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Die barmherzige Lüge 

Roman von Leni Behrendt

 

 

 

 

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Sengend heiß brütete die Sonne über dem weiten 
ostpreußischen Land. Es war eine Schwüle, die den 

Wunschtraum steigerte, ständig im Wasser zu liegen und 
etwas Eiskaltes zu trinken. Für die Landbewohner jedoch 
bedeutete dieser harmlose Traum Luxus, denn für sie gab es 
trotz der Gluthitze harte, schwere Arbeit. Die Roggenernte 
neigte sich ihrem Ende entgegen, und um diese köstliche 
Gabe gut und trocken unter Dach und Fach zu bekommen, 
mußten sich die Menschen tüchtig tummeln. Daher ging 
der Blick des schlanken Reiters, der schon seit Tagen von 
früh bis spät bei seinen Leuten auf dem Felde weilte, 
immer wieder zum Himmel hin, dessen leuchtende Bläue 
sich zu trüben begann. Hie und da ballten sich Wölkchen 
zusammen, dick und bauschig wie schmutzige Watte, und 

von der See her kam immer häufiger ein Luftzug, der die 
emsig Schaffenden wohl aufatmen ließ, im allgemeinen 
jedoch nichts Gutes verhieß. In kurzer Zeit mußte ein 
Gewitter aufziehen, was Mensch und Tier erquickt hätte, 
den knistertrockenen goldgelben Garben jedoch nicht 
zuträglich sein konnte. Denn mit dem Gewitter pflegt auch 
Hagelschlag einzusetzen, und der würde die Körner aus 
den Ähren zu Boden peitschen. Also mußten die letzten 
Fuhren unbedingt noch geborgen werden. Daher ritt Jobst 
von Götterun unermüdlich von Wagen zu Wagen, sprach 
hier einen Arbeiter an, gab da einen Rat. 
Einmal sprang er ab, ließ den Gaul laufen und stakte die 

Garben zu dem lachenden Mädchen hoch oben auf dem 
goldenen Berg. Ruckzuck – ruckzuck ging es unermüdlich 
fort und fort, und die Leute wurden zu noch emsigerer 
Arbeit angespornt. 
Wagen um Wagen schwankte schwerbeladen davon, leere 
fuhren an ihre Stelle. 
Es gab auf dem großen Gutshof wohl kein Pferd, kein 
einigermaßen brauchbares Gefährt, das nicht eingespannt 
war. 
Auch der alte Oberinspektor, auf Uhlener Herrschaft 
geboren und in ihren Diensten ergraut, legte Hand an, wo 

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es nottat. Seine Augen schweiften immer wieder besorgt zu 
der Stelle hin, wo sich die Wolken zusammenballten. 

Eben schwankten wieder drei Wagen davon, acht weitere 
harrten noch ihrer Fuhre. Wenn es noch gelang, sie trocken 
unter Dach und Fach zu bekommen, dann konnte man 
von Glück sprechen. Dann war für dieses Jahr der Roggen 
trocken geborgen. 
Am fernen Horizont blitzte es schon ab und zu auf. Eben 
rollte die letzte Fuhre knarrend vom Feld. Das 
aufmunternde »Hüh – hüh – hüh« der Wagenlenker klang 
zu den Leuten zurück, die erschöpft bis zum letzten, aber 
auch restlos zufrieden waren. 
Götterun wischte sich mit dem Taschentuch über das 
Gesicht, ordnete den blonden Scheitel, reichte dann sein 

wohlgefülltes Zigarettenetui herum und versorgte die 
Rauchlustigen mit Feuer. 
»Nun aber schnell, Leute, nach Hause, bevor ihr pudelnaß 
werdet«, ermunterte er die Menschen, die ihn umstanden. 
»Heute abend kommt der Lohn für den Fleiß. Oder seid ihr 
zu müde zum Feiern?« 
»Nein, Herr Baron«, kam es lachend von allen Seiten. 
»Dazu sind wir nie zu müde.« 
»Aber auch zur Arbeit nicht, ihr Getreuen, das habt ihr 
wieder einmal bewiesen.« 
Als Götterun auf den Hof kam, sah er gerade die letzte 
Fuhre auf der Tenne verschwinden. Das Scheunentor flog 

zu. 
Der Mann atmete tief auf. Das war gerade noch so geglückt. 
Nicht viel später hätte es getan werden dürfen, dann wäre 
soviel köstliche Frucht dahingewesen und mit ihr das Geld, 
das das Gut Uhlen doch so nötig brauchte. 
Der Oberinspektor kam ihm entgegen. 
»Herr Baron, soviel ich weiß, muß Fräulein Jödeborg um 
diese Zeit eintreffen.« 
»Donnerwetter, ja, Herr Habermann, das hatte ich im Eifer 
ganz vergessen.« 
Einen Blick auf die Armbanduhr und einen zum Himmel. 

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»Schöne Bescherung! Der Zug muß längst da sein, und 
jeden Augenblick kann das Unwetter losbrechen. Dazu 

ausgerechnet heute das Auto in Reparatur, die Gäule von 
der schweren Arbeit ziemlich ausgepumpt. 
Da hilft also nichts, Hussa muß heran. Sorgen Sie doch 
bitte dafür, Habermann, daß er schleunigst in den Dogcart 
gespannt wird.« 
Damit eilte er dem Schlosse zu, sprang in langen Sätzen die 
Freitreppe hinauf und wäre in der Halle beinahe mit der 
Repräsentantin des Hauses zusammengeprallt. 
»Hoppla, Frau Fröse, das war stürmisch!« 
»Herr Baron, Fräulein Jödeborg muß längst auf dem 
Bahnhof sein.« 
»Ja, leider hatte ich die Kleine total vergessen.« 

»Aber bald wird das Gewitter über uns sein, da können Sie 
doch unmöglich fahren, Herr Baron!« 
»Ich muß, Frau Fröse. Das kleine Mädchen graut sich ja zu 
Tode. Denn mögen die jungen Damen auch noch so 
couragiert tun, vor Gewitter fürchten sie sich mehr oder 
weniger alle.« 
Eiligst hatte er den Wettermantel angezogen und die Mütze 
ins Gesicht gedrückt. Er eilte davon, den Ställen zu, wo 
Hussa gerade eingespannt wurde. 
Es kostete Mühe, ihn zwischen die Deichsel zu bekommen. 
Denn erstens ging er höchst ungern im Gespann, und dann 
hatte er sich auf die wohlgefüllte Futterkrippe gefreut. Er 

schäumte im Gebiß, scharrte unwillig den Boden, und 
kaum, daß sein Herr die Leine ergriff, preschte er auch 
schon davon, daß die Hufe kaum noch den Boden 
berührten. 
Fast ununterbrochen raste er dahin, und so konnte es 
geschehen, daß der Bahnhof in kurzer Zeit erreicht war. 
An der Wetterseite standen die blauschwarzen Wolken 
dicht wie eine Wand. Es grollte und blitzte unausgesetzt. 
Götterun sprang vom Wagen, band den nervösen Gaul fest 
und stürmte dem Bahnhofsgebäude zu. 
Im Eingang bemerkte er eine weibliche Gestalt, die auf der 

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Treppenstufe hockte und vor sich hin schluchzte. Sie war so 
in ihrem Jammer versunken, daß sie den Mann erst 

bemerkte, als er vor ihr stand. Erschrocken fuhr das 
Mädchen zusammen und starrte ihn an. Der Wettermantel 
verhüllte die hochgewachsene Gestalt, der Kragen war bis 
zu den Ohren hochgeschlagen und die Mütze so tief 
heruntergezogen, daß sie das Gesicht halb verdeckte. 
»Onkel Jobst -?« kam es leise fragend. 
»Der bin ich, kleine Sölve – « 
Da sprang das Mädchen auf. Zwei zitternde Hände 
umfaßten seinen Nacken, zwei heiße, zuckende Lippen 
preßten sich auf die seinen. 
»Onkel Jobst, wie gut, daß du da bist«, stammelte es außer 
sich vor Erregung. »Ich dachte schon – ich glaubte schon 

du wolltest mich nicht haben. Aber daß du nun doch 
gekommen bist – daß du mich nicht im Stich gelassen hast 
- das, das will ich dir danken!« schluchzte es an seinem 
Halse. 
»Aber, aber, Sölve, mein kleines Mädchen, wie kannst du 
dich nur so erregen«, versuchte er zu beschwichtigen, 
während er die bebende Gestalt umfaßte. »Ich dich im 
Stich lassen? Wie kommst du auf die absurde Idee?« 
»Jetzt ist ja alles gut – ich bin ja so froh – «, lachte und 
weinte sie nun durcheinander. 
»Na, siehst du. Aber jetzt müssen wir eilen, damit wir noch 
trocken nach Hause kommen. Ist das dein ganzes Gepäck?« 

»Nein, das habe ich aufgegeben. Viel ist es aber trotzdem 
nicht.« 
»Wir lassen es morgen holen.« 
Er nahm ihr das Köfferchen aus der Hand, umfaßte mit der 
freien Rechten ihre Schulter und zog sie fort, zum Wagen 
hin. Besorgt prüfte sein Blick den Himmel. 
Sie mußten es schaffen! Denn blieben sie hier, konnten sie 
stundenlang warten, bis sich das Gewitter ausgetobt hatte. 
»Rasch, Sölve, steig ein – «, ermunterte er. Dann nahm er 
ebenfalls Platz, und Hussa, den heimatlichen Stall Witternd 
und das aufziehende Wetter fürchtend, jagte davon. 

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Als hätte das Gewitter nur auf diesen Augenblick gewartet, 
brach es nun los. Und zwar mit einer Wucht, daß selbst 

dem Manne angst und bange wurde. 
Sinnlos vor Furcht raste Hussa dahin, daß die Insassen des 
Wagens hin und her geschleudert wurden. Sölve schrie laut 
auf. 
»Halte dich an mir fest!« rief er ihr durch den Sturm 
entgegen; denn er hatte beide Hände nötig, um den 
rasenden Hussa zu zügeln. 
Blitz auf Blitz durchzuckte den schwarzen Himmel, der 
Donner knatterte und dröhnte fast ohne Pause, der Regen 
prasselte hernieder, daß die beiden Menschen trotz ihrer 
Wettermäntel in wenigen Minuten durchnäßt waren. 
Sölve hielt den Onkel mit beiden Armen umklammert und 

ihr Gesicht an seine Schulter gedrückt, um die grellen Blitze 
nicht sehen zu müssen. Bei jedem Donnerschlag zuckte sie 
zusammen, und die Blicke Götteruns gingen immer wieder 
besorgt zu ihr hin. Er machte sich heftige Vorwürfe, daß er 
das Gewitter nicht doch abgewartet hatte. 
Kurz bevor sie von der Chaussee in die Allee einbogen, die 
zum Schloß führte, ließ die feste Umklammerung des 
Mädchens nach. Der Kopf rutschte von Götteruns Schulter 
und schlug hart auf die Seitenlehne des Wagens. 
»Sölve, Kind, was hast du denn?« rief er erschrocken, packte 
die Zügel mit einer Hand und umfaßte das Mädchen, das 
vom Sitz zu fallen drohte, mit dem freien Arm. So fuhren 

sie vor das Portal, wo Frau Fröse sie schon erwartete. 
Vom Hof her kam ein Stallbursche gelaufen, der das 
Gefährt in Empfang nahm. 
Das Unwetter hatte nachgelassen, war aber immer noch arg 
genug, um die Menschen nicht eine Sekunde länger als 
nötig im Freien verweilen zu lassen. Darum versuchte 
Götterun erst gar nicht festzustellen, warum seine 
Begleiterin so plötzlich in sich zusammengesunken war, 
sondern hob die verhüllte Gestalt auf die Arme und trug sie 
an der erschrockenen Hausdame vorbei in die Halle. Dort 
schob er die Kapuze von Sölves Gesicht und sah in ein 

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totenbleiches Antlitz. 
»Großer Gott, sie ist ja ohnmächtig! Armes Ding. Ich 

könnte mich ohrfeigen, daß ich sie dem rasenden Wetter 
aussetzte. Bitte, Frau Fröse, Sie nehmen sich wohl ihrer an -
?« 
»Selbstverständlich. Herr Baron. Vielleicht bringen Sie die 
junge Dame in das für sie bestimmte Zimmer.« 
Schweigend stieg der Schloßherr mit seiner Last die breite 
teppichbelegte Marmortreppe hinauf, durchquerte ein 
Vorzimmer und öffnete die Tür zu einem Gemach, in dem 
alles licht und traut war. 
Auf das weiße flauschige Fell, das den Diwan bedeckte, 
legte er die stille Gestalt, zog die Kapuze von Gesicht und 
Kopf und erschrak von neuem über die Blässe des 

verhärmten Antlitzes. 
Er nahm schweigend die starkriechende Essenz, die Frau 
Fröse ihm reichte, und rieb der Ohnmächtigen damit Stirn 
und Schläfen. 
Sein Bemühen wurde auch bald belohnt. Sie schlug die 
Augen auf, ließ sie angstvoll umherschweifen und 
erschauerte. 
»Wo bin ich -?« 
»Zu Hause, kleine Sölve!« 
»Ach ja – zu Hause – bei dir – Onkel Jobst – wie schön«, 
stammelte sie, schlang die Arme wieder um seinen Hals 
und drückte ihre Lippen auf die seinen. 

»Onkel Jobst, daß ich zu dir kommen durfte -« 
Mit einem tiefen Seufzer ließ sie die Arme sinken und 
kuschelte sich in das Kissen. 
Behutsam griff Götterun nach ihrem Puls, richtete sich 
dann auf und sah seiner Hausdame in das bekümmerte 
Gesicht. 
»Der Puls geht schwach, aber regelmäßig. Zuerst muß sie 
aus den nassen Kleidern und ins Bett. In der Zeit werde 
auch ich mich umziehen.« 
Als er eine halbe Stunde später gebadet und frisch gekleidet 
wieder erschien, schlief Sölve in ihrem Bett mit den 

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duftigen Spitzen vorhängen in tiefster Erschöpfung. 
In den schneeweißen Kissen und der zartgrünen 

Daunendecke trat die Blässe ihres Antlitzes noch schärfer 
hervor. Und hätte der leise Atem das Spitzengeriesel des 
Nachtkleides über der Brust nicht erzittern lassen, so hätte 
man diese bleiche, regungslose Gestalt für tot halten 
müssen. 
Lange sah Jobst von Götterun auf das Mädchen nieder. 
»Hat sie etwas gegessen?« fragte er die danebenstehende 
Hausdame flüsternd. 
»Nein, Herr Baron, sie ist nicht wieder erwacht. Es ist wohl 
auch am besten, wenn wir sie schlafen lassen. Ich habe 
Anna schon Bescheid gesagt. Sie kann, während ich zu 
Abend esse, bei ihr wachen. Zur Nacht schlage ich mein 

Lager auf dem Diwan auf.« 
»Wird das nicht Ihre Nachtruhe stören, Frau Fröse?« 
»Durchaus nicht, Herr Baron. Und wenn schon – es 
geschieht ja für Ihren Gast.« 
Darauf erwiderte der Mann nichts. Er ergriff die feine 
Frauenhand und drückte sie voll Verehrung an die Lippen. 
Ein ‘ junges, adrettes Mädchen trat ein, dem die Hausdame 
Verhaltensmaßregeln gab. Dann ging sie in Begleitung des 
Schloßherrn ins Speisezimmer. 
Der alte Diener Michael ebenso wie der Oberinspektor und 
viele andere Angestellte auf Uhlen geboren und im Dienste 
derer von Götterun ergraut, stand schon wartend an der 

Anrichte. 
Während des Mahles wurde nicht viel gesprochen. Doch als 
man in dem Teezimmerchen saß, tief in die bequemen 
Sessel geschmiegt, den Mokka trank, den niemand so 
köstlich zuzubereiten verstand wie Frau Fröse, Zigaretten 
rauchte, Obst und Konfekt naschte, wie der Baron es nach 
den Hauptmahlzeiten liebte, da kam man auf Sölve 
Jödeborg zu sprechen. 
»Da scheint uns der Gewittersturm ja ein arg zerzaustes 
Vöglein ins Haus geweht zu haben«, sagte die Hausdame 
zu Götterun, der gedankenverloren seine Zigarette rauchte. 

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»Ich muß schon sagen, daß ich in meinem Leben kaum 
jemanden in einer so jammervollen Verfassung gesehen 

habe wie dieses arme Menschenkind. Wie alt ist die junge 
Dame eigentlich?« 
»Sölve – wie alt? Warten Sie mal – achtzehn oder neunzehn 
muß sie sein. Und jammervoll sagen Sie, Frau Fröse?« 
»Mehr als das, Herr Baron. Man kann auch sagen: halb 
verhungert. Was mag dem armen Kinde geschehen sein?« 
Jobst von Götterun gehörte nicht zu den Menschen, die ihr 
Herz sozusagen auf der Zunge tragen. Aber sprach er doch 
einmal über das, was ihn quälte, dann geschah es zu der 
schlanken weißhaarigen Frau, dem guten Geist seines 
Hauses, wie er sie nannte. 
Seit fast zehn Jahren im Hause, hatte sie sich immer wieder 

bewährt und stets ihre Aufopferung und Treue bewiesen. 
Aus diesem Grunde war sie dem Schloßherrn ans Herz 
gewachsen wie etwas, das man nie mehr missen will. Sein 
Vertrauen und seine Verehrung für die Frau waren groß, 
sein Gefühl für sie so warm, daß man es schon mit 
Sohnesliebe bezeichnen konnte. 
»Ja – was mag dem armen Kinde geschehen sein – «, 
wiederholte er ihren letzten Satz. »Ich weiß es nicht, Frau 
Fröse. Sie ist die Tochter der Frau, der meine erste 
schwärmerische Liebe galt.« 
In den Augen der Frau blitzte es überrascht auf. Doch nur 
augenblicklich, dann hatte sie sich wieder in der Gewalt. 

Und doch war es von ihm bemerkt worden. 
»Sie wissen darum, Frau Fröse?« 
»Ja, Herr Baron. Allerdings nur vom Hörensagen. Als ich 
nach Uhlen kam, waren Sie über die schmerzliche 
Angelegenheit wohl gerade hinweg.« 
»Hinweg? Nein, Frau Fröse, das war ich noch lange nicht – 
ich bin es wohl überhaupt nie gewesen. Ich lernte Frau Elga 
Jödeborg nebst Gatten und Töchterchen in Ägypten 
kennen, wohin mich ein Bummel durch die Welt führte. 
Ich hatte damals gerade mein Abitur hinter mir, und die 
Reise war ein Geschenk meines Vaters. Neunzehnjährig, 

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lebensfroh und voller himmelsstürmender Ideale nahm ich 
schönheitstrunken in mir auf, was die Welt darbot. 

In dieser Jugendseligkeit kam mir Frau Elga in den Weg 
und nahm mein leicht entflammtes Herz sofort gefangen. 
Ich liebte diese Frau mit der ganzen Stärke meines Gefühls. 
Der Gatte, ein echter Friese, ließ sich meine Vergötterung 
für seine Frau nachsichtig lächelnd gefallen. Er nahm den 
jungen Fant wohl nicht ernst. Obgleich er sehr viel älter 
war als sie, war die Ehe gut, und das damals sechsjährige 
Töchterchen das Glück und die Freude der Eltern. Auch ich 
liebte das Kind, weil es das der vergötterten Frau war, liebte 
überhaupt alles, was zu diesem bezaubernden Geschöpf 
gehörte. 
Ich wich nicht mehr von ihrer Seite, und länger als ein Jahr 

bummelten wir durch die Welt. Nur der ausbrechende 
Krieg zwang uns, in die Heimat zurückzukehren. 
Kurze Zeit darauf hörte ich, daß Herr Jödeborg einem 
Herzschlag erlegen wäre. Er hatte wohl selbst nicht gewußt, 
wie herzkrank er war. Ich habe mich während des 
Trauerjahres fern von ihr gehalten. Doch als das vorüber 
war und ich nach einer Verwundung in die Heimat 
beurlaubt wurde, eilte ich zu ihr und begehrte sie stürmisch 
zur Gattin. Was machten die sechs Jahre Altersunterschied 
zwischen uns? Mir waren sie kein Hindernis, zumal die 
Frau in ihrer Zartheit stets so rührend jung wirkte. 
Ich werde nie den entsetzten Blick vergessen, mit dem sie 

meine ungestüme Werbung, verbunden mit einer noch 
stürmischeren Liebeserklärung, aufnahm. Sie besaß wohl 
nicht den Mut, den törichten Burschen abzuweisen, der 
ihre Güte und Herzlichkeit, die sie ihm entgegenbrachte, 
für Liebe gehalten hatte. Sie bat sich Bedenkzeit aus – und 
nahm wenige Tage später den anderen. Einen 
Jugendfreund, der sie schon seit langen Jahren liebte. 
Später heiratete ich die Frau, die meine Familie mir 
aussuchte. Alles andere wissen Sie ja.« 
Nach diesen Worten war es sekundenlang totenstill. Der 
Mann schien ganz gelassen, doch an der zitternden Hand, 

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mit der er eine Zigarette in Brand steckte, merkte die Frau, 
daß er nicht so ruhig war, wie er vorgab. Dann legte er sich 

tiefer in den Sessel zurück. 
»Ich habe nichts mehr von Frau Elga gehört«, sprach er 
dann sachlich weiter. »Um so mehr überraschte mich der 
Brief, den ich vor ungefähr zwei Wochen erhielt. Ihre 
Tochter schrieb mir, daß sie in Not sei und ich der einzige 
Mensch wäre, der ihr helfen könnte. 
Dem Schreiben lag ein Brief ihrer Mutter bei. Der sollte nur 
dann in meine Hände gelangen, wenn Sölve in einer 
Bedrängnis nicht mehr aus noch ein wüßte. Darauf 
antwortete ich ihr, daß sie herkommen solle!« 
»Ist Frau Elga denn tot?« 
»Ja.« 

»Und wie waren Ihre finanziellen Verhältnisse?« 
»Die denkbar besten. Sie führte zu Lebzeiten ihres Mannes, 
ein Leben im großen Stil. Frau Elga hat sich nie einen 
Wunsch versagen brauchen, ihr Gatte war ein echter 
Globetrotter, und das Kind wurde wie eine Prinzessin 
erzogen.« 
»Dann wundere ich mich, wie Fräulein Jödeborg so – ich 
will es beim richtigen Namen nennen – so 
herunterkommen konnte.« 
»Ja, das ist merkwürdig. Darauf wird sie uns Antwort geben 
können – sofern sie mag.« Er erhob sich und trat ans 
Fenster. »Der Regen hat aufgehört, da will ich noch einen 

kleinen Bummel durch die Wirtschaft machen. Also gute 
Nacht, Frau Fröse!« 
 
Was mir das Schicksal gab, 
ich mußte zahlen 
für jeden Tag voll Glück, 
das mir beschert. 
Nun hab’ ich nichts, 
womit ich könnte prahlen, 
nichts mehr, was mir gehört. 

