die Augen.

Als er sie wieder öffnete, war der Spuk nicht vorbei. Es gab

keine Zweifel, die beiden gefangenen Indianer waren Cochise
und sein Sohn Naiche.

Das mußte der neue Sheriff von Tres Alamos erst einmal

verdauen. Dumpf hämmerten die Hufschläge der Pferde, die
sich langsam dem Office näherten.

Menschen rannten aus den Häusern. Eine immer größere

Menschenmenge sammelte sich, die schweigend den Reitern
folgte.

John trat dem Reitertrupp in den Weg. Er sah es in Cochises

Augen kurz aufblitzen, ehe das Gesicht des Häuptlings der
Chiricahuas wieder wie versteinert wirkte.

Naiche öffnete den Mund. Ein Blick seines Vaters gebot ihm,

zu schweigen.

Der Reitertrupp kam zum Stehen.
John musterte die acht Männer, die alle einen sehr harten

Eindruck machten. Einige grinsten, andere blickten John
Haggerty nicht besonders freundlich an.

Ein breitschultriger Mann schwang sich von einem

starkknochigen Rappwallach und blieb vor Haggerty stehen.

»Gehen Sie aus dem Weg, Mister!« fauchte er. »Wer, gibt

Ihnen das Recht, uns aufzuhalten?«

John tippte gegen seinen Blechstern.
»Das ist wohl ein einleuchtender Grund, Mister?« sagte John

zu Sam Crown. »Ich bin der neue Sheriff dieser Stadt. Und nun
möchte ich erfahren, warum Sie diese beiden Indianer wie
gefangene Tiere in die Stadt schleppen?«

Der bullig wirkende Crown lachte brüllend los. Seine

Begleiter stimmten in dieses rauhe Gelächter mit ein. Crown
schlug sich sogar auf die Oberschenkel.

»Okay, Sternträger, Sie scheinen nicht so richtig informiert

zu sein, was hier in der Umgebung läuft. Ich will Sie aufklären
und Ihnen einen Vortrag halten. Es…«

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»Schon gut, Mister. Ich bin über alles im Bilde. Was haben

Sie diesen Indianern vorzuwerfen?«

Cochise saß noch immer wie versteinert auf dem Rücken

seines Pintos. Er und Naiche ließen keinen Blick von John
Haggerty.

»Sie gehören zu der verdammten Indianerbrut, die jeden

Weißen totschlagen«, schrie Crown. »Wir haben die Kerle vor
der Stadt gestellt. Es sind Späher oder Kundschafter, die alles
für einen neuen Überfall vorbereiten sollen. Wir taten nur
unsere Pflicht und werden herausfinden, was die roten Bastarde
vorhaben.«

Die Menschenmauer um den Reitertrupp und um den neuen

Sheriff von Tres Alamos wurde immer größer. Unwilliges
Gemurmel erfüllte die Stille.

Haßerfüllte Blicke trafen Cochise und Naiche, die stolz auf

den Pferderücken saßen, so weit es ihre Fesseln zuließen.

»Hängt die Hundesöhne auf!« schrie ein Mann. Er schwang

seine Faust drohend in Richtung der Apachen. »Diese roten
Bestien haben den Tod verdient!«

Andere Männer brüllten mit. Die Menschenmauer rückte

näher. John sah das zufriedene Grinsen von Sam Crown.
Haggerty wußte, daß er schnell und vor allem überzeugend
handeln mußte, sonst würden Naiche und Cochise hängen.

Und daß wollte John Haggerty auf keinen Fall zulassen.

*

»Nehmt die Hände von den Indianern«, brüllte Haggerty los,
als einige Männer die beiden Apachen von den Pferderücken
holen wollten. »Was geschieht, bestimme ich als euer Sheriff!«

John Haggertys Stimme klang so hart und klirrend, daß die

Männer erschrocken zurückwichen.

»Auf welcher Seite stehen Sie überhaupt, Sheriff?« fragte

Sam Crown. »Sind Sie vielleicht ein Indianerfreund, Mister?«

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»Ich bin der Sheriff dieser Stadt und Vertrete das Gesetz.

Damit ist wohl alles gesagt. Ich lasse nicht zu, daß in dieser
Stadt jemand gelyncht wird. Ob derjenige von roter oder
weißer Hautfarbe ist, spielt keine Rolle.«

Clark Harper schob sich durch die Menschenmenge und trat

neben John Haggerty. Er warf dem Sternträger einen
undefinierbaren Blick zu und hob beide Hände.

»Beruhigt euch, Leute«, sagte er beruhigend. »Wir sperren

die Rothäute erst einmal in eine Zelle. Dann überlegen wir, was
mit ihnen geschehen soll. Ich finde, das ist ein vernünftiger
Vorschlag.«

Er nickte dem Sheriff zu.
»Das übernehmen Sie, John.«
Haggety wollte zu Cochise und Naiche treten, Sam Crown

versperrte ihm den Weg. Der schwergewichtige Bulle stemmte
beide Hände in die Hüften und wirkte unüberwindlich wie ein
Felsbrocken, der den Weg versperrt.

»Gehen Sie zur Seite, Mister!« befahl Haggerty. »Wenn Sie

noch länger den wilden Mann spielen, verhafte ich Sie.«

Sam Crown staunte, daß ihm die Augen aus den Höhlen zu

quellen schienen. Sein Mund öffnete sich weit. Nikotingelbe
Zähne waren zu bewundern.

»Was?« keuchte er. »Sie wollen einen ehrenwerten Bürger

dieser Stadt einsperren? Sie sind ja total übergeschnappt,
Sheriff. Bei Ihnen fehlen einige Latten im Zaun. Sie setzen
mich auf eine Stufe mit diesem verdammten Indianerpack?«

»Zur Seite«, donnerte Haggertys Stimme.
Sam Crown ballte seine Hände zu Fäusten und hob sie an.

Sie befanden sich nun dicht vor Haggertys Gesicht, der ahnte,
daß der Bulle nicht aufgeben wollte.

John Haggerty zog seinen Revolver. Und er tat es so

blitzschnell, daß er Crown völlig überraschte. Ehe das
Schwergewicht zuschlagen konnte, rammte ihm der Sheriff den
Revolverlauf mit Wucht in den Magen.

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»Noch eine Bewegung und ich drücke ab!« bluffte Haggerty.

»Mir reicht's, Mister. Los, verschwinden Sie. Wenn ich noch
ein falsches Wort höre, wandern Sie ins Jail!«

Das unwillige Gemurmel der vielen Bürger von Tres Alamos

wurde lauter.

Die meisten waren mit der Handlungsweise des neuen

Sternträgers nicht einverstanden.

Es war wieder Clark Harper, der die angespannte Situation

rettete. Er rief: »Hör schon auf, Crown. Es nimmt alles seinen
richtigen Verlauf. Ich danke dir in meiner Eigenschaft als
Bürgermeister dieser Stadt, daß du die Rothäute gefangen hast.
Wir werden eine Lösung finden. Das verspreche ich dir und
auch allen Mitbürgern. Wir sollten aber nicht wie Wilde über
die beiden Gefangenen herfallen. Wollen wir uns wirklich auf
die gleiche Stufe wie diese blutgierigen Gesellen stellen?«

»Hängt die Bastarde auf«, schrie jemand.
John Haggerty erkannte den dürren und baumlangen Rufer,

der die meisten Männer um Kopfeslänge überragte. Es handelte
sich um Richy Valentine.

Sam Crown stand noch immer regungslos. Der Revolverlauf

in seiner Magengegend behagte ihm nicht. John Haggerty las
funkelnden Haß in den Augen des Mannes.

Er hatte nun einen Todfeind. Das wußte der ehemalige

Chiefscout genau.

John trat zurück und halfterte seinen Colt. Für einen Moment

trafen sich Cochises Blick und der von Haggerty. In den
dunklen Augen des Häuptlings der Apachen stand
Anerkennung.

Sam Crown trat nun zur Seite. Seine sieben Gefährten

rutschten aus den Sätteln. Sie griffen ihre Pferde an den Zügeln
und führten sie durch eine sich öffnende Gasse in der
Menschenmauer. Sie stiefelten auf den Mietstall zu. Crown
folgte seinen Partnern, nicht ohne Haggerty noch einen bösen
Blick zuzuwerfen.

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Haggerty nahm den Indianern die Lassoschlingen vom Kopf

und löste Hand- und Fußfesseln. Die Menschen wichen zurück,
als sich Cochise und Naiche von den Rücken ihrer Mustangs
schwangen.

Haggerty zog seinen Revolver. Er mußte dies tun, denn

niemand sollte wenigstens vorerst erfahren, daß er und der
Häuptling der Chiricahuas befreundet waren.

Cochise und Naiche liefen auch willig vor Haggerty her, der

die beiden Apachen in den Zellentrakt führte und in zwei
Gitterkäfige sperrte.

»Wir sprechen uns später, Cochise«, sagte John. Er sah, wie

übel Cochise und Naiche von den Fäusten der Weißhäutigen
zugerichtet worden waren. »Bitte vertraue mir.«

Cochise nickte nur.
»Mein weißer Bruder wird Cochise nicht im Stich lassen«,

antwortete der Apachenhäuptling. »Ich versichere ihm, daß
Cochise und sein Sohn Naiche und auch die Chiricahuas nichts
mit den Überfällen zu tun haben. Der Falke hat mein Wort.«

John Haggerty, der von den Apachen Falke genannt wurde,

lächelte seinem Freund zu.

»Bis später, Jefe.«
John Haggerty verließ Zellentrakt und Office und sah sich

einer großen Menschenmenge gegenüber. Nun schien ganz
Tres Alamos auf den Beinen zu sein.

John Haggerty ahnte, daß es nicht leicht sein würde, Cochise

und Naiche vor dem Hängen zu bewahren.

*

»Die Vorstellung ist beendet, Leute«, rief der neue Sheriff von
Tres Alamos. »Geht wieder heim. Ich werde die Gefangenen
verhören und herausfinden, ob sie mit den Überfällen etwas zu
tun haben.«

Richy Valentine löste sich aus einer Gruppe lautstark

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diskutierender Männer und marschierte auf John Haggerty zu.
Sein hageres Gesicht wirkte verkniffen. Der Saloon- und
Storebesitzer stülpte seine Unterlippe nach vorn.

Er blieb vor Sheriff Haggerty stehen, wippte auf den

Zehenspitzen und grinste wölfisch.

»Die Vernehmung übernehmen ich und einige Bürger der

Stadt«, sagte er gefährlich leise. »Ihnen trauen wir nicht über
den Weg, denn wir kennen Sie nicht. Vielleicht sind Sie ein
Indianerfreund und lassen diese Bastarde wieder laufen.«

Seine Stimme triefte bei den letzten Worten vor Spott.
»Mann, hauen Sie ab«, sagte John Haggerty knurrend. Es

klang, als habe man einem Tiger auf den Schwanz getreten.
»Ich bin der Sheriff dieser Stadt, und Sie finden sich damit ab,
basta. Nun verschwinden Sie, Mr. Valentine, ehe ich die
Geduld verliere!«

Richy Valentines Lächeln verlor sich.
»Sie sollten verschwinden, Mr. Haggerty, sonst bedauern Sie

es vielleicht. Dann aber könnte es zu spät sein.«

»Das ist wohl eine Drohung, oder?« fragte John Haggerty.

»Soll ich auch durch eine Kugel aus dem Hinterhalt abgeknallt
werden, so wie es bei Nat Baxter geschehen ist?«

Richy Valentines Gesicht nahm die Farbe einer Tomate an.

Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, als der hagere Mann
schluckte.

»Was wollen Sie damit sagen?« keuchte er.
»Ich wiederhole nur Ihre Drohung, Mr. Valentine. Und nun

sollten Sie wirklich verschwinden, ehe ich Sie einsperre.«

Richy Valentine wich zurück. Er starrte John Haggerty

fassungslos an, als könne er nicht glauben, was dieser gesagt
hatte.

Der hagere Mann schluckte erneut, ehe er sich abrupt

umwandte und davonstakte. Einige Männer schlossen sich dem
Saloonbesitzer an. Die Menschenmenge zerstreute sich
langsam.

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30

Haggerty ahnte aber, daß die Gefahr für die beiden Apachen

noch längst nicht vorüber war. Die Bürger von Tres Alamos
haßten die Rothäute wie nichts sonst auf dieser Welt. Zu viele
ihrer Landsleute waren in den letzten Wochen gestorben.

Und John konnte sich gut vorstellen, was in den Leuten vor

sich ging: Sie wollten ihre Rache.

Clark Harper trat zu John Haggerty. Er bearbeitete seine

Knollennase und machte ein mürrisches Gesicht.

»Wir sollten ins Office gehen, John. Ich habe mit Ihnen zu

reden. Es ist sehr wichtig.«

Haggerty setzte sich hinter den altersschwachen Schreibtisch.

Clark Harper zog sich einen Stuhl herbei und hockte sich
rittlings darauf. Er legte sein Kinn auf die Stuhllehne und
blickte den Sheriff von Tres Alamos aus zusammengekniffenen
Augen an.

»Das gibt Ärger«, nörgelte er. »Gut, Sie können diesen Richy

Valentine nicht ausstehen. Ich gebe zu, daß er sehr schwierig
ist und sich gern als Boß dieser Stadt aufspielt. Sie müssen aber
mit ihm auskommen, denn wir ziehen alle an einem Strang. Ist
Ihnen das klar, Sheriff Haggerty?«

John nickte. »Gewiß, Clark, ich werde mir aber derartige

Drohungen nicht gefallen lassen. Sie stimmen mir sicher zu.
Ich kann nun mal Lynchjustiz nicht ausstehen, obwohl ich
weiß, daß man mit Indianern überall kurzen Prozeß macht. Die
Rothäute werden ohne Gerichtsverhandlung schon für die
geringsten Delikte umgebracht. Man behandelt sie schlimmer
als Vieh. Und damit bin ich nicht einverstanden. Es ist nicht
erwiesen, daß diese beiden gefangenen Indianer etwas mit den
Überfällen zu tun haben.«

Clark Harper wischte sich über sein Kinn. Noch immer

starrte er John Haggerty nicht gerade freundlich an.

»Sind Sie ein Indianerfreund, John? Es hört sich so an. Ich

möchte eine klare Antwort.«

»Ich bin ein Mensch, der Ungerechtigkeit und

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Gesetzlosigkeit haßt und bekämpft, wo immer es nur geht,
Clark. So sollten Sie es sehen. Und ob diese Halunken roter
oder weißer Hautfarbe sind, ist mir völlig egal.«

Clark Harper schüttelte leicht den Kopf.
»Damit ist meine Frage nicht hundertprozentig beantwortet.

Wissen Sie, John, ich bin ein aufmerksamer Beobachter und
hatte den Eindruck, daß Sie die beiden Apachen kennen.«

John Haggerty blickte sein Gegenüber erstaunt an, ehe er

langsam nickte.

»Richtig, Clark. Ich kenne die beiden Chiricahuas. Jeder, der

sich mit den Apachen beschäftigt, müßte sie kennen.«

»Spucken Sie es aus, John. Um wen handelt es sich?«
»Cochise und sein Sohn Naiche.«

*

Einige Stunden vor diesem Gespräch zügelte ein Apachen-
Krieger seinen Mustang auf einem Hügel, der mit Büschen und
verkrüppelten Bäumen bedeckt war. Sie boten dem Reiter gute
Deckung. Der Chiricahua spähte über das öde Land und duckte
sich ein wenig, als er den Reitertrupp erkannte, der hinter einer
Bodenwelle auftauchte und sich langsam näherte. Das
breitflächige Gesicht des noch jungen Apachen verfinsterte
sich, als er die beiden Gefangenen erkannte. Der Späher nahm
seinen Kriegsbogen vom Rücken und zog einen Pfeil aus dem
Köcher. Dann aber wurde er sich seiner Hilflosigkeit bewußt.
Ein Angriff auf die acht Bleichgesichter konnte nur seinen Tod
bedeuten. Ohne eine Feuerwaffe hatte er keine Chance gegen
diese rauhe Mannschaft, der es gelungen war, Cochise und
Naiche in die Gewalt zu bekommen. Tatenlos mußte der
Krieger ansehen, wie die Reiter in einer Entfernung von drei
oder vier Steinwurfweiten vorbeizogen. Er folgte ihnen in
sicherem Abstand. Schon bald wurde dem jungen Apachen
klar, daß die Weißhäutigen auf die kleine Stadt zuritten, die

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dort zwischen den Hügeln lag. Er zügelte seinen Mustang. In
seinem Gesicht arbeitete es. Es wirkte unentschlossen und auch
ein wenig beschämt, seinem Jefe und dessen Sohn nicht
geholfen zu haben. Schneller Hirsch, so hieß der junge Krieger,
faßte einen Entschluß. Er mußte Hilfe holen. Die übrigen
Chiricahuas mußten wissen, was geschehen war. Wenn sie erst
vor der Stadt der Bleichgesichter auftauchten und die
Weißhäutigen in Angst und Schrecken versetzten, mußten
Cochise und Naiche wieder freikommen. Das waren die
Überlegungen des Kriegers, der seinen Mustang antrieb und
losritt. Bald war Schneller Hirsch zwischen den sanft
geschwungenen Hügeln verschwunden. Und er wußte, daß er
seine Vettern schnell erreichen mußte, um großes Unheil zu
verhindern.

*

»Cochise?« fragte Clark Harper sichtlich erschüttert. »Sind Sie
sicher, daß es sich wirklich um den schon fast legendären
Häuptling der Apachen handelt?«

»So ist es, Clark. Ich bin völlig sicher, daß es Cochise und

sein Sohn Naiche sind. Gut, nun wissen Sie Bescheid. Wir
sollten mit den beiden sprechen. Es wird sich einiges
aufklären.«

John Haggerty erhob sich hinter seinem Schreibtisch und

nickte dem Bürgermeister von Tres Alamos zu, der sichtlich
erschüttert auf dem Stuhl saß und erst einmal verdauen mußte,
welch prominente Gefangenen sie beherbergten.

John trat ans Fenster und spähte durch die schmutzigen

Scheiben auf die Straße. Auf der gegenüberliegenden Seite
standen drei Männer, die das Office nicht aus den Augen
ließen. Sie gehörten zu dem Reitertrupp, der die beiden
Apachen in der Nähe von Tres Alamos gefangen hatte.

Der frühere Armee-Scout war sicher, daß auch hinter dem

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Office einige Männer lauerten, damit es für die Gefangenen
kein Entkommen geben konnte.

John wandte sich an den Town Mayor von Tres Alamos, der

aufstand und Haggerty fragend anblickte.

»Das Jail wird bewacht, Clark. Man scheint mir nicht zu

trauen. Bestimmt glauben noch andere Gents, in mir einen
verdammten Indianerfreund zu sehen.«

»Gehen wir«, wich Harper aus. »Wir sprechen mit den

beiden Apachen. Vielleicht sehen wir dann wirklich klarer.«

Cochise und Naiche saßen auf den harten Pritschen, als die

beiden Männer den Zellentrakt betraten.

»Ich grüße dich, Cochise und auch dich, Naiche«, sagte John

Haggerty freundlich. »Mein Begleiter ist der Chief dieser Stadt.
Wir möchten mit euch sprechen.«

Cochise senkte den Kopf zur Begrüßung und erhob sich.

Naiche tat so, als gäbe es die beiden Bleichgesichter nicht. In
seinem jungen Gesicht stand Ablehnung und Haß.

John nahm den Schlüsselbund vom Haken und öffnete den

Zellenkäfig, in dem sich Cochise aufhielt. Clark Harper wich
zurück. Er war unbewaffnet.

»Wollen Sie ihn einfach rauslassen, Haggerty?« fragte er mit

krächzender Stimme. Er blickte den Häuptling der Apachen an,
als habe er ein wildes Raubtier vor sich. Unwillkürlich wich
Harper noch einige Schritte zurück.

»Warum hast du Angst vor mir?« fragte Cochise. »Habe ich

dir etwas getan? Ängstigst du dich nur, weil ich ein Apache
bin, Bleichgesicht? Du vergißt, daß wir die Herren dieses
Landes sind, das uns seit Jahrhunderten gehört. Ich bin nicht
das wilde Tier, für das du mich hältst. Wir sprechen
gemeinsam über alles und finden eine Lösung.«

Clark Harper schloß den Mund. Das Flackern in seinen

Augen erlosch. Wieder einmal zupfte er an seiner Knollennase,
als wolle er sie abreißen.

Cochise nickte John Haggerty zu und reichte ihm die Hand

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34

nach Art der Bleichgesichter. Ein Funkeln in seinen
Augenwinkeln gab Haggerty zu denken.

»Cochise grüßt den Falken. Und er fragt sich, was den

Falken in diese Stadt geführt hat, und warum er dieses
Abzeichen trägt?«

»Wir gehen ins Office, Cochise, und unterhalten uns dort in

aller Ruhe.«

*

Richy Valentine leerte sein Whiskyglas und stellte es klirrend
auf den Tisch zurück. Er starrte Sam Crown an. Der untersetzte
Mann grinste hämisch.

»Wir haben es geschafft, Richy«, sagte Crown. »Endlich

konnten wir zwei Rothäute in unsere Gewalt bringen. Wir
hängen die roten Halunken auf. Das genügt, damit die Apachen
durchdrehen und über alle Weißen herfallen. Dann bleibt
Harper wirklich nichts anderes übrig, als die Armee
anzufordern. Die Blauröcke räumen schnell mit der roten Brut
auf. Das Land wird frei für uns und unsere Pläne.«

Der dürre Valentine schenkte sich sein Glas nochmals voll

und schob die Flasche zu Crown hinüber.

»Darauf sollten wir trinken, Sam«, sagte der Saloonbesitzer.

»Es ist wirklich an der Zeit, daß das Land frei wird. Dann
können wir die Goldmine in Ruhe ausbeuten, ohne von den
Rothäuten abgeschlachtet zu werden. Nur …«, Valentine
zögerte, »…nur dieser neue Sheriff bereitet mir Kummer. Wir
kriegen ihn niemals auf unsere Seite, so wie es uns auch bei
Nat Baxter nicht gelungen ist. Wir müssen diesen Haggerty
ausschalten und zwar sehr rasch.«

Sam Crown grinste tückisch.
»Das übernehme ich, Boß. Nur dieses Mal schieße ich noch

genauer, als bei Baxter. Ich lege diesen Haggerty um. Das ist
so sicher wie das Amen in der Kirche.«

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»Einverstanden«, erwiderte Richy Valentine zufrieden.

»Unterschätze aber den neuen Sheriff nicht. Es könnte tödlich
für dich sein. Das ist ein verdammt harter Brocken. Wenigstens
schätze ich ihn so ein. Der Bursche hat es faustdick hinter den
Ohren und ist ein Mann, der sich durchzusetzen versteht.«

»Kleine Fische«, winkte Crown ab. »Das erledige ich

schnell, Richy. Wir müssen nur einen Vorwand finden, um
diesen Haggerty aus der Stadt zu locken. Da wird uns aber
etwas einfallen. Heute nacht lynchen wir die Rothäute. Es
genügen einige Freirunden Whisky und eine zündende Rede,
um die Bürger von Tres Alamos auf Vordermann zu bringen.
Meine Leute erledigen das. Du mußt nur den Whisky opfern.«

»In Ordnung, Sam. Daran soll es nicht scheitern. Die beiden

Apachen müssen sterben. Wenn diese Kunde erst zu den
Rothäuten gelangt, tauchen sie vor der Stadt auf. Hier sind
genügend kampferprobte Männer, um einen Angriff
abzuwehren. Ich werde Harper dazu bringen, einen Boten nach
Fort Bowie zu schicken, damit die Armee darüber informiert
wird, was in Tres Alamos geschieht. Und deine Leute sollten
vorerst keine Überfälle mehr ausführen.«

Sam Crown grinste überheblich.
»Das hat doch alles wunderbar geklappt, Richy. Jedermann

glaubt, daß es wirklich Apachen waren, die immer wieder so
gnadenlos zugeschlagen haben.«

Crown erhob sich und nickte seinem Boß zu.
»Bis später, Richy. Ich kontrolliere unsere Leute vor und

hinter dem Office. Ich traue diesem Haggerty nicht. Vielleicht
kommt er auf die Idee, die Gefangenen frei zu lassen. Ich
werde es verhindern. Darauf kannst du dich verlassen.«

Der untersetzte Outlaw verließ das Nebenzimmer des

Saloons, in dem er sich mit Richy Valentine zu dieser
Besprechung getroffen hatte. Sein Boß blickte ihm zufrieden
nach.

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36

*

»Die Krieger der Chiricahuas und auch meine Vettern von den
anderen Stämmen haben mit den Überfällen nichts zu tun«,
beharrte Cochise sehr bestimmt. »Mein Sohn Naiche und ich
durchstreifen seit vielen Tagen das Land. Es gab keine
Anzeichen, daß meine Blutsbrüder hinter diesem Terror stehen.
Ich erfuhr von meinen Spähern davon, als sie skalpierte Tote
und niedergebrannte Wagen fanden. Das alles ist nicht das
Werk der Apachen.«

Der Häuptling der Chiricahuas schwieg. Sein forschender

Blick ruhte auf dem Falken, ehe er zu Clark Harper
weiterwanderte, der von den Worten des Apachen nicht
überzeugt schien.

Harper sagte zu John Haggerty: »Ich möchte Cochise nicht

beleidigen, doch er wäre dumm, wenn er uns eine andere
Geschichte erzählt hätte. So kommen wir nicht weiter. Das
überzeugt niemanden in dieser Stadt. Zuviel Blut ist geflossen.
Es gab fast ein Dutzend Tote und Verwundete. Die Toten
fanden wir skalpiert und mit Pfeilen gespickt. Alles wies auf
Indianer hin. Das sollten Sie nicht vergessen, John.«

»Das ist richtig, Clark. Ich habe selbst zwei ermordete

Bürger von Alamos gerunden. Ihre Worte sind nicht zu
leugnen. Aber ich kenne Cochise schon sehr lange. Er hat mich
noch nie belogen, mag er auch sonst ein Fuchs sein, der
zupackt, wenn er eine günstige Chance wittert.«

Clark Harper blieb skeptisch.
»Das mag ja alles so sein, John. Ich bin auch bereit, Ihnen

und Cochise zu glauben. Ihr Wort genügt aber nicht, um die
Bürger von Tres Alamos, umzustimmen. Diese Leute wollen
ihre Rache, was man ihnen nicht einmal verdenken kann.«

»Was wird der Falke unternehmen?« fragte Cochise. »Wird

er Cochise und Naiche noch länger in diesen Käfig sperren?«

Das war eine klare Frage, die einer klaren Antwort bedurfte.

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»Du mußt noch bleiben, Häuptling«, antwortete John Haggerty.
»Ich kann und darf dich nicht freilassen. Du mußt mir
vertrauen. Ich will alles tun, um deine Unschuld und die deines
Sohnes zu beweisen.«

Der Häuptling der Apachen nickte bedächtig.
»Cochise vertraut dir, denn er weiß, daß der Falke die

Wahrheit spricht.«

John Haggerty brachte den Apachen-Chief in die Zelle

zurück. Naiche musterte den ehemaligen Army-Scout
forschend. John lächelte dem jungen Krieger zu, dessen
Gesichtsausdruck unbewegt blieb.

»So läuft das Spielchen nicht«, sagte Clark Harper kurze Zeit

darauf. »Sie können die Indianer auf keinen Fall auf freien Fuß
setzen, auch wenn Sie mit ihnen befreundet sind. Das verbietet
Ihnen die Pflicht als Sheriff dieser Stadt. Die Apachen werden
beschuldigt, weiße Bürger dieser Stadt ermordet zu haben. So
einfach löst sich dieses Problem nicht.«

Das alles war John Haggerty klar.
»Okay, Clark, lassen Sie uns den Faden aber einmal

weiterspinnen. Es gibt hier einige Gents in der Stadt, die alles
daransetzen, damit die beiden Gefangenen gehängt werden.
Was wird dann geschehen? Die Stadt wird von einigen hundert
Indianern umzingelt und vielleicht dem Erdboden
gleichgemacht. Sie vergessen ganz, daß Sie nicht irgendeinen
Apachen in der Zelle sitzen haben, sondern den obersten
Häuptling der Apachen. Die Indianer werden alles tun, um
Cochise und seinen Sohn zu befreien. Und sollte man die
Gefangenen lynchen, dann kann keine Macht der Welt Tres
Alamos noch retten. Das sollten Sie bedenken.«

Clark Harper blickte Haggerty ängstlich an.
»John, Sie scheinen nicht zu glauben, daß die Überfälle von

den Apachen verübt wurden. Das verstehe ich nicht ganz. Sie
können mich nur überzeugen, wenn Sie mir die Leute bringen,
die dann Ihrer Meinung nach die Schuldigen sind.«

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»Auch Nat Baxter glaubt nicht an die Indianer,

Bürgermeister. Und er wurde nicht von einem Pfeil, sondern
von einer Kugel aus dem Hinterhalt getroffen. Okay, okay,
Clark, Sie werden jetzt behaupten, daß auch Apachen Gewehre
haben. Das ist richtig. Sie hatten aber den so schwer
verwundeten Sheriff nicht am Leben gelassen. Das war ein
Fehler unserer Gegner. Verlassen Sie sich darauf.«

»Nun verstehe ich überhaupt nichts mehr, Sheriff«, gestand

Clark Harper. »Wollen Sie damit sagen, daß es Mitbürger
dieser Stadt sind, die hinter den Überfällen stehen?«

»Ich habe keinerlei Beweise, Harper, doch ich werde sie

bringen. Irgendwann erinnere ich Sie an meine Worte. Dann
aber…«

John Haggerty schwieg und blickte zur Officetür, die

aufgerissen wurde. Ein bärtiger Mann taumelte herein. Sein
Hemd und seine Jacke waren blutverschmiert. Auch an den
Händen und im Gesicht erkannte John Blutspritzer.

Der Verwundete schwankte auf den Schreibtisch zu und

stützte sich schwer atmend darauf. Das Gesicht glich einer
verzerrten Fratze. Seine Augen glühten in einem verzehrenden
Feuer.

*

John Haggerty sprang auf und stützte den schwankenden
Mann, der den Halt verlor. Der Sheriff schleppte ihn zu einem
alten Sofa. Aufstöhnend setzte sich der Verletzte.

»Indianer«, keuchte er. »Apachen, dicht vor der Stadt. Sie

überfielen mich aus einem Hinterhalt. Ich konnte in letzter
Sekunde entkommen.«

So stammelte der Verwundete mit letzter Kraft. Blut tropfte

auf den Boden.

»Da haben Sie es, Sheriff«, rief Harper. »Los, reiten Sie.

Vielleicht erwischen Sie noch diese Hundesöhne. Stellen Sie

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wenigstens fest, ob es auch wirklich Rothäute sind. Ich
kümmere mich um den Verletzten und bringe ihn zum Doc.«

John Haggerty nickte, rückte den Revolvergurt zurecht und

nahm seine Winchester aus dem Wandschrank, Dann eilte er
los, als wäre die Hölle hinter ihm.

»Was ist los?« fragte ein Mann, als John sein Pferd aus dem

Mietstall holte. »Ist das nicht Poul Dragger gewesen, der so
übel zugerichtet aussah?«

»Ich kenne den Mann nicht. Woher kam er geritten?«
Der Fremde zeigte John Haggerty die Richtung, der seinen

Rapphengst antrieb. Bald lagen die letzten Häuser von Tres
Alamos hinter dem Sheriff der kleinen Stadt.

Da Johns Pferd ausgeruht war, legte das Tier rasch einige

Meilen zurück. Haggerty sah sich um. Weit und breit waren
keine Indianer zu sehen.

Er zügelte den Rappen, während ein schlimmer Verdacht wie

schleichendes Gift in ihm hochkroch.

War das vielleicht ein Trick, nur um ihn aus Tres Alamos

fortzulocken?

John gestand sich ein, daß er versäumt hatte, nach den

Wunden des Verletzten zu sehen.

Der Verdacht, hereingelegt worden zu sein, setzte sich immer

stärker in dem großgewachsenen Mann fest.

Mit Tierblut konnte man leicht eine schwere Verwundung

vortäuschen. Und während seiner Abwesenheit war es nicht
schwer, Cochise und Naiche zu lynchen.

John Haggerty zog sein Pferd herum. Vielleicht verfehlte ihn

dadurch die ihm zugedachte Kugel, die aber dafür in den Kopf
seines treuen Gefährten schlug.

Das Tier tat noch einen kraftlosen Satz, ehe es wie vom Blitz

gefällt zusammenbrach. In letzter Sekunde konnte John
Haggerty aus dem Sattel springen. Er landete hinter dem toten
Rapphengst.

Zum Glück war das Tier so gefallen, daß John die

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Winchester aus dem Scabbard ziehen konnte.

Neue Geschosse sirrten heran und schlugen klatschend in den

Kadaver des Tieres. Für einen Moment wünschte der frühere
Armee-Scout sich in einem Mauseloch verkriechen zu können,
so haarscharf zischte das heiße Blei an ihm vorbei und über ihn
hinweg.

John Haggerty wußte, daß seine Deckung nicht ausreichte,

um längere Zeit Sicherheit zu bieten.

Der erfahrene Kämpfer setzte alles auf eine Karte. Er

spurtete los und überraschte damit seinen Gegner, der mit
diesem Ausbruchversuch nicht gerechnet hatte.

Der Sheriff von Tres Alamos rannte im Zick-Zack auf einen

Cottonwood zu, hinter dem er in Deckung gehen wollte. Links
und rechts von dem um sein Leben rennenden Mann furchten
die Kugeln den Boden.

Mit einem letzten, verzweifelten Satz warf sich John

Haggerty hinter dem Baumstamm in Deckung. Geschosse
fetzten Späne aus dem Stamm, die ihm um die Ohren flogen.

John Haggerty spähte hinter dem Cottonwood hervor und sah

es hundert Yards entfernt aufblitzen. Dort ragten einige
Felsblöcke wie angefaulte Zähne aus dem Boden. Dazwischen
steckte der Hundesohn, der Haggertys Leben auslöschen
wollte.

John atmete mehrmals tief durch, ehe er die Winchester an

Schulter und Wange preßte. Er fühlte heiße Wut in sich
aufsteigen. Er war nun hundertprozentig davon überzeugt, in
eine Falle gelockt worden zu sein.

Haggerty feuerte.
Er deckte den Halunken zwischen den Felsen mit so viel

heißem Blei ein, daß diesem keine andere Wahl blieb, als das
Feuer einzustellen und selbst in Deckung zu gehen.

Natürlich war der erfahrene Kämpfer damit nicht zufrieden.

Er verließ den Cottonwood mit einem mächtigen Satz und
rannte auf eine Bodenmulde zu, die von Büschen gesäumt

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wurde.

Es wurde sehr knapp für den mutigen Mann. Eine Kugel

zupfte an seiner Schulterspitze und nahm nicht nur Stoffetzen
mit. Ein anderes Geschoß streifte seinen Stiefelschaft und
brachte John Haggerty beinahe zu Fall.

Aufatmend landete der ehemalige Scout in der Vertiefung

und schrammte sich seinen linken Ellenbogen an einem Stein
auf. John Haggerty ignorierte den aufzuckenden Schmerz.
Auch die Streifschußverletzung an seiner Schulterspitze
machte sich bemerkbar. Feucht rann es über Johns Rücken.

Der Bandit schoß erneut.
Die Geschosse fetzten in das Blattwerk der Büsche. Blätter

und Zweige rieselten auf Haggerty hernieder.

Er saß in der Klemme und zwar bis über beide Ohren. Und

John dachte daran, daß Cochise und Naiche nun eine leichte
Beute für eine gewissenlose Banditenbande in Tres Alamos
werden könnte.

*

»Es geht schon«, stöhnte Poul Dragger, der noch immer auf
dem Sofa im Sheriff-Office lag. Er wandte dem Bürgermeister
von Tres Alamos das blutbesudelte Gesicht zu.

Vorsichtig schob der angeblich Verwundete beide Beine über

die Sofakante und stand langsam auf.

»Danke, Mr. Harper, ich schaffe es schon allein bis zum Doc.

Ich fühle mich ein wenig besser. Hoffentlich erwischt der
Sheriff diese roten Bastarde.«

Clark Harper sah den Verletzten ein wenig mißtrauisch an,

als der Mann sich schwankend in Bewegung setzte. Poul
Dragger lehnte weitere Hilfe ab und verließ das Office.

Er taumelte auf das Haus des Arztes zu, bog aber vorher in

eine Seitengasse. Der Bandit lief ganz normal weiter. Nichts
mehr war von seiner vorgetäuschten Verletzung zu bemerken.

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Am Ende der Gasse wurde er von Ritchy Valentine erwartet,

der seinem Kumpanen zugrinste und ihm auf die Schulter
klopfte.

»Ausgezeichnet gemacht, Poul, du hast deine Rolle mächtig

gut gespielt. Dafür gibt es eine Extraprämie. Auch dieser
Haggerty ist auf unseren Trick hereingefallen. Bestimmt hat
ihn Sam Crown schon über den Jordan geschickt. Auf Sam ist
Verlaß.«

Der dürre Bandenboß lachte meckernd und hätte damit

bestimmt jeden Ziegenbock verschreckt.

»Wir warten noch eine Stunde, Jungs. Es wird bereits

langsam dunkel. Vorher spendiere ich Freiwhisky, bis er allen
wieder aus den Ohren herausläuft. Dann holen wir uns die
beiden Apachen und hängen sie auf. Du solltest dich unsichtbar
machen, Poul, damit nicht Harper Verdacht schöpft. Zieh dir
andere Klamotten an und laß dir den Arm verbinden. Es muß
alles ein wenig echt aussehen.«

Poul Dragger nickte grinsend.
»Das wird ein Riesenfest, Boß«, freute er sich. »Ich kann es

kaum erwarten, daß diese beiden roten Halunken baumeln. Es
läuft alles nach Plan. Hast du schon einen unserer Jungs in
Richtung Fort Bowie losgeschickt?«

»Natürlich, Poul, in spätestens acht Tagen wimmelt es hier

von Blauröcken, die ein Preisschießen auf die Rothäute
veranstalten. Und in drei oder vier Wochen ist auch der letzte
Apache aus diesem Gebiet verschwunden.«

Der dürre Halunke rieb sich die Hände. Richy Valentine

glaubte sich schon am Ziel seiner Wünsche.

*

Der Heckenschütze feuerte noch immer auf John Haggerty, der
sich in der Bodenmulde mächtig klein machen mußte, um
nichts von dem bleihaltigen Segen abzubekommen.

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Dich kriege ich, Freundchen, dachte Haggerty. So geht das

nicht. Mich knallst du nicht wie einen Präriehasen ab.

Der Bandit stellte nun das Feuer ein. Anscheinend hatte er

das Magazin seiner Winchester leergeschossen. John Haggerty
mußte nochmals alles auf eine Karte setzen.

Er sprang auf, brach wie ein Büffelbulle durch die Büsche

und lief los. Die ersten Yards klappte alles auch wie am
Schnürchen, ehe das gegnerische Gewehr erneut zu hämmern
begann.

John Haggerty war nur noch wenige Schritte von einem

Felsbrocken entfernt, der ihm als Deckung dienen sollte, als er
einen grellen Schmerz an seinem Kopf spürte, der gleich darauf
sein Bewußtsein von einer Sekunde zur anderen auslöschte.

Der neue Sheriff von Tres Alamos brach zusammen, wurde

aber vom eigenen Schwung nach vorn gerissen, als er stürzte.
So rollte er hinter die Deckung, obwohl er bereits bewußtlos
war.

John Haggerty blieb reglos liegen.
Aus einer tiefen Schramme an seiner Stirn quoll Blut hervor

und lief dem Bewußtlosen in den Hemdkragen. Die Winchester
lag einige Yards entfernt.

John Haggertys Gegner stellte das Feuer ein. Sam Crown war

sich nicht sicher, ob er den Sheriff getroffen hatte, oder ob
dieser nur bluffte. Der Bandit blieb noch einige Zeit hinter
seiner Deckung geduckt stehen und überlegte, was er
unternehmen sollte.

Dann schlich er langsam los, schlug einen Bogen, um in

Haggertys Rücken zu gelangen. Der Outlaw wollte unbedingt
als Sieger den Ort des Kampfgeschehens verlassen.

*

John Haggertys Mund öffnete sich plötzlich. Ein heiseres
Stöhnen brach von seinen Lippen. Sein Körper zuckte

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mehrmals, ehe der Sheriff von Tres Alamos die Augen
aufschlug.

Er hatte das Gefühl, sein Schädel würde jeden Augenblick

auseinanderplatzen. Irgendein unsichtbarer Halunke mußte ihm
mit einem Hammer alle Sekunde auf den Schädel schlagen.

Der einstige Armee-Scout richtete sich nach Luft schnappend

auf. Übelkeit kroch in seine Kehle. Haggerty mußte sich
würgend übergeben.

Nur langsam wurde es in seinem Kopf wieder klarer. John

tastete mit der flachen Hand über die Streifschußwunde, die
höllisch schmerzte und noch immer blutete.

Der eisenharte Scout schüttelte benommen den Kopf. Er

dachte an seinen Gegner und fühlte es heiß in sich aufsteigen.
Bestimmt hatte der Halunke bemerkt, daß er von einer Kugel
getroffen worden war.

Und nun würde sich dieser verdammte Bastard bestimmt

anschleichen, um ihm den Rest zu geben.

John Haggerty zog seinen Revolver. Er versuchte, den

Schmerz zu verdrängen und wieder Herr seiner klaren
Überlegungen zu werden. Er kroch zwischen die Felsen und
lauschte.

Irgendwo steckte der Heckenschütze. Bestimmt war er nicht

geflohen, sondern schlich lautlos heran. Haggerty blickte
verlangend auf seine Winchester, die jedoch unerreichbar für
ihn war.

Das Risiko, seine Deckung zu verlassen, konnte er nicht

eingehen. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als geduldig auf
den hinterhältigen Halunken zu lauern.

John Haggerty streifte immer mehr seine Benommenheit ab.

Er war nun einmal ein harter Mann, der schon einen
Streifschuß wegstecken konnte.

Trotzdem summte es noch immer in seinem Schädel, als

habe sich ein Hornissenschwarm angesiedelt. Blut sickerte
nach wie vor aus der Streifschußwunde.