 

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Die Sonnenstrahlen, die am nächsten Morgen wieder das 
Land überfluteten, drangen auch durch die Jalousien, die 

an zwei Fenstern des Schlosses herabgelassen waren, 
umtanzten die Schläferin, die nun schon Stunde um 
Stunde in ihrem daunenweichen Bett fast regungslos ruhte. 
Sie gab nicht eher Ruhe, bis ihr hellgoldener Schein den 
tiefen Schlaf löste. 
Blinzelnd öffnete Sölve die Augen, sah zuerst 
verständnislos auf die fremde Umgebung, bis sie sich auf 
die letzten Geschehnisse besann. Sie wußte nur noch, daß 
sie halb sinnlos vor Angst an Onkel Jobsts Seite im Wagen 
gesessen hatte, dann hatte sie irgendwo mollig und warm 
gelegen, und ein Männerantlitz hatte sich über sie gebeugt. 
Wie sie jedoch in dieses wundervoll weiche Bett gekommen 

war, das wußte sie nicht. Wahrscheinlich war sie in Schloß 
Uhlen, der Sehnsucht ihrer Träume. 
Sie ließ die Augen umherschweifen, und was sie in dem 
grünen Dämmerlicht sah, war wunderschön. Ein 
entzückendes Gemach, so recht geschaffen für den 
Geschmack verwöhnter Menschen. 
Nun entdeckte sie auch die Dame, die in einem Sessel am 
Fenster saß und an etwas leuchtend Buntem strickte. Wie 
heimelig, wie traut das alles war! Ganz wie einst zu Hause. 
Tief und schmerzlich seufzte sie auf, und da hob die Dame 
den Kopf. 
»Ich bin wach – «, sagte Sölve zögernd. »Na endlich, Sie 

kleines Murmeltier«, sagte Frau Fröse lächelnd, indem sie 
an das Bett trat. »Sie haben etwa eineinhalbmal um die Uhr 
geschlafen. Und nun werden wir das Dämmerlicht 
verscheuchen und die liebe Sonne hereinlassen. Oder stört 
es Sie?« 
»Nein.« 
Gleich darauf flutete es golden ins Zimmer, und Sölve 
mußte einen Augenblick die Augen schließen, so blendete 
sie das Sonnenlicht. Aber dann ging es wie Erschrecken 
über ihr Gesicht, und sie öffnete die Augen weit. »Ich bin 
doch in Uhlen -?« stieß sie angstvoll hervor. 

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»Ja, das sind Sie«, klang da eine weiche Stimme auf, die das 
geängstigte Herz so wunderbar besänftigte. »Sie sind in 

Uhlen – und damit in guter Hut. Und ich bin Frau Fröse 
und werde Sie nach Herzenslust tyrannisieren.« 
»Oh; wie schön – «, seufzte Sölve. Forschend sah sie in das 
gütige vornehme Frauenantlitz unter dem weißen Haar. Ihr 
Herz flog ihr sogleich entgegen. 
»Freuen Sie sich nicht zu früh – «, lachte die Dame 
amüsiert. Es war ein so herzfrohes Lachen, daß Sölve 
immer  mehr  von  dieser  Frau  entzückt  war.  »Ich  kann 
nämlich gräßlich hartnäckig sein. Eine Probe werden Sie 
sofort erhalten. Ich gedenke Ihnen nämlich ein ausgiebiges 
Frühstück aufzudrängen.« 
»Ich habe gar keinen Hunger.« 

»Dacht’ ich’s doch. Aber darauf kann ich keine Rücksicht 
nehmen.« 
Auf ihr Klingelzeichen erschien Anna mit einem leichten 
Frühstück, wovon Sölve auch gehorsam eine Kleinigkeit aß. 
Sie sah dabei jedoch Frau Fröse flehend an, daß diese sie 
nicht weiter quälte. 
»Für den Anfang bin ich zufrieden. Es wird schon noch 
besser werden. Und nun erheben Sie sich aus Ihrem 
weichen Pfühl, damit Sie den Onkel empfangen können. Er 
wartet nämlich schon darauf, seinen Gast zu begrüßen.« 
Obgleich Sölve noch sehr müde war, fügte sie sich 
widerstandslos. Sie wehrte auch nicht ab, als Frau Fröse ihr 

beim Ankleiden half; denn sie konnte sich kaum auf den 
Füßen halten. 
Die Dame sah sehr wohl, wie es um den jungen Gast stand. 
Sie hatte Mühe, ihr Entsetzen über den 
erbarmungswürdigen Körperzustand dieses armen 
Menschenkindes zu unterdrücken – und über dessen 
ärmliche Kleidung. Ihr Herz öffnete sich vor Erbarmen 
weit. 
»Jetzt kann ich aber wirklich nicht mehr – «, bat Sölve 
gequält, als sie angekleidet dastand. 
»Brauchen Sie auch nicht. Sie legen sich auf den Diwan.« 

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Wohlig streckte sich das Mädchen auf das weiche Fell »Ach, 
so schön. Ich bin doch noch immer verflixt schlapp.« 

»Sind Sie denn krank gewesen, Fräulein Jödeborg?« fragte 
Frau Fröse, sich zu ihr auf den Diwan setzend. 
»Ja. Aber sagen Sie doch bitte Sölve zu mir.« 
Es klopfte kurz, und Götterun trat ein. 
»Ah, kleine Sölve, schon angekleidet? Das ist sehr brav. Ich 
muß um Verzeihung bitten, daß ich dich gestern dem 
schlimmen Wetter aussetzte. 
Ja, was hast du denn, kleines Mädchen?« unterbrach er sich 
erstaunt, als er ihren entsetzten Blick sah. 
»Du – du bist Onkel Jobst?« fragte sie fassungslos, ihn 
dabei furchtsam anstarrend. Sie sah die hohe Gestalt, das 
harte, rassige Antlitz mit den blauen, blitzenden Augen 

darin, das blonde Haar und die nervigen Hände, mit den 
beiden schweren Ringen an der Linken – und stöhnte dann 
auf, das Gesicht dabei in das Kissen drückend. 
Götterun sah Frau Fröse an, die den Blick ebenso 
verständnislos zurückgab. 
»Verstehen Sie das -?« fragte er leise, und sie zuckte hilflos 
die Schultern. Er setzte sich zu dem rätselhaften Mädchen 
auf den Diwan und wollte dessen Gesicht behutsam 
herumdrehen, doch sie streifte seine Hände ab, richtete 
sich halb auf, ihn dabei ansehend, als müsse sie sich sein 
Bild für alle Zeit einprägen! 
»Sag, daß du nicht Onkel Jobst bist -!« verlangte sie fast 

drohend. 
»Aber, liebes Kind, ich kann mich doch nicht selbst 
verleugnen.« 
Da fiel sie wieder in die Kissen zurück, und ein hartes 
Schluchzen erschütterte den elenden Körper. 
»Wie kannst – du – mein Onkel sein -?« kam es mühsam 
hervor. »Du bist ja noch – so – jung und ich habe dich 
geküßt.« 
»Ach das ist es?« atmete er auf, faßte die Hände, die 
unruhig umhertasteten, und behielt sie in den seinen. Das 
schien sie zu beruhigen; denn das stoßende Weinen ließ 

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langsam nach. 
»Ich schäme mich doch so sehr – «, schluchzte sie zuletzt 

noch auf, das Gesicht wieder in die Kissen drückend. 
»Sölve, nun höre mich bitte einmal an – «, sprach der 
Mann behutsam. »Ich kenne dich schon seit deinem 
sechsten Lebensjahr.« 
Nun fuhr der Kopf herum. 
»Aber wenn du – oder Sie – oder Herr Baron – Ach, ich 
weiß ja gar nicht mehr, wie ich sagen soll«, seufzte sie 
verzweifelt, und er lachte. 
»Du törichtes kleines Mädchen! Natürlich bin und bleibe 
ich der Onkel Jobst für dich – wer denn sonst? Wenn du 
womöglich Herr Baron< sagst, dann muß ich dich mit 
>gnädiges Fräulein< ansprechen. Wie scheußlich. Wie alt 

bist du eigentlich?« 
»Neunzehn – « 
»Na, siehst du, dann bin ich ja dreizehn Jahre älter. Also, 
bitte, Respekt vor meinem Alter! Auf den Onkeltitel 
verzichte ich auf keinen Fall.« 
Wieder ein herzbanger zitternder Seufzer. »Wie kommt es 
eigentlich, Onkel, daß du – wo du jetzt noch so jung bist, 
vor so vielen Jahren meine Mutter – geliebt hast? Sie muß 
doch viel älter gewesen sein als du.« 
Ein Zucken ging über das harte Männerantlitz, die Zähne 
bissen sich zusammen wie im Schmerz »Sechs Jahre waren 
es, Sölve-« 

»Bleiben Sie doch bitte hier, Frau Fröse«, rief Sölve der 
Hausdame flehend nach, die taktvoll das Zimmer verlassen 
wollte. Sie wechselte mit dem Baron einen Blick, in dem 
lächelnde Zustimmung lag. So setzte sie sich still auf den 
nächsten Stuhl, und ihre Augen hingen an der 
jammervollen Gestalt, die so unruhig auf dem Diwan lag. 
Der Körper schien nur aus hautüberzogenen Knochen zu 
bestehen, das Gesicht war mager und entsetzlich bleich. 
Die glanzlosen Augen lagen tief in den Höhlen, und das 
farblose Haar war so dünn, daß überall die Kopfhaut 
hervorschimmerte. 

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»Sechs Jahre also – «, wiederholte Sölve. Ihre Augen 
blickten wie in weite Ferne, als spräche sie zu sich selbst. 

»Nun ja, meine Mutti war ja immer so jung – bis zuletzt 
noch – « 
Als müsse nun alles ganz schnell herunter vom Herzen, was 
sie so lange gepeinigt und gequält hatte, hasteten die Worte 
über die blutleeren Lippen. Sie hatte den Oberkörper halb 
erhoben, die Augen flackerten wie im Fieber, und die 
Hände, die sie aus denen des Mannes befreite, fuchtelten 
umher »Sie war so strahlend schön, meine Mutti, und so 
jung, daß man sie immer auslachte, wenn sie mich als ihre 
Tochter vorstellte. Sie war ja auch erst neunzehn Jahre alt, 
als ich geboren wurde. So alt, wie ich jetzt bin. Mein 
Stiefvater liebte sie sehr und mich auch. Wir hatten bei ihm 

ein herrliches Leben. Kein Wunsch wurde uns versagt. Aber 
er lebte ganz seinen Neigungen, und die waren so 
kostspieliger Art, daß sie mit der Zeit auch das größte 
Vermögen verschlingen mußten. Meine Mutter besaß ein 
großes Vermögen, als sie zum zweiten Male heiratete, aber 
bei dem verschwenderischen Leben, das wir alle führten, 
schmolz es langsam dahin. 
Ich habe meine schöne Mutti immer strahlend glücklich 
gesehen, bis zu meinem sechzehnten Jahre – da sah ich sie 
öfter weinen. Und immer dann, wenn mein Stiefvater 
schroff zu ihr war, was mehr und mehr vorkam. Zuweilen 
flüchtete sie mit mir an ein stilles Plätzchen und sprach 

von dir, Onkel Jobst. Von dir, deiner schönen Heimat, 
deiner verehrungsvollen Liebe zu ihr – und von dem 
Schmerz, den sie dir angetan hatte. So voller Sehnsucht 
sprach sie von dem allen, daß auch mich die Sehnsucht 
packte und ich sie bestürmte, doch zu dir zu fahren. Aber 
dann wurde sie ziemlich traurig und bekannte, daß du 
nichts mehr von ihr wissen wolltest. 
Ich will nicht sagen, daß die Ehe unglücklich war, aber es 
kam immer öfter zu Streitigkeiten zwischen ihnen. 
Vielleicht wäre sie nach und nach doch zur Tragödie 
geworden, wenn mein Stiefvater nicht plötzlich aus dem 

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Leben geschieden wäre. Herzschlag, hieß es. Allein, Mutti 
schien nicht daran zu glauben. Sie war dem allen nicht 

gewachsen und siechte langsam dahin. Zu ihrer Freude 
erlebte sie noch, daß ich mich mit Gert Oven verlobte. Er 
galt für reich, und das war wohl ausschlaggebend für Mutti. 
Einige Monate danach starb sie. Ich war sinnlos vor 
Schmerz. Und dann kam alles Schlag auf Schlag. Es war, als 
wollte das Schicksal rasch nachholen, womit es mich so 
lange verschont hatte. 
Kaum war meine Mutter beigesetzt, da mußte ich erfahren, 
daß unser Leben in den letzten zwei Jahren nur auf 
Schulden aufgebaut gewesen war. Die Gläubiger fuhren wie 
die Hyänen über mich her, und ich gab alles hin, um ihren 
Beschimpfungen endlich zu entgehen. Unser Haus in Kiel, 

unser Haus an der Ostsee, Autos, Pferde und Wagen, 
meinen Schmuck, meine Pelze, meine Kleider – alles – 
alles. Ich behielt nur so viel, um nicht unbekleidet zu sein. 
Vom Geld blieben mir rund hundert Mark. Dabei war ich 
froh, den Verpflichtungen restlos nachgekommen zu sein. 
Und bei allem stand ich ganz allein. Es fand sich von all 
unseren Freunden nicht ein Mensch, der mir zur Seite 
gestanden hätte. Mein Vormund gab zu allem, was ich 
vorschlug, seine Einwilligung. Er wollte mit der 
unangenehmen Sache möglichst wenig zu tun haben – und 
Gert Oven, der mich für reich gehalten hatte, gab mir mit 
dürren Worten den Abschied. 

Im Nachlaß meiner Mutter fand ich einen Brief mit der 
Aufschrift: >Nur in großer Not zu öffnen.< Nun, so groß 
wähnte ich meine Not noch lange nicht. Ich war ja jung, 
gesund und konnte daher arbeiten, wie Millionen Mädchen 
es müssen. Als ich jedoch damit begann, versagte ich 
überall. Ich war Gesellschafterin, Kinderfräulein, 
Haustochter und Verkäuferin. Doch überall mußte man 
mich gleich wieder entlassen, da ich meinen 
Verpflichtungen nicht nachkommen konnte. 
So ging es länger als ein Jahr, dann brach ich zusammen. 
Man brachte mich mit einem heftigen Nervenfieber ins 

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Krankenhaus, wo ich sechs Monate blieb. 
Und was nun? Da fiel mir Mutters Brief ein. War ich 

berechtigt, ihn zu öffnen? Aber welcher Mensch befand 
sich in noch größerer Not als ich? Noch immer nicht ganz 
gesund und daher arbeitsunfähig, ohne Geld, ohne Bleibe. 
Da öffnete ich den Brief, den meine Mutter kurz vor ihrem 
Tode geschrieben hatte. Sie wies mich darauf hin, daß ich 
mich an dich wenden sollte, wenn ich jemals der Hilfe 
bedürftig wäre. Aber nicht etwa wegen eines Streites mit 
dem Gatten, eines versagten Wunsches und kleinlicher 
Dinge mehr. Den an dich adressierten Brief sollte ich dir 
aushändigen. 
So schrieb ich denn an dich. Du antwortetest sofort und 
ließest mich zu dir kommen. 

Ich wußte, daß du einsam wärest, daß viel Tragik dein 
Leben umdüstert hatte. Wußte es durch Mutti, die deinen 
Lebensweg verfolgt hatte. Glaubte dich alt und verbittert – 
und wollte dich umsorgen und umhegen wie eine 
liebevolle Tochter. Und nun bist du ein junger Mann – « 
Ihre Stimme war immer leiser geworden, immer zerquälter 
und mutloser, bis sie dann ganz schwieg. Auch schien das 
Sprechen das Mädchen sehr angestrengt zu haben, denn es 
lag nun total erschöpft da. Da beugte sich der Baron voll 
Erbarmen nieder: »Sölve, kleines Mädchen, das letzte wäre 
nicht nötig gewesen«, sprach er behutsam. »Schon als alles 
über dir zusammenbrach, hättest du den Weg zu mir 

finden müssen. Hörst du mich überhaupt, Sölve?« 
Da schlug sie die Augen auf. Ihr Blick war jedoch 
abwesend, als suche er etwas in weiter Ferne. – »Ja, Onkel 
Jobst. Ich dürfte ja nicht bei dir bleiben – weil du mich – 
nicht - brauchst. Aber wohin soll ich? Ich – habe ja keine 
Heimat mehr.« 
Ihr Kopf sank zur Seite. Sie war wieder ohnmächtig 
geworden. 
 
Mach dir das Leben nicht so schwer
 
mit Sorg und Plagen und eingebildetem Leid. 

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Wenn du gebüßt hast, wirst du klagen 
um fernes Glück und seine Blütenzeit. 

 
Fünf Kilometer von Uhlen entfernt lag das stattliche Gut 
Kaimucken, das dem Herrn Julius von Ragnitz gehörte. 
Wenn es auch nicht so groß und feudal war wie das 
herrliche Uhlen, so konnte sein Besitzer wohl damit 
zufrieden sein. 
Er hätte es auch von Herzen gern sein mögen, wenn nur 
nicht die argen Sorgen gewesen wären; denn es gab weit 
und breit wohl keinen so genügsamen und gemütlichen 

Menschen wie den Herrn Julius. Wenn er auch noch so auf 
Posten war, so kam er seit Jahren schon nicht mehr auf 
einen grünen Zweig, denn die Einnahmen wollten sich mit 
den Ausgaben kaum noch decken. 
Zumal seine sieben Kinder, je größer sie wurden, auch 
größere Kosten verursachten. 
Auch seine Frau Franziska regierte so gut in Küche und 
Keller wie kaum eine andere Hausfrau, und ihre Töchter 
mußten ihr dabei tüchtig zur Hand gehen. Doch während 
die achtzehnjährige Walburga dem gern nachkam, weil ihr 
das Wirtschaften von der Mutter her im Blut lag, fügte sich 
die siebzehnjährige Ricarda immer nur höchst widerwillig. 

Es gab auch keinen größeren Gegensatz, als die beiden 
Schwestern. Während Walburga die Walkürengestalt ihrer 
Mutter geerbt hatte und ihr resolutes Wesen dazu war 
Ricarda brünett und zierlich, weichmütig und verträumt. 
Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann hätte sie möglichen 
Künste getrieben: Musik, Tanz, Malerei – nur die Kunst des 
Wirtschaftens nicht. 
Ehe sie sich in Haus und Garten betätigte, lag sie lieber an 
einem verschwiegenen Plätzchen in der Hängematte lesend 
oder vor sich hinträumend. Oder sie tummelte sich in 
Wald und Feld, war einem frisch-fröhlichen Ritt nie 
abgeneigt. Sie bedeutete ein Sorgenkind für die Mutter. 

Nach Ricarda kamen die sechzehnjährigen Zwillinge 
Monika und Veronika. Zwei ewig kichernde Backfische, mit 

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molligen Gestalten, Gesichtlein wie Apfelblüten und 
langen blonden Hängezöpfen. Sie waren sehr phlegmatisch 

und huldigten dem Sprichwort: Wer Arbeit kennt und sich 
nicht drückt, der… 
Aber dafür fanden sie bei der resoluten Frau Mama absolut 
kein Verständnis. Sie fackelte nicht viel, sondern teilte den 
schmollenden oder gar laut protestierenden Faultierchen 
seelenruhig ihre Arbeit zu. 
Roderich hieß der Nächstgeborene. Er war dreizehn Jahre 
alt, der einzige Sohn und Stolz der Familie. Nach den vier 
Töchtern mit Ungeduld herbeigesehnt und mit Jubel 
begrüßt, machte er vom ersten Atemzuge an seine 
Daseinsberechtigung kräftig geltend, was man allgemein als 
selbstverständlich fand. 