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John Haggerty vernahm plötzlich schleichende Schritte, die

hinter einigen Büschen erklangen. Er hielt seinen Revolver so
fest, daß die Knöchel hell schimmerten.

Er sah die Umrisse eines Mannes, der sich geduckt zwischen

den Zweigen eines Manzanlitastrauches hervorschob. Für einen
Moment starrten sich die beiden Gegner in die Augen.

Sie feuerten fast gleichzeitig.
Dicht neben Haggertys Kopf prallte die Kugel gegen den

Felsen. Steinsplitter spritzten ihm ins Gesicht.

Haggertys Kugel traf den Outlaw, der aufstöhnte und in das

Dickicht zurückfiel. John quälte sich auf die Beine und schlich
geduckt näher. Er vernahm das Brechen von dürren Ästen und
die hastenden Schritte, die sich rasch entfernten.

Der Sheriff von Tres Alamos lief so schnell er konnte, doch

erst jetzt merkte er, wie ausgelaugt sein Körper war. Die
Streifschußverletzung hatte doch mehr von seiner Substanz
verbraucht, als Haggerty gedacht hatte.

Er sah den Banditen mit schwankenden Schritten hinter den

Felsen verschwinden. Gleich darauf erklangen Hufschläge, die
rasch leiser wurden.

John Haggerty blieb mit keuchendem Atem stehen. Der

Bandit war entwischt. John setzte sich, denn er fühlte, wie
seine Knie nachgaben. Einige Minuten später zwang sich der
eisenharte Kämpfer wieder auf die Beine.

Er lief zu seinem Pferd, das in einer großen Blutlache lag.

John zerrte Verbandszeug aus der Satteltasche und legte sich
einen Notverband an.

Heiß sengte die Sonne hernieder. Sie würde erst in wenigen

Minuten hinter den Berggipfeln untergehen.

John Haggerty starrte verbissen auf das Pferd. Seine

Gedanken überschlugen sich.

Er wußte nun endgültig, daß man ihm eine Falle gestellt

hatte, um ihn auszuschalten. Nicht die Apachen waren die
hundsgemeinen Verbrecher, sondern die Gefahr kam von

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einigen weißen Halunken, die in Tres Alamos zu Hause waren.

Diese Erkenntnis nutzte dem einstigen Scout hier nicht viel.

Er mußte unbedingt zurück.

Cochises und Naiches Leben schwebten in tödlicher Gefahr.

Die Outlaws würden nicht mehr zögern, die beiden Apachen
aufzuhängen.

John Haggertys Körper straffte sich. Er mußte nach Tres

Alamos zurück. Vielleicht konnte er die Stadt noch rechtzeitig
erreichen, um das schreckliche Geschehen zu verhindern.

Haggerty marschierte los. Und ihm war jetzt schon klar, daß

ein Höllenmarsch vor ihm lag.

*

Die Abenddämmerung senkte sich immer mehr auf Tres
Alamos hernieder. Die Sonne war vor wenigen Minuten in
einem feurigen Flammenmeer untergegangen.

In den beiden Saloons der Stadt ging es hoch her. Alkohol

floß in Strömen. Kaum einer der Männer sagte nein, da es sich
um Freiwhisky handelte.

Richy Valentines Leute hetzten die Bürger der kleinen Town

auf. Ihre Haßtiraden galten den beiden Indianern, die nur
wenige Yards entfernt im Gefängnis saßen.

Valentine sah immer zufriedener aus, je mehr die Zeiger der

Uhr vorrückten. Er wußte, daß spätestens in einer halben
Stunde die Männer den Punkt erreicht hatten, wo sie wie
Wachs in seinen Händen waren.

Poul Dragger schob sich neben seinen Boß und flüsterte ihm

etwas ins Ohr. Der Stimmenlärm im Saloon war so laut, daß
man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte.

Der Banditenboß nickte und folgte Dragger in einen

angrenzenden Raum, wo der Lärm erträglicher war.

»Sam Crown will dich sprechen, Boß. Er wartet im

Hinterzimmer.«

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»Und?«
Dragger zuckte mit den Achseln.
»Sam ist verwundet, hat eine Kugel im linken Oberarm

erwischt. Sonst scheint aber alles in Ordnung zu sein.«

Richy Valentine wischte sich über die faltige Stirn, auf der

sich Schweißperlen gebildet hatten. Er folgte seinem
Banditenfreund. Dann stand er vor Sam Crown, der auf einem
Stuhl saß und die rechte Hand auf die Schußverletzung preßte.

Blut sickerte zwischen seinen Fingern hervor. Am Boden

hatte sich eine Blutlache gebildet.

»Hol Verbandszeug«, befahl Valentine. Poul Dragger verließ

sporenklirrend das Hinterzimmer des Saloons.

»Halb so schlimm, Boß«, seufzte Crown. »Es ist ein glatter

Durchschuß. Ich habe nur viel Blut verloren.«

Er lächelte, doch es wurde nur eine verzerrte Grimasse

daraus.

»Was ist mit diesem Haggerty?« fragte Richy Valentine.

»Hast du den Kerl umgelegt?«

»Er ist ebenfalls verwundet, Boß. Ich glaubte, schon gesiegt

zu haben, als er zurückschoß. Ich habe aber sein Pferd
erwischt. Es wird Stunden dauern, bis er die Stadt erreicht.
Dieser Haggerty ist angeschlagen und außerdem zu Fuß. Er
wird uns vorläufig nicht stören. Außerdem kannst du ihm ja
einige unserer Jungs entgegenschicken, die ihm den Rest
geben. Ich bin abgehauen, weil ich heißes Blei eingefangen
hatte. So sieht es aus, Boß.«

Der dürre Banditenboß nickte mehrmals.
»Okay, Sam«, sagte er. »Lieber wäre es mir natürlich

gewesen, wenn dieser Haggerty über den Jordan gegangen
wäre, doch das werden zwei meiner Jungs besorgen. Poul wird
deine Wunde verbinden. Du solltest dich ausruhen. Wenn ich
dich brauche, melde ich mich wieder.«

Richy Valentine klopfte Sam Crown auf die Schulter und

verließ das Nebenzimmer.

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Im Saloon ging es noch schlimmer zu. Viele der Bürger von

Tres Alamos hatten inzwischen dem Alkohol so stark
zugesprochen, daß sie schon sehr angetrunken wirkten.

Einer von Valentines Leuten kletterte, auf ein Zeichen seines

Bosses hin, auf einen Stuhl. Er benötigte einige Zeit, um sich
gegen den Stimmenlärm durchzusetzen.

Dann brüllte der Outlaw los: »Hört zu, Jungs. Wir holen uns

nun diese beiden verdammten Bastarde und hängen sie auf.
Das sind wir uns schuldig. Diese roten Halunken haben genug
Blut über uns alle gebracht. Das Maß ist voll. Wir wollen
unsere Rache. Folgt mir, Leute.«

Er sprang vom Stuhl und nahm zwei Lassos von einem

Tisch, die er triumphierend hochschwang.

»Die Kerle sollen baumeln. Es wird zur Abschreckung dieser

verdammten Apachenbrut geschehen. Dann sind wir die
Indianer für immer los. Folgt mir, Freunde. Der Sheriff ist
nicht in der Stadt und kann uns nicht aufhalten!«

Der Outlaw lief los. Immer mehr Männer schlossen sich ihm

an und drängten lärmend auf die Straße.

»Na also«, murmelte Valentine. »Das läuft alles nach Plan.

Und nun schicke ich diesem Haggerty zwei meiner Leute
entgegen, falls er wirklich noch in der Lage ist, in Richtung
Tres Alamos zu marschieren. Ich habe alles im Griff. Nichts
kann mehr schieflaufen.«

*

John Haggerty stapfte durch das öde und wüstenähnliche Land.
Die Dunkelheit war angebrochen und erschwerte sein
Vorwärtskommen. Fern funkelten die ersten Sterne.

Die Mondscheibe hing wie ein Golddollar am nächtlichen

Firmament und verbreitete milchigen Lichtschein. Ein
Nachtfalke schoß wie ein Pfeil über Johns Kopf hinweg und
verschwand in der Dunkelheit.

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Der Sheriff von Tres Alamos fühlte sich müde und

ausgelaugt. Der Fußmarsch setzte ihm mehr zu, als er
angenommen hatte. Noch immer schmerzte die
Streifschußwunde höllisch.

Tres Alamos mochte vielleicht noch zwei oder auch drei

Meilen entfernt sein. John wußte es nicht genau.

Er lief weiter, setzte Fuß vor Fuß und hatte das Gefühl, nicht

vorwärtszukommen.

Immer wieder dachte er an Cochise und Naiche und

schimpfte sich selbst einen Narren, auf den hinterhältigen Trick
des angeblich verwundeten Poul Dragger hereingefallen zu
sein.

John marschierte schneller. Seine Fußsohlen brannten. Die

Reitstiefel mit den hohen Absätzen waren kaum dazu geeignet,
einen längeren Fußmarsch zurückzulegen.

Ein Absatz wackelte schon bedenklich und würde sich

bestimmt bald ganz lösen.

John Haggerty gab nicht auf. Er war nun einmal ein Mann,

der sich erst mit dem letzten Atemzug geschlagen geben
würde.

Die Angst um seine beiden Apachenfreunde trieb den

großgewachsenen Kämpfer vorwärts.

Nach einer weiteren Meile legte John eine Pause ein. Die

Kopfschmerzen waren wieder stärker geworden. Der
Stiefelabsatz wackelte inzwischen wie ein loser Zahn.

John riß ihn ab und auch den Absatz des anderen Stiefels,

ehe er seinen Trail fortsetzte.

Er vernahm plötzlich Hufschläge, die Laut durch die Nacht

hallten. Zwei Reiter näherten sich langsam. Mondlicht wurde
auf den Läufen ihrer Gewehre reflektiert.

John Haggerty duckte sich und beobachtete die beiden

Männer, die gebeugt in den Sätteln saßen, die Tiere nun noch
langsamer gehen ließen und sich immer wieder nach allen
Seiten umsahen.

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Die Kerle suchen mich, dachte John Haggerty. Bestimmt ist

der Outlaw, der aus dem Hinterhalt auf mich schoß, inzwischen
in Tres Alamos angelangt und hat seinem Boß alles berichtet.
Nun sollen diese beiden Burschen mir den Rest geben.

John lächelte grimmig und zog seinen Revolver aus dem

Halfter. Fest lag die Waffe in seiner Hand, während er sich
noch tiefer hinter einem Salbeibusch duckte.

Die beiden Banditen zügelten ihre Pferde. Wieder sahen sie

sich um, konnten natürlich John Haggerty nicht entdecken, der
hoffte, daß er sich in seinen Vermutungen nicht irrte.

John brauchte aber ein Pferd, um so schnell wie möglich die

Stadt zu erreichen.

Langsam schlich er auf die beiden Reiter zu, die noch immer

unschlüssig über das nächtliche Land blickten.

*

Der Stimmenlärm vor dem Gefängnis wurde immer lauter.
Mehrere Dutzend Männer schrien sich die Kehlen heiser und
verlangten den Tod der beiden Apachen.

Steine flogen gegen die Seitenwand des Jails, wo sich die

Zellen befanden. Ein Steinbrocken segelte durch das vergitterte
Fenster und verfehlte Cochises Kopf nur knapp.

Naiche wandte sich mit blitzenden Augen an seinen Vater.
»Du hast umsonst dem Falken vertraut«, klagte er. »Die

Weißhäutigen werden uns töten, Vater.«

Cochises Gesicht war ernst wie selten. Er war ein Mann, der

seine Chancen immer richtig einschätzte. Und der Häuptling
der Chiricahuas mußte sich eingestehen, daß sein Leben und
auch das seines Sohnes nur noch an einem dünnen Faden hing.

Noch lauter wurden die grölenden Stimmen. Eine

Whiskyflasche zerbarst klirrend an der Hausmauer.

»Der Falke wird uns nicht im Stich lassen, mein Sohn«, sagte

der Häuptling der Apachen. »Ich habe sein Wort.«

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»Pah«, stieß Naiche hervor. »Auch der Falke ist nur ein

Bleichgesicht, Vater. Er wird sich nicht gegen seine eigenen
Rassegenossen stellen. Was will er allein gegen diese Vielzahl
von Weißhäutigen unternehmen? Wir müssen sterben.«

Cochise trat zu den Gitterstäben, die ihn von seinem Sohn

trennten. Er sah Naiche lange an.

»Wir müssen irgendwann alle einmal sterben, mein Sohn.

Den einen trifft es früher, den anderen später. Diese Stadt und
alle ihre Einwohner sind zum Tode verurteilt, wenn uns auch
nur ein Haar gekrümmt wird. Unsere Stammesbrüder erfahren
sehr rasch, was geschehen ist. Gut, mein Sohn, dann ist es für
uns zu spät. Das willst du mir mit deinem Blick sagen. Ich
vertraue aber fest auf den Falken. Er ist mein Freund. Wir
haben viele gemeinsame Abenteuer erlebt und oft Seite an
Seite gekämpft. Das zählt und sonst nichts.«

Cochise schwieg. Seine Worte sollten Naiche trösten, der

nun langsam nickte.

»Unsere Leben liegen in den Händen des Großen Geistes.

Wenn er will, daß wir in die Ewigen Jagdgründe einkehren
müssen, dann soll es geschehen.«

Ehe Cochise etwas entgegnen konnte, wurde die Zellentür

aufgerissen. Clark Harper stolperte herein. Er hielt eine Parker
Gun, eine Schrotflinte, in den Händen.

Seine Nase wirkte noch röter als sonst. Die auf einem Stuhl

stehende Kerosinlampe zauberte bizarre Flecken auf sein
ansonsten bleiches Gesicht.

Er blieb vor den Gitterstäben stehen. Rasselnd ging sein

Atem. Der Bürgermeister von Tres Alamos bebte am ganzen
Körper. Es dauerte einige Sekunden bis er verständliche Worte
hervorbrachte.

»Ihr sollt aufgehängt werden, Cochise. Ich kann es nicht

verhindern, denn dann müßte ich auf meine eigenen Landsleute
schießen. Das wirst du doch verstehen, Häuptling?«

»Wo ist der Falke, den ihr Haggerty nennt?«

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Clark Harper zögerte. Angst funkelte in seinen Augen. Er

preßte die Lippen so fest zusammen, daß sie an eine schlecht
verheilte Narbe erinnerten.

»Er ist fortgeritten«, quetschte er mühsam hervor.
Cochise blickte das Bleichgesicht erstaunt an, zeigte aber

sonst nichts von seinen Empfindungen, die durch seinen
großgewachsenen Körper pulsierten.

»Ist er vor dieser bösen Horde dort draußen geflohen?« gellte

Naiches Stimme in die eingetretene Stille.

Clark Harper schüttelte brummend den Kopf.
»Nein, er ist hinter einigen Indianern her, die einen unserer

Leute übel zugerichtet haben.«

»Er ist geflohen«, schrie Naiche.
»Beruhige dich, mein Sohn«, sagte Cochise gelassen. »Der

Falke wird rechtzeitig zurückkehren.«

Naiche senkte den Kopf. Er hatte die Zurechtweisung seines

Vaters verstanden. An und für sich war es nicht Naiches Art,
sich gehen zu lassen und Gefühle zu zeigen. Sonst war er ein
mehr verschlossener junger Mann, der stets die Nerven behielt.

Brettharte Schritte ertönten aus dem Office. Irgendein

Gegenstand polterte zu Boden und zerbrach klirrend. Die
Schritte näherten sich rasch.

Dann wurde die Tür zum Zellentrakt aufgerissen. Drei

Männer versuchten gleichzeitig einzudringen und behinderten
sich gegenseitig. Hinter ihnen drängten andere Männer nach,
die losfluchten, als es ihnen nicht schnell genug vorwärtsging.

Clark Harper hob seine Schrotflinte an und richtete sie auf

die Männer, die erschrocken stehenblieben. Es nützte ihnen
aber nichts, denn andere drängten nach.

»Zurück, oder ich schieße«, brüllte der Bürgermeister von

Tres Alamos mit sich überschlagender Stimme. »Zurück, sonst
gibt es ein Blutbad. Die Parker Gun ist geladen!«

Langsam legte sich der Stimmenlärm. Das Geschubse und

das Gedränge hörte auf. Einer der Burschen trat einen Schritt

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auf Clark Harper zu.

Das Gesicht des Town Mayors war schweißüberströmt. Seine

Nase zuckte, als wäre sie zu einem eigenständigen Wesen
geworden. Der Gewehrlauf bewegte sich hin und her.

»Hör zu, Harper«, sagte der bärtige Mann, der zu Richy

Valentines Leuten gehörte. »Nimm sofort die Bleispritze weg,
sonst nehmen wir dich auseinander, daß du hinterher in keinen
Kindersarg mehr paßt. Das geht dich überhaupt nichts an,
Harper. Du bist nicht der Sheriff. Und mit diesem Haggerty
wären wir auch zu Rande gekommen. Mach den Weg frei,
sonst wird es ungemütlich.«

Clark Harper gab auf. Er war noch nie ein mutiger Mann

gewesen. Und gegen diese drohende Übermacht rechnete er
sich keine Chance aus.

Das verhängnisvolle Geschehen nahm seinen Lauf.

*

Victorio, der Häuptling der Mimbrenjo-Apachen, zügelte
seinen Mustang. Die ihm folgenden Krieger, etwa fünfzig an
der Zahl, folgten dem Beispiel ihres Chiefs.

Der ungefähr vierzigjährige Victorio blickte seine Krieger an

und nickte dann.

»Wir warten hier auf die tapferen Krieger der Chiricahuas.

Gemeinsam wird es uns gelingen, Cochise und seinen Sohn aus
den Händen der Weißhäutigen zu befreien.«

Loco, einer der Unterhäuptlinge der Mimbrenjos, ritt zu

Victorio und sagte: »Wollen wir nicht sofort weiterreiten?
Wenn wir noch mehr Zeit verlieren, dann kann es für Cochise
zu spät sein. Die Bleichgesichter kennen keine Gnade. Sie
werden den Häuptling der Chiricahuas töten.«

Victorio sah seinen Gefährten nachdenklich an.
»Wir können die Wigwams der Hellhäutigen nicht vor dem

Morgengrauen erreichen. Und dann müssen wir viele Krieger

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sein, um den Bleichgesichtern unsere geballte Macht zu zeigen.
Nur so können wir sie einschüchtern und dazu zwingen,
Cochise und Naiche freizulassen. Wir müssen drohen. Es nützt
uns nichts, anzugreifen, denn sie würden Cochise töten, ehe wir
ihn befreien könnten.«

Locos breitflächiges Gesicht verzog sich mürrisch. Als er

den abweisenden Blick seines Jefes sah, schwieg er.

Bleiches Mondlicht sickerte vom Himmel. Irgendwo in der

Ferne heulte ein Wüstenwolf. Ein anderer antwortete.

Eine halbe Stunde später ertönten Hufschläge. Ein großer

Reitertrupp schälte sich aus der Dunkelheit hervor. Es waren
die Chiricahuas, auf die Victorio gewartet hatte. Auch sie
hatten sich zu einer Streitmacht von über fünfzig Kriegern
zusammengefunden. Ulzana, ebenfalls ein Unterhäuptling und
als Weißenhasser bekannt, führte die Krieger an.

Victorio und Ulzana begrüßten sich.
Der Chiricahua-Apache sagte: »Ich grüße dich, Victorio, und

danke dir, daß du mit deinen tapferen Kriegern meinem Ruf
gefolgt bist. Laß uns weiterreiten bis zu den Häusern aus Stein,
die von den Bleichgesichtern Tres Alamos genannt werden.«

Befehle erklangen. Die Krieger der beiden Apachen-Stämme

ritten los. Eine gewaltige Staubwolke hing über den Reitern
und zerfaserte nur träge im leichten Wind.

Das Ziel der Apachen war Tres Alamos. Nach den

Geschehnissen aber, die dort abliefen, würde jede rechtzeitige
Hilfe zu spät kommen.

*

John Haggerty näherte sich den beiden Reitern bis auf wenige
Schritte. Die beiden Banditen bemerkten die Anwesenheit des
großgewachsenen Mannes nicht, obwohl sie sich immer wieder
umsahen und nach ihm Ausschau hielten.

Natürlich hatten die beiden Pferde die Witterung von John

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55

Haggerty aufgenommen. Sie spitzten die Ohren und
schnaubten, doch ihre Reiter achteten nicht darauf.

John Haggerty atmete mehrmals tief durch. Er fühlte sich

noch lange nicht im Vollbesitz seiner Kräfte. Der Schmerz in
seinem Schädel hämmerte noch immer. Die Übelkeit, die nach
wie vor durch seinen Körper pulsierte, hatte ein wenig
abgenommen.

Der einstige Armee-Scout mußte alles auf eine Karte setzen.

Ihm blieb keine andere Wahl.

Geräuschlos huschte er hinter dem Salbeibusch hervor und

richtete den Revolverlauf auf die beiden Reiter.

»Hier bin ich, Jungs«, klang seine kalte Stimme auf. »Nun

liegt es an euch, wie ihr es haben wollt!«

Die beiden Outlaws erschraken. Für einen Moment starrten

sie auf John Haggerty, als wäre ihnen ein Gespenst erschienen.

Dann zuckten ihre Hände zu den Revolvergriffen.
John schoß noch nicht, hoffte, daß die beiden Banditen

Vernunft annehmen würden.

Endlich wurden sich die Outlaws ihres Handelns bewußt. Sie

ließen die Griffe der Colts los, als wären diese glühend heiß.
Einer der Kerle stöhnte.

»Greift schon zu den Sternen, Leute. Und wenn ihr nochmals

eine unvorsichtige Bewegung riskiert, pumpe ich euch mit
heißem Blei voll. Mein Wort darauf!«

Die Hände der beiden Männer glitten in Schulterhöhe. John

Haggerty sah sich die beiden Halunken genau an. Es waren
Männer, die bei dem Reitertrupp gewesen waren, die Cochise
und Naiche in die Stadt geschleppt hatten.

»Öffnet die Revolvergürtel, Jungs.«
Die Banditen gehorchten.
»So, und nun runter von den Pferden. Ich nehme die Tiere

mit. Wenn ich euch einen guten Rat geben darf, dann laßt euch
nicht mehr in Tres Alamos blicken, denn sonst wandert ihr ins
Jail. Ihr habt großes Glück, daß ich keine Zeit habe, mich noch

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länger mit euch zu beschäftigen. Seid nur so klug und beherzigt
meine Warnung.«

Die Outlaws schwangen sich von den Pferderücken. Ihre

finsteren Gesichter sprachen Bände.

»Ab mit euch, Jungs. Marschiert mal schön dort auf die

Felsen zu. Los, keine Müdigkeit vortäuschen.«

Die beiden Kerle stiefelten los.
John Haggerty hob die beiden Revolvergürtel auf und steckte

sie in eine Satteltasche. Einen Colt schob er in den Hosenbund
und zog sich in den Sattel.

Er nahm das zweite Pferd am Zügel, blickte sich nochmals

nach den Outlaws um und ritt los. Er vernahm nicht die Flüche
der Halunken, die hinter ihm her schallten.

*

Clark Harper wankte zur Seite. Einer der lynchwütigen Männer
entriß ihm die Schrotflinte. Von einem anderen erhielt er einen
harten Rempler, der den Bürgermeister von Tres Alamos recht
unsanft auf sein Sitzleder beförderte.

Innerhalb von Sekunden war der Zellentrakt mit schreienden

und johlenden Männern überfüllt. Sie behinderten sich
gegenseitig und drängten zu den Gitterkäfigen.

Cochises und Naiches Gesichter wirkten wie versteinert. Ihre

Augen waren verächtlich auf den kreischenden Mob gerichtet,
der meilenweit gegen den Wind nach Whisky stank.

»Die Schlüssel, verdammt, wo sind die Zellenschlüssel?«

kreischte einer der Kerle.

Seine Blicke suchten den Bürgermeister, der auf allen vieren

in Richtung Officetür kroch und zu entkommen versuchte.
Schließlich entdeckte ihn einer der Männer, packte den
aufschreienden Mann am Jackenkragen und riß ihn hoch.

Harper händigte die Schlüssel aus und verließ zitternd den

Ort seiner Niederlage.

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Sekunden später sprangen die Gittertüren auf. Je zwei

Männer drangen in eine Zelle ein. Obwohl Cochise und Naiche
sich keine Chancen ausrechneten, gegen die aufgebrachten
Bürger von Tres Alamos bestehen zu können, setzten sie sich
zur Wehr.

Die beiden Apachen kämpften wie wütende Pumas, die ihre

Jungen verteidigten. Sie schickten einige der Bleichgesichter
zu Boden, ehe sie selbst niedergekämpft wurden.

Cochise und Naiche wurden brutal die Hände auf den

Rücken gefesselt. Sie mußten eine Menge Hiebe einstecken,
denn die Weißen gerieten immer mehr außer Rand und Band.

Mit Triumphgeheul schleppte man die beiden Gefangenen

ins Freie. Draußen vor dem Office brannten zwei Teerfässer.
Der flackernde Lichtschein erhellte gespenstisch die Szenerie.

Wütendes Gebrüll empfing die Apachen. Cochise und

Naiche trugen die Köpfe stolz emporgereckt. Niemand ahnte,
was in ihnen vorging.

Langsam legte sich der Lärm. Sogar einige Frauen konnte

man nun zwischen den angetrunkenen Männern sehen. Auch
sie wollten sich das bevorstehende Schauspiel nicht entgehen
lassen.

Eine Gasse öffnete sich zwischen den vielen Menschen.

Richy Valentine stakte heran. Es war sein großer Auftritt, und
es war genauso, wie es der hinterhältige Halunke geplant hatte.

Er trat vor die Indianer und blickte ihnen höhnisch in die

starren Gesichter.

Dann hob Valentine beide Arme in die Höhe. Es dauerte nur

wenige Sekunden, bis eine fast unheimlich wirkende Stille
eintrat.

Er wandte sich der Mauer aus Körpern und Gesichtern zu. Er

sah weit aufgerissene Augenpaare und geöffnete Münder.

»Männer von Tres Alamos«, rief Richy Valentine pathetisch.

Noch immer hielt er beide Arme wie ein Prediger nach oben
gereckt. »Hört mir zu, meine Freunde.«

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58

Valentine senkte langsam die Arme und stemmte sie

herausfordernd in die Hüften.

»Der Tag der Rache ist gekommen. Viele unserer Mitbürger

mußten unter dem Terror der Apachen leiden. Einige starben,
andere wurden schwer verwundet. Nun ist die Stunde der
Abrechnung für uns da. Diese beiden roten Bastarde konnten
wir gefangennehmen. Und sie werden stellvertretend für die
anderen roten Teufel büßen müssen. Wir hängen sie auf. Seid
ihr alle damit einverstanden?«

Die Menschenmenge stimmte begeistert zu. Wieder tobte ein

ohrenbetörender Lärm los. Es gab keinen Zweifel, die Bürger
von Tres Alamos wollten den Tod der beiden Indianer, von
denen sie glaubten, daß sie an dem Terror der letzten Tage und
Wochen beteiligt waren.

Richy Valentine wandte sich zufrieden lächelnd den

Apachen zu, die unbeweglich wie Statuen dastanden. Sie
wurden von einigen grimmig blickenden Mannen flankiert, die
zu Valentines rauher Horde gehören, Revolver und Gewehre
waren auf Cochise und Naiche gerichtet. Nun glaubte sogar
Cochise, daß es keinen Ausweg mehr aus dieser bedrohlichen
Lage geben konnte.

»Ihr habt das Urteil des weißen Mannes gehört, Apachen«,

rief Richy Valentine, nachdem sich der Lärm ein wenig gelegt
hatte. »Es gibt keine Gnade für euch Bestien, denn auch ihr
kanntet keine Gnade, als ihr unsere Mitbürger gnadenlos
umgebracht habt.«

Cochise schien aus seiner Erstarrung zu erwachen. Fest

blickte er den dürren Mann an, ehe er fast traurig den Kopf
schüttelte.

»Du irrst, weißer Mann, der du dich zum Sprecher dieser

Bleichgesichter gemacht hast. Es waren nicht die Apachen, die
deine weißen Vettern getötet haben. Ich muß es wissen, denn
ich bin Cochise, der Häuptling der Apachen!«

Nun herrschte wieder diese erdrückende Stille. Die Bürger

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von Tres Alamos schwiegen und starrten Cochise wie ein
Wundertier an. Natürlich hatten sie schon alle von dem
legendären Indianerhäuptling gehört.

Sein Name war in aller Munde.
Und es waren nicht gerade »Gutenachtgeschichten«, die man

sich von ihm erzählte.

Richy Valentine blickte den Apachen-Chief ebenso staunend

an, ehe er noch spöttischer zu grinsen begann.

»Cochise«, murmelte er. »Den großen Häuptling der

Apachen haben meine Leute geschnappt.«

Sein Lächeln verstärkte sich.
Besser kann es überhaupt nicht klappen, dachte der

Banditenboß. Wenn Cochise stirbt, wird das Land in Aufruhr
geraten. Die Armee muß eingreifen. Sie hat keine andere Wahl.
Und die Blaubäuche jagen die Rothäute weit nach Norden.

Valentine drehte sich seinen Mitbürgern zu. Wieder breitete

er beide Arme aus.

»Dieser Mann behauptet, Cochise zu sein, Männer und

Frauen von Tres Alamos. Das sind große Worte. Ich kenne den
Apachen-King nicht persönlich. Hat schon jemand von euch
seine Bekanntschaft gemacht?«

Richy Valentines Blick glitt über die vielen Frauen und

Männer. Die meisten von ihnen schüttelten die Köpfe.

Der dürre Banditenboß fuhr fort: »Dieser Mann lügt, Leute.

Er gibt sich als Cochise aus, nur damit wir davor
zurückschrecken, ihn aufzuhängen. Wir fallen aber nicht auf
diesen Bluff herein. Sollte es aber wirklich Cochise sein, dann
trifft unsere Rache genau den Richtigen. Cochise ist es, der die
Befehle gab, unsere Mitbürger zu töten.«

Das Stimmengemurmel schwoll wieder an. Bald erfüllte

tosender Lärm die Main Street.

Cochise sah ein, daß auch sein letzter Trumpf nicht

gestochen hatte. Diese aufgewiegelte Menschenmenge wollte
ihre Rache. Nichts konnte sie davon abbringen.

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»Bringt die beiden Bastarde rüber zur alten Eiche. Die beiden

Lassos baumelten schon. Wir vollstrecken das Urteil, das die
Bürger von Tres Alamos gefällt haben!«

So rief Richy Valentine und blickte dabei die beiden

Apachen voller Spott an.

*

John Haggerty atmete auf, als er die ersten Lichter von Tres
Alamos in der Ferne sah. Er trieb nochmals sein Pferd an. Das
andere Tier hatte er längst freigelassen. Bestimmt würde es den
Weg zum heimischen Stall allein finden.

Der frühere Armee-Scout ließ es langsamer angehen, als er

sich den Häusern der Stadt bis auf eine Steinwurfweite
genähert hatte. Immerhin bestand die Möglichkeit, daß noch
einige Burschen aus Richy Valentines rauhem Rudel vor der
Stadt lauerten.

John sprang aus dem Sattel und ließ sein Pferd hinter einigen

Büschen zurück. Bald erreichte er die ersten Häuser. Er
lauschte und vernahm brodelnden Stimmenlärm, Schreie und
Rufe.

Die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein. Das aber

konnte nur bedeuten, daß Cochise und Naiche in diesen
Minuten hängen sollten.

Haggerty fühlte Erleichterung durch seinen Körper pulsieren.

Es sah so aus, als wäre er nicht zu spät angelangt, um seine
Freunde retten zu können.

Er schlich weiter auf den Lärm zu, der immer stärker wurde,

je mehr John Haggerty sich dem kleinen Marktplatz der Stadt
näherte. Der neue Sheriff von Tres Alamos zuckte zusammen,
als er plötzlich einen dunklen Schatten aus einer Seitengasse
auftauchen sah.

Haggerty riß seinen Revolver hoch. Im letzten Moment

erkannte er Clark Harper, der erschrocken beide Arme in die

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Höhe riß. Der Bürgermeister von Tres Alamos lehnte sich
zitternd gegen die Hauswand.

John trat zu ihm.
»Endlich, Haggerty«, krächzte Harper. »Endlich. Ich habe

hier auf Sie gewartet, denn ich konnte mich nicht behaupten.
Die ganze Stadt war gegen mich. Sie haben die beiden
Apachen aus den Zellenkäfigen geholt, um sie aufzuhängen.
Noch ist es nicht zu spät, John. Es kann aber Ihr Leben kosten,
denn die Bürger von Tres Alamos wissen nicht mehr was sie
tun. So habe ich die Leute noch nie gesehen. Sie gleichen
reißenden Bestien, die Blut sehen wollen.«

Clark Harper atmete tief durch. Sein Gesicht erinnerte an

einen hellen Fleck in der Dunkelheit.

Der Town Mayor griff neben sich und packte eine

Schrotflinte, die er dem Sheriff reichte.

»Nehmen Sie, John. Vielleicht gelingt es Ihnen, sich mit der

Parker Gun durchzusetzen. Ich komme mit, obwohl ich Angst
habe. Das ist die Wahrheit. Dieser Tag ist der schrecklichste in
meinem Leben. Ich besitze ebenfalls eine Schrotflinte.
Vielleicht gelingt es uns, Valentine aufzuhalten. Er ist der
Anführer der Lyncher.«

Diese Worte sprudelten immer schneller aus dem Mund von

Clark Harper hervor. Er bückte sich und hob eine weitere
Parker Gun auf.

»Es war nichts anderes als eine Falle, Clark«, sagte John

Haggerty. »Dragger lockte mich von Tres Alamos fort und ein
anderer Halunke legte mir einen Hinterhalt. Nur mit viel Glück
und Zufall bin ich dem Sensenmann entgangen.«

John Haggerty tastete über seinen durchbluteten

Kopfverband. Er fühlte die Schmerzen, zwang sich aber dazu,
sie einfach zu ignorieren. Er sah Clark Harper nicken.

»Dieser Poul Dragger war überhaupt nicht verletzt, John. Ich

wollte ihn zum Doc bringen, doch er ließ es nicht zu. Der
Halunke ist nicht bei George Henderson gewesen. Nun glaube

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ich auch daran, daß Valentine hinter allem steckt. Wir müssen
ihn aufhalten!«

John Haggerty lächelte verbissen.
»Das habe ich vor, Clark, und wenn es mich mein eigenes

Leben kostet. Ich muß Cochise und Naiche vor dem Hängen
retten!«

*

Auch neben einer mächtigen, alten Eiche brannten zwei
Teerfässer. Ihr Lichtschein geisterte über die versammelte
Menschenmenge, die den Baum umringte.

Zwei Lassos hingen von einem starken Ast herunter und

pendelten im leichten Wind hin und her. Valentine-Männer
hoben Cochise und Naiche in die Sättel zweier Pferde.

Über ein Dutzend Revolver waren auf die beiden Chiricahua-

Apachen gerichtet, die nun alles in stoischer Ruhe über sich
ergehen ließen, als ginge sie das alles nichts an.

Valentine führte die beiden Pferde persönlich unter die

baumelnden Lassos. Einer seiner Männer streifte dem
Apachen-Häuptling und Naiche die Schlingen über die Köpfe.

Nun genügte ein einziger Schlag auf die Hinterhand der

Pferde, um das Lynchurteil zu vollstrecken.

Richy Valentine trat zurück. »Es ist soweit, Leute«,

verkündete er »Wir hängen diese beiden Bastarde, damit die
Indianer zur Räson gebracht werden und uns in Zukunft in
Frieden leben lassen.«

Er starrte zu Cochise und Naiche hinüber, die regungslos auf

den Pferderücken saßen. Die Tiere schnaubten, wieherten und
tänzelten. Die vielen Menschen machten sie nervös.

Die Lassoschlingen zogen sich immer mehr zusammen. Die

beiden Chiricahua-Apachen rangen nach Luft. Ihre Gesichter
verzerrten sich immer mehr.

Richy Valentine nickte zweien seiner Männer zu, die zu den

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Pferden traten, dabei grinsten, als wäre es ein riesiger Spaß,
zwei Menschen vom Leben zum Tod zu befördern.

»Stopp!«
Die harte Stimme peitschte durch die Stille.
Ein Mann bahnte sich ohne jegliche Rücksicht einen Weg

durch die Menschenmenge. Ein zweiter folgte ihm.

Richy Valentines Augenlider begannen zu zucken. Ein

verkniffener Zug legte sich um seine Mundwinkel. Er nickte
seinen beiden Männern zu, die aber zum Glück nicht
reagierten, sondern auf den Sheriff blickten, der nun die letzten
Bürger von Tres Alamos zur Seite gestoßen hatte.

John Haggerty richtete die Läufe seiner zweischüssigen

Schrotflinte auf Valentine, der erschrocken einen Schritt
zurückwich und den Sternträger wie ein Gespenst anstarrte.

Der Banditenboß hatte mit allem gerechnet, nur nicht John

Haggerty zu sehen.

»Wenn du dich bewegst, Valentine, schieß ich dich in zwei

Stücke«, stieß John Haggerty klirrend hervor. »Das gilt auch
für alle anderen. Die Schrotflinten sind geladen. Harper und ich
werden noch immer abdrücken können. Was dann geschieht,
könnt ihr euch leicht ausrechnen. Also bleibt friedlich, Leute!«

Valentine steckte den ersten Schock schnell weg. Er

schüttelte den Kopf.

»Sie sollten verschwinden, Haggerty«, rief er. »Das hier ist

die Angelegenheit der Bürger von Tres Alamos und geht Sie
nicht die Bohne etwas an.«

»Ich bin der Sheriff dieser Stadt und lasse es nicht zu, daß

diese beiden Unschuldigen gehängt werden. Wißt ihr
überhaupt, wer die Apachen sind?«

Cochise blickte zu seinem Freund herüber. John erkannte die

Erleichterung in den Augen des Apachen-Kings, der vor
wenigen Sekunden bereits mit dem Leben abgeschlossen hatte.

»Das sind Cochise und sein Sohn Naiche, Leute«, setzte der

Sheriff seine Rede fort. »Wißt ihr was es bedeutet, diese beiden

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Indianer zu töten? Anscheinend nicht, sonst würdet ihr nicht so
handeln. Die Apachen würden diese Stadt dem Erdboden
gleichmachen. Keiner von euch könnte diesem Massaker
entkommen. Was seid ihr alle nur für hirnlose Dummköpfe, um
auf einen solch schmutzigen Plan hereinzufallen, den dieser
Halunke von Valentine ausgebrütet hat.«

Der Banditenboß lief einige Schritte rückwärts. John richtete

die Parker Gun auf den Outlaw, der sofort stehenblieb.

»Hört nicht auf diesen Verrückten, Leute«, schrie Richy

Valentine. Seine Stimme überschlug sich. »Er will nur diese
beiden roten Verbrecher retten, denn er ist nichts anderes als
ein verdammter Indianerfreund.«

»Du bist verhaftet, Valentine. Und deine Leute hole ich mir

anschließend.«

John nickte Harper zu.
»Löse die Stricke von Cochise und Naiche. Und ihr solltet

ganz schnell verschwinden, sonst wird das alles noch ein
mächtig schlimmes Nachspiel haben. Was seid ihr nur für
Narren. Ein wenig Whisky genügt wohl, um aus ehrbaren
Bürgern reißende Bestien zu machen!«

Einige Männer blickten schuldbewußt zu Boden, andere

starrten den neuen Sheriff abweisend an.

Harper nahm Cochise und Naiche die Schlingen ab. Die

beiden Kerle, die neben den Pferden gestanden hatten,
verschwanden in der Menschenmenge, die sich immer mehr
auflöste.

Die meisten Männer und Frauen strebten zu ihren

Behausungen, andere stiefelten zu den Saloons, um sich erst
einmal einen Drink durch die Kehle zu jagen.

Clark Harper blickte John Haggerty ungläubig an. Ihm wollte

nicht in den Kopf, daß diesem das gelungen war, woran er
noch vor einer halben Stunde gescheitert war.

»Hiergeblieben, Valentine«, schnappte Haggertys Stimme,

als der dürre Halunke abhauen wollte. »Wie ich schon sagte, du

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bist verhaftet. Ich bin schneller hinter deine Schliche
gekommen, als du ahnen konntest. Dein teuflisches Spiel ist
vorbei!«

Richy Valentine blieb stehen.
»Das wirst du büßen, Haggerty«, drohte er. »Warum nimmst

du mich fest? Ich bin nicht der einzige Bürger der Stadt
gewesen, der die Rothäute hängen wollte.«

»Das stimmt, Valentine, doch du hast alles in Gang gebracht.

Dein Plan ist gescheitert. Ihr solltet von den Pferden steigen«,
sagte John zu Cochise und Naiche. »Ihr folgt mir ins Office.
Und du auch«, fauchte er Valentine an, der sich immer wieder
umsah, und auf eine Chance hoffte, Haggerty entwischen zu
können.

*

Der Überfall, nur wenige Schritte vom Sheriff-Office entfernt,
überraschte John Haggerty und Clark Harper. Drei Männer
sprangen aus einer dunklen Seitengasse hervor, stürzten sich
auf Haggerty und Clark Harper und brachten diese zu Fall.

Die Schrotflinten polterten zu Boden, noch ehe John und der

Bürgermeister schießen konnten.

Es ging alles sehr rasch.
Als sich Haggerty und Harper erhoben, waren die drei

Angreifer und natürlich auch Valentine verschwunden. Die
hämmernden Schritte verklangen.

Harper fluchte, während der einstige Chiefscout ein düsteres

Gesicht zog. Die Streifschußverletzung am Kopf schmerzte
wieder stärker. Ein flaues Gefühl in den Beinen ließ den
ansonsten so harten Mann leicht einknicken.

»Wir konnten nicht eingreifen, denn unsere Hände sind noch

immer gefesselt«, sagte Cochise leise.

»Schon gut«, Haggerty winkte ab. »Dieser Valentine wird

mir nicht entwischen. Ich kaufe mir den Burschen und auch

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sein rauhes Rudel. Zuerst aber muß der Doc nach meiner
Verletzung sehen und mir irgendein Mittel geben, damit ich
mich wieder fit fühle.«

Sie betraten das Office. Während Harper den Arzt holte,

löste John die Handfesseln von Cochise und Naiche.