So wuchs dieses Bürschchen heran, von sich und seiner 
Bedeutung sehr durchdrungen. Und als er später noch als 
Ahnerbe Uhlens galt, da sah man in diesem eingebildeten 
kleinen Bengel fast einen Gott. 
Dann waren da noch zwei Mädchen: Die siebenjährige 
Elwira, ein rassiges kleines Teufelchen, und das 
Nesthäkchen Hildegund, das lieb und artig war, solange 
man ihm den Willen tat. 
Julius von Ragnitz, ein kugelrundes Männchen mit einem 
gutmütigen Gesicht und Glatze, besaß also eine große 
Familie. Denn noch sahen seine verschmitzten Äuglein 
vergnügt in die Welt, und seine kräftige rote Nase zeugte 

davon, daß er einem guten Tropfen huldigte. 
Er sagte selbst, daß in seinem Hause seine wackere 
Ehehälfte die Hosen anhätte, und er machte nie den 
Versuch, ihr dieselben auszuziehen. Er ließ sie schalten und 
walten, zumal er wußte, daß alles bei ihr in den besten 
Händen lag. Nur in seinen Angelegenheiten ließ er sich von 
ihr nicht dreinreden. Dann konnte der wild werden. Und 
da Frau Franziska das aus Erfahrung wußte, ließ sie es 
bleiben. 
Heute saß die ganze Familie beim einfachen Mittagsmahl. 
Das Gespräch drehte sich ausschließlich um den Roggen, 

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der auch hier noch kurz vor dem gestrigen Gewitter unter 
Dach und Fach gebracht werden konnte. 

Die kräftige Gemüsesuppe mit Hammelfleisch war fast 
verzehrt, als die Hausfrau lebhaft auffuhr. 
»Ach ja, fast hätte ich es vergessen, der Arzt soll heute in 
Uhlen gewesen sein.« 
»Na und -?« fragte der Hausherr, gleichmütig seine Suppe 
löffelnd. »Ist das etwas Besonderes?« 
»Natürlich. Jobst war doch gestern früh noch gesund.« 
»Uhlen besteht ja nicht aus Jobst allein!« 
»Das nicht. Aber ich bin unruhig und muß unbedingt 
einmal nachsehen-« 
Er sah sie an, kniff dabei ein Auge zu, was sie vor Ärger rot 
anlaufen ließ. 

»Ich meine, daß man sich um Jobst kümmern muß. Wir 
sind seine einzigen Verwandten und sogar verpflichtet 
dazu«, trumpfte sie auf. 
»Natürlich, Fränze – « 
»Ach, mit dir ist ja nicht zu reden. Du hast gleich 
Hintergedanken, von Neugierde und so.« 
Nun lachte er sein dröhnendes, fideles Lachen: »Kinder, 
habe ich schon etwas von Neugierde gesagt?« 
»Nein -!« klang es lachend zurück. 
»Ihr haltet den Mund -!« 
schnitt die Mutter weitere Erläuterungen ab. »Moni und 
Vroni, ihr pflückt Bohnen – « 

»Können wir nicht, Mama – «, protestierten die Zwillinge 
wie aus einem Munde. »Wir haben zu lernen. Nicht wahr, 
Fräulein Gluck?« 
Das galt der Erzieherin der Töchter, hinter ihrem Rücken 
von ihnen schlechtweg »Kluckchen« genannt. Und 
tatsächlich zeigte das liebe ältliche Fräulein auch etwas 
Gluckenhaftes in seiner mütterlichen Betulichkeit. Es lebte 
schon seit zwölf Jahren im Hause. 
Jetzt sah sie mit ihren verschmitzten Äuglein gemütlich zu 
den Zwillingen hin, während sich ihr glattes, wie 
gewichstes Vollmondgesicht zu breitem Lachen verzog. 

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»Das ist nicht viel, was ihr aufhabt, Herzchen, das könnt 
ihr nach dem Bohnenpflücken noch spielend bewältigen.« 

»Ach, Fräulein Gluck, wie Sie manchmal sind – «, 
schmollte Monika. »Wenn wir uns mit den Schularbeiten 
überhasten, dann sind Sie morgen ungehalten.« 
»Und mit Recht, Kindchen«, war die seelenruhige 
Erwiderung. 
»Also, ihr wißt Bescheid,« schnitt die Mutter jeden weiteren 
Kommentar ab. »Und du, Ricarda, wirst die Bohnen 
schnippeln.« 
»Das gibt doch so schmutzige Hände, Mama – « 
»Na, ist so was erhört -!« entrüstete sich diese. 
»Bist du etwa eine Prinzessin, die Audienz geben muß? Ich 
kann ja auch nicht danach fragen, ob ich meine Hände 

beschmutze. Was sagst du bloß dazu, Julius?« 
»Ach laß sie doch, Fränze – « 
»Na, ich sage ja, immer wieder nimmst du diesen Kolibri in 
Schutz. Es ist schon ein rechtes Kreuz mit euch beiden. 
Und du, Ira«, wandte sie sich an ihre zweitjüngste Tochter, 
»du kletterst nicht wieder auf die Bäume wie ein kleiner 
Affe. Du wirst mit deinen Wuschelhaaren noch einmal 
daran hängenbleiben. Warum hast du dein Haar wieder 
nicht in Zöpfe geflochten?« 
»Ach, Mama, die geh’n immer wieder auf.« 
»Wenn du auch ständig herumwirbelst wie eine Wilde. 
Julius, befiehl ihr, daß sie fortan Zöpfe zu tragen hat -!« 

»Laß ihr doch die Haare, wie sie sind«, beschwichtigte er, 
und sein Blick suchte zärtlich die schwarzbraunen 
prächtigen Locken seines Kindes, die das süße Gesicht 
umflirrten und über die Schultern in entzückender 
Natürlichkeit fielen. Diese Pracht in Zöpfe zu zwängen, 
wäre direkt ein Verbrechen an der Natur gewesen, die dem 
Kinde die Schönheit gegeben. 
»Hätte ich mir denken können – «, seufzte die bekümmerte 
Ehehälfte. »Aber warte nur, deine ewige Nachsicht wird dir 
noch einmal leid tun. Der Fratz geht dir einmal als 
Zirkusreiterin auf und davon -!« 

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»Herrlich -!« jubelte der kleine Unband, doch der 
strengverweisende Blick der Mutter ließ ihn schweigen. 

»Dir, mein Kind, brauche ich, Gott sei Dank, nicht zu 
sagen, was du zu tun hast.« 
Das galt der Ältesten, die wie das verkörperte blühende 
Leben dasaß. Mit Stolz ruhten die Augen der Mutter auf 
dieser Tochter, die so ganz nach ihrem Herzen war. 
»Gewiß nicht, Muttchen. Ich werde nachmittag Bohnen 
einwecken. Die Mädchen müssen den Zwillingen beim 
Pflücken helfen und später Ricarda beim Schnippeln.« 
»Recht so, mein Kind, auf dich ist doch noch Verlaß. An dir 
wird dein zukünftiger Mann seine helle Freude haben, 
während die von Ricarda und Ira noch ihr blaues Wunder 
erleben werden. An den Bettelstab werden diese Firlefänze 

sie bringen. Möchte bloß wissen, woher ich diese Töchter 
habe.« 
Nun wanderte ihr Blick zum Sohn des Hauses hin. »Hast 
du schon deine Schulaufgaben gemacht, mein Junge?« 
»Natürlich, Mama! Längst alles erledigt – « 
»Dann kannst du mich nach Uhlen fahren.« 
»Ich will auch mit -!« meldete sich nun das Nesthäkchen, 
das daran gewöhnt war, seinen Willen durchzusetzen. 
Doch heute stieß es bei der Mutter auf Widerstand. 
»Nein, Gundel, du bleibst hier.« 
Es war um die Kaffeestunde, als Frau Fränze in den schon 
ein wenig altersschwachen Wagen stieg, vor den ein 

ebensolcher Brauner gespannt war. Luxuspferde gab es auf 
Kalmücken nicht. 
Roderich kutschierte und kam sich dabei sehr wichtig vor. 
Er sprach mit seiner Mutter wie ein erfahrener Landwirt, 
was ihr Herz vor Stolz hochaufschwellen ließ. 
 
Steh nicht zu fest auf hoher Warte,
 
denk nicht allein nur gut, 
was je durch dich geschah. 
Setz alles nicht auf eine Kaffe, 
sonst stehst du bald mit 

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leeren Händen da. 

 
Der Diener Michael führte Frau von Ragnitz auf die 
Terrasse, wo Frau Fröse saß und strickte. 
»Frau von Ragnitz und Sohn Roderich«, meldete er 
feierlich, worauf sich Frau Fröse erhob, um die Gäste zu 
begrüßen. 

»Ist mein Schwager nicht hier?« fragte Frau Fränze 
enttäuscht. 
»Nein, gnädige Frau. Der Herr Baron ist wie stets um diese 
Zeit, auf dem Felde.« 
»Sonst gewiß«, entgegnete sie mißmutig, während sie sich 
in einen der bequemen Korbsessel fallen ließ. »Aber ist er 
nicht krank?« 
»Der Herr Baron? Nein – «, kam es verwundert zurück. 
»Und weshalb war denn der Arzt heute vormittag hier?« 
Ein Lächeln huschte blitzartig über das feine Antlitz der 
Hausdame. 
»Der Arzt kam zu unserem Gast, gnädige Frau – « 

Diese richtete sich kerzengerade in ihrem Sessel auf, als 
rüste sie sich zum Kampf. 
»Einen Gast? Davon weiß ich ja noch gar nichts«, bemerkte 
sie höchst ungnädig, als müßte sie von allem, was hier 
passierte, sofort in Kenntnis gesetzt werden. »Seit wann ist 
denn der Herr hier?« 
»Es ist eine Dame, gnädige Frau.« 
»Auch das noch! Und die kommt einfach hierher, legt sich 
ins Bett, der Gastgeber muß den Arzt holen und 
wahrscheinlich noch bezahlen. Das muß ja eine 
merkwürdige Dame sein. Wo liegt sie?« 

»Im grünen Fremdenzimmer. Aber sie darf nicht gestört 
werden.« 
»Machen Sie doch nicht so ein Theater, so schlimm wird es 
bestimmt nicht sein«, winkte die resolute Dame ab, indem 
sie nach dem bezeichneten Zimmer schritt, ohne sich von 
Frau Fröse abhalten zu lassen. 
Als sie jedoch vor dem Bett stand, in dem Sölve schlief, sah 

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sie doch betroffen drein. 
»Mein Gott, lebt die überhaupt noch?« flüsterte sie entsetzt. 

»Die sieht ja erbärmlich aus.« 
Fast fluchtartig verließ sie das Zimmer. Auf der Treppe kam 
ihnen Götterun entgegen. 
»Na, da hast du dir ja was Gutes auf den Hals geladen -!« 
platzte Frau Fränze heraus, bevor sie den Schwager begrüßt 
hatte. »Der kannst du bestimmt heute noch die Augen 
zudrücken. Wo hast du die bloß aufgegabelt?« 
»Zuerst komm einmal von hier fort, denn es ist nicht nötig, 
daß das arme Ding deine taktlosen Bemerkungen hört«, 
sagte er unwillig. »Wie kommst du überhaupt in das 
Zimmer, Fränze? Der Arzt hat doch Weisung gegeben, daß 
es außer Frau Fröse und mir niemand betreten darf.« 

»Wie konnte ich ahnen, daß du da oben eine Halbtote 
beherbergst«, entschuldigte sie sich, während sie mit den 
anderen der Terrasse wieder zuschritt, wo schon der 
Kaffeetisch gedeckt war. 
»Sag bloß, Jobst, wer ist dieser arme Wurm?« 
»Eine Bekannte von mir – «, entgegnete er kurz. 
Frau Fröse füllte aus der Maschine den Kaffee in die 
hauchdünnen Schalen, tat dem Hausherrn Sahne und 
Zucker in die seine, strich ihm ein Brot mit der köstlichen, 
frischen, goldgelben Butter und träufelte Honig darauf. 
Frau Fränze sah das alles mit stillem Grimm. Sah das 
kostbare Porzellan, die silberne Kaffeemaschine, Brot und 

Butter, Honig und Marmelade, alles gefällig und appetitlich 
angerichtet. In Kaimucken konnte man sich das alles nicht 
leisten. 
»Haben Sie denn keinen Kuchen?« erkundigte sie sich 
ungnädig. 
»Nur von dem, der Ihnen letztens nicht schmeckte.« 
»Na, vielleicht ist er diesmal besser geraten. Probieren 
könnte man ihn schon.« 
Daraufhin brachte Michael einen Teller mit Kuchen, den 
Frau Fränze mit der Miene einer Kennerin versuchte. 
»Hm, es geht. Er könnte aber besser sein.« 

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»Vielleicht hörst du mit deinen Taktlosigkeiten bald auf, 
Fränze«, drohte die scharfe Stimme des Schloßherrn, und 

die tiefe Falte zwischen den Augen mahnte selbst diese Frau 
zur Vorsicht, die sich in diesem Hause Rechte anmaßte, die 
weit über jede Höflichkeit gingen. 
Roderich verdrückte Stücke davon, als müßte er den 
reichbelegten Kuchenteller unbedingt leer kriegen. Und da 
seine Mutter nun schwieg, ergriff er das Wort. Er sprach 
langsam und bedächtig, schien immer erst jedes Wort zu 
überlegen, das er dann wohlgefällig hervorbrachte. Man 
glaubte bei seinen Ansichten und Beurteilungen einen 
erfahrenen Menschen vor sich zu haben, keinen 
dreizehnjährigen Knaben. Sein Wissen betreffs der 
Landwirtschaft setzte wirklich in Erstaunen, und in der 

Schule ging er stets als Primus durch die Klassen. 
Also war Roderich der reinste Wunderknabe, und seine 
Mutter wußte sich vor Stolz über diesen Sohn kaum noch 
zu lassen. Stundenlang konnte sie über ihn reden und 
Zukunftspläne schmieden. 
Sie ging in ihrer Verblendung sogar soweit, überall eine 
Ausnahmestellung für ihn zu verlangen. Hauptsächlich in 
Uhlen, wo er später der Herr sein würde. 
Und das verlangte Roderich auch. Er fühlte sich hier schon 
ganz als Herr. Die Hausdame behandelte er mit 
Herablassung, was diese jedoch nicht tragisch nahm und 
nicht davon abhielt, diesen selbstherrlichen jungen Mann 

genau so zu nehmen, wie es seinem Alter entsprach. 
Schließlich fiel Frau Fränze wieder Uhlens Gast ein. 
»Wer ist denn das eigentlich da oben?« zeigte sie mit dem 
Finger zur Decke, wobei ihr die Neugierde förmlich aus 
den Augen sprang. 
»Eine Bekannte«, war seine knappe Antwort. 
»Hast du sie eingeladen?« 
»Natürlich – « 
»Und dann wird sie hier gleich krank? Da mußt du doch 
zusehen, daß du sie auf gute Art bald wieder los wirst.« 
»Im Gegenteil, liebe Fränze. Ich gedenke, die junge Dame 

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recht lange in Uhlen zu behalten.« 
»Als was?« 

»Vorläufig als Gast.« 
Nun sah die Gute ihren Schwager an, als zweifele sie an 
seinem Verstand. Man konnte nicht gerade sagen, daß sie 
herzlos war, sie verfügte sogar über eine gewisse 
Gutmütigkeit. Aber daß man sich so etwas wie dieses 
Mädchen freiwillig auf den Hals lädt, das war ihr 
unbegreiflich. 
Als dann Roderich erschien, rüstete sie zum Aufbruch. 
»Ich bleibe hier, Mama – «, entschied das Söhnchen kurz 
und bündig, und die resolute Fränze wagte nicht zu 
widersprechen. 
»Wie kommst du dann aber nach Hause, mein Junge?« gab 

sie besorgt zu bedenken, worauf er nachlässig abwinkte. 
»Ich bleibe hier und fahre morgen früh von hier aus zur 
Schule.« 
Ratlos sah Fränze zu dem Schloßherrn hin, in dessen 
Augen es amüsiert aufblitzte. 
»Bist du damit einverstanden, Jobst?« 
»Was habe ich da zu sagen – «, entgegnete er in einer Art, 
die Frau Fränze immer auf die Nerven ging. »Roderich ist 
doch mein Gast. Da wäre es ja ungastlich, wenn ich 
Widerreden sollte.« 
Nun war die Frau Mama hilflos wie ein kleines Kind. 
»Rodichen, so komm doch mit – «, verlegte sie sich aufs 

Bitten. Doch der kleine Despot ließ sie gar nicht ausreden. 
»Gib dir keine Mühe, Mama. Ich bleibe hier. Was ich mir 
vorgenommen habe, führe ich auch durch.« 
»Richtig – «, warf Götterun mit einem Lächeln ein, das Frau 
Fränze über alle Maßen niederträchtig fand. 
»Du könntest lieber auf den Jungen einwirken, daß er nicht 
so halsstarrig ist – «, verlangte sie ärgerlich. »Aber es sieht 
fast so aus, als wolltest du seinen Dickkopf noch bestärken 
und so meine Autorität untergraben.« 
»Aber, liebe Fränze – wie könnte das wohl möglich sein.« 
»Ach, mit dir ist ja nicht zu reden. Du kannst weiter nichts 

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als ironisieren – und das aus dem Effeff. Roderich, kommst 
du mit -?« 

»Mama, ich bleibe hier! Mir ist nämlich in der Wirtschaft 
manches aufgefallen, worauf ich Onkel Jobst aufmerksam 
machen muß.« 
»So, so – «, amüsierte sich der Baron köstlich. »Aber meinst 
du nicht auch, daß ich auch ohne deine gütige Hilfe hinter 
diese Unstimmigkeiten kommen werde?« 
»Das glaube ich nicht, weil du dir von dem Oberinspektor 
zu viel vormachen läßt.« 
»Oha, mein Söhnchen, geht da deine Einmischung nicht 
etwas zu weit? Und nun genug gescherzt. Fahre nur ruhig 
mit deiner Mutter nach Hause. Uhlen wird deshalb nicht 
koppheister gehen.« 

Wenn der Onkel Jobst mit dieser kalten Ruhe sprach, 
wobei es in seinen Augen so eigentümlich aufblitzte, dann 
war es wohl am besten, sich seinen Wünschen zu fügen. 
Maulend zwar, doch ohne Widerspruch, ging er mit der 
Mutter. 
Götterun gab ihnen bis zum Portal das Geleit und ging 
dann seiner Beschäftigung nach, während sich Frau Fröse 
zu ihrem Pflegling begab. 
 
Seid nicht so gut zu mir,
 
ich kann es euch nicht lohnen, 
was ihr an Lieb und Güte mir beschert. 
Ich möchte hin, wo Ruh und Frieden wohnen, 
wo Himmelslicht das Leid in Freude klärt. 

 
Da sich Frau Fröse nicht ausschließlich mit Sölve 
beschäftigen konnte, diese aber noch viel Aufsicht 
brauchte, hatte man eine Frau aus dem Dorfe kommen 
lassen, die viel von der Krankenpflege verstand und von 
den Bewohnern der Umgebung gern dazu genommen 
wurde. 
Ohne viel zu fragen, hatte diese ihren Pflegling unter ihre 
Obhut genommen, und da das »Hascherchen« sie dauerte, 

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es sogleich in ihr Herz geschlossen. 
Viel Arbeit gab es nicht bei der Rekonvaleszentin. Sie war 

geduldig und gehorsam. Nur wenn man sie mit dem Essen 
quälte, dann begehrte sie manchmal auf, was ihr jedoch 
nicht viel half. In diesem Kampf trug die Pflegerin Minchen 
stets den Sieg davon. 
Eben betrat Frau Fröse mit einem Teller voll köstlicher 
Pfirsiche das Zimmer. Sie setzte sich auf den Diwan, auf 
dem das Mädchen angekleidet lag. 
»Einen Gruß vom Herrn Baron, Sölvelein. Er hat die 
Pfirsiche eigenhändig gepflückt und wünscht guten Appetit. 
Also müssen Sie essen.« 
»Wird sie schon«, nickte Minchen zuversichtlich, indem sie 
eifrig an einem Strumpf strickte. Klein und verhutzelt saß 

das Fräulein da, in dem doch so viel Energie steckt. 
Es klopfte, und der Baron erschien. Minchen erhob sich 
und versank in einen regelrechten Courknicks, wobei der 
Herr lächelnd abwinkte. »Behalten Sie doch Platz, 
Minchen. Wie oft soll ich Ihnen das noch sagen?« 
Eilfertig schob sie einen Sessel an den Diwan, in den sich 
Götterun setzte. Dann erst kehrte sie zu ihrem Strumpf 
zurück. 
Der Mann ergriff behutsam die durchsichtig zarte Hand 
Sölves, die er jedoch gleich wieder losließ, weil sie in der 
seinen flatterte und bebte. Es war kein Zweifel, das 
Mädchen hatte eine unüberwindliche Scheu vor ihm. 

Während sie allen anderen ruhig und klar in die Augen sah, 
wich sie seinen beharrlich aus. Es hatte überhaupt den 
Anschein, als wäre ihr seine Gegenwart quälend, so daß er 
seine Besuche aufs äußerste einschränkte. 
Natürlich war ihm ihr Verhalten unverständlich, aber um 
sie deshalb zur Rede zu stellen, dazu war sie viel zu elend 
und matt. 
Sölve schloß wie in tödlicher Erschöpfung die Augen, und 
über ihr elendes Antlitz huschte ein Ausdruck von Qual, 
der die andern betroffen machte. 
Bekümmert ruhte Frau Fröses Blick auf ihrem Pflegling, 

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und wie schon so oft dachte sie auch jetzt, daß dieses 
Mädchen wohl nie mehr gesund werden würde. 