»Ich danke dir, Falke«, sagte der Häuptling der Chiricahua-

Apachen. »Cochise und Naiche stehen tief in deiner Schuld.
Wir werden deine mutige Tat niemals vergessen.«

Naiche blickte John Haggerty lange an. Alle Zweifel waren

aus seinen Augen verschwunden.

»Auch Naiche dankt dir, Falke. Er wird sein Leben für das

deine geben, sollte es nötig sein.«

John Haggerty lächelte sanft, obwohl die Schmerzen in

seinem Kopf schlimm wüteten.

»Ich tat nur meine Pflicht, meine Freunde. Diese

Bleichgesichter dort draußen waren verblendet und standen
unter dem Einfluß eines bösen Mannes.«

Cochise stimmte zu. Er sagte: »Dieses dürre Bleichgesicht

muß selbst hinter den Überfällen stecken. Kein Apache hat es
getan. Wir respektierten seit langer Zeit die Bewohner dieser
Stadt, da sie uns nicht feindselig gesinnt waren. Kannst du mir
sagen, was dieser dürre Weißhäutige mit allem bezweckt?«

»Eine gute Frage, Cochise. Ich möchte dir aber auch eine

Frage stellen: Gibt es in der Nähe von Tres Alamos eine
Goldmine, die vor Jahren von weißen Männern entdeckt
wurde? Die Bleichgesichter wurden von den Apachen bis auf
wenige getötet.«

»So ist es, Falke. Es gibt diese Mine. Dort ist ein heiliger Ort

der Indianer. Nicht nur für Apachen, sondern auch für andere
Stämme. Keiner der Hellhäutigen darf ihn betreten.«

In Cochises Gesicht arbeitete es. Und es erstaunte John

Haggrety doch ein wenig, wie haarscharf der Häuptling der
Apachen die Zusammenhänge erkannte.

»Nun verstehe ich, Falke. Dieser dürre Mann ließ von

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eigenen Leuten die Überfälle ausführen. Er will, daß die
Blauröcke kommen und die Apachen für etwas bestrafen, was
sie nicht getan haben. Das aber würde einen neuen Krieg
zwischen den Weißhäutigen und dem roten Mann auslösen.
Dieses dürre Bleichgesicht rechnet damit, daß alle Indianer
vertrieben werden, und er in Ruhe das Gold abbauen kann.«

»Du hast es richtig erkannt, Cochise.«
John blickte auf, als sich die Tür zum Office öffnete. Er

senkte den Lauf der Parker Gun, als er Clark Harper und den
kleingewachsenen Arzt George Henderson erkannte, der
schwer an einer schwarzen Tasche schleppte.

Doc Henderson warf einen scheuen Blick auf die beiden

Apachen und trat zu dem verwundeten John Haggerty.

Der Bürgermeister von Tres Alamos fragte: »Warum haben

Sie die Indianer nicht wieder eingesperrt?«

»Es wird nicht mehr nötig sein, Clark. Wenn ich Ihnen die

Zusammenhänge später erkläre, bleibt Ihnen keine andere
Wahl, als mir zuzustimmen.«

»Okay, John, Sie haben mein vollstes Vertrauen. Ich will mal

drüben im Restaurant nachsehen, ob ich etwas zu essen
auftreibe. Wir alle haben Hunger, nicht wahr?«

Er blickte die beiden Apachen forschend an, die seit ihrer

Gefangenschaft nichts zu essen erhalten hatten.

»Bringen Sie nur reichlich mit, Clark, auch Cochise und

Naiche werden tüchtig zulangen.«

»Nun halten Sie doch endlich mal still«, brummte der Doc.

»Ich will mir die Streifschußwunde ansehen.«

John Haggerty ergab sich in sein Schicksal und zuckte mit

keiner Wimper, als Doc Henderson den blutigen Verband löste.
Der Arzt sagte kopfschüttelnd: »Sie haben einen Eisenschädel,
Mr. Haggerty. Eigentlich müßten Sie längst flach liegen.
Bestimmt haben Sie eine Gehirnerschütterung.«

John Haggerty lächelte nur.
»Ich wüßte nicht, was es bei mir zu erschüttern gäbe«,

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antwortete er scherzend.

*

»So ist die Lage der Dinge, Clark. Die Apachen sind
unschuldig. Cochise und Naiche hielten sich nur in der Nähe
von Tres Alamos auf, da sie von den Überfällen gehört hatten
und die wahren Täter finden wollten.«

Der Bürgermeister blickte sichtlich erschüttert zu Boden.

Nun begriff auch er das höllische Spiel, das Richy Valentine
mit seinen Spießgesellen seit Wochen inszenierte.

John Haggerty stülpte sich seinen Stetson auf den

bandagierten Schädel und verzog das Gesicht. Er griff die
Parker Gun und nickte Clark Harper zu.

»Ich versuche Richy Valentine zu finden. Und natürlich auch

diesen Poul Dragger und den anderen Halunken namens Sam
Crown. Vielleicht sind die Kerle irgendwo untergekrochen.«

»Soll ich Sie begleiten?« fragte der Bürgermeister

halbherzig. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen,
wünschte er sich alles andere, als mit John die Stadt nach den
Banditen abzusuchen.

»Natürlich nicht, Clark. Sie bleiben hier bei Cochise und

Naiche und leisten ihnen Gesellschaft. Es ist meine Pflicht und
Aufgabe als Sheriff dieser Stadt für Recht und Ordnung zu
sorgen.«

John Haggerty trat ans Fenster.
Dunkelheit lag über Tres Alamos. Im Osten aber zeigten sich

schon die ersten hellen Schimmer des neuen Tages. Die Main
Street lag wie ausgestorben vor John, als er das Office verließ.

Sein erstes Ziel war Valentines Saloon. Alle Türen waren

verschlossen. Dem Sheriff blieb keine andere Wahl, als sich
mit Gewalt Einlaß zu verschaffen, da auf sein Klopfen niemand
öffnete.

Der Saloon war menschenleer, auch in den anderen Räumen

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war von Valentine und seinen Kumpanen nichts zu sehen.
Irgendwie hatte John Haggerty auch nicht damit gerechnet, den
Banditenboß hier zu finden. Im General Store, der auch Richy
Valentine gehörte, sah es nicht anders aus.

Johns nächster Weg führte zu Doc Henderson und dem

verwundeten und bettlägrigen Nat Baxter.

Der kranke Gesetzeshüter mußte von dem Arzt alles erfahren

haben, denn er gratulierte dem früheren Chiefscout zu seinem
Erfolg.

»Gut, dich zu sehen, John«, fuhr er fort. »Du suchst bestimmt

Valentine wie eine Stecknadel. Ich will dir einen Tip geben,
alter Junge. Eine Meile von hier entfernt, und zwar in
nördlicher Richtung, liegt ein kleines Tal mit einer Blockhütte.
Ich habe es durch Zufall entdeckt. Kaum jemand weiß, daß die
Hütte Valentine gehört. Er wird sich dorthin zurückgezogen
haben. Ich beschreibe dir genau den Weg. Vielleicht kannst du
den Burschen dort aufstöbern.«

Das war mehr, als John zu erhoffen gewagt hatte. Nachdem

er den genauen Weg erfahren hatte, verließ er das Haus des
Arztes und stiefelte zum Office hinüber.

John berichtete von dem kleinen Tal.
Clark Harper hatte davon noch nichts gehört.
»Ich reite hin«, sagte Haggerty. Sein Blick suchte den von

Cochise, der seinem Freund zunickte.

»Cochise und Naiche begleiten dich, Falke. Wir wollen

dieses dürre Bleichgesicht einfangen, das so viel Unglück über
die Apachen brachte. Du darfst die Bitte von Cochise nicht
abschlagen.«

»Einverstanden, Cochise. Ich kann zwei mutige und tapfere

Männer an meiner Seite gebrauchen.«

Draußen wurde es immer heller. Erste Lichtexplosionen im

Osten zauberten Flammenzeichen in das Grau des Himmels.

Hastende Schritte hämmerten auf der Straße. Schreie

ertönten, die von panischer Angst zeugten.

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John Haggerty und Clark Harper verließen das Office.

Cochise und Naiche folgten ihnen.

Zwei Männer rannten aufgeregt gestikulierend näher. Sie

schrien aus Leibeskräften. Fenster öffneten sich. Verschlafen
wirkende Gesichter spähten ins Freie.

»Indianer«, schrie einer der Männer. »Dort drüben. Es sind

mehr als hundert. Sie wollen die Stadt angreifen. Wir sind
verloren.«

*

Es war ein beeindruckendes Bild, das sich John Haggerty und
den Bürgern von Tres Alamos bot. Die meisten Einwohner
waren nur notdürftig bekleidet, doch fast alle hielten Gewehre
oder Revolver in den Händen.

Sie blickten auf einen Hügel dicht vor der Stadt, auf dem sich

über hundert Reiter zu einer Schützenkette formiert hatten.

Apachen!
Bunter Zierat flatterte im Wind. In heidnischer Pracht saßen

die Indianer auf ihren ungesattelten Mustangs. Sie hielten
Speere und Tomahawks in den Händen. Viele Rothäute
verfügten über moderne Gewehre, deren Läufe unter den
Strahlen der aufgehenden Sonne funkelten.

Stille herrschte im weiten Rund.
Angst fraß sich in die Gesichter der Menschen. Eine schon

ältere Frau drückte ein kleines Mädchen fest an sich. Ein Kind
weinte und wurde von der zittrigen Stimme der Mutter
beruhigt.

Einige Männer fluchten, versuchten so, ihre Nervosität und

Angst abzureagieren.

»Sie werden über uns herfallen und uns alle töten«, stöhnte

einer der Männer. »Nun ist es soweit.«

Die Einwohner von Tres Alamos blickten John Haggerty

ängstlich an.

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»Das wäre geschehen, wenn ihr Cochise und seinen Sohn

Naiche aufgehängt hättet«, sagte Haggerty ernst. »So aber wird
der Häuptling der Apachen mit den Kriegern reden und um
Gnade für uns alle bitten.«

Cochise trat neben Haggerty. Sein Blick war voller Stolz auf

seine Krieger gerichtet, die noch immer unbeweglich auf den
Pferderücken verharrten.

Der Häuptling sagte nichts. Er blickte nur die Bürger und

Bürgerinnen von Tres Alamos ernst an. Viele von ihnen
senkten die Köpfe, konnten dem Blick des Indianer-Chiefs
nicht standhalten.

Es war Clark Harper, der zu Cochise lief und vor ihm

stehenblieb. Der Bürgermeister räusperte sich. Ein dicker Kloß
schien in seiner Kehle zu stecken.

»Werden Sie uns helfen, Häuptling?« fragte er heiser. »Sie

und Ihr Sohn sind inzwischen wieder frei. Niemand hält Sie
hier zurück. Bitte, zeigen Sie Nachsicht mit uns. Das Blutbad
würde zu groß werden, wenn die Krieger angreifen. Das muß
verhindert werden.«

Harper schwieg und zupfte an seiner Nase, die wieder einmal

an eine prächtige Erdbeere erinnerte. Er blickte den Häuptling
der Apachen beschwörend an.

»Vergeben Sie den Bürgern dieser Stadt, Cochise. Die

meisten von ihnen waren verblendet und bereuen längst, sich
so …«

Der Bürgermeister suchte nach Worten und atmete auf, als

Cochise abwinkte.

»Ich werde mit den Häuptlingen der Krieger sprechen,

weißer Mann«, sagte Cochise. »Meine Leute sind nur
gekommen, um mich und meinen Sohn zu befreien. Es soll
euch allen eine Warnung sein. Viel Zwietracht wurde in alle
Herzen gesät. Cochise hofft, daß der Frieden wieder in dieses
Land einkehrt.«

Clark Harper atmete auf, nicht nur er, sondern auch viele

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andere Weißen, die sich um den Indianer-Chief drängten.

Cochise fuhr fort: »Was geschehen ist, läßt sich nicht mehr

rückgängig machen. Dieser tapfere Mann, den wir den Falken
nennen und den ihr Haggerty nennt, hat durch sein mutiges
Eingreifen diese Stadt vor der Vernichtung bewahrt. Ihr
Bleichgesichter solltet in Zukunft nicht zu voreilig handeln,
denn der Haß dieser Stadt auf die Apachen ist groß, obwohl
sich kein Chiricahua oder Mimbrenjo je feindlich den Bürgern
dieser Stadt genähert hat. Cochise und der Falke werden die
weißen Männer zur Rechenschaft ziehen, die die Herzen ihrer
weißen Vettern vergiftet haben.«

Clark Harper wischte sich über sein schweißglänzendes

Gesicht. Nicht nur in seinen Augen zeigte sich Erleichterung.
Die meisten Männer entspannten sich und senkten die Läufe
ihrer Gewehre.

Cochise nickte seinem Sohn zu.
»Laß uns gehen, Sohn, wir wollen mit unseren tapferen

Kriegern reden, damit dieses Unheil nicht über den weißen
Mann hereinbricht. Die weißen Banditen hätten dann ihr Ziel
erreicht, und die Pferdesoldaten würden über die Apachen
herfallen.«

Naiche trat zu seinem Vater, der sich nochmals zu John

Haggerty umwandte.

»Cochise und Naiche kehren zu dir zurück. Wir wollen

gemeinsam dieses dürre Bleichgesicht fangen.«

Der einstige Scout nickte lächelnd.
»Ich werde alles vorbereiten, Häuptling. Sprich du mit

deinen Kriegern und schicke sie zu ihren Apacherias zurück.
Wir werden Richy Valentine und seine Leute finden und zur
Rechenschaft ziehen. Sie werden für ihre Taten büßen
müssen.«

Cochise und Naiche setzten sich in Bewegung und liefen auf

die Indianer zu, die noch immer ihre Pferde verhielten und wie
eine unheilvolle Drohung im Dämmerlicht des beginnenden

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73

Tages wirkten.

Zwei Reiter lösten sich aus der Phalanx der Apachen und

ritten auf Cochise und Naiche zu. Es handelte sich um Victorio
und Ulzana, die wenige Yards vor dem Häuptling und seinem
Sohn ihre Mustangs zügelten und von den Pferderücken glitten.

Cochise sah Erleichterung auf den Gesichtern der beiden

Häuptlinge, die vor ihm stehenblieben und ihm die Innenseiten
der Hände zur Begrüßung zeigten.

»Cochise und Naiche danken den tapferen und mutigen

Kriegern der Chiricahuas und der Mimbrenjos. Sie sind schnell
wie der Wind zur Stelle gewesen. Sie konnten nicht ahnen, daß
Cochise und sein Sohn inzwischen wieder frei sind. Die
Bleichgesichter haben den Irrtum eingesehen und inzwischen
zugegeben, einen Fehler gemacht zu haben. Cochise bittet die
Krieger zu ihren Apacherias zurückzukehren. Er selbst hat mit
dem weißhäutigen Freund, den er den Falken nennt, noch eine
Aufgabe zu erledigen.«

Damit war alles gesagt.

*

»Nimm die Hände hoch, sonst drücke ich ab!« fauchte eine
Stimme hinter einem Felsbrocken hervor. »Bleib ganz ruhig im
Sattel sitzen, damit ich dich näher ansehen kann.«

Jeff Rider blieb regungslos im Sattel sitzen, als habe er einen

Ladestock verschluckt.

Er rief: »Stell dich nur nicht so an, Poul. Ich bin es und

komme direkt aus Tres Alamos, weil ich den Boß sprechen und
warnen will. Es gilt, keine Zeit zu verlieren.«

Poul Dragger schob sich zwischen den Felsen hervor, senkte

den Lauf seiner Winchester und nickte dem Gefährten zu.

»Okay, Jeff«, brummte er. »Ich habe dich längst erkannt,

wollte aber nur sehen, ob du auch wirklich allein bist. Reite
weiter, du kennst dich ja aus.«

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74

»Niemand verfolgt mich«, antwortete der bärtige Outlaw.

»Paß trotzdem gut auf, daß wir im Tal nicht überrascht
werden.«

Jeff Rider trieb sein Pferd an und verschwand in dem

schmalen Durchlaß, der den Taleingang bildete.
Terrassenförmig stiegen die Hänge des Valleys an. Durch das
Tal schlängelte sich ein kleiner Bach, der silbern schimmerte.

Der Outlaw ritt auf eine Blockhütte zu, die verdeckt unter

einigen Bäumen stand. In einem Corral weideten zwei Pferde.
Sie wieherten, als sie die Witterung des Reiters aufnahmen.

Richy Valentine und Sam Crown traten aus der Blockhütte

und richteten ihre Waffen auf den Näherreitenden.

Jeff Rider winkte zu ihnen hinüber und sprang wenige

Sekunden später vor seinem Boß aus dem Sattel.

»Was gibt's, Jeff?« fragte der dürre Richy Valentine. »Du

solltest doch nur hierherkommen, wenn wirklich Gefahr
droht.«

»Genau aus diesem Grund bin ich hier, Boß. Laß uns in die

Hütte gehen. Der Ritt hat mich angestrengt. Außerdem würde
mir ein Whisky ganz gut schmecken.«

Wenige Minuten später schilderte Rider alles, was sich in

Tres Alamos abgespielt hatte.

»Die Rothäute sind wieder abgezogen, Richy. Du hast mit

verdammt hohem Einsatz gespielt. Das waren mehr als hundert
Apachen. Sie hätten die Stadt überrannt, wenn wir diesen
Cochise gehängt hätten. Die beiden Gefangenen sind frei. Sie
und der Sheriff sind dicht hinter mir. Jemand muß das Tal
kennen. Aus diesem Grund bin ich auch wie der Teufel
geritten, um dich zu warnen.«

Sam Crown fluchte los. Sein bandagierter Arm, den John

Haggertys Kugel getroffen harte, ruhte in einer Schlinge vor
seiner Brust.

Richy Valentine war blaß geworden. Er nagte an seiner

Unterlippe und blickte erschrocken zum Taleingang, als

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75

könnten dort die drei Verfolger jeden Moment auftauchen.

»Wir müssen verschwinden, Boß«, drängte Sam Crown. »Ich

verständige Poul.«

Valentin schüttelte den Kopf, während ein hämisches

Grinsen seine Lippen teilte.

»Wir verschwinden ohne ihn, Jungs. Poul Dragger soll die

Burschen aufhalten. So gewinnen wir ein wenig Zeit. Dann
wird unser Vorsprung ausreichen. Wir haben das Spiel
verloren. Uns nützt nur noch eine schnelle Flucht. Gegen
diesen Haggerty und den Häuptling der Apachen sind wir
einige Nummern zu klein.«

Richy Valentine rieb seine dürren Hände ineinander.

Langsam gewann er seine Fassung wieder.

»Wohin reiten wir?« fragte Jeff Rider nervös. Ihm wollte der

Whisky auf einmal nicht mehr schmecken.

»Zur Goldmine«, entschied Valentine. »Wir müssen es

riskieren, sonst ist alles umsonst gewesen. Wir füllen uns
wenigstens die Satteltaschen mit dem gelben Metall. Wir
brauchen das Gold nur aus den Wänden zu brechen. Das geht
alles sehr rasch, und wir verschwinden wieder, ehe eine
Rothaut etwas bemerkt. Vielleicht ergibt sich später noch
einmal die Chance, zurückzukehren. Im Moment haben wir das
Spiel verloren.«

Sam Crown und Jeff Rider nickten begeistert.
»Sollen wir wirklich Poul seinem Schicksal überlassen?«

fragte Jeff, dem diese Lösung nicht gefiel.

»Wir müssen einen großen Vorsprung herausholen, Jeff«,

erklärte Richy Valentine. »Poul hilft uns dabei, indem er die
Verfolger aufhält. Vielleicht erwischt er sogar einen der
Bastarde.«

Jeff Rider nickte, obwohl ihm die Handlungsweise seines

Bosses noch immer nicht schmeckte. Die drei Outlaws
verließen die Blockhütte, zogen sich in die Sättel und ritten auf
den Talausgang zu. Bald lag das Valley hinter ihnen.

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76

Die rauhe Bergwildnis der Limestone Mountains nahm die

Reiter auf. Immer wieder sah sich das Halunken-Trio in den
Sätteln um, ohne Verfolger zu entdecken.

*

John Haggerty parierte sein Pferd und deutete mit einer Hand
auf eine Lücke, die wie von einer Axt geschlagen einen
Bergrücken teilte.

»Dort muß das Tal sein, Cochise«, sagte der einstige

Chiefscout General Howards. »Bestimmt sind Wachposten
aufgestellt. Wir müssen vorsichtig sein und die Wächter
ausschalten.«

Cochise und Naiche nickten.
»Wir werden sie überrumpeln, Falke«, versicherte der

Häuptling der Apachen. »Gib uns einen Vorsprung von einer
Frist, die ihr Bleichgesichter eine Stunde nennt. Cochise und
Naiche schleichen sich an den Taleingang heran. Ehe die
weißen Hundesöhne auf dich schießen können, schalten wir sie
aus.«

John Haggerty war einverstanden.
Nach Cochises Plan sollte er in einer halben Stunde losreiten

und sich dem Taleingang nähern, so als rechne er mit keiner
Gefahr und keinem Wächter. Natürlich bestand die Gefahr, von
einem zielsicheren Schützen aus dem Sattel geschossen zu
werden.

Die beiden Apachen glitten von den Rücken ihrer Mustangs

und verschwanden im Gewirr der Felsen, Büsche und Bäume.
Innerhalb von Sekundenbruchteilen waren sie John Haggertys
Blicken entschwunden. Er konnte die beiden Chiricahuas auch
später nicht mehr entdecken, so sehr er sich bemühte.

Träge verging die Zeit. Ungefähr nach einer halben Stunde

ließ John sein Pferd mit einem Zungenschnalzen angehen. Er
ritt auf den Taleingang zu.

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77

Nat Baxter hatte das Tal und den Zugang genau beschrieben.

Der neue Sheriff von Tres Alamos war davon überzeugt, sich
nicht zu täuschen und das richtige Valley vor sich zu haben.

Dumpf hämmerten die Hufe seines Pferdes auf dem steinigen

Untergrund. John Haggerty saß geduckt im Sattel und hielt
seine Winchester schußbereit.

Nichts regte sich im weiten Rund. Nur ein großer Vogel,

vermutlich ein Adler, zog seine Kreise in großer Höhe und
verlor sich bald in der seidigen Bläue des Himmels.

John Haggerty näherte sich rasch dem Taleingang. Die

Distanz betrug kurze Zeit darauf höchstens noch fünfzig Yards.
Nur noch seine Stiefelspitzen steckten in den Steigbügeln,
damit er sofort vom Pferderücken hechten konnte, sollte auf
ihn geschossen werden.

Haggerty mußte darauf vertrauen, daß Cochise und Naiche

sich unbemerkt einem Wächter näherten und ihn ausschalteten,
ehe dieser auf ihn feuerte.

*

Die beiden Chiricahuas näherten sich dem Taleingang. Wie
lautlose Phantome schlichen sie dahin und nutzten jede
Deckungsmöglichkeit aus. Und Apachen waren Meister im
Anschleichen.

Nicht umsonst erzählte man sich unter den Weißen, daß man

einen Apachen erst sah, wenn dieser gesehen werden wollte.
Dann aber war es für den Gegner meist zu spät.

Cochise verhielt plötzlich. Naiche folgte dem Blick seines

Vaters und erkannte einen Mann, der im Schatten eines
Felsklotzes kauerte und auf das vor ihm liegende Gelände
blickte.

Der Weißhäutige zuckte plötzlich zusammen. Auch Cochise

und Naiche sahen den Reiter, der sich langsam dem Taleingang
näherte. Es handelte sich um John Haggerty. Es schien, als

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78

reite der Sheriff von Tres Alamos ahnungslos in sein
Verderben.

Der Wachposten am Taleingang hatte nun nur noch Augen

für den Reiter. Die beiden Apachen schlugen einen Bogen und
schlichen von der Seite auf den weißhäutigen Banditen zu.

Der Outlaw preßte seine Winchester gegen Schulter und

Wange und nahm John Haggerty ins Visier. Er mußte den
Sternträger erkannt haben. Den Chiricahuas blieb nicht mehr
viel Zeit, wollten sie ihren Plan in die Tat umsetzen.

Cochise erkannte, daß es ihnen nicht mehr gelingen würde,

den Banditen unblutig auszuschalten. Sie hatten zuviel Zeit
verbraucht. Der Häuptling preßte seine Winchester gegen die
Schulter, zielte kurz und drückte ab.

Donnernd brach sich der Schuß zwischen den Felsen. Das

Bleichgesicht wuchs hinter seiner Deckung in die Höhe, drehte
sich um die eigene Achse, stürzte wie ein gefällter Baum zu
Boden und blieb regungslos liegen.

Naiche und Cochise erreichten den Getroffenen innerhalb

kürzester Zeit und konnten nur noch seinen Tod feststellen. Der
Apachen-Häuptling winkte zu John Haggerty hinüber, der sein
Pferd antrieb und nach kurzer Zeit vor Cochise aus dem Sattel
sprang.

Naiche war schon unterwegs, um die beiden Mustangs zu

holen, die von beiden Chiricahuas zurückgelassen worden
waren.

»Er ist tot«, sagte Cochise. »Ich hatte keine andere Wahl,

Falke, sonst hätte das Bleichgesicht auf dich geschossen.«

John Haggerty nickte nur, wälzte den Toten auf den Rücken

und starrte in das wächserne Gesicht von Poul Dragger. Er
drückte ihm die Augenlider zu.

»Wir sollten ihn mit Steinbrocken zudecken, damit er keine

Beute von Geiern und anderen Aasfressern wird«, sagte John
Haggerty. »Das könntest du und dein Sohn übernehmen,
Cochise. Ich reite ins Tal hinein. Es besteht die Möglichkeit,

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79

daß Valentine und seine Kumpane den Schuß gehört haben und
entweder den Taleingang besetzen oder zu fliehen versuchen.«

Der Apachen-King nickte sofort.
»Cochise und Naiche folgen dir später.«
John Haggerty ritt los, näherte sich rasch dem Bergeinschnitt

und hob den Lauf seines Gewehres an. Er rechnete mit
weiteren Banditen. Natürlich konnte John nicht ahnen, daß
Valentine und seine Halunkenbrut bereits das Valley auf der
anderen Seite verlassen hatten.

Bald lag das Tal vor dem einstigen Chiefscout. Er entdeckte

die Blockhütte, die verlassen vor seinen Blicken lag. John
Haggerty ahnte, daß die Outlaws geflohen waren.

Er stellte es wenige Minuten später an den Hufspuren der

Pferde fest. Nun blieb John nichts anderes übrig, als auf
Cochise und Naiche zu warten, die bald das Tal erreichten.

Der Falke und seine beiden Apachenfreunde nahmen die

Verfolgung der geflüchteten Banditen auf.

*

»Nichts zu sehen«, murmelte Richy Valentine und blickte
wieder nach vorn. »Vielleicht hält Poul Dragger die Verfolger
auf.«

»Wie weit ist es noch bis zur Mine?« fragte Sam Crown,

denn nur der Banditenboß kannte die genaue Lage der
Goldmine.

»Drei oder auch vier Meilen«, sagte Richy Valentine. »Ich

hoffe nur, daß wir keinen Rothäuten begegnen.«

Das hofften Sam Crown und Jeff Rider ebenfalls. Sie folgten

ihrem Boß, der vor ihnen ritt und die Führung übernahm.

»Haltet eure Waffen bereit«, befahl Valentine nach einigen

Minuten. »Ich traue dem Frieden nicht. Sollten Indianer in der
Nähe sein, dann haben sie uns längst bemerkt. Vielleicht
müssen wir um das Gold kämpfen.«

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80

Wie recht Ricky Valentine behalten sollte, wurde den drei

Reitern kurze Zeit darauf klar, als sie vier Indianer sahen, die
vor ihnen im Gewirr der Felsen auftauchten.

Valentine zügelte sein Pferd hinter einer Felsschroffe.
»Runter von den Pferden, Jungs«, stieß der Banditenboß

heiser hervor. »Die roten Bastarde haben uns noch nicht
entdeckt. Sie reiten in unsere Richtung. Mit ein wenig Glück
können wir sie ausschalten.«

Sam Crown und Jeff Rider nickten Richy Valentine zu.

Während der Banditenboß und Rider ihre Gewehre in Anschlag
brachten, zog Crown seinen Revolver aus dem Halfter. Mit
seinem verwundeten Arm konnte der Outlaw nicht mit der
Winchester schießen.

Die Indianer ritten ahnungslos näher.
»Das sind keine Apachen«, murmelte Valentine plötzlich.
»Es könnten Cheyennes sein«, flüsterte Sam Crown. »Ich bin

schon einmal mit Kriegern dieses Stammes zusammengeraten.
Ich verstehe nur nicht, was die hier im Land der Apachen zu
suchen haben.«

Richy Valentine und Jeff Rider zuckten mit den Achseln. Es

war ihnen völlig egal, um was für Krieger es sich handelte. Es
galt, die vier Rothäute auszuschalten.

Noch mehr näherten sich die Cheyenne-Krieger, die nichts

von der tödlichen Gefahr ahnten, die auf sie wartete.

»Wir warten ab, Jungs«, befahl Valentine leise. »Je näher die

Bastarde kommen, um so sicherer treffen wir.«

Dann war es soweit.
Schüsse peitschten in rascher Folge. Die vier Chenyennes

hatten nicht den Hauch einer Chance. Sie wurden vom heißen
Blei getroffen und aus den Sätteln katapultiert.

Die Mustangs ergriffen laut wiehernd die Flucht und

verschwanden zwischen den Felsen. Mit noch rauchenden
Gewehren und Colts schritten die drei Mörder auf die am
Boden liegenden Indianer zu.

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81

»Sie sind alle tot«, sagte Sam Crown, nachdem er die

regungslosen Körper untersucht hatte. »Was machen wir mit
ihnen?«

Richy Valentine sah sich um und erkannte einige dunkle

Punkte am blauen Himmel.

»Die Geier nehmen uns die Arbeit ab«, verkündete er. »Wir

reiten weiter. Hoffentlich treibt sich nicht noch mehr von
diesem roten Gesindel in der Nähe herum.«

Ungerührt starrte er auf die vier toten Indianer, die in ihrem

Blut lagen. Die drei Outlaws kletterten in die Sättel ihrer
Pferde und ritten weiter.

Hin und wieder hielten sie an, um sich umzusehen. Einmal

rechneten sie mit den Verfolgern aus Tres Alamos, zum
anderen wollten sie nicht einem anderen Indianertrupp in die
Arme reiten.

Es blieb aber alles ruhig im weiten Rund, als schien es nur

die drei Männer zu geben, die ihren Trail durch die Wildnis
zogen.

Die Aufmerksamkeit der Outlaws ließ einige Meilen weiter

nach. Die Sonne sengte heiß hernieder. Jeff Rider und Sam
Crown schwitzten sich die Seele aus dem Leib. Nur der dürre
Richy Valentine litt kaum unter der starken Hitze.

Die Reiter näherten sich einem Canyon, der ihnen dunkel

und breit wie das Maul eines vorsintflutlichen Ungeheuers
entgegengähnte. Sam Crown spürte Unbehagen in sich
aufsteigen.

Er blickte zu Richy Valentine hinüber, der in Gedanken

versunken im Sattel saß.

»Mir gefällt der Canyon nicht«, klagte Crown. »Wenn dort

Rothäute stecken, kämpfen sie uns innerhalb kürzester Zeit
nieder. Wir sollten vorsichtig sein.«

Valentine schreckte aus seinen Gedanken und hob den Kopf.

Er schien erst jetzt die dunkle Öffnung entdeckt zu haben.

»Vielleicht hast du recht, Sam«, murmelte er. »Wir

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82

schleichen uns erst mal an und sehen nach, ob der Canyon auch
wirklich frei ist. So haben wir eine größere Chance.«

Doch es war bereits zu spät. Die drei weißen Mörder saßen

bereits in einer Falle. Sie sahen es, als ein Dutzend Indianer
hinter den verschiedenartigsten Deckungen auftaucht.

Gewehre richteten sich auf die Outlaws. Pfeile und Speere

zeigten in ihre Richtung. Grimmige Gesichter mit haßerfüllten
Augenpaaren waren auf die Banditen gerichtet.

Regungslos standen die Indianer neben den Deckungen. Der

Hauch des Todes legte sich über diesen Ort in der rauhen
Bergwildnis der Limestone Mountains.

Sam Crown stieß einen heiseren Schrei aus und griff nach

seinem Revolver. Es gelang ihm nicht, den Lauf des Colts
hochzuschwingen. Ein Pfeil traf seine Brust und riß den
Desperado aus dem Sattel.

Auch Jeff Rider versuchte sich zu wehren. Er gab sogar

einen Schuß ab. Die Kugel verfehlte einen der Indianer, der
sich duckte und seinen Tomahawk warf. Das Kriegsbeil traf
präzise den Kopf des Bleichgesichtes und brachte den Tod.
Auch Jeff Rider stürzte aus dem Sattel und schlug schwer am
Boden auf.

Richy Valentine saß wie erstarrt auf dem Pferderücken. Sein

Gesicht war bleich wie ein frischgewaschenes Laken.

Er reckte beide Arme in die Höhe und erinnerte an eine

Marionette, so ruckartig waren seine Bewegungen. Der
Banditenboß erwartete jeden Augenblick, von einer Kugel,
einem Pfeil oder von einem Schädelbrecher getroffen zu
werden.

Nichts dergleichen geschah. Die Indianer rückten langsam

näher und hielten ihre Waffen bereit. Eine panische Angst
pulsierte immer stärker durch den Körper des Outlaws.

Er sah, daß es sich nicht um Apachen handelte, sondern

vermutlich um Cheyenne-Krieger, die wohl zum gleichen
Stamm gehörten, wie die vier Rothäute, die von ihm und seinen

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83

Gefährten vor einiger Zeit aus dem Hinterhalt getötet worden
waren.

Valentine blickte in die verzerrten Gesichter der Cheyennes

und las den Tod in ihren Augen.

»Nicht schießen«, heulte der Banditenboß wie ein hungriger

Wolf. »Ich bin unschuldig.«

Die Indianer blickten den wimmernden Weißhäutigen nur

verächtlich an. Noch immer schwiegen sie.

Hufschläge wurden laut.
Valentine sah einen Reitertrupp hinter einer Felsgruppe

auftauchen. Zwei Krieger führten vier Mustangs an den Hügeln
heran. Über den Pferderücken lagen die leblosen Körper der
ermordeten Indianer.

Nun wußte Richy Valentine, was die Stunde geschlagen

hatte. Die Cheyenne-Krieger hatten den Reitertrupp der beiden
Bleichgesichter schon länger beobachtet und hier eine Falle
gestellt. Sie mußten gesehen haben, wie ihre vier Vettern wie
räudige Wölfe abgeknallt worden waren.

»Deine beiden Freunde mußten sterben, weißhäutiger

Bastard«, sagte einer der Krieger mit guttural klingender
Stimme. »Auch du wirst ihnen in das Reich der Toten folgen,
denn dein Leben ist verwirkt, Bleichgesicht. Du hast vier
unserer Blutsbrüder ermordet, obwohl sie dir kein Leid angetan
haben und sich nicht feindselig benahmen. Meine Krieger
fesseln dich. Wenn du dich wehrst, wirst du sofort sterben!«

Richy Valentine ergab sich in sein Schicksal. Und er ahnte,

dieses Spiel endgültig verloren zu haben.

*

»Zu den Männern in der Schlucht ist ein weiterer Reiter
gekommen und hat sie gewarnt«, sagte Cochise. »Ich habe es
aus den Spuren im Tal gelesen. Die drei Bleichgesichter sind
sofort geflohen, ohne ihren Gefährten vor dem Tal zu

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84

benachrichtigen.«

John Haggerty hatte etwas ähnliches vermutet. Er nickte dem

Häuptling der Chiricahuas zu.

»Mein Freund Cochise ist ein großer Fährtenleser. Keiner

außer ihm hätte dies alles aus den Spuren lesen können.«

Der Chiricahua lächelte sanft. Spott funkelte in seinen

dunklen Augen.

»Der Falke braucht Cochise nicht zu schmeicheln«,

antwortete er noch immer lächelnd. »Was schlägt mein weißer
Bruder vor?«

»Wir folgen den Fährten, Häuptling. Die drei weißen

Verbrecher entwischen uns nicht.«

John Haggerty, Cochise und Naiche nahmen die Verfolgung

auf. Bald lag das Tal hinter ihnen. Auch als das Gelände
steiniger und der Boden härter wurde, folgte Cochise den
Spuren der Banditenpferde mit traumwandlerischer Sicherheit.

Obwohl auch John ein ausgezeichneter Scout war, mußte er

neidlos eingestehen, daß Cochise noch besser war.

»Dort drüben hatten sich die Banditen verborgen«, sagte

Cochise plötzlich. Er glitt vom Pferderücken und winkte schon
bald John und Naiche zu sich heran.

»Hier sind Blutspuren, Falke«, sagte der Häuptling der

Chiricahuas und deutete auf eine sandige Stelle, die rostrot
schimmerte. »Entweder wurde einer der Banditen verwundet,
oder sie haben auf Menschen oder auch auf ein Tier
geschossen.«

Naiche rief: »Hier sind Hufabdrücke zu sehen, Vater. Es sind

unbeschlagene Hufe, vermutlich von unseren Vettern.«

Cochise sah es sich an und nickte mehrmals.
»So ist es, mein Sohn. Die Fährte vereinigt sich aber hier

wieder mit der Fährte der Bleichgesichter.«

»Dann werden Valentine und seine beiden Kumpane von

Apachen verfolgt?« fragte John Haggerty.

»Es sieht so aus, Falke. Wir folgen den Fährten. Sie bringen

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uns zu meinen Stammesbrüdern und bestimmt auch zu den drei
Weißhäutigen.«

»Warum sind die Burschen immer tiefer in die Wildnis

geflohen?« fragte Haggerty. »Das verstehe ich nicht. Ich an
Valentines Stelle würde alles versuchen, mich zu einer
Ortschaft der Weißen durchzuschlagen.«

Cochise nickte ernst und blickte seinen weißhäutigen

Gefährten nachdenklich an.

»Die weißen Bastarde reiten in Richtung dieser Goldmine,

die nicht mehr weit von hier entfernt ist. Und es sieht so aus,
als wären sie meinen Stammesfreunden in die Hände gefallen.
Wie ich dir bereits sagte, ist dieser Ort tabu für alle Weißen.
Dort befinden sich die Gräber unserer Vorfähren, die uns heilig
sind. Dir das alles näher zu erklären, würde zu weit führen,
Falke. Wir sollten weiterreiten.«

»Auch ich bin ein weißer Mann«, erwiderte John Haggerty.

»Werde nicht auch ich euer Heiligtum entweihen, wenn ich
mitreite?«

»Du bist mein Gast, Falke. Cochise erlaubt dir, diesen Ort

mit ihm und seinem Sohn zu besuchen. Niemand wird es
wagen, die Hand gegen dich zu erheben. Ich weiß auch, daß es
nicht Feigheit ist, die dich zu diesen Worten veranlaßt hat. Du
willst unsere alten Bräuche respektieren.«

»So ist es, Cochise. Wenn du mir erlaubst, den heiligen Ort

deiner Vorfahren zu sehen, dann danke ich dir.«

Cochise, Naiche und John Haggerty setzten ihren Ritt fort.

Bald tauchte der Reitertrupp in dem unwegsamen Gelände
unter. Träge zerfaserte der von den Pferdehufen aufgewirbelte
Staub.

*

Richy Valentine saß zusammengekrümmt im Sattel. Die Hände
waren dem dürren Mann auf den Rücken gebunden worden. Er

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86

ritt inmitten des Cheyennerudels. Eine Aussicht auf Flucht gab
es nicht.

Die Gesichter der Indianer verhießen nichts Gutes. Valentine

überlegte fieberhaft, wie er einem tödlichen Schicksal
entkommen konnte. Seine Gedanken überschlugen sich. Die
verrücktesten Ideen schossen dem Banditenboß durch den
Kopf, die er aber alle wieder verwarf. Sein Gesicht glühte,
während er verzweifelte Blicke um sich warf, die aber keinen
der Krieger rührten.

Der Ritt dauerte zwei Stunden. Richy Valentine staunte nicht

schlecht, als er das Ziel der Cheyenne erkannte. Es war das Tal,
in dem sich die Goldmine befand.

Der Outlaw war vor Monaten schon einmal hier gewesen,

ohne auf Rothäute zu treffen. Er hatte sich die Mine angesehen,
sich mit dem glitzernden Segen versorgt und das Gold in
Tucson gegen harte Dollars umgetauscht. Danach zog er nach
Tres Alamos und kaufte sich den Saloon und den General Store
und brachte sein teuflisches Spiel in Gang, um die Apachen zu
vertreiben und die Mine irgendwann abbauen zu können.

Sein Pläne waren gescheitert, und nun sah es so aus, als

würde er dieses Tal niemals wieder lebend verlassen.

Der Trupp ritt an dem Stolleneingang vorbei, der durch

Felsbrocken getarnt war. In der Mitte des Tales standen einige
Wigwams. Krieger traten den Reitern entgegen.

Richy Valentine konnte weder Squaws noch Kinder sehen.

Es schien sich also um einen Kriegstrupp der Cheyennes zu
handeln.

Die Indianer banden Valentine an einem Pfahl inmitten des

Lagers fest. Der Verbrecher war schonungslos den sengenden
Sonnenstrahlen ausgesetzt.

Schon bald jammerte der Outlaw nach Wasser, denn er

verspürte höllischen Durst, der in seiner Kehle brannte. Die
Cheyennes achteten nicht auf sein Klagen.

Stunden vergingen.

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Valentines Körper war in sich zusammengesunken, wurde

nur noch von den Stricken gehalten. Hin und wieder stöhnte
der Bandit. Insekten peinigten ihn, die ihn manchmal wie eine
auf und ab wogende Wolke umhüllten.

Die Lippen platzten auf, die Zunge erinnerte den Banditen an

einen breitgetretenen Wurm. Valentine fühlte sich so elend wie
nie zuvor in seinem Leben.

Er hob den Kopf, als er Schritte vernahm, die wenige Yards

vor ihm verhielten.