Vier Wochen hindurch wurde ihm schon die sorgsamste 
Pflege zuteil, allein, es schien immer schlechter zu werden 
statt besser. Wahrscheinlich fraß an dem armen Seelchen 
ein unstillbares Leid, das es langsam zugrunde richtete. 
Wieder klopfte es, und diesmal schob sich die kleine Elwira 
von Ragnitz vorsichtig ins Zimmer. An ihre Brust gedrückt 
hielt sie ein Körbchen von leuchtendbuntem Bast. 
»Nun, Rosenrot, komm nur näher«, ermunterte der Baron 
das Mädchen, das ängstlich an der Tür stehen blieb. »Was 
trägst du denn da so zärtlich?« 
»Darf ich näherkommen, schläft Fräulein Sölve nicht?« 
»Nein, ich schlafe nicht«, ermunterte nun auch diese, 

worauf die Kleine zu ihr trat und behutsam den Deckel des 
Körbchens lüftete. Darin lag auf einem flauschigen 
Deckchen ein schneeweißes Angorakätzlein friedlich 
schlafend. Eine hellblaue Seidenschleife schmückte den 
Hals des winzigen Tierchens. 
»Nicht wahr, Fräulein Sölve, ich darf es Ihnen doch 
schenken?« bettelten die wunderschönen Kinderaugen mit 
dem roten Mündlein um die Wette, und Sölve hätte ein 
Herz von Stein haben müssen, wenn sie dieses mit so viel 
Liebe dargebrachte Geschenk zurückweisen wollte. 
»Natürlich, Iralein, wie lieb von dir. Wie heißt es denn?« 
»Schneeweißchen!« 

»Ah, wohl als Gegenstück zu dir, du Schmeichelkätzchen 
Rosenrot«, lachte Götterun erheitert, worauf ihn die Kleine 
vorwurfsvoll ansah. 
»Deswegen doch nicht, Onkel Jobst. Doch bloß, weil es so 
schneeweiß ist. Es ist sogar ein Kater.« 
Über diesen Trumpf mußten alle lachen, was die Kleine 
außerordentlich entzückte. Nun erst wußte sie, daß ihr 
Geschenk angebracht war, das Sölve nun aus dem 
Körbchen nahm und zärtlich liebkoste. 
»Es ist von meiner Muschi«, plauderte sie zutraulich. »Ganz 
heimlich habe ich es hergebracht.« 

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»Da bin ich nur neugierig, wie sich unsere Hunde, 
hauptsächlich der schwarze Tintenwischer und der freche 

Dackel Fink, zu diesem Zuwachs stellen werden«, gab der 
Baron amüsiert zu bedenken. »Sie werden ihn 
wahrscheinlich als Eindringling betrachten und danach 
behandeln.« 
»O nein«, widersprach Elwira eifrig. »Unsere Hunde 
benahmen sich direkt ritterlich zu dem Kätzlein.« 
»Dann bin ich überzeugt, daß sich unsere Hunderitter nicht 
beschämen lassen werden«, lachte er herzlich mit den 
andern. »Aber nun eine Gewissensfrage, Klein Rosenrot: 
Auf welchem Wege bist du hierher gekommen?« 
Nun überzog sich das Gesichtlein mit heißer Glut. Ein 
Füßchen trat das andere in ratloser Verlegenheit. 

»Zu Fuß, Onkel Jobst!« 
»Heimlich?« 
Ein beschämtes Nicken. 
Entzückt ruhten die Augen aller auf dem reizenden Kinde, 
auf das jede Mutter stolz sein mußte, wenn sie nicht die 
Verbohrtheit Frau Fränzes besaß, die gerade ihre beiden 
schönsten Kinder für entartet hielt, weil sie ihr 
wesensfremd waren. 
»Nun, da muß der gute Onkel Jobst denn doch wieder 
einmal helfen, wie?« fragte er lächelnd. »Ich muß sowieso 
über Kaimucken reiten, da werde ich so ein wenig Prinz 
spielen und das Prinzeßlein Rosenrot auf mein Roß 

nehmen.« 
»O du lieber guter Onkel Jobst!« 
Er wurde stürmisch umhalst und geküßt, bis er sie lachend 
von sich schob. 
»Höre einmal, du kleiner Unband, an deiner Stelle würde 
ich die heimlichen Streifzüge doch lieber unterlassen. 
Wenn die Mama nun dahinterkommt, dann möchte ich 
nicht in deinem rosigen Fellchen stecken.« 
»Ach, Onkel Jobst, artig bin ich ja sowieso nicht – « 
»Schöne Selbsterkenntnis. Aber nun komm, damit der 
Schleichpfad nicht doch noch entdeckt wird.« 

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»Einen Augenblick noch, Herr Baron«, meldete sich nun 
Minchen, die über die Brille hinweg die kleine Elwira 

kritisch musterte. Die wußte genau, was das zu bedeuten 
hatte und schlich beschämt zu ihr hin, die ihren Strumpf 
weglegte, wortlos dem Kinde das rosenrote Röcklein auszog 
und hurtig die Risse darin zu stopfen begann. Das tat sie 
nicht zum ersten Male. Kaum einer kannte die Verhältnisse 
in Kalmücken so gut wie Minchen und wußte daher, daß 
sie mit diesem Liebesdienst der Kleinen die Prügel von der 
Mutterhand ersparte. 
Ira kauerte sich nun vor den Diwan und sah mit ihren 
strahlenden Augen unentwegt zu Sölve hin. Alle aus 
Kaimucken waren schon gekommen, um sich den Zuwachs 
in Uhlen anzuschauen. Herr Julius hatte nur wenige 

Minuten bei Sölve verbracht und draußen, bekümmert 
über so viel Erbarmungswürdigkeit, den Kopf geschüttelt. 
Walburga brachte eingekochte Früchte mit, fest davon 
überzeugt, daß nur die von ihr behandelten essenswert 
wären. Sie hatte mit Sölve wie mit einer Todkranken 
gesprochen, der man noch am selben Tage die Augen 
zudrücken würde. 
»So, komm her, nun ist das Röcklein wieder ganz«, meinte 
Minchen befriedigt, in dem sie dem Kinde das Kleid 
überzog. »Nun werde ich dich noch kämmen.« 
Tiefste Besorgnis in den Augen, verließen Frau Fröse und 
Götterun, der das Kind an der Hand führte, leise das 

Zimmer. 
 
Du willst von hinnen ziehen
 
und läßt mich hier allein? 
Dann geh ich auch – denn ohne dich 
mag ich hier nimmer sein. 
 
An einem regennassen Oktobertag saß Sölve in Frau Fröses 
Gesellschaft in dem Teezimmerchen im Schaukelstuhl. 

Dem brennenden Kamin entströmte mollige Wärme. Es 
war so recht behaglich. 

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Frau Fröse, die lesend am Kamin saß, sah immer wieder 
verstohlen zu Sölve hin, die, wortkarg wie gewöhnlich, hin 

und herschaukelte. Den Kopf hatte sie zurückgelegt, die 
Augen geschlossen. Die Hände, die die Seitenlehnen des 
Stuhles umklammert hielten, zuckten nervös. 
Die Dame konnte nur schwer einen Seufzer unterdrücken. 
Was gab sie sich mit diesem Mädchen für Mühe – aber alles 
war umsonst. Da mußte man mutlos werden. 
Ihre unerquicklichen Gedanken wurden durch den Eintritt 
des Schloßherrn unterbrochen. Forschend ging sein Blick 
zu Sölve hin, die wohl die Augen öffnete, in ihrer Stellung 
jedoch verharrte. Er sprach sie nicht an, sondern ließ sich 
Frau Fröse gegenüber in einen Sessel sinken und zündete 
eine Zigarette an. 

Er war gelassen wie immer. Doch die Hausdame, die diesen 
Mann ja so genau kannte, merkte, daß ihn etwas stark 
bewegte. 
Dann drückte er den Rest seiner Zigarette in die 
Aschenschale, strich sich einige Male ruckartig über Augen 
und Stirn und lächelte. 
»Ja, Frau Fröse, Sie haben recht, wenn Sie annehmen, daß 
ich etwas auf dem Herzen habe. Aber Sie brauchen deshalb 
nicht so angstvolle Augen zu machen, der Grund ist 
erfreulicher Art. Ich habe nämlich geerbt.« 
»Aber das ist ja wunderbar!« rief sie erfreut. »Ist es viel?« 
»Ich glaube doch. Die Farm mit allem Drum und Dran 

meines Onkels in Afrika, der vor einigen Wochen gestorben 
ist, und der mich zum Universalerben eingesetzt hat.« 
»Dann werden Sie am Ende auswandern, Herr Baron?« 
»Kein Gedanke, meine Getreue. Ich habe ja Uhlen, an dem 
ich mit ganzem Herzen hänge. Aber das Geld, das diese 
Erbschaft einbringen wird, kann ich gut gebrauchen. Ich 
werde die Farm verkaufen. Wie mir der 
Testamentsvollstrecker mitteilt, hat er bereits einen Käufer 
an der Hand. 
Aber dazu muß ich dorthin. Und da die Ernte so gut wie 
geborgen ist, bin ich abkömmlich und werde die Sache 

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nicht auf die lange Bank schieben. Mit dem nächsten Schiff 
reise ich.« 

Nach diesen Worten war es zuerst eine Weile beklemmend 
still. Dann fragte die Hausdame leise: 
»Ist diese Reise nicht gefährlich, Herr Baron?« 
»Ja, ganz einfach wird sie nicht sein, da ich ja ganz fremd 
dorthin komme. Aber da mein Onkel jahrzehntelang dort 
gelebt hat und eines natürlichen Todes gestorben ist, werde 
ich auch nicht umkommen. Der Onkel war nämlich das 
berühmte schwarze Schaf der Familie, das nach dem 
Ausland abgeschoben wurde. Mein Vater hat ihm als 
einziger der Sippe die Treue gehalten, ist auch stets mit ihm 
in Verbindung geblieben. Ich ernte nun die Früchte dieser 
Treue. 

Und was sagt unsere Sölve dazu?« wandte er sich an das 
Mädchen, die das Schaukeln eingestellt hatte und nun 
regungslos im Stuhl lag. 
Ein Erschrecken ging über Götteruns Gesicht. Hastig erhob 
er sich und trat an den Schaukelstuhl. 
»Sölve, dir ist doch bestimmt nicht gut – « 
»Ganz wohl ist mir. So wohl, daß ich mir eine Stellung 
suchen werde.« 
»Rede doch nicht so einen blühenden Unsinn, mein 
kleines Mädchen. Um das zu können, mußt du aus ganz 
anderen Augen schauen.« 
»Ich will euch aber nicht länger zur Last fallen!« begehrte 

sie auf. »Ich bin doch nur ein Eindringling hier – ein – ein 
– « 
Laut aufweinend, warf sie sich in den Schaukelstuhl zurück, 
der ob dieser Erschütterung auf und nieder wippte. Ein 
stoßendes Schluchzen durchschüttelte den elenden Körper, 
das Antlitz zuckte und bebte. 
»Kind, in welchen Gedanken hast du dich da verfangen«, 
entgegnete er kopfschüttelnd und fing die ruhelosen Hände 
ein, die sie ihm wieder entziehen wollte, was ihr diesmal 
jedoch nicht gelang. 
»Nun mal ruhig, Sölve, hörst du -?« verlangte er in einem 

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Ton, mit dem er sonst nicht zu ihr zu sprechen pflegte. »Du 
hast absolut keinen Grund, dich so unerhört zu erregen. 

Warum willst du fort? Hast du über irgend etwas Klage zu 
führen?« 
»Um Gottes willen!« wehrte sie erschrocken. »Mir geht es 
so gut, wie es mir wohl nie gehen wird – wenn ich hier fort 
bin – « 
»Und warum willst du das? 
Es ist doch ausgemacht, daß du in Uhlen eine Heimat 
finden sollst.« 
»Ja – aber – « 
»Was aber? Nun sei mal ehrlich, Sölve, und sage endlich 
was dich quält.« 
»Ich bin hier so unnütz, lebe keinem zuliebe, nur allen zur 

Last. Denke nur daran, was Frau Fröse schon allein mit mir 
Plage hat. Ach, Onkel Jobst – ich möchte sterben!« 
»Natürlich, das ist immer der Weisheit letzter Schluß. 
Trägst du denn ein so großes unstillbares Leid, das diesen 
Lebensüberdruß rechtfertigen könnte?« 
»Ich bin krank – « 
»Dann werde gesund! Das ist nämlich allein in deine Hand 
gegeben. 
Und nun Schluß mit dem Unsinn! Ich sage dir noch 
einmal, daß Uhlen deine Heimat ist und du bleiben 
kannst, so lange du magst.« 
»Dann wirst du mich nie mehr los, Onkel Jobst.« 

»Na also, das ist doch ein vernünftiges Wort. Nun mache 
mir auch Freude und werde rasch gesund. Dann wirst du 
alles mit anderen Augen ansehen. 
So – nun werde ich alle Hebel in Bewegung setzen, damit 
ich auf die Reise gehen kann. Je früher ich wegkomme, 
desto früher bin ich wieder hier.« 
 
Gütiges Herz, was quälst du dich,
 
Wann läßt eine Mutter ihr Kind im Stich? 
Kannst du mich missen? 
Ich dich nicht! 

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Gütiges Herze, besinne dich. 

 
Herbststürme über der Ostsee! Oft erlebt und oft erschaut – 
und doch immer wieder neu. Der Mensch kommt sich 
plötzlich so klein vor, spürt angesichts der Naturgewalten, 
wie winzig klein doch sein Leben ist, das er so unendlich 
wichtig nimmt. Er wird demütig und fromm und ist 

seinem Herrgott so nahe wie in keiner anderen Stunde. 
Das empfand auch Frau Fröse, die im Teezimmer saß und 
auf das Toben draußen hörte. Wie liebte sie diesen Sturm! 
Zehn Jahre hatte sie ihm lauschen dürfen – zehn lange 
Jahre – und vielleicht – Zehn Jahre hatte sie hier gelebt und 
gewirkt. Zehn Jahre hindurch Leid und Freud mit den 
Schloßbewohnern geteilt. 
Langsam ließ sie ihre Blicke über das vertraute und so sehr 
geliebte Bild schweifen, und ihr Herz zog sich schmerzend 
zusammen. 
Liebes, vertrautes Bild, liebes, kleines Gemach, mit deiner 
anheimelnden Traulichkeit. Prächtiges Uhlen, mit allem, 

was darin lebt. 
Liebe, vertraute Käuzchen, ihr Glücksvögel von Uhlen, 
auch euch gehört mein Herz. Auch euer Rufen muß tönen 
in dem Schlummerlied – von Wald – und Meer und Wind. 
Liebes geliebtes Uhlen – liebe geliebte Heimat. 
»Guten Abend, Frau Fröse – schlafen Sie?« 
Sie schrak auf und sah den Baron verstört an. 
»Habe ich Sie erschreckt, meine Getreue?« 
»Ein wenig wohl«, raffte sie sich gewaltsam auf. »Sie sind 
wohl hereingeschwebt wie eine Sylphide?« 
»Na, ich danke – so mit Schuhgröße dreiundvierzig. Ist das 

hier bei Ihnen ein wundervolles Nachhausekommen! Nach 
diesen stillen Stunden zu zweit werde ich mich in Afrika 
kranksehnen. Mich packt schon das Heimweh, bevor ich 
fort bin.« 
Michael brachte Speckeier und Röstkartoffeln. Ein Gericht, 
das Götterun zu jeder Tages- und Nachtzeit essen konnte, 
wie er immer behauptete. Dann eine Platte mit Aufschnitt, 

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Butter und Brot. 
»Also, Frau Fröse, in einer Woche geht die Reise los. Es hat 

alles gut geklappt, und wenn es im heißen Afrika ebenso 
sein sollte, dann kann ich im Frühjahr schon wieder zurück 
sein. Wenn es mir nicht um das Geld zu tun wäre, dann 
würde ich gar nicht fahren, sondern den Rechtsberater dort 
beauftragen, die Farm zu verkaufen. Aber so muß ich Wert 
auf jede Mark legen, die Uhlen so bitter nötig hat. 
Und schließlich bekomme ich auf der Reise wieder ein 
schönes Stück von der Welt zu sehen. Damit muß ich mich 
trösten. Hier weiß ich alles in besten Händen, und so kann 
ich meine Geschäfte in Ruhe abwickeln.« 
»Darüber möchte ich noch mit ihnen sprechen, Herr 
Baron«, entgegnete sie hastig und mußte all ihre 

Selbstbeherrschung aufbieten, um unter seinem erstaunten 
Blick ruhig zu bleiben. 
»Es ist nämlich meine Überzeugung, Herr Baron, daß ich 
während Ihrer Abwesenheit hier über bin. Der ganze 
Zuschnitt des Hauses wird ja dann ein anderer werden. Da 
gibt  es  also  nichts  mehr  für  mich  zu  tun.  Und  die 
Wirtschaftsführung liegt sowieso in den bewährten Händen 
der Mamsell – ich wüßte also nicht, was ich hier anfangen 
sollte.« 
»So – und haben Sie Sölve vergessen? Sind Sie Ihres 
Samariterwerkes bereits überdrüssig? Oder wie soll ich 
sonst Ihre sonderbare Eröffnung verstehen -?« fragte er so 

eigentümlich, daß es ihr das Blut ins Gesicht trieb. 
»Sölve nehme ich mit mir. Ich habe von meinem 
verstorbenen Bruder eine Summe geerbt, die es mir 
ermöglicht, eine Zeitlang ein angenehmes Leben zu führen. 
Wenn Sie dann wieder zurück sind, Herr Baron, kann Sölve 
wiederkehren und ich mit, falls es erwünscht sein sollte – « 
»Wenn ich Sie nicht so genau kennen würde, Frau Fröse, 
dann würde ich Ihre Worte als Kränkung auffassen. 
Also, Frau Fröse, ich möchte den wahren Grund wissen. 
Das Recht habe ich dazu, kraft unserer zehnjährigen 
Zusammengehörigkeit. Ich habe zu vielen Malen von 

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Ihnen gehört, daß Ihnen Uhlen eine wahre Heimat ist. 
Warum wollen Sie die nun verlassen?« 

»Herr Baron, es gibt Dinge, die lieber ungesagt bleiben.« 
»Dacht’ ich mir’s doch – «, warf er aufatmend ein. »Nun 
Farbe bekannt, anders kommen Sie nicht davon. Ist es 
Sölve, die Sie in die Flucht schlägt?« 
»Um Gottes willen, Herr Baron, dieses arme brave 
Seelchen! Sie hörten doch, daß ich sie mit mir nehmen 
will. Weshalb ich von hier fort möchte, ist, daß ich mich 
dem allen, was auf mich einstürmen würde, nicht 
gewachsen fühle.« 
»Nanu, zehn Jahre lang ging es doch? Man hat uns 
allgemein um die Repräsentantin unseres Hauses beneidet. 
Und als meine Angehörigen noch lebten, war eine 

Repräsentation doch weit schwieriger als jetzt. Aber ich 
weiß nun den Grund: Frau Fränze – « 
Sie zuckte erschrocken zusammen, und er lächelte. 
»Ihrem Erschrecken sehe ich an, daß ich den Nagel auf den 
Kopf getroffen habe.« 
Er weidete sich an ihrer Verlegenheit, die immer größer 
wurde. 
»Herr Baron, Sie quälen mich -!« 
»Schadet nichts, das haben Sie verdient, meine ungetreue 
Getreue.« 
»Es ist nicht meinetwegen allein – hier geht es auch noch 
um Sölve. Frau von Ragnitz sowie ihr Sohn, der sich hier 

schon als Herr fühlt, betrachten das Mädchen als 
Eindringling und würden es danach behandeln. Und 
Sölves Sensibilität ist Ihnen ja nicht unbekannt. 
Kurz und gut: Um allen Kränkungen, Demütigungen und 
allen Schikanen zu entgehen, räumen wir beide freiwillig 
das Feld.« 
»Also kneifen wollen Sie – ganz einfach kneifen«, schüttelte 
er mißbilligend den Kopf. 
»Ist das etwa fair? 
Und nun werde ich Ihnen mal etwas sagen, meine Liebe: 
Ehe ich Sie von Uhlen lasse, breche ich lieber mit der 

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Verwandtschaft und verbiete ihnen das Haus.« 
»Großer Gott, nur das nicht-!« wehrte sie entsetzt. »Das will 

ich nicht auf mein Gewissen laden.« 
»Können Sie ruhig! Mir würde das Herz dabei nicht 
brechen. Denn ich weiß ganz genau, was ich von Frau 
Fränze und ihrem Wunderknaben zu halten habe. Oder 
nehmen Sie an, daß ich mit verbundenen Augen und 
Ohren durch meine Tage gegangen bin? 
Und nun werde ich Ihnen eine zwar derbe, aber 
wirkungsvolle Vollmacht geben, der zufolge Sie die 
Herrschaften an die frische Luft befördern können, wenn 
sie zu unverschämt werden. Als Zugabe dürfen Sie dem 
anmaßenden Wunderknaben noch eine herunterhauen.« 
Nun mußte sie herzlich lachen. »Das würde wenig nützen – 

sie würden trotzdem wiederkommen.« 
»Recht haben Sie, denn deren Unverfrorenheit ist auch mir 
nicht unbekannt. Aber wiederholen Sie diese Prozedur so 
lange, bis sie endlich merken, was die Glocke geschlagen 
hat. 
Wie kommt der Bengel überhaupt darauf, sich hier schon 
so als Herr zu fühlen? Mir hat die pedantische, altkluge Art 
des Bürschchens immer großen Spaß gemacht, und ich 
habe daher vieles durchgehen lassen, was ich hätte rügen 
müssen. Aber daß er hier den Herrn herauskehrt, ist denn 
doch die Höhe. Mit welchem Recht, möchte ich bloß 
wissen -?« 

»Haben Sie nicht testamentarisch festgelegt, daß Roderich 
Uhlens Erbe ist?« fragte sie gespannt. 
»Wie kommen Sie denn darauf, Frau Fröse?« fragte er 
verwundert. »Ich habe wohl einmal bei meinen 
Verwandten erwähnt, daß Roderich eventuell als mein Erbe 
in Frage käme – das ist aber auch alles.« 
»Und Heike, Herr Baron?« 
Ein Zucken ging über sein Gesicht. 
»Mein kleines Mädchen werde ich nach meiner Rückkehr 
nicht mehr wiedersehen.« 
Frau Fröse fühlte erbarmendes Mitleid mit dem Mann, dem 

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das Schicksal so hart zusetzte. Was sollte sie sagen – wie 
sollte sie trösten? Jedes Wort wäre eine Wunde, die jede 

Berührung scheute. 
»Ich habe heute schon von ihr Abschied genommen, da ich 
nicht weiß, was die letzten Tage noch an Scherereien 
bringen könnten, und mir noch Zeit bleibt, das Kind noch 
einmal zu sehen. 
Und wozu auch? Es ist ja doch immer dasselbe – immer 
dasselbe! – Auf meine Frage ein bedauerndes Achselzucken 
der Ärzte und das Phrasenhafte: Solange noch Leben ist, ist 
Hoffnung. Worauf soll ich denn noch hoffen? Auf ein 
Wunder vielleicht? Das darf ich doch nicht ausgerechnet 
ich -!« 
schloß er, und es klang unendlich bitter. 