Der Anführer der Cheyenne-Krieger verkündete: »Du wirst

sterben, Bleichgesicht, denn du hast den Tod verdient. Bald ist
es soweit. Zuvor tanzen meine Krieger den Tanz um die
Geister wohlgefällig zu stimmen, damit sie die vier tapferen
Männer, die du und deine Leute ermordet haben, in die Ewigen
Jagdgründe aufnehmen.«

Der Chief wandte sich ab und marschierte auf über ein

Dutzend Krieger zu, deren Gesichter mit Farbe bemalt waren.
Einige hatten Wolfs- oder Pumafelle umgehängt.

Ihr Anblick trieb dem Banditenboß den letzten Rest Blut aus

den Wangen. Fassungslos stierte er auf die Krieger, die sich
näherten und den Pfahl umringten, an dem er festgebunden
war.

Andere Krieger bearbeiteten Trommeln mit den flachen

Händen. Das Tam-Tam schallte schaurig in den Ohren des
Gefangenen. Dann begannen die Cheyennes zu tanzen.

Sie wogten um den Gefangenen herum und schwangen ihre

Waffen. Richy Valentine schloß die Augen.

Er wußte, daß er am Ende des Rituals nur noch den Tod

erwarten konnte.

*

»Die Fährten führen zum heiligen Ort«, sagte Cochise. Er
zügelte plötzlich seinen Mustang und deutete zu zwei

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Cottonwoods hinüber, die ein wenig erhöht auf einem Hügel
standen.

John Haggerty kniff die Augen zusammen. Er hatte schon oft

in seinem ereignisreichen Leben Tote gesehen, doch die beiden
Banditen, die dort an die Baumstämme gebunden waren, boten
wirklich einen furchtbaren Anblick.

Cochise, Naiche und John Haggerty ritten langsam näher.

John erkannte Sam Crown und einen anderen Mann, den er
schon in Tres Alamos gesehen hatte.

Beide Bleichgesichter waren tot. Sie waren trotzdem

gefoltert worden.

Cochises und Naiches Gesichter blieben unbewegt. John

Haggerty biß sich auf die Unterlippe. Er sah sich nach Richy
Valentine um, konnte aber den Banditenboß nirgends
entdecken.

»Deine Krieger haben schnell gehandelt«, sagte John dumpf.

Er blickte Cochise an.

»Ich bin nicht sicher, ob es Apachen gewesen sind«, sagte

der Häuptling der Apachen. Er schwang sich vom Rücken
seines Pintos und trat zu den Toten.

»Das sind Cheyenne-Pfeile, Falke. Diese beiden Männer

wurden von Cheyenne-Kriegern getötet.«

»Cheyenne?«
John Haggerty blickte die beiden Apachen fragend an.
»Sie werden den Heiligen Ort besuchen, Falke. Wie ich dir

sagte, liegt dieser Ort zwar im Gebiet der Chiricahuas, doch er
ist allen unseren Vettern von den anderen Stämmen offen,
solange sie nicht in kriegerischer Absicht in unser Land
einfallen.«

»Was wollen sie dort?« fragte der ehemalige Armee-Scout.

»Kannst du mir nicht ein wenig auf die Sprünge helfen? Ich
meine, alles näher erklären«, fügte John hinzu, als er erkannte,
daß Cochise seine erste Frage nicht verstanden hatte.

Cochise zögerte.

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»Hier sollen Gräber unserer Ahnen sein, die vor vielen,

vielen Jahren aus dem Norden gekommen sind. Und die
Indianer erflehen sich an dieser Stätte den Segen Manitus für
das Gelingen ihrer Pläne. Sie bitten um gute Jagd, um Siege
gegen ihre Feinde und darum, als tapfere Krieger in die Ewigen
Jagdgründe einzugehen. Hast du in etwa verstanden, was ich
dir sagen will, Falke?«

John Haggerty nickte dem Häuptling der Chiricahuas zu.
»Ich danke dir, Cochise, für deine offenen Worte. Ich habe

schon davon gehört, daß es einige dieser heiligen Orte geben
soll. Daß man aber gerade in diesem Tal Gold gefunden hat,
wird wohl nur ein Zufall sein.«

»Genauso ist es, Falke. Wenn die Kunde von dem Goldfund

aber erst einmal unter den Weißhäutigen die Runde macht,
dann werden sie wie Maulwürfe in den Berghängen nach Gold
graben und alles verwüsten. Dieser Ort wird dann für die
Apachen und auch für alle meine indianischen Freunde
verloren sein.«

»Die Cheyennes haben diese beiden getöteten Weißen zur

Abschreckung an die Bäume gebunden«, sagte Naiche. »Sollen
sie dort bleiben, oder will der Falke sie nach Sitte der Weißen
begraben?«

»Ich will ihnen die letzte Ehre erweisen, Naiche, obwohl es

Verbrecher waren, denen ein Menschenleben nichts bedeutete.
Ich erledige das. Ihr solltet euch in der Zwischenzeit
ausruhen.«

»Naiche wird dem Falken helfen«, antwortete der Sohn des

Apachenhäuptlings bestimmt.

John Haggerty war damit einverstanden, daß er Hilfe bei

dieser wirklich nicht angenehmen Arbeit erhielt.

*

Das Tam-Tam der Felltrommeln hallte schaurig von den

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90

Talhängen zurück. Der ohrenbetäubende Lärm steigerte sich
immer mehr. Die Cheyenne-Krieger umkreisten noch immer
den Pfahl, an den Richy Valentine gefesselt war.

Ihre Bewegungen wurden immer ekstatischer, die Schreie

und Ausrufe nahmen an Lautstärke zu.

Richy Valentine war fast halbtot vor Angst. Er hing nur noch

in den Stricken, die tief in seinen Körper einschnitten. Längst
waren ihm die Knie weich wie Pudding.

Durst brannte in seiner Kehle. Staub wirbelte unter den

Mokassins der tanzenden Krieger auf. Valentine spürte Sand in
seinem Mund und schluckte krampfhaft. Seine Lippen öffneten
sich weit, erinnerten an einen Fisch, der an Land gespült nach
Luft schnappt.

Die Trommeln, von brettharten Händen geschlagen,

verstummten plötzlich von einer Sekunde zur anderen. Die
Krieger sanken zur Erde und blieben wie tot liegen.
Schweißüberströmt waren ihre nackten Oberkörper. Hin und
wieder zuckte ein Arm oder ein Fuß.

Richy Valentine richtete sich auf. Die Angst fraß noch tiefere

Furchen in sein Gesicht, als er den Häuptling der Cheyennes
auf sich zukommen sah. Der Chief blieb stehen und musterte
den Banditenboß wie ein seltenes Insekt. Valentine konnte fast
körperlich die Verachtung spüren, die von dem Indianer
ausging. »Du wirst sterben, wenn meine Krieger wieder zu
Kräften gelangt sind«, sagte der Cheyenne-Häuptling drohend.
»Hast du noch einen letzten Wunsch, bleichgesichtiger
Bastard?«

»Wasser – Wasser«, quetschte Valentine mühsam hervor.

Sein hagerer Körper zuckte noch stärker. Wieder sah es aus, als
wollten ihm die Augen aus den Höhlen fallen.

Der Chief lächelte. Der Haß aus seinen Augen verschwand

nicht.

Dann nickte der Jefe der Cheyennes, wandte sich um und trat

zu einem Krieger, der bis vor wenigen Minuten eine der

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Felltrommeln bearbeitet hatte.

Richy Valentine erhielt zu trinken und fühlte sich bald

wohler, obwohl er ahnte, daß es kein Entkommen aus dieser
verteufelten Lage geben konnte.

Die Cheyenne-Krieger, die vorher getanzt hatten, erhoben

sich nacheinander vom Boden und trotteten zu ihren Wigwams.
Stille herrschte im weiten Rund des Lagers.

Nicht ein einziger Indianer war mehr zu sehen. Valentine

richtete sich kerzengerade auf und begann verzweifelt, an
seinen Fesseln zu zerren.

Schon bald sah er ein, daß er sich nicht von den

strammsitzenden Stricken befreien konnte, die immer tiefer ins
Fleisch schnitten und die Blutzirkulation unterbrachen.

Aus Valentines panischer Angst wurde nach und nach eine

ohnmächtige Wut, die Besitz von seinem Denken ergriff.
Nochmals bäumte er sich in den Fesseln auf.

Es war vergebens.
Eine halbe Stunde verging. Noch immer regte sich im Lager

der Cheyennes nichts. Zwei Steinwurfweiten entfernt weideten
die Mustangs der Indianer.

Valentine warf einen verlangenden Blick hinüber und

wünschte sich, auf einen der Pferderücken klettern und
verschwinden zu können. Er wußte aber zu gut, daß dies nur
Wunschträume waren, die sich nicht realisieren ließen.

*

»Wir nahem uns dem heiligen Ort«, sagte Cochise. »Ich weiß
nicht, ob der dürre Mann noch lebt. Seine beiden Freunde sind
tot. Sie müssen alle etwas getan haben, was den Zorn und den
Haß der Cheyennes entfachte.«

John Haggerty war zu ähnlichen Überlegungen gelangt. Es

war aber müßig, sich noch länger den Kopf zu zerbrechen,
denn bald würden er, Cochise und Naiche alles erfahren.

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92

Der Jefe parierte den Mustang. Seine beiden Begleiter

folgten dem Beispiel.

»Hört ihr das Tam-Tam der Trommeln?« fragte der

Häuptling der Chiricahuas.

Auch John Haggerty und Naiche vernahmen das dumpfe

Pochen der Felltrommeln, das dumpf an ihre Ohren klang. Der
ehemalige Armee-Scout warf Cochise einen fragenden Blick
zu.

»Meine Vettern tanzen und bitten den Großen Geist, ihre

Wünsche zu erfüllen.«

Er lauschte erneut.
»Krieger der Cheyennes mußten sterben. Die Trommeln

verkünden ihren Tod. Bleichgesichter waren die Mörder. Der
Tod eines Weißen ist eine beschlossene Sache.«

John Haggerty staunte.
»Kannst du alles aus dem Tam-Tam der Trommeln

heraushören?« fragte der Scout.

Cochise stimmte lächelnd zu.
»So ist es, Falke. Die Sprache der Trommel ist für einen

Eingeweihten gut zu verstehen. Bei dem Weißen kann es sich
nur um den dürren Mann handeln, den du Valentine nennst.«

»Dann ist unser Ritt sinnlos geworden«, sagte Haggerty.

»Valentines Leben ist verwirkt. Wenn er und seine Leute
wirklich einige Krieger des Cheyenne-Stammes ermordet
haben, kann ihn keine Macht der Welt mehr retten.«

Cochise nickte düster und trieb seinen gefleckten Mustang

wieder an. Gedankenversunken ritt der Häuptling der Apachen
dahin. In Naiches Augen funkelte es. Er wünschte dem
Bleichgesicht nichts anderes als einen grausamen Tod.

»Du wolltest den dürren Indianerhasser verhaften und nach

den Gesetzen der Weißen verurteilen lassen«, sagte der
Apachenchief nach einigen zurückgelegten Yards. »Das wird
nicht mehr gehen. Wir sollten aber erst einmal abwarten, was
sich in diesem Tal tut, das alle Indianer als einen heiligen Ort

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93

betrachten.«

Der Häuptling trieb seinen Pinto noch mehr an. Die drei

Reiter näherten sich einem Bergeinschnitt. John Haggerty
ahnte, daß dahinter das Tal liegen mußte, das Ziel ihres Rittes.

Cochise ließ es langsamer angehen. Wachsam äugte er nach

allen Seiten, als wollte er einer drohenden Gefahr begegnen.

»Die Apachen hegen keinen Groll gegen die Krieger der

Cheyennes«, erklärte der Jefe, als er Johns fragenden Blick
bemerkte. »Es könnte aber sein, daß wir als Störenfriede
empfangen werden. Außerdem bist du ein Bleichgesicht. Die
Cheyennes können nicht wissen, daß du in deinem Herzen ein
Freund des roten Mannes bist.«

Eine Steinwurfweite vor dem Taleingang wuchsen plötzlich

drei Indianer hinter einem Felsbrocken auf. Drohend hielten sie
Gewehre auf die Ankömmlinge gerichtet.

Cochise redete die Cheyenne-Krieger in einer Sprache an,

die John Haggerty nicht verstand. Die Mienen der Indianer
blieben ausdruckslos. Schließlich senkten sie die Läufe der
Gewehre und traten zur Seite. Der Häuptling der Chiricahuas
nickte zufrieden und trieb seinen Mustang sofort an.

»Sie gestatten uns, ins Tal zu reiten, Falke. Wir müssen aber

abwarten und dürfen den Geistertanz im Cheyennelager nicht
stören.«

Bald lag der Taleingang hinter den drei Reitern. Sie zügelten

auf einem Hügel ihre Pferde. Von dort aus hatten Cochise,
Naiche und John Haggerty einen guten Überblick auf das
gesamte Tal.

Sie sahen die Wigwams und die tanzenden Krieger.

Natürlich entdeckten sie auch den Pfahl, an dem eine
zusammengesunkene Gestalt hing.

»Das ist Valentine«, murmelte Haggerty. »Er scheint schon

halb verrückt vor Angst zu sein.«

Die drei Reiter beobachteten weiter. Irgendwann

verstummten die Trommeln. Die Cheyennes sanken zu Boden.

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94

Die eintretende Stille legte sich lähmend auf Haggerty.

»Wir warten noch einige Minuten«, flüsterte Cochise.

*

Richy Valentines Augen verengten sich, als er die sich
nähernden Hufschläge vernahm. Für einen Moment glaubte er,
Hilfe zu erhalten. Als er aber die beiden Apachen erkannte, die
durch seine schmutzigen Machenschaften in Tres Alamos
beinahe aufgehängt worden wären, erlosch die aufsteigende
Hoffnung.

Er erkannte auch den Sheriff der Stadt und wußte, daß die

drei Reiter die Fährten nicht verloren hatten.

Cochise, Naiche und der Falke blieben auf den Rücken der

Pferde sitzen und blickten auf einen schon älteren Cheyenne-
Krieger, der sich gemessen Schrittes näherte.

Cochise senkte den Kopf und hob beide Hände zum Zeichen

der Freundschaft und des Friedens.

Dann sagte der Chief: »Ich bin Cochise, der Häuptling der

Apachen. Wir verfolgten dieses Bleichgesicht, das mein Vetter
gefangen hatte. Der Weißhäutige hat große Schuld auf sich
geladen.«

»Du sprichst die Wahrheit, Cochise«, erwiderte der

Cheyenne. »Ich bin Donnernder Büffel, ein Häuptling der
Cheyennes. Wir besuchen den heiligen Ort, um den Großen
Geist gnädig für die Jagd zu stimmen. Die Büffelherden sind
seltener geworden, und unsere Frauen, Alten und Kinder leiden
große Not.«

Donnernder Büffel schwieg. Forschend blickte er Cochise

an, ehe er fortfuhr: »Der Häuptling der Apachen sei uns
willkommen. Auch seine Begleiter. Das Bleichgesicht muß
sterben. Zwei seiner Freunde mußten wir töten, als sie sich
wehrten. Die Weißhäutigen ermordeten vier meiner Krieger
aus dem Hinterhalt, obwohl diese sich friedlich verhalten

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hatten. Das Leben des weißen Mannes ist verwirkt.«

Cochise neigte leicht den Kopf.
»Der Häuptling der Apachen will sich dem nicht

widersetzen, Donnernder Büffel, obwohl Cochise die älteren
Rechte auf das Bleichgesicht besitzt.«

Der Apachen-King deutete auf den Falken.
»Dieser Mann vertritt das Gesetz des weißen Mannes und

wollte das Bleichgesicht einfangen.«

Donnernder Büffel blickte John Haggerty wachsam und sehr

mißtrauisch an.

»Nun gilt das Gesetz der Cheyennes, weißer Mann. Du mußt

es respektieren.«

»Ich werde es respektieren«, antwortete John Haggerty und

nickte dem Cheyenne-Chief zu.

»Dann sitzt ab und geht zum Beratungsfeuer. Wir werden die

Pfeife des Friedens rauchen.«

John warf einen Blick zu Richy Valentine hinüber, der

herüberstarrte und wohl erwartete, von dem Sheriff
angesprochen zu werden. Haggerty wußte aber, daß er sich den
Gesetzen der Indianer zu unterwerfen hatte. Ihm blieb keine
andere Wahl, als zu gehorchen, um sich nicht den Zorn der
Cheyennes und auch den seiner beiden Apachenfreunde
zuzuziehen.

Sie setzten sich ans Feuer und rauchten die Friedenspfeife.

Die Sonne verglühte hinter den Talrändern und erinnerte an ein
loderndes Flammenmeer.

Langsam krochen die Schatten der Nacht aus den Senken

und Mulden hervor. Das Lagerfeuer warf bizarre Schatten, die
über die Gesichter der vier Männer geisterten.

»Wann werden uns die Krieger der Apachen und das

Bleichgesicht wieder verlassen?« fragte Donnernder Büffel,
nachdem alle lange geschwiegen hatten.

John verzog das Gesicht, Gewählter hätte Donnernder Büffel

diesen Rauswurf nicht formulieren können.

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Cochise antwortete: »Wenn Donnernder Büffel will, daß

Cochise und seine beiden Begleiter reiten sollen, dann wird es
geschehen.«

Er erhob sich. Naiche folgte sofort dem Beispiel seines

Vaters. Nun blieb auch John Haggerty keine andere Wahl, als
aufzustehen.

Und er fragte sich, ob er wirklich Richy Valentine einem

grausamen Tod überlassen durfte.

Natürlich hatte der Banditenboß sein Leben verwirkt. Jeder

Richter würde ihn zum Tod durch den Strang verurteilen. John
Haggerty wußte aber auch, daß er die ungeschriebenen Gesetze
der Indianer nicht brechen durfte.

Er nickte Cochise zu, der den weißen Freund fragend

angesehen hatte.

»Wir reiten, Cochise«, sagte John.

*

Die drei Männer traten zu ihren Pferden und wollten sich in die
Sättel ziehen, als die ersten Schüsse aufpeitschten. Zwei
Krieger brachen am Lagerfeuer zusammen. Andere flohen in
die Dunkelheit.

Ein heißes Bleigewitter brach über die Cheyennes herein.

Die Indianer hatten kaum etwas dagegen zu setzen, so
überraschte sie dieser Angriff.

Cochise, Naiche und John Haggerty griffen ihre Gewehre

und zogen sich hinter Büsche zurück.

Sie wußten nicht, wer die Angreifer waren. Sicher war, daß

der Angriff nur einen Zweck hatte, Richy Valentine zu
befreien.

Es mußten viele Gegner sein, denn immer wieder spuckten

Gewehre von einem nahen Hügel ihre tödliche Saat in das
Lager der Cheyenne-Krieger.

Viele von ihnen lagen regungslos am Boden oder krochen

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verwundet hinter Deckungen. Pausenlos peitschten die
Schüsse. Ein Zelt stürzte in sich zusammen. Funken erfaßten
ein anderes Wigwam, das wenige Sekunden später lichterloh
brannte.

John Haggerty sah einige huschende Gestalten, die sich ohne

zu schießen, näherten. Es waren Weiße.

Cochise handelte sofort. Sein Gewehr donnerte. Einer der

Angreifer blieb stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare
Wand gelaufen. Sein gellender Aufschrei übertönte das
Gewehrfeuer. Der Weiße brach zusammen und blieb
regungslos liegen.

Sofort konzentrierte sich das Gewehrfeuer auf Cochise. Er,

Naiche und John Haggerty suchten sich eine andere Deckung
und eröffneten das Feuer auf die Männer auf dem Hügel.

Nun schossen auch Cheyennes. Sie schienen aber nur über

sehr wenige Donnerrohre zu verfügen, wie sie die Gewehre
nannten. Außerdem waren es veraltete Vorderlader, die nach
jedem Schuß umständlich geladen werden mußten, Natürlich
war John Haggerty klar, daß sich die Cheyennes an den Hügel
heranschleichen würden, um im Kampf Mann gegen Mann die
weißen Angreifer niederzuringen.

Cochise drehte sich plötzlich um und schlich davon, während

Naiche und John Haggerty noch immer zu dem Hügel
hinüberschossen. Krachend stürzte das brennende Zelt in sich
zusammen.

John sah, daß die Angreifer Richy Valentine befreit hatten.
Plötzlich verstummte das Feuer vom Hügel. Gellendes

Kriegsgeschrei tobte durch die Nacht. Die Cheyennes kämpften
dort verbissen gegen die drohende Niederlage an.

Wo aber war Cochise?

*

Der Häuptling der Chiricahuas schlich auf den Hügel zu.

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98

Rechts von sich sah er einen Weißhäutigen auftauchen. Er
erkannte ihn an der Kopfbedeckung. Das Bleichgesicht feuerte
aus nächster Distanz auf einen Indianer, der ihn mit
vorgestrecktem Messer anspringen wollte.

Der Cheyenne brach aufschreiend zusammen.
Cochise schoß. Seine Kugel warf den Hellhäutigen zu

Boden. Der Apachen-Chief war sicher, daß dieses
Bleichgesicht niemals wieder aufstand.

Das Feuer auf dem Hügel verstummte. Gellendes

Kriegsgeschrei der anstürmenden Cheyenne-Krieger
durchschnitt die Stille. Auf dem Hügel kämpften Indianer und
Weiße gegeneinander.