Die Frau konnte nicht anders, sie mußte sanft und lind 
über die Augen streicheln, in denen soviel hoffnungslose 
Resignation lag. Da stöhnte er auf – nur einmal – dann 
hatte er sich wieder in der Gewalt. 
»Schon um meines kleinen Mädchens willen dürfen Sie 
nicht von hier gehen, Frau Fröse. Vielleicht lebt es doch 
noch eine Zeit. Und wer sollte sich denn um es kümmern? 
Doch nicht gar Frau Fränze. Die wartet ja nur auf des 
Würmchens Tod. 
Auch an Sölve müssen Sie Ihr Samariterwerk vollenden, 
meine Getreue. Auch die werde ich wohl nicht 
wiedersehen.« 

»Also, sie bleiben – « 
»Ja, Herr Baron – ich bleibe – «, entgegnete sie fest. 
Da packte er die gütigen Frauenhände und sagte leise: 
»Nicht mehr, Herr Baron - Sie Liebe, Sie Gute! Einfach nur 
Jobst. Denn diese Stunde hat uns ganz nahegebracht.« 
 
Und hüte deine Zunge wohl!  
Ein Wort in Unbedacht gesagt,
 
kann stechen wie des Schwertes Spitze, 
schafft Leid und Ungemach. 

 

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Sölve lag in ihrem Zimmer auf dem Diwan. Spielerisch 
glitten ihre Finger über das seidenweiche Fell des Kätzleins, 

das zusammengerollt in ihrem Arm schlief und vor 
Wohlbehagen schnurrte. Es wich kaum noch von ihrer 
Seite, zumal es die Hunde fürchtete. 
Auch jetzt lauerten sie wieder vor der Tür. Das vornehme 
Windspiel Fasold, das immer so hochnäsig tat, Harras, der 
Jagdhund, der das Privileg hatte, Herrchen immer begleiten 
zu dürfen, der schwarze »Tintenwischer« Tiwi und der 
freche Dackel Fink, der seinen Namen weghatte, weil er 
dem Finken des Hauses, dem Liebling aller, mit Vorliebe 
das Futter wegfraß. 
Aber da nahte die Rettung in Gestalt Frau Fränzes, die sie 
wohl nicht gern mochten, als Erlöserin jedoch gelten 

ließen. Und als diese die Tür zu Sölves Zimmer öffnete, 
schossen Tiwi und Fink ihr durch die Beine, daß sie um ein 
Haar die Balance verloren hätte. Es gelang ihr noch mit 
knapper Not, sich am Türpfosten festzuhalten. »Was ist das 
hier bloß für eine verrückte Zucht!« schalt sie hochrot vor 
Ärger. »Sich so viele Hunde zu halten, bekommt doch nur 
mein Schwager fertig. Alles unnütze Fresser! 
Wollt ihr wohl, ihr Gesindel!« 
Nach rechts und links Schläge austeilend, wollte sie sich 
zum Diwan hinpirschen, was ihr jedoch erst gelang, als 
Sölve die Hunde zur Ordnung gerufen hatte. 
»Ihr seid meine braven Hundchen«, begütigte das 

Mädchen, die stürmischen Gesellen zärtlich streichelnd. 
»Aber ihr müßt brav sein und euch legen, sonst müßt ihr 
hinaus.« 
Das Wort war ihnen sehr geläufig. Mit hängenden Ohren 
und hängender Rute streckten sie sich seufzend nieder, 
aufmerksam beobachtend, was um sie herum vorging. 
»Na, endlich -!« schnappte Frau Fränze nach Luft. »Bei dem 
Höllenspektakel kann man ja verrückt werden. 
Guten Tag, Fräulein, was haben Sie denn da? Ist das etwa 
ein Junges von unserer Angorakatze?« 
»Ja, gnädige Frau, das hat mir Ihr Töchterchen geschenkt.« 

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»Die Ira? Sieht diesem Firlefanz ähnlich! Die ist ja der 
reinste Tiernarr. Möchte sich am liebsten eine ganze 

Menagerie halten. Und mein Mann unterstützt sie noch bei 
diesem Unfug. 
Aber, was ich fragen wollte: Wo ist mein Schwager?« 
»Ich weiß es nicht, gnädige Frau.« 
»Auch Frau Fröse ist nirgends zu finden, man kann unten 
alles in Ruhe wegtragen. Wie geht es Ihnen?« 
»Danke, gnädige Frau, ganz gut.« 
»Na, Kunststück, bei dem Theater, das man mit Ihnen 
macht. Er kann nämlich auch sehr rücksichtsvoll sein, mein 
Schwager, wenn meine arme Schwester auch nichts davon 
zu spüren bekommen hat. Daher hat sie auch früh ins Grab 
müssen. Aber zeigen Sie doch mal, was haben Sie da für 

eine elegante Decke?« zeigte sie auf die zartgrüne Decke aus 
Seidenflausch, die über Sölve gebreitet war. »Hat die nicht 
meiner Schwester gehört? Ich will doch nicht annehmen, 
Fräulein, daß Sie sich dieses elegante Stück angeeignet 
haben?« 
Bei dieser impertinenten Frage wich jeder Blutstropfen aus 
dem Antlitz des Mädchens. Ihre Augen hasteten hilflos 
umher und blieben dann an der Tür haften, in der Frau 
Fröse sichtbar wurde. 
Da sank sie aufatmend in die Kissen zurück. In dem 
todblassen Gesicht zuckte und arbeitete es, der Körper 
flatterte und bebte. 

»Mein Gott, Sölve -!« stieß Frau Fröse angstvoll hervor. 
»Kind, so erregen Sie sich doch nicht so -!« 
Sie reichte ihr die Tropfen, die bei solchen Fällen immer 
wirkten. Und schon Sekunden später wurde Sölve 
tatsächlich ruhiger. 
»Ja, was hat sie denn?« fragte Frau Fränze recht verblüfft, 
und die Hausdame sah sie kalt an. 
»Wenn Sie das nicht wissen, tun Sie mir leid.« 
»Etwa wegen der Decke da?« dämmerte es bei ihr. »Mein 
Himmel, ich habe doch wohl das Recht, danach zu fragen, 
wie die Decke meiner Schwester hierher kommt.« 

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»Der Ton macht die Musik, gnädige Frau – « 
»Ach was, ich kann mir doch diesem Fräulein zuliebe 

keinen anderen Ton angewöhnen. Meine Familie ist mit 
dem sehr zufrieden, und ich auch. Ich möchte die Decke 
mitnehmen. Denn Sie wissen, daß mir mein Schwager den 
gesamten Nachlaß meiner Schwester abgetreten hat.« 
»Die Decke gehörte nicht Ihrer verstorbenen Schwester – 
sondern der Baroneß Konstanze.« 
»Aber, meine liebe Frau Fröse, Sie wollen mir doch nicht 
weismachen – « 
Ihr Redestrom versiegte, als ihr die Dame die Decke 
entgegenhielt, in deren Ecke ein Monogramm prangte. 
»K. G. – Konstanze Götterun – «, entzifferte sie recht 
mühelos. »Tatsächlich! Aber meine Schwester hat doch 

genauso eine Decke gehabt.« 
»Die der Frau Baronin war rosa – « 
»Ach ja – nun besinne ich mich – «, war sie nun doch 
verlegen. »Ich habe die Sachen gleich zu Walburgas 
Aussteuer gepackt und daher nicht alles so genau in 
Erinnerung. 
Aber, wie kommt es, daß mein Schwager duldet, daß dieses 
Fräulein die Sachen seiner vergötterten Schwester benutzt? 
Meine Schwester hat oft von den Sachen haben wollen, die 
ja nur vermotten und verkommen, aber er hat es ihr immer 
wieder abgeschlagen. Ist ihm denn dieses Fräulein etwa 
mehr als seine Frau ihm war -?« 

»Was steht denn hier zur Debatte -?« kam es von der Tür 
her, durch die der Baron schritt. Einen Blick auf die 
verstörte Sölve - 
»Was ist vorgefallen, Frau Fröse -?« 
Sie wich seinen Blicken aus – und langsam ließ er die 
seinen von einem zum andern wandern. 
»Ich irre wohl nicht, Fränze, wenn ich annehme, daß du 
wieder einmal eine deiner Taktlosigkeiten begangen hast -
?« fragte er drohend. 
»Na, erlaube mal -!« wollte sie auffahren. 
»Schweige –!« Das Wort durchschnitt wie ein Peitschenhieb 

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das Zimmer, so daß selbst die Hunde erschrocken 
zusammenfuhren. »Gehen wir.« 

Wortlos folgte ihm Frau Fränze, was bei ihr schon allerlei 
zu bedeuten hatte. Aber dieser Jobst hatte auch manchmal 
eine Art, die einem das Blut gefrieren machen konnte. 
»Du bist mir wohl eine Erklärung schuldig?« fragte er, als 
sie sein Zimmer erreicht hatten. 
»Mein Himmel, wie theatralisch -?« lachte sie gezwungen. 
»Ich wollte dich sprechen, fand dich unten nicht vor und 
ging nach oben, wo ich Frau Fröse zu finden hoffte, weil sie 
ja ständig bei dieser Sölve sitzt. Zuerst hatte ich das übliche 
Theater mit den Kötern, dann sprach ich das Fräulein und 
glaubte in einer Decke die Bettinas zu erkennen – « 
»Und hast dem Mädchen auf den Kopf gesagt, daß es die 

Decke gestohlen hat – «, unterbrach er sie hart. 
»Für was für einen Banausen hältst du mich denn 
überhaupt – «, begehrte sie empört auf. »Es ist lächerlich, 
aus dieser harmlosen Angelegenheit einen Staatsakt zu 
machen, nur weil so ein dummes Mädchen 
überempfindlich ist. Ich sage meinen Töchtern noch ganz 
was anderes.« 
»Was du mit deinen Töchtern machst, geht mich nichts 
an«, erklärte er scharf. »Aber für dieses Mädchen bin ich 
verantwortlich und kann daher nicht dulden, daß es an 
seiner Gesundheit Schaden nimmt.« 
»Ach, herrjeh, was ist das denn für eine Prinzeß, daß man 

nicht wie mit Gewöhnlichen zu ihr sprechen darf -?« lief sie 
rot vor Ärger an. »Die scheint ja hier das ganze Haus zu 
beherrschen. Wenn du ihr sogar die Sachen deiner 
Schwester Konstanze gibst, die du bisher wie ein Heiligtum 
gehütet hast – « 
»Das dürfte doch wohl allein meine Angelegenheit sein.« 
»Ja, natürlich. Aber meine Schwester, die dich oft genug um 
die Sachen angebettelt hat, der hast du sie stets versagt. Du 
hast ihr überhaupt jeden Wunsch abgeschlagen – « 
»Schweig jetzt, Fränze!« 
Aber sie tat es nicht. Sie war heute wie blind und taub. 

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»Du hast Bettina immer lieblos behandelt, so daß ihr das 
Herz darüber brach und sie ins frühe Grab mußte – «, 

beschuldigte sie ihn weiter, hörte dann aber auf, als sie sein 
Gesicht sah, in dem die Wangenmuskeln spielten und die 
Augen wie grünliches Eis glitzerten. Da wollte sie ihre 
beleidigenden Worte abschwächen, aber er winkte ab. 
»Beenden wir die Unterredung – «, sagte er in einem Ton, 
der ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Tief 
gekränkt entfernte sie sich und stieg draußen in den 
altersschwachen Wagen. Das war wieder einmal ganz Jobst. 
Machte ein Trara mit diesem verkümmerten Mädchen, so 
daß sich dieses leisten konnte, das ganze  Haus mit seiner 
Krankheit zu tyrannisieren. Ihr waren kranke Menschen ein 
Greuel. Wer nicht gesund werden konnte, der sollte eben 

sterben. Dann war er am besten aufgehoben und fiel seinen 
Mitmenschen nicht auf die Nerven. 
Sie wäre auch kaum erschüttert gewesen, wenn sie gesehen 
haben würde, was sie mit ihren unbedachten Worten 
angerichtet hatte. 
Sölve, von Natur schon äußerst sensibel veranlagt, war 
durch ihre Krankheit und die Demütigungen der letzten 
Jahre noch empfindlicher geworden. Sie bildete sich ein, 
jedem eine Last zu sein, die er gern abschütteln wollte, und 
zergrübelte und zerquälte sich ihren armen kranken Kopf 
mit Hirngespinsten. 
Die Unbedachtsamkeit Frau Fränzes hatte ihr nun den Rest 

gegeben. Alles, was sie bisher ängstlich in sich verschlossen 
hatte, schrie sie nun in wahnsinniger Erregung hinaus. 
Frau Fröse und Götterun vernahmen mit Entsetzen, was 
das arme Kind sich alles zusammengesponnen hatte. 
»Ich muß fort-!« jammerte sie. »Ich darf ja nicht hier 
bleiben, wenn Onkel Jobst fort ist. Seine Verwandten 
neiden mir hier den Platz – und sie haben recht. Sie 
werden mich hinausjagen, wenn er nicht hier ist. Da will 
ich lieber freiwillig gehen, will hier nicht länger das 
Gnadenbrot essen und allen mit meiner Krankheit zur Last 
fallen -!« 

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Ehe es Frau Fröse verhindern konnte, war sie von dem 
Diwan geglitten, tat einige Schritte – und sank dann 

zusammen. 
Es gelang Götterun noch rasch, hinzuzuspringen und sie in 
seinen Armen aufzufangen. Er legte sie auf den Diwan 
zurück und sah voll tiefster Sorge in das kalkweiße Gesicht, 
in dem die Augenlider und Lippen blau anliefen. Jetzt 
wurde gar ein Röcheln hörbar. 
»Großer Gott – sie stirbt -!« schrie Frau Fröse entsetzt auf. 
»Sekt -!« stieß der Baron zwischen den Zähnen hervor, und 
so schnell war die Frau wohl noch nie gelaufen, wie in den 
Minuten heißer Herzensangst. In unwahrscheinlich kurzer 
Zeit kehrte sie mit einem gefüllten Sektglas zurück. Ihre 
Hände zitterten so, daß sie es kaum halten konnte. 

Es war ein schweres Stück Arbeit, dem Mädchen den Sekt 
einzuflößen. Aber es gelang, und die Wirkung stellte sich 
ein. Der Sekt belebte das Herz, das schon seine Tätigkeit 
einstellen wollte, und das Antlitz bekam langsam Farbe. 
»Frau Fröse, ich werde versuchen, Doktor Fels 
herzubekommen«, flüsterte er ihr zu. »Haben Sie gut acht, 
und flößen Sie ihr, wenn es nötig sein sollte, wieder Sekt 
ein. Ich bin so schnell wie möglich zurück.« 
Er hatte Glück, denn er konnte den vielbeschäftigten Arzt 
sprechen. Kurze Zeit darauf war er in Uhlen. Und wenn 
jemand der Kranken noch helfen konnte, so war es dieser 
Mann, der eine Kapazität auf seinem Gebiet war. 

»Tja, mein lieber Baron, was soll ich Ihnen sagen«, meinte 
er, als er an des Schloßherrn Seite zu seinem Auto schritt. 
»Steht Ihnen die Kleine nahe?« 
»Nahe genug, um ihren Tod zu fürchten.« 
»Dann tun Sie mir leid. Das ganze Nervensystem ist in 
einem schauderhaften Zustand, und das Herz scheint nicht 
mehr mitmachen zu wollen. Dieses Leben können wir nur 
noch dem lieben Gott überlassen.« 
»Vielleicht wäre es gut, wenn wir sie in Ihre Klinik 
brächten?« 
»Reißen Sie das arme Ding nicht aus seiner gewohnten 

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Umgebung, es könnte das Ende beschleunigen. Ich werde 
mich aber um die Kleine kümmern, weil mich der Fall 

interessiert.« 
 
Nimm an dein Herze mich, 
da ruh ich weich und warm. 
Komm, küsse mich, 
dann bin ich nicht mehr arm. 

 
Am nächsten Vormittag betrat Götterun das Zimmer 
Sölves, die, wie immer, angekleidet auf dem Diwan lag. Sie 
sah ihm aus matten Augen entgegen und ließ es geschehen, 
daß er ihre Hand nahm. 
»Werden der Herr Baron länger bleiben?« erkundigte sich 
Minchen. 
»Ja, Minchen. Sie können ruhig einen kurzen Spaziergang 
machen.« 
Dann saß er bei Sölve, hielt ihre Hände und wußte nicht so 
recht, was er sagen sollte, was ihm, dem weltgewandten 

Mann, selten genug geschehen mochte. Es war aber auch 
schwer, unter diesen großaufgeschlagenen Augen, in denen 
sich schon ein Licht aus einer andern Welt zu spiegeln 
schien, zu sprechen. Voll Erbarmen sah er auf sie nieder, 
sah das leichenblasse, eingefallene Gesicht, die bläulichen 
Lippen und das farblose Haar, das man auf dem Kopf 
einzeln zählen konnte. 
Ein heißer Wunsch stieg in ihm auf, diesem armen 
Menschenkind etwas Liebes zu tun, seine letzte Lebenszeit 
zu verschönen und es in guter, sicherer Hut 
zurückzulassen. Nach seiner Rückkehr sah er es ja doch 
nicht mehr. 

»Sölve!« begann er behutsam. »Sölve, hörst du mich?« 
»Ich schlafe nicht, Onkel Jobst.« 
»Sölve, mein kleines Mädchen, möchtest du immer in 
Uhlen bleiben?« 
»O, wie gern-!« 
»Dann werde meine Frau!« 

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Die Wirkung seiner Worte war nicht so, wie er erwarten 
konnte. Sie erschrak nicht, schrie auch nicht auf – sie sah 

ihn nur groß an. Vielleicht hatte sie seine Worte gar nicht 
gehört? 
»Du hast mich doch verstanden -?« forschte er unruhig. 
»Ich werde doch verstehen und begreifen, was für mich 
höchste Seligkeit wäre«, flüsterte sie. »Immer in Uhlen 
bleiben dürfen, von niemandem fortgejagt werden können 
- auch von Frau Ragnitz nicht - oh, das wäre schön.« 
Doch dann richtete sie ihren Blick auf ihn, sah ihn an, als 
müsse sie ihm auf den Grund seiner Seele schauen. 
»Und warum bietest du mir das an, Onkel Jobst? Weil ich 
krank bin und bald sterben werde -?« 
Er zuckte unter ihren Worten zusammen wie unter einem 

Hieb. Nur jetzt ganz ruhig bleiben – diesen suchenden, 
forschenden Blicken standhalten. 
»Du Närrchen«, sagte er lächelnd. »Seit wann macht man 
einer Todeskandidatin einen Heiratsantrag? Kannst du dir 
gar nicht denken, warum ich dich zur Frau haben möchte?« 
»Doch nicht etwa – weil du mich liebst?« 
Götterun war es, als müsse ihm das Herz stillstehen vor 
Schreck, als sie nun das aussprach, wovor er sich fürchtete. 
Sollte er diesem armen Mädchen die Wahrheit sagen? 
Sollte er sagen, daß diese Werbung nur einen Akt der 
Barmherzigkeit darstellte? Damit würde er sie ja töten! Er 
sah das schöne Antlitz Frau Elgas vor sich, sah ihre 

bettelnden, flehenden Augen, hörte ihre beschwörende 
Stimme: 
»Jobst, sei barmherzig, laß meinem Kinde den Glauben an 
deine Liebe, mache ihm das Sterben leicht. Es ist doch 
mein Kind, Jobst – und du hast mich doch einmal geliebt. 
Mache es nur für ein paar armselige Tage glücklich – scheue 
diese barmherzige Lüge nicht!« 
Da schloß er Sölve fest in seine Arme. Ganz leise fuhr sie 
über sein Antlitz, in dem es nun zuckte und bebte. Die 
Lippen streiften seine Hand. 
»Onkel Jobst, ich danke dir«, seufzte sie wie befreit auf. 