Cochise sah drei huschende Gestalten, die auf den

Talausgang zuliefen. Gleich darauf ertönten Hufschläge. Die
drei Weißen ergriffen die Flucht. Und Cochise ahnte, daß
dieses dürre Bleichgesicht dabei war. Ihm wurde klar, daß es
nur Leute aus Valentines Bande sein konnten, die ihrem Boß
von Tres Alamos bis hierher gefolgt waren, schon längere Zeit
irgendwo gelauert hatten und erst jetzt in das tödliche Spiel
eingriffen, um ihren Boß zu retten.

Der Chiricahua-Häuptling eilte zu Naiche und John Haggerty

zurück. Ohne eine Erklärung abzugeben, sprang Cochise auf
sein Pferd und trieb den Pinto an.

Er folgte den drei fliehenden Banditen, mit dem Ziel, sie

nicht entkommen zu lassen.

Cochise sah huschende Schatten rechts vor sich. Es waren

Cheyenne-Krieger, die aber den Apachen rechtzeitig erkannten
und nicht auf ihn feuerten.

Der Chiricahua trieb seinen Pinto hart an. Der Mustang

streckte sich willig und zeigte, was in ihm steckte. Schnell
näherte sich der Apachen-Häuptling dem Talausgang.

Feiner Staub hing in der Luft, der von den Hufen der

Banditenpferde aufgewirbelt worden war. Cochise schmeckte
ihn auf der Zunge. Der Ausgang des Valleys war erreicht.

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Der Apachen-Chief duckte sich noch tiefer über den Hals

seines gefleckten Pferdes. Es sah so aus, als ahne der Mustang,
daß es nun aufs Ganze ging. Er wurde nochmals schneller.

Cochise hoffte, daß keiner der Banditen den Talausgang

absicherte. Dann bestand die Gefahr, in eine höllische Bleisaat
zu reiten und das Rennen zu verlieren.

Nichts geschah.
Sekunden später lag das Valley hinter dem Häuptling der

Chiricahua-Apachen. Milchiges Mondlicht erhellte das
wildromantische Gelände. Felsschroffen hoben sich dunkel
gegen das hellere Firmament ab.

Cochise folgte den drei flüchtenden Outlaws. Und der Chief

konnte sich gut vorstellen, wie erleichtert das dürre
Bleichgesicht war, dem so sicheren Tod in letzter Sekunde
entronnen zu sein.

Vor dem Chiricahua wichen die Felsen zurück. Eine Ebene

lag vor ihm. In der Ferne sah er die drei Reiter, die auf
schnellen Hufen das Weite suchten.

Der drahtige und zähe Mustang des Chiefs holte auf. Es

dauerte nicht lange, bis die Outlaws bemerkten, daß sie
verfolgt wurden.

Noch stärker trieben sie ihre Pferde an. Für einige Minuten

blieb der Abstand gleich, dann setzten sich die größeren
Kraftreserven von Cochises Pinto erneut durch.

Die drei Halunken wandten sich immer öfter im Sattel um.

Es war aber zu dunkel, um die Gesichter der Kerle sehen zu
können.

Plötzlich zügelten die Banditen ihre Pferde, trieben die Tiere

hinter ein Gebüsch und duckten sich selbst hinter einige
Felsbrocken.

Cochise wußte, was das zu bedeuten hatte. Er sprang vom

Rücken des Pintos und verschwand im Gelände. Die
heranzischenden Geschosse gingen fehl. Der Mustang lief
einige Yards weiter und verhielt hinter einer Dornenhecke.

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Cochise nutzte jede Deckungsmöglichkeit aus und näherte

sich immer mehr den drei Banditen, die ihn inzwischen aus den
Augen verloren hatten.

Die Halunken schossen nicht mehr, sondern lauerten in die

Nacht und hofften, den Verfolger zu erspähen.

Cochises Sorge war, daß die weißen Bastarde die Flucht

ergriffen, ehe er sich an sie heranschleichen konnte.

*

Der Häuptling der Chiricahuas preßte sein Gewehr an die
Schulter. Er lauerte zu den Felsen hinüber, die höchstens
fünfzehn Pferdelängen vor ihm aus dem steinigen Boden
ragten.

Er sah einen dunklen Oberkörper, der sich hinter der

Deckung hervorwagte und krümmte den Zeigefinger. Der
Schuß peitschte auf. Die Kugel traf den Outlaw in die Brust
und warf ihn auf den Rücken. Der gellende Schrei verhallte.

Sofort wechselte Cochise seine Position, denn die beiden

anderen Banditen feuerten nun zu der Stelle, wo Cochise noch
vor wenigen Augenblicken sein Gewehr abgeschossen hatte.

Wirkungslos verpuffte das heiße Blei, wirbelte nur einige

Sandfontänen auf.

Cochise schoß erneut.
Dieses Mal fehlten seine Kugeln, denn die beiden Banditen

gingen vorher in Deckung.

Der Apachen-King schlich weiter, schlug einen Bogen, um

seinen Gegnern in den Rücken zu fallen. Die Halunken
durchschauten aber den Plan des Chiefs und wechselten
ebenfalls ihre Positionen.

Cochise schlug eine heiße Bleisaat entgegen. Die Geschosse

zischten haarscharf an seinem Kopf vorbei. Nur durch Glück
wurde der Häuptling der Apachen nicht getroffen.

Danach erlosch das Gewehrfeuer von einer Sekunde zur

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anderen. Cochise ahnte, was seine Gegner vorhatten. Sie
wollten sich in die Sättel ziehen, um die Flucht fortzusetzen.

Und das wollte der Chiricahua-Chief unter allen Umständen

verhindern.

Cochise setzte alles auf eine Karte und spurtete los. Er umlief

die Felsen und sah die beiden Reiter, die ihre Pferde antrieben
und dabei fluchten und schrien.

Einer wandte sich im Sattel um und schoß sofort auf

Cochise, dessen Silhouette sich deutlich gegen das hellere
Firmament abhob. Die Kugel zischte dicht an Cochises Ohr
vorbei. Er fühlte den heißen Atem des Todes.

Der Apachenhäuptling kannte keine Schrecksekunde,

sondern feuerte aus der Hüfte. Der Bandit wurde regelrecht aus
dem Sattel gerissen und blieb liegen.

Der andere Bursche hatte inzwischen die Flucht fortgesetzt

und nicht auf seinen Partner gewartet oder ebenfalls auf den
Gegner geschossen. Dumpf verklangen die Hufschläge.

Cochise lief zu dem Niedergeschossenen und konnte nur

noch seinen Tod feststellen. So war es auch bei dem anderen
Outlaw, den das gleiche Schicksal einige Minuten zuvor ereilt
hatte.

Cochise kannte die Bleichgesichter nicht. Bei dem erneut

Geflüchteten mußte es sich um den dürren Mann handeln, der
von seinen Partnern in letzter Sekunde im Cheyenne-Lager
befreit worden war.

Richy Valentine befand sich noch in Freiheit. Cochise eilte

zu seinem Pinto und nahm die Verfolgung auf.

*

»Mein Vater wird es allein schaffen«, rief Naiche, als sich John
Haggerty in den Sattel ziehen und dem Häuptling der
Chiricahuas folgen wollte.

John zögerte einen Moment, ehe er nickte.

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»In Ordnung, Naiche, wir sollten uns um die Cheyennes

kümmern. Ich schätze, daß die Krieger einiges abbekommen
haben.«

So war es auch.
Der hinterhältige Anschlag der Bleichgesichter hatte drei

Tote und fünf Verwundete gekostet. Der Häuptling der
Cheyennes war ebenfalls verletzt. Bekümmert starrte er erst
Naiche und dann den großgewachsenen Weißen an.

»Der Große Geist hat unser Flehen nicht erhört«, rief

Donnernder Büffel verzweifelt. »Die tapferen Krieger der
Gheyennes mußten eine schmerzliche Niederlage einstecken.«

Donnernder Büffel deutete zu dem Pfahl hinüber, an den

Valentine gebunden gewesen war.

»Er ist uns entkommen. Dieser weißhäutige Coyote wurde

von seinen Freunden befreit. Wir haben nicht damit
gerechnet.«

»Niemand rechnete damit«, sagte John Haggerty. »Auch wir

hatten keine Ahnung, daß uns weiße Banditen folgten. Es ist
für uns alle sehr überraschend gekommen. Cochise folgt den
drei Weißen, die geflohen sind. Er wird sie töten und die Ehre
der Cheyenne-Krieger wieder herstellen.«

Donnernder Büffel konnten diese Worte nicht überzeugen. Er

zog ein griesgrämiges Gesicht und murmelte einige
unverständliche Worte.

Dann sagte der Cheyenne: »Drei angreifende Bleichgesichter

wurden von meinen tapferen Kriegern getötet. Vielleicht
gelingt es dem Häuptling der Apachen, die drei entflohenen
Bleichgesichter zu töten.«

»Es wird meinem Vater gelingen«, rief Naiche überzeugt.

»Er tritt die Weißhäutigen in den Boden!«

John Haggerty sagte nichts zu diesen Worten. Seine

Gedanken waren bei Cochise. Und der einstige Armee-Scout
fragte sich, ob er nicht doch noch dem Apachen-King folgen
sollte.

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103

*

Cochise holte schnell auf.

Er erkannte Valentine, denn der dürre Kerl hockte wie ein

Fragezeichen im Sattel. Immer wieder sah sich der
Banditenboß um. Er schien längst erkannt zu haben, wer ihm
wie ein hungriger Wolf folgte und nicht aufgab.

Cochise zügelte seinen Pinto, als er bis auf Schußweite

herangekommen war. Er hob sein Gewehr, zielte gelassen und
schoß.

Richy Valentine hatte Glück. Die Kugel, die ihm gegolten

hatte, verfehlte den Bandenboß nur knapp und schlug in den
Kopf seines Pferdes.

Das Tier strauchelte nach wenigen Schritten und stürzte

aufwiehernd zu Boden. Es gelang Valentine, in letzter Sekunde
die Stiefel aus den Steigbügeln zu ziehen und sicher am Boden
zu landen.

Wieder fühlte der Outlaw die panische Angst in sich

aufsteigen, die ihn schon vorher im Lager der Cheyennes in
den Krallen gehalten hatte. Und dabei hatte Valentine schon
geglaubt, dem Sensenmann ein Schnippchen geschlagen zu
haben.

Er wankte hinter einen Felsbrocken und hielt nach seinem

Gegner Ausschau, den er aber nirgends entdecken konnte.
Einsam und verlassen stand der Mustang des Indianers mit
gesenktem Kopf in der Nähe einiger Felsen.

»Er schleicht sich an, dieser verdammte rote Bastard«,

murmelte Richy Valentine und biß die Zähne aufeinander.
»Bestimmt ist es Cochise selbst, der mich zur Hölle schicken
will.«

Valentine wußte, ihm blieb keine andere Wahl als zu

kämpfen. Und das wollte er auch.

Inzwischen schlich Cochise näher. Sein Gesicht wirkte wie

versteinert. Der Häuptling unterschätzte seinen Gegner nicht.

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Als ein Kind dieses rauhen Landes wußte er, daß der kleinste
Fehler den Tod bedeuten konnte.

Cochise spähte hinter seiner Deckung hervor und sah den

Outlaw, der zu ihm herüberspähte und ihn wohl auch in der
gleichen Sekunde erkannte.

Valentine und Cochise schossen fast gleichzeitig. Die

Schüsse klangen wie ein einziger.

Richy Valentine brach zusammen, denn Cochises Kugel

hatte ihn mitten in die Stirn getroffen. Seelenlose Augen
starrten an dem Apachen-Häuptling vorbei, als er sich kurze
Zeit später über den Toten beugte und nur noch seinen Tod
feststellen konnte.

Einige Minuten danach ritt Cochise in Richtung des

Cheyenne-Lagers zurück.

*

»Na endlich«, seufzte John Haggerty, als er den Häuptling der
Apachen heranreiten sah. Cochise sprang geschmeidig vom
Pferde rücken, nickte Haggerty und Naiche kurz zu und schritt
auf Häuptling Donnernder Büffel zu.

Die beiden unterhielten sich kurz. Cochise reichte dem

Cheyenne etwas, was John Haggerty nicht genau erkennen
konnte.

»Das ist der Skalp des dürren Bleichgesichts«, erklärte

Naiche und lächelte, als er Johns entsetztes Gesicht sah. »Du
vergißt, Falke, daß es nicht die Apachen gewesen waren, die
mit dem Skalpieren begonnen haben. Die Bleichgesichter
führten es ein, um sich mit den Skalps der Indianer zu brüsten.
Sehr oft wurde auch Geld für einen Apachenskalp bezahlt.«

»Das weiß ich alles, trotzdem finde ich es furchtbar, einen

besiegten Gegner derart zuzurichten.«

Cochise trat zu seinem Sohn und dem weißen Freund.
»Unsere Mission ist beendet, Falke«, sagte er zu Haggerty.

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»Die drei Banditen sind tot. Darunter auch dieses dürre
Bleichgesicht, das an allem die größte Schuld trug. Wir sollten
reiten und diesen Ort verlassen. Bei meinen Vettern vom
Stamm der Cheyenne herrscht große Trauer. Wir wollen sie
nicht stören.«

John fragte nicht, ob es wirklich Valentines Skalp gewesen

war, den der Chief Donnernder Büffel überreicht hatte.

Die Hauptsache war, daß Valentine nicht entkommen war

und vielleicht an einem anderen Ort ein ähnlich teuflisches
Spiel erneut in Gang brachte.

Wenige Minuten später verließen Cochise, Naiche und John

Haggerty das Tal. Hinter ihnen erklangen die Felltrommeln der
Cheyennes. Dieses Mal dröhnten sie dumpf und traurig.

*

»Hier trennen sich die Wege von Cochise und dem Falken.
Wird dich der Häuptling der Apachen bald wiedersehen?«

»Ich reite zuerst nach Tres Alamos, um dort zu berichten,

was geschehen ist«, antwortete John Haggerty. »Ich war auf
dem Weg zu deiner Apacheria, Cochise. Vielleicht muß ich
noch einige Tage in der Stadt der Bleichgesichter bleiben, um
meinen kranken Freund Nat Baxter zu vertreten. Dann aber
führt mich mein erster Weg zu dir und zu Tla-ina. Ich freue
mich sehr.«

Cochise lächelte.
»Auch Tla-ina freut sich, wenn ich ihr von dir berichte,

Falke. Ich frage mich nur, ob es richtig ist, daß du das Herz
meiner Schwester in Brand gesetzt hast?«

John Haggertys Blick wurde traurig.
»Wer weiß, was uns das Schicksal noch alles bringt«, sagte

er ausweichend.

Cochise legte John Haggerty eine Hand auf die Schulter,

während Naiche John kurz zunickte und seinen Mustang

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106

antrieb.

»Cochise freut sich, dich schon bald in seiner Apacheria zu

sehen. Und komm schnell, denn Cochise kann die traurigen
Augen von Tla-ina nicht lange ertragen.«

Der Häuptling der Chiricahuas zog sich auf den Rücken

seines Pintos, winkte John Haggerty zu und ritt los, dem
beginnenden Tag im Osten entgegen.

John Haggerty blickte Cochise und Naiche nach, bis sie in

der Morgendämmerung nicht mehr zu sehen waren. Er dachte
dabei an Tla-ina, die er von ganzem Herzen liebte und die
ebenso heftig seine Gefühle erwiderte.

Und der harte Kämpfer freute sich schon jetzt auf das

Wiedersehen mit Cochises schöner Schwester.

Zuvor wartete aber noch sein Job als Sheriff von Tres

Alamos auf ihn. John Haggerty war nun einmal ein Mann, der
nicht aus einer gestellten Aufgabe ausstieg, sondern alles zu
einem guten Ende brachte.

John zog sich auf den Pferderücken und trieb das Tier an.

Der Trail führte in Richtung Tres Alamos.

*

Die Sonne stand hoch am Himmel, als John Haggerty die
kleine Stadt am San Pedro River erreichte. Er fühlte sich müde
und ausgelaugt und sehnte sich nach einem Steak, nach einem
Whisky und vor allen Dingen nach einem Bett, um sich wieder
einmal richtig auszuschlafen.

Sein erster Weg führte ihn zu seinem Office, nachdem er das

Pferd im Mietstall untergestellt hatte. Er wurde von Clark
Harper empfangen, der hinter dem Schreibtisch saß.

Der Bürgermeister von Tres Alamos seufzte zufrieden, erhob

sich und streckte dem Sternträger die Hand entgegen. Seine
Knollennase rötete sich langsam aber sicher.

»Endlich sind Sie zurück, John. Ist alles gut ausgegangen?

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Haben Sie Valentine und seine Spießgesellen erwischt?«

John Haggerty setzte sich auf einen Stuhl, streckte die

staubigen Stiefel von sich und deutete auf die Whiskyflasche
auf dem Schreibtisch.

Harper schenkte John einen Drink ein, der den Whisky in

seine staubige Kehle kippte und dann zu erzählen begann. Bald
wußte der Town Mayor von Tres Alamos, was sich draußen in
der Wildnis ereignet hatte.

»Ausgezeichnet, John«, lobte er. »Das hätte kein anderer als

Sie geschafft. Mann, o Mann, ich bin wirklich mächtig froh,
daß Sie der Sheriff dieser Stadt geworden sind.«

John Haggerty lächelte und mußte dann gähnen. Erschrocken

hielt er sich eine Hand vor den Mund.

»Ohne Cochise wäre alles nicht so klar ausgegangen«,

bekannte der einstige Chiefscout General Howards. »Ich gehe
nun zu Nat Baxter und sehe nach ihm. Anschließend horche ich
an meiner Matratze. Ich hoffe, daß sich in der Stadt nichts
besonderes ereignet hat.«

»Hier ist alles in bester Ordnung, Sheriff. Seit Valentine mit

seinem rauhen Rudel verschwunden ist, gibt es keinerlei
Klagen. Ruhen Sie sich aus, denn Sie haben es verdient. Ich
bleibe solange hier im Office und übernehme die
Amtsgeschäfte.«

John Haggerty verließ das Office und betrat wenige Minuten

später mit Doc Henderson das Krankenzimmer seines Freundes
Nat Baxter.

»Mir geht es bereits besser, John. In einigen Tagen bin ich

wieder auf den Beinen. Bestimmt möchtest du bald
weiterreiten?«

John nickte.
»Du hast es erfaßt, Nat. Ich bleibe natürlich so lange, bis du

wieder einigermaßen deinen Posten ausfüllen kannst.«

»Das wird schon noch acht oder vierzehn Tage dauern, bis

Baxter wieder auf den Beinen ist, Mr. Haggerty«, sagte der

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kleinwüchsige Arzt. »Er ist auf jeden Fall über den Berg. Und
das ist die Hauptsache.«

Der Doc verließ das Krankenzimmer. John berichtete

ausführlich von der Verfolgungsjagd auf Richy Valentine und
dessen Tod. Er merkte, daß ihm die Augen brannten, und er sie
vor Müdigkeit kaum noch offen halten konnte.

John Haggerty erhob sich gähnend, verabschiedete sich von

Nat Baxter und lag einige Minuten später in einem Bett.
Innerhalb von Sekunden war der harte Kämpfer eingeschlafen.

*

Acht Tage waren vergangen.

John hatte sich in dieser Zeit gut erholt. Sein Amt als Sheriff

nahm ihn in dieser Zeit kaum in Anspruch. Die Bürger von
Tres Alamos verhielten sich friedlich, und die wenigen
Fremden versuchten erst gar nicht, sich mit dem
großgewachsenen Mann anzulegen.

Nat Baxters Verwundung heilte schneller, als sogar Doc

Henderson angenommen hatte.

John Haggerty nahm das Sheriffsabzeichen von seiner Jacke

und reichte es seinem alten Freund Nat, der es nachdenklich in
der Hand wog und dann auf den Schreibtisch legte.

»Niemand hätte mich besser vertreten können als du, alter

Junge«, sagte Baxter. »Ich danke dir von ganzem Herzen. Du
hast viel für Tres Alamos und seine Bürger getan.«

Clark Harper räusperte sich.
»Schon gut, Clark«, erwiderte John Haggerty schmunzelnd.

»Noch eine solche Lobeshymne überlebe ich nicht. Wir sollten
darauf anstoßen, daß alles wieder in den richtigen Bahnen
läuft. Und in Zukunft überlege ich es mir reiflicher, ehe ich mir
wieder einen Blechstern an die Jacke stecke.«

Er reichte zuerst Nat Baxter und dann dem Bürgermeister

von Tres Alamos die Hand.

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»Laß dich wieder einmal sehen, alter Haudegen«, rief Baxter

dem Freund nach, als der die Main Street überquerte, um im
Mietstall sein Pferd zu holen.

»Das geht in Ordnung, Nat«, antwortete John Haggerty, ohne

sich umzuwenden.

Fünf Minuten später lag die kleine Stadt hinter dem einstigen

Armee-Scout, in der er ein heißes Abenteuer erlebte und in der
beinahe Cochise und sein Sohn Naiche ums Leben gekommen
waren.

John ließ sich den Reitwind um die Nase wehen. Sein Pferd

griff tüchtig aus.

Der Falke dachte an Cochise und Tla-ina, und er freute sich

auf das bevorstehende Wiedersehen.

Wie hätte John Haggerty in diesen Sekunden auch ahnen

können, daß ein weiteres Abenteuer auf ihn und Cochise
wartete. Ein Abenteuer, das den beiden so tapferen Männern
alles abverlangen würde.

ENDE


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