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»Jetzt will ich auch noch einmal gesund werden. Ich wollte 
ja nur sterben, weil ich so verlassen war weil ich 

niemanden hatte, der mich brauchte. Aber jetzt will ich 
gesund werden, für dich – und schön – so schön, wie 
meine Mutti war.« 
»So gefällst du mir, Sölvelein«, lobte er mit einer Stimme, 
die nicht ganz klar klang. »Und jetzt werde ich in die Stadt 
fahren und unsere Hochzeit in die Wege leiten. Denn du 
sollst ja noch mein Frauchen werden, bevor ich abreise. 
Willst du das?« 
»Alles, was du willst, Onkel Jobst.« 
»Nun, den Onkel wollen wir ja nun streichen, meine kleine 
Braut. Jobst allein ist ja auch viel schöner. 
Und nun auf Wiedersehen! Versuche zu schlafen, und 

träume etwas Schönes, bis ich wieder bei dir bin.« 
Er drückte einen Kuß auf ihren Mund ganz behutsam und 
leise – und da warf sie die Arme um seinen Hals. 
»Ach, Jobst – ist es auch wahr, daß du mich liebst? Oder 
liebst du in mir nur meine Mutti?« 
»Nein, du mißtrauisches kleines Wesen«, log er tapfer. »Das 
fällt mir gar nicht ein.« 
»Weißt du, ich habe dich geliebt vom ersten Augenblick an, 
da ich dich sah. Aber nie habe ich zu hoffen gewagt, daß 
du mich wiederlieben könntest.« 
Schmeichelnd kuschelte sie ihr Gesicht in seine Hand. 
»Jetzt möchte ich schlafen – glücklich sein macht so 

müde.« 
Wenige Minuten später schlief sie fest. 
 
Nimm mir die Myrte vom Kleide,
 
sieh in mein qualvolles Gesicht, 
die Braut im Leide 
begehrt sie nicht. 
 
Einige Tage später fand in Uhlen eine Hochzeit statt, wie 

diese jahrhundertealte Schloßkapelle nie eine geschaut 
hatte. 

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Die marmorblasse Braut und der tiefernste Mann an ihrer 
Seite sahen gewiß nicht wie Hochzeiter aus. Und die 

Menschen, die den Altar umstanden, glichen eher 
Leidtragenden einer Begräbnisfeier. Selbst das gedämpfte 
Orgelspiel, die Worte des Pfarrers – alles klang so unsagbar 
traurig, so daß die kleine Gundel, die auf Geheiß der 
Mutter Blumen streute, entfernt werden mußte, weil sie aus 
Angst vor etwas Unbegreiflichem zu schreien begann. Und 
als der Pfarrer die Worte sprach: »Bis daß der Tod euch 
scheide«, da zuckten alle schmerzlich zusammen. 
Beim Ringwechsel setzte von der Empore eine Stimme ein, 
die allen die Tränen in die Augen trieb. Weich und süß 
klang die Stimme der jungen Ricarda. Niemand hatte 
gewußt, daß sie so singen konnte, sie selbst wohl auch 

nicht. Es war auch keines der üblichen Trauungslieder, das 
sie sang, aber es paßte zu dieser Stunde wie kein zweites 
Lied. 
Als die Trauung beendet war und sich das junge Paar zum 
Gehen wandte, trat die kleine Elwira vor, heute ganz 
besonders liebreizend anzuschauen in ihrem Festkleidchen. 
Auch sie hatte Blumen streuen dürfen wie das 
Schwesterchen Gundel. Nun nahm sie die 
übriggebliebenen Rosen aus dem Körbchen und schüttete 
sie über die Braut. 
Einige der tiefroten Blüten blieben an dem Schleier haften 
und hingen nun schwer herab wie Blutstropfen. Atemlos 

betrachtete die Kleine ihr spontanes Werk, bis sie dann 
aufweinte und zum Vater flüchtete. 
Langsam führte der Baron seine junge Gattin aus der 
Kapelle, immer wieder besorgt nach ihr schauend. Sie hatte 
sich tapfer gehalten. Jetzt war sogar eine leichte Röte in 
dem Antlitz. Die Augen leuchteten zum Gatten hin, der 
auffallend blaß war. 
Im Schloß stand schon eine Festtafel gedeckt, an der sich 
die Gäste niederließen. Es waren nur wenige. Die Familie 
Ragnitz – die allerdings vollzählig –, der Pfarrer, der 
Oberinspektor mit seiner Gattin und der beste Freund des 

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Schloßherrn, der Weltenbummler Dr. Jörn von Jührich. 
Gerade heute war er wieder einmal aufgetaucht und hatte 

es sich nicht nehmen lassen, bei des Intimus Hochzeit 
dabei zu sein. 
Frau Fränze benahm sich heute untadelig. Die Kunde von 
der Hochzeit des Schwagers empörte sie natürlich bis in die 
tiefsten Tiefen. Aber sie hatte ja einige Tage Zeit gehabt, 
sich mit dem Unabänderlichen abzufinden. Sie waren dem 
armen Herrn Julius nebst Kindern arg genug gewesen, aber 
nun atmeten sie alle auf, daß sie hier wenigstens Ruhe 
hatten. 
Mächtig schien sie der überaus kostbare Ring an Sölves 
Hand zu wurmen. Der glatte Goldreif an der Rechten 
interessierte sie nicht, der gehörte ja dem Theater, das der 

unberechenbare Jobst wieder einmal in Szene setzen 
mußte. Aber der andere, der bestimmt ein Vermögen wert 
war. So einen hatte ihre arme Schwester niemals besessen. 
Nein, jetzt nur nicht nachdenken sonst - Die Hochzeit 
hatte eigentlich schon am Tage vorher stattfinden sollen, 
war dann aber ausgerechnet auf den Reisetag Götteruns 
festgelegt worden. So zog er sich gleich nach dem Essen 
zurück, um die letzte Stunde vor der Abreise seiner jungen 
Frau zu widmen. 
Sölve war sehr erschöpft. Sie schaffte es kaum, die Treppe 
hinaufzugehen. So nahm er sie auf den Arm, trug sie nach 
ihrem Zimmer und legte sie dort auf den Diwan. Wie in 

einer Wolke aus Schnee, so lag sie in dem duftigen Schleier. 
Unter der Myrtenkrone sah durchsichtig blaß das 
Gesichtchen hervor, aber die Augen strahlten glückselig zu 
ihm auf. 
»Jobst, ist es auch wirklich wahr, daß ich nun die Herrin 
hier bin? Ich kann es noch immer nicht fassen.« 
»Natürlich, schönste Schloßherrin. Alles, was hier im 
Schlosse lebt, muß deinem leisesten Wink gehorchen.« 
»Und daß es so ist, das danke ich dir, du gütiger Mann. 
Mein Mann – wie sich das anhört. Schön! Wirst du mir 
auch oft schreiben?« 

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»Sooft ich kann. Wenn jedoch eine Nachricht mal länger 
ausbleiben sollte, dann beunruhige dich nicht, sondern 

denke daran, daß der Postverkehr dort nicht so geregelt ist 
wie hier.« 
»Wirst du auch zurückkehren, sobald du kannst?« 
»Ehrenwort, meine kleine Frau.« 
»Nun setze dich zu mir und erzähle was Schönes. Ich bin 
zu faul zum Sprechen.« 
So erzählte er dann leise, wie es sein würde, wenn er 
wiederkäme. Sie ließ sich von dieser verhaltenen Stimme 
eindämmern, und die Augen fielen ihr zu. 
Und das war gut; denn es war höchste Zeit, daß er sie 
verließ. Wenn sie erwachte, war er längst fort – und ihr 
blieb die bittere Abschiedsstunde erspart. 

Er beugte sich zu ihr nieder – sah ihr lange ins Gesicht. 
Dann schritt er schnell davon. 
Als er sich im Ankleidezimmer zur Reise umzog, trat sein 
Freund Jörn von Jührich ein. 
»Nur herein, alter Junge. Leider kann ich mich dir nicht 
widmen. In spätestens einer halben Stunde muß ich fort. 
Nimm also hier Platz.« 
Jührich ließ sich in einem Sessel nieder und streckte seine 
langen Beine behaglich von sich. Er erzählte, daß er vor 
einigen Tagen von einer Expedition zurückgekehrt sei. Als 
er erst deutschen Boden betreten, da habe ihn das 
Heimweh derart gepackt, daß er nicht schnell genug nach 

Hause kommen konnte. 
Mittlerweile war der Baron angekleidet. 
»Begleite mich nach meinem Arbeitszimmer, Jörn, wo ich 
auch noch eine Kleinigkeit zu ordnen habe. Für eine 
Zigarettenlänge wird es noch reichen.« 
Als sie dann bei der Zigarette saßen, kam Jührich darauf zu 
sprechen, was ihm am Herzen lag. 
»Sag mal, Jobst, was hast du dir eigentlich dabei gedacht, 
als du – eine Halbtote heiratetest?« sprach der sonst so 
ruhige Mann heftig. »Ist dein Leben noch nicht genug 
verpfuscht, muß es immer noch mehr werden? Ich kann 

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mir denken, daß du es aus Mitleid getan hast, um Elgas 
Tochter eine Heimat zu geben. Aber das Gefühl, aus dem 

heraus du dieses Elendsbündel zu deiner Frau machtest, ist 
nicht Mitleid, sondern Dummheit. Konntest du ihr hier 
nicht auf andere Weise Heimatrechte verschaffen?« 
»Nein, das wäre doch nichts Ganzes geworden. Die kurze 
Zeit, die sie noch zu leben hat, soll sie hier Herrin sein. 
Eine richtige Ehe käme für mich sowieso nicht in Frage.« 
»Wie hast du deine Werbung eigentlich motiviert. Glaubt 
sie etwa, daß du sie liebst?« 
»Was denn sonst?« 
»Ach, du lieber Gott, du bleibst doch ein unveränderlicher 
Idealist.« 
Die Worte verklangen, denn die Herren hatten das Zimmer 

schon verlassen. Sölve, die in der Tür stand und alles 
mithören mußte, blieb ungesehen. Sie war erwacht und 
nach dem Zimmer des Gatten geeilt, um Abschied von ihm 
zu nehmen. 
Nun stand sie da – die Hände in die Portiere gekrallt, in 
den Augen ein qualvolles Grauen. 
Mit einem dumpfen Stöhnen sank sie zusammen, während 
sich ihr Gatte von den Gästen verabschiedete. Und als man 
sie vermißte und voller Angst das Schloß durchsuchte, da 
fand man sie. Und ebenso schneeweiß wie Hochzeitskleid 
und Schleier war ihr qualverzerrtes Gesicht. 
 
Nirvana, du Land der Versessenheit,
 
bring du mir Frieden, das Glück. 
Mein Herz ist so müd’ 
es findet nicht mehr 
zu den Freuden der Erde zurück. 

 
Die Gäste waren fort. Nur Doktor Jührich blieb. Er trug die 
leblose Gestalt nach ihrem Zimmer und legte sie dort auf 
das Bett. Wie eine Tote lag sie da, die man mit 
Brautgewand und Schleier geschmückt. 
Als Sölve entkleidet dalag und er sie untersuchte, schüttelte 

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er betroffen den Kopf. Er stellte dieselbe Diagnose wie 
später Doktor Fels, den man herbeigerufen hatte: 

Nervenfieber, das sich um so schlimmer auswirken würde, 
da es ein Rückfall war und die Kranke völlig entkräftet 
wäre. Sie warf sich in ihrem Bett herum und jammerte laut 
heraus, was sich in ihrem kranken Hirn herumwälzte. 
»Nein, laß mich los, ich will nicht!« wehrte sie sich 
verzweifelt gegen etwas, von dem sie Grauen zu empfinden 
schien. »Ich will nicht aus -Mitleid – geheiratet sein – ich 
will nicht! Sag deinem Freund eine Halbtote – heiratet 
man nicht! Pfui, seid ihr schlecht! Eine Halbtote heiratet 
man doch nicht! Seid doch barmherzig und laß mich los! 
Ich liebe dich doch so sehr – und du – hast mich belogen!« 
plagte sie sich ab, den Kopf im Kissen hin und herwerfend. 

Doktor Fels hatte sich tief zu ihr niedergebeugt und 
lauschte fast atemlos den abgehackten Worten, die er gut 
verstehen konnte. Er fuhr erschrocken herum, als sich 
Jührich plötzlich in einen Sessel fallen ließ und 
aufstöhnend sein Gesicht in den Händen barg. 
»Was ist denn mit dir los?« fragte Fels den früheren 
Korpsbruder, mit dem er so manche fidele Stunde verlebt 
hatte und dem er auch den Durchzieher auf der Wange 
verdankte. »Willst du dich etwa nebenbeilegen, alter 
Freund? Das laß nur bleiben; denn die kleine Baronin hier 
macht mir gerade genug zu schaffen!« 
»Edgar, weißt du, was ein Kamel mit Hörnern ist?« fragte er 

verzweifelt, und der andere sah ihn verblüfft an. 
»Was ist denn das für eine Kuriosität?« 
»Sieh mich an, dann hast du eins. Ich sprach mit Jobst kurz 
vor seiner Abfahrt über seine Heirat, habe ihn sozusagen 
zur Rede gestellt. Das arme Kind muß dazugekommen sein 
und alles heimlich mitgehört haben.« 
»Ach, du heiliger Bimbam! 
Dann brauchst du mir nichts zu sagen. Jetzt hilf mir hier 
retten, was noch zu retten ist!« 
Die beiden Ärzte, Frau Fröse und Minchen – diese vier 
Menschen kämpften um dieses entfliehende Leben mit 

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allem, was ihnen nur zu Gebote stand. 
Jührich war überhaupt noch nicht in seine Wohnung 

gekommen und hatte sich im Uhlener Schloß einquartiert. 
Die Kranke war ihm in den Wochen der Angst und Sorge so 
recht ans Herz gewachsen, und auch Doktor Fels kam nicht 
nur deshalb, weil ihn der Krankheitsfall interessierte. 
Götterun wußte nicht, was sich in Uhlen abspielte; denn es 
bestand ein Übereinkommen, ihm nichts davon 
mitzuteilen. Er wäre dann sofort nach Hause zurückgekehrt 
– und das wollte man vermeiden. 
Als man nach einem halben Jahr die Kranke nach 
unendlicher Mühe soweit hatte, daß auf Gesundung zu 
hoffen war, da kam eine Mitteilung vom Konsulat, daß 
man den Baron von Götterun, der sich bereits auf der 

Heimreise befunden habe, ermordet aufgefunden hätte. 
Das Motiv zur Tat wäre unbekannt. Um einen Raubmord 
könnte es sich nicht handeln, da die Wertsachen und die 
Brieftasche mit Geld, die man bei dem Toten gefunden 
habe, unangetastet seien. 
 
Oh, wähne dich nicht, du Menschenkind,
 
gefeit vor des Schicksals Macht. 
Der Schlag, den es dir zugedacht, 
kommt über Nacht 

 
Der Mensch wird schnell vergessen. Das ist der Lauf der 
Welt. So erging es auch Jobst von Götterun, dessen 
tragischer Tod zuerst so viel Teilnahme erweckt hatte. 
»Nun höre doch endlich damit auf, Julius! Es ist ja traurig, 
daß Jobst tot ist, aber zu ändern gibt es doch daran nichts 
mehr. Dem ist wohl, der möchte nicht mit uns tauschen. 
Zu wünschen wäre, daß Heike ihm bald folgt, dann wäre 
das verkrüppelte Würmchen gut aufgehoben. Denn von der 
Stiefmutter hat es ja nichts zu erwarten, die hat ja selber 
kaum das Leben. Auch für die wäre ein schneller, 

friedlicher Tod die beste Lösung. Wie lange hält sie schon 
mit dem Auf und Nieder dieser unheilbaren Krankheit ihre 

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Umgebung in Atem. Und was kostet die Behandlung der 
Ärzte. Ja, wenn es nicht hinausgeworfenes Geld wäre – « 

»Das mir verloren geht – «, schaltete sich der Sohn 
mißmutig ein. »Was könnte man dafür in Uhlen alles 
verbessern! Der Onkel Jobst hätte auch mehr an mich 
denken können und nicht diese Sölve heiraten sollen«, 
schloß er mit einer Gehässigkeit, die selbst die verblendete 
Mutter betroffen aufhorchen ließ. Den Vater packte jedoch 
eine derartige Wut, daß er dem hoffnungsvollen 
Früchtchen rechts und links eine Ohrfeige versetzte. 
Nun wandte sich Herr Julius der Gattin zu. 
»Sieh dir nur gründlich das Produkt deiner Erziehung an«, 
höhnte er. 
»Aber Julius, wie kannst du den Jungen nur so unerhört 

behandeln?« fand Frau Fränze nun endlich die Sprache. »Er 
hat uns bisher doch immer nur Freude bereitet. Was er da 
sagte, geschah nur aus seinem kindlichen Unverstand 
heraus.« 
»Ach, sieh mal an, mit einem Male ist es kindlicher 
Unverstand«, lachte er voll Hohn. 
»Aber sonst verlangst du für deinen Wunderknaben eine 
ehrfürchtige Behandlung wie für einen Übermenschen. 
Siehst ruhig mit an, wie er das ganze Haus tyrannisiert, 
seine Geschwister unterjocht, sich in Uhlen Herrenrechte 
anmaßt, die zum Himmel schreien. 
Aber vorläufig stehen noch Sölve und Heike zwischen eurer 

Begierde, die so weit geht, den armen Menschenkindern 
den Tod zu wünschen. Freut euch nicht zu früh. Noch steht 
die Testamentseröffnung aus – und eine solche hat schon 
manchem Menschen Überraschungen gebracht.« 
»Davor habe ich gar keine Angst«, winkte sie geringschätzig 
ab. »Wer soll Uhlen denn erben? Sölve etwa, die Jobst nur 
aus Erbarmen geheiratet hat? Oder Heike, die, wenn sie 
auch aufwachsen sollte, immer nur ein armer Krüppel 
bleiben wird? Wenn jemand dazu berufen ist, Uhlen gut 
bewirtschaften zu können, dann ist es unser Sohn – «, 
schloß sie großartig. 

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»Natürlich, setze diesem anmaßenden Burschen nur immer 
weiter Raupen in den Kopf«, grollte der Gatte, den der 

Grimm fast erstickte. »Du wirst die Quittung für deine 
Affenliebe eines Tages schon erhalten. 
Und sprich nur immer weiter so über das Kind deiner 
Schwester und über ein so bedauernswertes Menschenkind 
wie Sölve. Es gibt eine Nemesis, meine liebe Fränze, die 
jeder Mensch achten sollte.« 
Einige Wochen später mußte Frau Fränze die Erfahrung 
machen, daß Menschenwille sehr klein ist gegen des 
Schicksals Gewalt. Sie glaubte, ihr Leben auf festen Grund 
aufgebaut zu haben, glaubte es gegen Unglück gefeit. Aber 
ungeahnt schnell drang es in ihr festgefügtes Reich ein und 
holte sich als Tribut die kleine Gundel. 

Von heute auf morgen war sie tot – einfach tot. Gestern 
noch vergnügt und guter Dinge, klagte sie am Abend über 
Halsschmerzen, die niemand so recht beachtete – und nach 
einer noch nicht einmal unruhigen Nacht war sie morgens 
tot. 
Man stand vor einem Rätsel und konnte nicht fassen, daß 
dieses kleine blühende Leben dahin sein sollte, als wäre es 
nie gewesen. 
Frau Fränze benahm sich wie die meisten Menschen, die 
das erste wirkliche Leid erfahren. Sie klagte Gott an, daß er 
ihr blühendes Kind geholt hatte und nicht das Krüppelchen 
Heike. 

Drei Tage tobte sie, drei Tage jammerte sie – und ging dann 
langsam zur Tagesordnung über. 
 
Wach auf, Frau Sölve, 
es ruft nach dir eine heilige Pflicht, 
Raffe dich auf und verträume dein Leben nicht. 

 
Nach langer Zeit lag Sölve wieder einmal in dem kleinen 
Teezimmer im Schaukelstuhl. Das Feuer prasselte im 
Kamin, und zuckend huschte der Flammen Schein durch 
die Dämmerung. Es war so still, so traulich in dem kleinen 

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Gemach, und diese Ruhe legte sich wie Balsam auf das 
immer noch wunde Gemüt der jungen Frau. 

Träumerisch glitt ihr Blick über den Ring an ihrer Linken, 
in dessen Steinen sich der zuckende Flammenschein brach. 
Wie Feuergarben sprühte es auf, so daß sie vor dem 
funkelnden Glanz die müden Augen schloß. 
Dieser Ring und der glatte Reif an ihrer rechten Hand 
waren das einzige Andenken an Jobst – der sie aus 
Erbarmen geheiratet hatte. 
Frau Fröse kam ins Zimmer. »Frau Fränze und ihr Sohn 
eignen sich immer wieder Dinge an, die Uhlen gehören«, 
sagte sie empört. 
»Mögen sie doch – was geht mich das an?« winkte Sölve 
unendlich müde ab. 

»Aber Kind, sei doch nicht so gleichgültig«, bemerkte sie 
vorwurfsvoll. »Hier geht es doch nicht um dich allein, 
sondern auch um deine kleine Tochter, um das 
Vermächtnis deines Gatten!« 
»Kleine Tochter – Vermächtnis meines Gatten – «, 
wiederholte sie, als horche sie in sich hinein. »Wer ist das?« 
»Sölve, was hast du?« fragte Frau Fröse erschrocken und 
fühlte den Puls der jungen Frau. – »Redest du etwa irre?« 
Sie streichelte zärtlich das Gesicht der besorgten Frau. 
»Keine Angst, Tante Marga, ich bin ganz gesund. Ich weiß 
wirklich nicht, wer meine kleine Tochter ist.« 
Kopfschüttelnd rückte Frau Fröse einen Sessel an den 

Schaukelstuhl. 
»Hast du denn noch nie den Namen Heike gehört?« 
forschte sie mißtrauisch. 
»Heike? Ja. Aber du weißt ja, daß mich alles nicht 
interessiert.« 
»So hat dir dein Gatte bei seiner Werbung nichts von seiner 
Vergangenheit erzählt?« 
Sölve stöhnte leise auf und bedeckte die Augen mit der 
Hand. 
»Kind, ich will dir nicht wehe tun, denn du weißt, wie sehr 
du mir ans Herz gewachsen bist. Und man tut nicht 

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wissentlich weh«, begann sie behutsam, fest entschlossen, 
heute zur Sprache zu bringen, was längst hätte geschehen 

müssen. 
»Es ist alles unendlich schwer für dich, mein Liebstes, ich 
weiß es. Aber einmal mußt du dich aus deiner Lethargie 
aufraffen und wie ein normaler Mensch zu leben beginnen. 
Du kannst doch nicht immer ein Schattendasein führen.« 
»Warum, Tante Marga? Es ist doch wunderschön, so 
dahinzuduseln und nichts mehr vom Leben zu verlangen 
noch zu erwarten.« 
»Und das sagt man mit zwanzig Jahren? Willst du mir nicht 
sagen, was damals war – an deinem Hochzeitstag, ehe du 
zusammenbrachst? Hast du die Unterredung deines Gatten 
mit seinem Freund mitangehört?« 

»Ja – alles.« 
»Das dachten wir uns; denn du hast in deinen 
Fieberphantasien ja so viel ausgeplaudert. Willst du dir 
nicht dein Leid vom Herzen sprechen, mein Kind? Glaube 
mir, du wirst dich freier fühlen. Außerdem steht die 
Beantwortung meiner Frage noch aus: Was weißt du von 
der Vergangenheit deines Gatten?« 
»Tante Marga, du quälst mich maßlos!« stöhnte sie 
verzweifelt. »Wie soll ich darüber sprechen, was mir das 
Herz gebrochen hat? Es tut alles noch so entsetzlich weh.« 
»Nur ein einziges Mal sprich darüber, was dich quält – 
dann will ich nie mehr daran rühren.« 

»Es ist so schwer – « 
»Schadet nichts. Ich werde fragen, und du wirst antworten. 
Was weißt du von Jobsts Vergangenheit?« 
»Was Mutti mir erzählte. Daß er von seiner Frau geschieden 
war, die dann mit dem Söhnchen verunglückte – und daß 
er dann eine zweite Frau nahm. Und da er mich heiraten 
konnte, so muß er wieder geschieden oder verwitwet 
gewesen sein. Das ist alles.« 
»So hat er dir bei seiner Werbung nichts davon gesagt?« 
»Nein, Tante Marga, er warb ja mit einer barmherzigen 
Lüge um eine Halbtote!« 

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»Sölve!« rief Frau Fröse erschrocken: »Was hast du dir da 
alles zusammengereimt! Diese >Halbtote< hat in deinen 

Fieberphantasien schon eine ungeheure Rolle gespielt. Was 
hat das zu bedeuten?« 
»Herr von Jührich machte Jobst ziemliche Vorhaltungen, 
daß er eine >Halbtote< geheiratet hat!« 
»Sprich nicht weiter, Kind. Jetzt höre mich bitte an: 
Wenn du über alles nachdenkst und gerecht bleibst, dann 
mußt du dir selbst sagen, daß du damals tatsächlich eine 
Todgeweihte warst. Du hast in deinen Fieberphantasien 
immer so verzweifelt herausgeschrien: Er liebt mich nicht, 
er hat mich belogen! 
Ja, Sölve, sollte er dir sagen, daß er dich nur darum 
heiratete, um dir eine Heimat zu geben, damit du 

wenigstens in Ruhe sterben könntest? Da mußte er schon 
auf deine Frage, ob er dich liebt, zu der barmherzigen Lüge 
greifen und dich in dem Glauben lassen. Er wußte genau, 
was dir blühen würde, wenn er wegging und dir nicht 
unantastbare Rechte hier verschaffte. Diesem Mann 
müßtest du dankbar sein, mein Kind, und nicht in Groll an 
ihn denken. Was wäre, wenn er dich nicht geheiratet hätte? 
Dann würdest du hier nicht so weich und warm sitzen, 
würdest hier nicht die Herrin sein. Verrenne dich nicht in 
ein Leid, das keines ist. Ich will dir erzählen, was richtiges 
Leid bedeutet und wie aufrecht die Menschen es getragen 
haben: 

Nachdem Jobst durch deine Mutter so bitteres Herzeleid 
erfahren, war er gleichgültig geworden und nahm die Frau, 
die ihm seine Eltern aussuchten. Da sein ältester Bruder 
gefallen war, wurde er Uhlens Erbherr und dadurch zur 
Heirat verpflichtet. Die Frau war eine junge Gräfin – 
blutjung, kultiviert, verzogen und launenhaft, 
unberechenbar und kapriziös wie eine Primadonna. So ein 
rechtes Sprühteufelchen, reizend und gutherzig wie ein 
Kind, sofern man ihr den Willen tat. Stieß sie jedoch auf 
Widerstand, dann konnte sie toben wie eine kleine 
Wildkatze. 

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Nach einem Ehejahr wurde der kleine Erbherr geboren, 
und die Zeit bis zu seiner Geburt war arg genug für uns 

alle. Aber wir sahen dem unbeherrschten Geschöpf alles 
nach, weil es wirklich zu leiden hatte. Und als der kleine 
Erbe dann endlich geboren wurde – war es ein Krüppel, 
mit verkümmerten Beinchen. 
Das kleine Kerlchen war ein liebes Kind, herzfroh wie ein 
Vögelein, daß es bald der Liebling aller wurde. Und 
sonderbarerweise hing die junge Mutter sehr an ihm, wie 
man es bei dieser flatterhaften, verspielten Frau nicht hätte 
vermuten dürfen. 
Doch der Leidenskelch der schicksalsgeschlagenen Familie 
war noch immer nicht geleert. Sie mußte erleben, wie die 
junge Baronin auf Abwege geriet, wie es zur Scheidung kam 

– und wie sie den damals dreijährigen Jungen, der vom 
Gericht dem Vater zugesprochen worden war, heimlich 
fortholte und ihn und sich bei der halsbrecherischen Flucht 
mit dem Auto in den Tod fuhr. 
Obgleich man sich sagen mußte, daß es für den kleinen 
Krüppel so am besten war, gab es viel Trauer um ihn, und 
in Uhlen verstummte das Lachen, das überhaupt schon 
eine Seltenheit geworden war. 
Nach einem Jahr heiratete der junge Baron wieder. Diesmal 
hatte er das ganze  Gegenteil erwählt: Ein Mädchen, 
wirtschaftlich erzogen und von robuster-, blühender 
Gesundheit. Nach menschlichem Ermessen mußte man 

mit einem solchen Menschenkind eine gute Ehe führen 
können - 
Allein, sie wurde noch schlechter als die erste. Nun, sie war 
ja nicht umsonst die Schwester Frau Fränzes und die Tante 
Walburgas, die ihr getreues Ebenbild ist. 
Nach eineinhalb Jahren wurde ein Töchterchen geboren, 
noch elender und hilfloser, als der kleine Knabe es gewesen 
war. Der konnte wenigstens die Glieder, außer den 
Beinchen bewegen. Doch dieses Würmchen ist vollständig 
hilflos, weil das Rückgrat nicht in Ordnung sein soll. Daß 
die junge Mutter gleich nach der Geburt starb, ging keinem 

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nahe. 
Das kleine Geschöpf rief wieder unsagbaren Jammer 

hervor. Man stand vor einem Rätsel, wie eine so blühende, 
gesunde Frau so ein armseliges Kind gebären konnte. Also 
mußte die Schuld bei dem Vater zu suchen sein. Denn es 
kann schon vorkommen, daß ein verkrüppeltes Kind von 
erbgesunden Eltern zur Welt kommt – Aber zwei derartige 
Kinder von zwei verschiedenen Frauen? 
Dieser Gedanke nahm von Jobst immer mehr Besitz, so 
daß er sich fest entschloß, nicht noch einmal zu heiraten. 
Mochte das jahrhundertealte Geschlecht lieber aussterben, 
als solch kümmerliche Blüten treiben. Mochte Uhlen also 
an einen gesunden und Intelligenten Erben kommen, 
damit ein neues, erbgesundes Geschlecht heranwüchse. So 

verfiel er wohl auf den Sohn seines Vetters Ragnitz. Aber 
daß er alle Hoffnungen, die Jobst auf ihn gesetzt hat, 
erfüllen wird, ist eigentlich ausgeschlossen. Und wenn er 
wirklich der Erbe Uhlens sein sollte, dann gnade uns allen 
Gott. Mit Schrecken denke ich an die Testamentseröffnung, 
die ein Jahr nach dem Tode Jobsts, also in sechs Monaten, 
stattfinden soll.« 
Nach dieser Erzählung war es minutenlang totenstill. Sölve 
lag regungslos. Nur die Augen schienen in diesem 
marmorweißen Antlitz zu leben. 
Dann warf sie sich plötzlich herum und weinte auf – heiß, 
leidenschaftlich, hemmungslos, als müßten diese Tränen 

alles hinwegspülen, was ihr das Leben so lange zur Qual 
gemacht hatte. 
 
Du treues Vermächtnis, wie
 liebe ich dich, 
wie will ich dich hegen und pflegen. 
Und erbitte für dich und auch für mich 
dazu des Himmels Segen. 
 
Von dem Tage an machte die Genesung Sölves rapide 

Fortschritte. Es war, als hätten die heißen Tränen wirklich 
alles hinweggespült, was ihrer Gesundung bisher 

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hemmend im Wege gestanden hatte. Nach einigen Wochen 
hatte sie sich schon so gut erholt, daß alle, die kamen, um 

sich von dem Wunder zu überzeugen, wie vor einem Rätsel 
standen. 
Und doch war das Rätsel so leicht zu lösen: Sölve wollte 
jetzt leben. 
Auch die beiden Ärzte, die sich mit der Kranken so große 
Mühe gegeben hatten, sahen die so wunderbar veränderte 
junge Frau mit fachmännischer Neugier an. Und als Frau 
Fräse erzählte, was diese Veränderung bewirkt habe, 
schüttelte Doktor Fels verblüfft den Kopf. 
»Gnädige Frau, Sie können mehr als ich!« 
In Kaimucken hatte die Veränderung Sölves gemischte 
Gefühle hervorgerufen. Der Hausherr freute sich ehrlich, 

Ricarda und Elwira jubelten, Walburga war es gleichgültig, 
die Zwillinge hatten Grund, eine Stunde lang darüber 
aufgeregt zu schwatzen – und Frau Fränze und ihr 
Wunderknabe hatten ihre eignen Gedanken. 
Sölve hatte, als sie von Heikes Existenz hörte, sofort zu ihr 
eilen wollen. Allein die Ärzte, sowie auch Frau Fröse, 
hielten es für ratsam, ihr das auszureden. Da mußte sie erst 
soweit gekräftigt sein, um der Erschütterung, die ihr der 
Anblick des kleinen Wesens bringen mußte, tapfer 
standhalten zu können. 
Es kam aber auch der Tag, an dem Sölve neben Frau Fröse 
im Auto saß und der Kinderklinik zufuhr, wo Heike seit 

länger als zwei Jahren weilte. Sölve war so erregt, daß Frau 
Marga wieder einmal tiefe Sorge empfand. 
»Sölve, wenn du dich so unerhört aufregst, dann lasse ich 
sofort wenden – « 
»Aber Tante Marga, du siehst wieder einmal Gespenster«, 
zwang sie sich zu einem Lachen. »Ich bin ja ganz ruhig – « 
Sie riß sich nun tapfer zusammen, während die Gedanken 
in ihrem Hirn wie flatternde Vögel kreisten. Sollte sie doch 
nun endlich das Kind sehen, das Vermächtnis des Gatten, 
das zu lieben sie verpflichtet war. 
Als sie vor dem Bettchen des Kindes stand, flog diesem ihr 

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Herz sofort zu. Es war aber auch so ganz anders, als sie 
erwartet hatte. Aus einem durchsichtig zarten Gesichtlein 

schauten sie zwei tiefblaue Augen mit dem Ernst eines 
Erwachsenen an, der viel Leid erfahren hatte. Auf dem 
Köpfchen ringelten sich goldige Löcklein. Von einer 
geradezu überirdischen Schönheit war dieses engelgleiche 
kleine Geschöpf. 
»Heike-«, stammelte Sölve, erschüttert bis ins tiefste Herz. 
»Heike – du Süßes du -!« 
War es nicht, als wollte sich das Gesichtlein bei der 
zärtlichen Stimme zu einem Lächeln verziehn? Doch wohl 
nicht. Denn dieses Dinglein konnte ja nicht einmal 
lächeln, auch nicht die puppenkleinen Händchen bewegen. 
Es lag schon zwei Jahre regungslos da. Schon so lange, wie 

sein Leben währte. 
Sölve sah sich in dem Zimmer um, das vor Sauberkeit 
blitzte. Sah das Kind in seinem peinlich reinen Bettchen – 
und sah auch die Schwester, die gewiß die beste 
Kinderpflegerin der Klinik war. 
Sah aber auch deren kühle Augen. 
Da griff sie wie hilfesuchend nach der Hand Frau Fröses, 
die neben ihr stand und sie mit fast atemloser Spannung 
betrachtete. 
»Tante Marga – «, flehte Sölve. »Tante Marga, du bist doch 
ihr Vormund. Bitte, wir nehmen sie mit -!« 
Letzteres klang wie ein Schluchzen, und beruhigend 

streichelten die Hände der Frau über das heiße Gesicht des 
erregten Menschenkindes. Ein Aufatmen dehnte ihre Brust 
Gott sei Dank, nun war es geschafft. 
»Ich habe es von dir nicht anders erwartet, mein liebes 
Kind – «, entgegnete sie tief bewegt und wandte sich dann 
dem leitenden Arzt der Anstalt zu, der soeben eintrat. 
»Herr Doktor, wir nehmen das Kind mit. Das hat die 
Mutter des Kindes soeben bestimmt. Und daß es mein 
Wunsch ist, das wissen Sie ja.« 
Sie machte ihn mit Sölve bekannt, die ihn erwartungsvoll 
ansah. 

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»Wie Sie wollen, meine Damen. Aber ich weiß nicht, ob es 
im Sinne des Herrn Barons wäre, das Kind aus den 

gewohnten Verhältnissen zu reißen. Wenn Sie jedoch die 
Verantwortung übernehmen wollen – «, schloß er 
achselzuckend. 
»Die übernehmen wir – «, bemerkte Sölve kühl. »Das Kind 
kann doch hier nicht sein ganzes Leben verbringen.« 
»Das Leben wird nicht mehr lange währen – «, lächelte der 
Mann nachsichtig. 
»Gut, so mag das Kind in seinem Elternhaus dahingehen«, 
entschied sie fest, und Frau Marga sah sie wie gebannt an. 
War das ihre Sölve, ihre vor einigen Wochen noch so 
hilflose teilnahmslose Sölve, die hier sprach? Ein 
Glücksgefühl ohnegleichen erfüllte ihr Herz. 
 
Du reitest noch auf hohem Roß,
 
führst Habgier, Mißgunst, Streit in deinem Troß. 
Gib acht, das Schicksal reitet dir zur Seit, 
in des’ Gefolg gibt’s Gram und Herzeleid. 

 
Der Einzug des kleinen Schloßfräuleins brachte alles in 
Aufruhr. Helle Freude stand auf allen Gesichtern, und man 
war sofort bereit, das kleine Mädchen ins Herz zu schließen 

und ihm alles zuliebe zu tun. 
Zuerst mußte das Problem der Unterbringung gelöst und 
für eine Kinderpflegerin gesorgt werden. Wie gewöhnlich 
fand Tante Marga auch hier guten Rat. 
»Die ehelichen Gemächer stehen leer, Sölve. Dahin siedelst 
du nun endlich über. Neben dem Wohnzimmer liegt das 
Zimmer des kleinen Adalbert, das Heike mit Beschlag 
belegen kann. Ein schöner Raum für die Kinderschwester 
ist nebenan.« 
»Soll ich etwa die Räume meiner Vorgängerin bewohnen?« 
fragte Sölve ablehnend. 
Frau Fröse schüttelte den Kopf. »Wo denkst du hin, mein 

Herz! Die Möbel ihrer verstorbenen Schwester besitzt Frau 
Fränze längst. Hat sie für Walburgas Aussteuer bestimmt. 

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Gleich, nachdem sie entfernt waren, ließ Jobst die seiner 
Schwester Konstanze hineinstellen.« 

»Er soll sie doch aber gehütet haben wie ein Heiligtum.« 
»Das schon. Aber dir würde er sie gern überlassen«, tat sie 
zuversichtlich ab. »Und nun zur Schwesternfrage. 
Ich habe eine Schwester in der Klinik kennengelernt, die 
Heike eine kurze Zeit betreute. Die andere brachte sie 
durch allerlei Intrigen hinaus, weil sie den leichten und 
gutbezahlten Posten für sich haben wollte. In ihrer 
Empörung deckte erstere so allerlei Mißstände auf, worauf 
sie fristlos entlassen wurde. Nun kann sie keine Stellung 
finden, weil die Auskunft, die von der Klinik eingeholt 
wird, fragwürdig ist. Die holen wir uns, Sölve, die ist gut.« 
Nach einigen Tagen war alles geregelt, und Heike lag in 

dem Bettchen des Brüderchens, betreut von der jungen, 
frohen Schwester, die lange Zeit in einer Kinderklinik 
gearbeitet hatte und daher die nötige Erfahrung besaß. 
Sölve hatte die ehelichen Gemächer bezogen. Nebenan 
lagen die Zimmer des Gatten, die sie zuerst voller Scheu 
mied. Und als sie sich dazu zwang, sie eines Tages zu 
betreten, glaubte sie, das Herz müsse ihr brechen. – Hier 
hatte er gelebt, hier gewohnt – und nun – und nun – 
Bitterlich weinend, ließ sie sich am Schreibtisch nieder. So 
fand sie Frau Fröse. 
»Ich sage ja, man kann dich nicht eine Stunde allein 
lassen«, schalt sie zärtlich. 

»Komm, ich mache dir einen Vorschlag: Wir lassen den 
Kamin heizen und nehmen hier gemütlich unsern Kaffee. 
Die Tür zum Schlafzimmer lassen wir offen – und langsam 
wirst du dich an die Zimmer gewöhnen.« 
Sölve trocknete die Tränen. 
»Ach, Tante Marga, wenn ich dich nicht hätte! Ich müßte ja 
versinken in Kummer und Not-!« 
Die beiden Frauen hatten es sich am Kamin gemütlich 
gemacht. Über den runden Tisch mit der wertvollen 
Einlegearbeit, ein Geschenk Jührichs an den Freund, 
mitgebracht aus fernen Landen, war eine Kaffeedecke 

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gebreitet. Kuchen, Brot, Butter, Honig und Marmelade 
standen darauf und ein Schälchen mit Schlagsahne, die 

Sölve so gern aß. In der Kaffeemaschine brodelte es. 
Frau Fröse plauderte munter und humorvoll, um nur nicht 
die Traurigkeit gar zu sehr in Sölve aufkommen zu lassen. 
»Weißt du, Sölvelein, worüber ich mich wundere?« fragte 
sie jetzt. »Daß Frau Fränze noch keinen Wind von der 
Anwesenheit unseres Prinzeßleins bekommen hat, sonst 
wäre sie doch längst hier – « 
»Sie naht bereits«, unterbrach Sölve sie trocken. »Ich höre 
sie mit unserm Erzengel Michael die Einlaßformel 
wechseln.« 
So kam es, daß Frau Fränze, die sich über die würdige Art 
des Dieners wie gewöhnlich hochrot geärgert hatte, nun 

noch über die lachenden Damen wüten mußte. 
»Ihr sitzt hier und lacht – «, schalt sie verdrießlich, 
»während ich mich mit diesem bornierten Kerl von Diener 
herumschlagen muß. Ob der Mensch denn nie begreifen 
wird, daß ich zur Familie gehöre? 
Und wie kommt es, daß Ihr in Jobsts Zimmer sitzt? Sind 
diese Räume schon mit Beschlag belegt? Ich meine, man 
müßte erst die Testamentseröffnung abwarten. Meiner 
Ansicht nach gehören die Zimmer des Schloßherrn stets 
dem Erben.« 
»Und ich meine, daß es die Gemächer meines Gatten sind«, 
gab Sölve so freundlich zurück, daß Frau Fröse nur mit 

Mühe ein Lachen unterdrücken konnte. »Ihr trinkt doch 
eine Tasse Kaffee mit uns? Tante Marga, sei so lieb und 
klingle nach Michael.« 
Der Diener trat sofort ein und brachte zwei Gedecke und 
von den Eßwaren, die auf dem Tisch standen, eine 
beträchtliche Menge dazu. Er kannte ja den Riesenappetit 
dieser Gäste. 
Während sie aßen und tranken, waren sie verhältnismäßig 
ruhig. Doch nachdem sich Frau Fränze gesättigt hatte, war 
ihre Zunge wieder klar zum Gefecht. Hurtig ließ sie ihre 
scharfen Augen im Zimmer umherschweifen und kuschelte 

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sich dann behaglich in den bequemen Klubsessel. 
»Ja, um noch einmal darauf zurückzukommen, liebe Sölve. 

Du meinst also im Recht zu sein, wenn du diese Zimmer 
hier bewohnst?« eröffnete sie kampfbereit. »Und wenn sie 
Jobst in seinem Testament dem Erben zugesprochen hat?« 
»Dann soll er sie haben«, kam es gelassen zurück. »Aber 
vorläufig hat sie mir Tante Marga zugesprochen, die das 
Zwischentestament ja zur Verwalterin bestimmt hat. 
Das heißt, ich halte mich hier nur gern auf. Meine Zimmer 
sind nebenan, in dem die Möbel meiner Schwägerin 
Konstanzestehen.« 
»Was, sogar diese kostbare Einrichtung hast du dir 
angeeignet -?« rang Frau Fränze nach Luft. 
»Halt, keine Beleidigungen, liebe Fränze – «, unterbrach 

Sölve sie hochmütig. »Sonst wüßte ich als Herrin von 
meinem Recht Gebrauch zu machen. Damit du weißt, 
woran du bist, wollen wir den Verkehrston zwischen uns 
gleich festlegen: Wirst du unverschämt, so bin ich es auch – 
«, Sie schloß mit einer Harmlosigkeit, die Frau Fröse rasch 
das Taschentuch gebrauchen ließ. 
»Ach ja, was ich noch fragen wollte«, sagte Frau Fränze 
dann: »Stimmte es, daß du Heike aus der Klinik 
hierhergeholt hast?« 
»Ja, es stimmt. Ich gedenke sie auch hier zu behalten, 
wohin sie als Tochter des Hauses gehört.« 
»Das würde Jobst gewiß nicht billigen. Und ich auch nicht, 

da es sich um das Kind meiner Schwester handelt.« 
»Und ich bin die Mutter, Fränze – und für das Wohl 
meines Kindes verantwortlich.« 
»Deines Kindes? Mach dich nicht lächerlich, Sölve, das sind 
Phrasen, weiter nichts. Mich verbinden mit dem Kinde die 
Bande des Blutes.« 
»Mit einem Mal? Sonst erklärst du doch immer, daß es das 
kranke Blut seines Vaters hat.« 
Frau Fränze mußte sich geschlagen geben, was ihr wohl 
nicht oft geschah. Mit dem Gesicht einer gekränkten 
Königin erhob sie sich. 

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»Ich möchte das Kind meiner Schwester sehen.« 
Als sie vor dem Bettchen stand, schüttelte sie mißbilligend 

den Kopf. 
»Lieber Himmel, so ein kümmerlicher Wurm. Das könnte 
der liebe Gott doch endlich zu sich nehmen. Aber das läßt 
er natürlich leben, während er mein blühendes Kind, 
meine Gundel – « 
Ein paar Tränchen wurden zerdrückt, dann ging es weiter. 
»Und das ist nun das Kind meiner kerngesunden 
Schwester. Von uns hat es keinen Tropfen Blut in den 
Adern.« 
»Gott sei Dank – «, hätte Sölve fast erwidert, verschluckte es 
jedoch noch zur rechten Zeit. Und da Frau Fränze nun die 
Neugierde gestillt und festgestellt hatte, daß Heike wirklich 

in Uhlen war, rüstete sie zum Aufbruch. 
Roderich, der sich langweilte weil er sich bei den 
»Weibern« nicht wichtig machen konnte, zog maulend 
hintendrein. 
Als Sölve, die den Gästen das Geleit gegeben hatte, 
zurückkehrte, trat ihr Frau Fröse mit ausgestreckten Armen 
entgegen. 
»Komm, Mädel, ich muß dir einen Kuß geben! Du 
entwickelst dich ja fabelhaft. In dir findet die liebe Frau 
Fränze bestimmt noch ihren Meister«, schloß sie mit 
herzlichem Lachen. 
 
Freund, deine Schuld, die kenne ich kaum, 
gib ihr nicht Platz in des Herzens Raum. 
Nimm meine Hand, sieh mein Gesicht 
ich zürne dir nicht. 
 

Doktor von Jührich bewohnte ein entzückendes 
Schlößchen hoch über den Dünen. 
Er gehörte zu den beneidenswerten Menschen, die das 
Schicksal in eine goldene Wiege gelegt hat. Er verfügte dazu 
noch über hervorragende Geistesgaben, so daß er spielend 
leicht lernte und schon mit achtzehn Jahren die Universität 

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bezog. Er wurde Schiffsarzt und war an fremdländischen 
Hospitälern tätig, schloß sich Expeditionen an und lebte 

nach Lust und Neigung. Wenn das Heimweh zu arg wurde, 
kehrte er in die Heimat zurück, um einige Monate später 
seine Fernsehnsucht wieder zu stillen. 
Bei der letzten Heimkehr wäre es wohl wieder so 
gekommen, wenn ihm nicht Sölves Krankheit Fesseln 
auferlegt hätte, die Freundestreue, Barmherzigkeit, und 
Schuldgefühl geschmiedet hatten. Von diesem kam er nicht 
los, weil es seine feste Überzeugung war, daß die 
Unterredung mit dem Freund, die er heraufbeschworen, 
diese hartnäckige Krankheit verursacht hatte. 
Unermüdlich war er um die Kranke tätig, machte im Verein 
mit seinem Paukbruder Fels fast Unmögliches möglich. 

Wich nicht von Sölves Seite und zog sich erst zurück, als sie 
emporzublühen begann. Da erst war er restlos zufrieden 
aber das Schuldgefühl blieb. Er hatte nicht den Mut, der 
gesunden Sölve unter die Augen zu treten. 
An einem Dezembertage, als die helle Wintersonne den 
Schnee überfunkelte und jedes Schneesternchen einzeln in 
glitzernde Diamanten zu verwandeln schien, saß Jörn von 
Jührich in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch, wo er 
mit einer Reiseschilderung beschäftigt war. 
Sein Diener trat ein, den er sich von der Reise mitgebracht 
hatte und der in ergebener Treue an ihm hing. Ein junger 
Deutschamerikaner, klug und taktvoll. 

»Nun, Dick, was gibt’s?« 
»Frau Baronin von Götterun möchte Herrn Doktor 
sprechen.« 
Jührich blieb wie festgewurzelt stehen »Dick, du täuschst 
dich auch nicht?« 
»Wo wird er – «, meldete sich Sölve, die dem Diener gefolgt 
war. Augen lachten ihm entgegen, in denen sich des 
Himmels Bläue verfangen zu haben schien. Jührich stand 
mitten im Zimmer und rührte sich nicht. 
»Frau Sölve, Sie kommen zu mir wirklich zu mir-?« rang er 
sich endlich von seinen Lippen. 

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»Natürlich – «, lachte sie fröhlich. »Wenn Sie es nicht tun, 
dann muß ich doch damit anfangen. Wollen Sie mir nicht 

die Hand geben?« 
Jetzt bemerkte er erst die ausgestreckte Rechte, über die er 
sich nun voll Verehrung beugte. Er nahm ihr den eleganten 
Pelz ab, unter dem sie einen Pullover aus flauschiger 
Angorawolle trug und der so blau war wie ihre Augen. Sie 
zog das dazu passende Mützchen vom Kopf, auf dem sich 
ein Haar bauschte und wellte, hell und klar wie köstlicher 
Bernstein. 
Der Mann schaute sie wie gebannt an. »Frau Sölve – Sie 
sind ja schön – wunderschön – « 
»Ach, Sie meinen diesen Schopf hier?« schnitt sie eine 
Grimasse. »Der hat mir schon Kummer genug bereitet. 

Bernsteinhexe nannte man mich deshalb. Galantere sagten 
Möwe – « 
Möwe, ja – das konnte stimmen. So köstlich rein und frisch 
wehte es von ihr aus, wie der Atem des Meeres. 
Und Bernsteinhexe auch – weil ihre Augen so zauberschön 
waren und sie mit diesem sinnverwirrenden Lächeln die 
Menschen in ihren Bann zog. 
»Nehmen Sie bitte, Platz, Frau Sölve«, raffte er sich endlich 
auf. »Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?« 
»Natürlich! Kaffee mit allem Drum und Dran – und 
hinterher eine Zigarette.« 
Sie ließ sich in einen Sessel am Kamin nieder, und stumm 

nahm er ihr gegenüber Platz. Wie ein Kätzchen schmiegte 
sie ihren gertenschlanken, geschmeidigen Körper in das 
Polster, die schönen Beine bequem übereinanderschlagend. 
Da er selbstvergessen vor sich hinsah, konnte sie ihn in 
Muße betrachten. Auf dem hohen schlanken Körper, der 
nicht ein Lot zuviel hatte, saß ein rassiger Kopf mit einem 
klugen, vornehmen Gesicht. Die Augen waren blau und ein 
wenig schwermütig und verträumt, das Haar 
strahlendblond. Und Hände hatte der Mann, wunderbare 
Hände. 
Jetzt war sein Antlitz überschattet von Trauer. 

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»Warum sind Sie so traurig?« fragte sie leise. 
Er fuhr zusammen und strich sich über Augen und Stirn. 

»Das wissen Sie doch, Frau Sölve. Die eine unbedachte 
Stunde macht mir das Leben schwer.« 
»Unsinn – «, winkte sie ab. »Damals hatte ich die 
Sensibilität einer Kranken heute gebe ich Ihnen recht. Hier 
haben Sie meine Hand, schlagen Sie ein, Freund Jörn. Ich 
weiß von keiner Schuld nur noch von Freundesrecht.« 
Überwältigt ergriff er ihre Hand und drückte seine Lippen 
darauf - »Was sind Sie doch für ein tapferes, warmherziges 
Menschenkind«, sagte er leise, und sie lachte hellauf. 
»Haben Sie eine Ahnung!« 
Dick trat ein und zauberte in seiner gewandten, 
geräuschlosen Art einen Kaffeetisch herbei und verließ 

dann ebenso geräuschlos das trauliche Gemach. 
Sölve aß mit dem Appetit eines gesunden Menschen, und 
er konnte seinen Blick nicht von ihr wenden. 
»Frau Sölve, ich kann Ihre wunderbare Veränderung kaum 
fassen.« 
Sie griff nach einer Zigarette, er reichte ihr sein Feuerzeug 
herüber, und sie kuschelte sich wieder in ihren Sessel 
zurück. 
»Verändert habe ich mich gar nicht«, entgegnete sie lebhaft. 
»Ich habe nur wieder zu mir zurückgefunden. Ich verdanke 
es allen, die mir dazu verholfen haben. Und das gibt mir 
Mut zu meiner Bitte. Sie wissen, daß ich Heike in Uhlen 

habe?« 
»Ja. Und Ihre tapfere Entschiedenheit hat Bewunderung in 
mir erregt.« 
»Keine Bewunderung für eine Selbstverständlichkeit«, 
wehrte sie errötend ab. »Ich bin einfach dazu verpflichtet, 
Jobsts Kind an mein Herz zu nehmen. 
Nun hat Heike in der jungen Kinderschwester wohl eine 
vorzügliche Betreuerin, aber ohne ärztliche Aufsicht kann 
sie nicht bleiben. Der Doktor der Klinik, den ich bat, das 
Kind in Uhlen weiter zu behandeln, hat mir meine Bitte 
schroff abgelehnt. Da sind Sie nun der einzige, der helfen 

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kann. Wollen Sie, Jörn?« 
»Das können Sie noch fragen, Frau Sölve? Ich bin mit 

tausend Freuden der Ihre.« 
»O wie schön -!« lachte sie befreit auf. »Nun weiß ich unser 
Kleinchen in guter Flut. Kommen Sie gleich mit, damit ich 
Sie mit meinem Tausendschönchen bekannt machen 
kann?« 
»Tausendschönchen -? Wie reizend«, lächelte er weich. 
Und: 
»Tausendschönchen – «, sagte er auch, als er sich über das 
Kind beugte, ergriffen bis ins tiefste Herz hinein. 
Was in Menschenkräften stand, das wurde nun für das Kind 
getan. Doktor Fels und der tüchtige Landarzt Schlimm 
mußten heran mit ihrem Rat, Kapazitäten wurden an das 

Spitzenbettchen der kleinen Heike gerufen. Jeden Hinweis, 
jeden Rat nahm Doktor Jührich eifrig in sich auf. Studierte 
alle in Frage kommenden Bücher und war auch sonst 
unermüdlich um das Kind bemüht. 
Und es war, als ob seine fast übermenschliche Mühe nicht 
unbelohnt bleiben sollte. Denn eines Morgens, als er das 
Kinderzimmer betrat, kam ihm Sölve freudestrahlend 
entgegen. 
»Sie hat gelacht, Jörn – sie hat gelacht -!« jubelte sie 
zwischen Lachen und Weinen. 
Skeptisch trat er an das Bettchen, und schaute mit 
atemloser Spannung auf das Kind, dessen übergroße, 

unergründliche Augen zu Sölve emporstrahlten, die einen 
ulkigen Hampelmann tanzen ließ, der bei jeder Bewegung 
ein fideles Quietschen von sich gab. 
»Heikelein, schau mal, was die Mami hat«, kam es in 
unendlicher Zärtlichkeit von den roten Lippen. »Hin und 
her, auf und ab, zappelt unser Hannepapp«, sang sie lustig 
dazu. 
Und tatsächlich, das Kind verzog das Gesichtlein. 
»Haben Sie gesehen, wie sie gelacht hat?« fragte sie atemlos 
vor Freude. 
»Gelacht?« mußte er ihre herzzitternde Freude dämpfen. 

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»Gelacht ist zuviel gesagt. Aber es war immerhin ein 
schattenhaftes Lächeln.« 

»O Sie Wortklauber!« schalt Sölve entrüstet. »Heikelein, 
strafe seine Worte Lügen. Lach einmal – lach einmal 
richtig.« 
Als wolle das Geschöpfchen ihr zu ihrem Recht verhelfen, 
lächelte es diesmal stärker – und da war selbst der 
skeptische Onkel Doktor zufrieden. 
Nun ging es langsam bergauf. Unendlich mühsam war 
dieser Aufstieg, der oft genug einen Stillstand brachte. Aber 
ein Rückgang war nie zu verzeichnen. 
Es kam auch der Tag, an dem das kleine Wesen das winzige 
Händlein hob. Ein wenig nur, aber es rief unbeschreibliche 
Freude hervor. Die Händchen faßten zu, die Beinchen 

lagen nicht mehr so starr und steif auf dem Kissen, und das 
Köpflein bewegte sich hin und her. 
Jetzt galt es, das kleine Kreuz zu kräftigen. Das war nun die 
Aufgabe, die der unermüdliche Jörn sich gestellt hatte. 
Und auch das gelang. Immer größere Fortschritte waren zu 
verzeichnen. Bald schrie das kleine Mädchen durch das 
Schloß und verlangte energisch seinen Willen, den es auch 
immer bekam. 
»Jetzt pflegen wir sie – später erziehen wir sie – «, lachte der 
Arzt, der ja so froh war – fast so froh wie Sölve. 
 
Du trotziges Kind, du jung wildes Blut,
 
du kannst dir dein Glück nicht erzwingen, 
halte fein still, dann tust du gut,  
dein Fatum weiß schon, was er tut, 
überlaß ihm ein
 gutes Gelingen. 

 
Ricarda kam ebenso gern nach Uhlen wie ihr 
Schwesterchen Elwira. Wenn sie nur von zu Hause 
fortkommen konnte, dann scheute sie kein Wetter, machte 
sich freudig auf den Weg, um einige frohe Stunden bei 
ihrer geliebten Sölve zu verbringen. 
Doch seit einiger Zeit kam sie so oft, daß Sölve sie lachend 

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fragte, welche List sie denn immer anwende, um dem 
mütterlichen Gewahrsam zu entfliehen. 

Da senkte Ricarda das reizende Köpfchen und schwieg. 
Verschwieg der Freundin die Auftritte, die es wegen ihrer 
Heimlichkeiten zu Hause gab. Doch sie war taub und blind 
dagegen, ging sogar zum offenen Widerstand über, so daß 
die Mutter ganz ratlos war. 
An einem Sonntag war Ricarda schon am frühen 
Nachmittag nach Uhlen gekommen und weit über die 
übliche Zeit geblieben, so daß Sölve sie nach dem 
Abendessen nach Hause fahren ließ. 
Ungefähr zwei Stunden später war sie wieder da – 
blaugefroren, zitternd vor Kälte und mit einer 
dickgeschwollenen Nase. 

Die drei Menschen, die recht gemütlich zusammensaßen, 
sprangen erschrocken auf und starrten auf das Mädchen, 
das mit hängendem Kopf und hängenden Armen mitten 
im Zimmer stand. 
Frau Fröse erholte sich zuerst von ihrem Schreck. 
»Ricarda, was ist Ihnen geschehen? Sind Sie gefallen?« 
»Nein – «, kam es über die zusammengepreßten Lippen. 
»Meine Mutter hat mich geschlagen.« 
»Ricarda!« rief Sölve erschrocken und umfaßte die Schulter 
des Mädchens, das noch immer steif dastand, den 
trotzfunkelnden Blick ins Weite gerichtet. »Komm, setz 
dich, und erzähle, was es zu Hause gegeben hat.« 

»Ich darf bei dir bleiben, Sölve?« 
»Wenn es deine Eltern gestatten – « 
»Das glaube ich nicht – «, winkte sie gleichmütig ab und 
setzte sich in die Runde der anderen. 
Sölve klingelte Michael und bestellte Glühwein, der bald in 
den Gläsern dampfte. 
»Trink, Ricarda, damit du warm wirst«, redete sie gütlich 
zu. »Du bist doch sicherlich durch die klirrende Kälte 
gelaufen, ohne genügend bekleidet zu sein?« 
»Ja – das bin ich. Zum Ankleiden war keine Zeit. Dann 
hätte mich meine Mutter vielleicht totgeschlagen«, kam es 

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verbissen von den zuckenden Lippen. 
Sie kamen zu keiner Antwort, denn der Fernsprecher schlug 

an. 
Sölve nahm das Gespräch entgegen. 
»Ja, Julius, sie ist hier – «, hörte man sie sagen. »Natürlich 
kann sie hier bleiben. Du kommst her? Gut, ich erwarte 
dich.« 
Damit hängte sie ab und ging zu ihrem Platz zurück. »Dein 
Vater kommt her, Ricarda. War er dabei, als dich deine 
Mutter schlug?« 
»Nein, sonst wäre es nicht zu dieser Brutalität gekommen. 
Es ist ja nicht das erste Mal, daß sie mich schlug, sofern sie 
mein heimliches Fortgehen nach hier entdeckte. Aber heute 
hatte sie einen Kochlöffel in der Hand – « 

Die Lippen preßten sich wieder in Trotz und Grimm 
zusammen. Man fragte nicht weiter, ließ sie gewähren, die 
regungslos in ihrem Sessel saß und verbissen vor sich 
hinstarrte. Schneller als erwartet erschien dann Herr von 
Ragnitz. Von seiner Hand löste sich Elwira. 
»Sölve, ich bleibe bei dir!« erzählte sie aufgeregt, die junge 
Frau stürmisch umhalsend. 
»Wenn Sölve dich haben will«, setzte der Vater hinzu. 
Dann ging sein Blick zu Ricarda hin. 
»Siehst ja lieblich aus«, brummte er. »Von Rechts wegen 
müßte ich dir auch noch eine herunterhauen, du freches 
Gör. Du mußt dich ja nett betragen haben, daß die Mama 

so außer sich geraten konnte. Was du dir so eigentlich 
denkst, das möchte ich gern wissen. Läufst einfach von der 
Arbeit fort – « 
»Das ist nicht wahr!« unterbrach Ricarda mit 
trotzfunkelnden Augen. »Ich hatte, bevor ich fortging, 
meine Arbeiten alle erledigt, die reichlich genug bemessen 
waren.« 
»Na schön, da hilft alles Reden nichts, die Sache ist sowieso 
verfahren. Aber daß du die Hand gegen Mama erhoben 
hast – « 
»Das ist gelogen!« fuhr sie nun auf. Doch eine gebieterische 

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Handbewegung des Vaters ließ sie schweigen. 
»Hüte deine Zunge, Ricarda, und mach die vertrackte 

Geschichte nicht noch schlimmer, als sie ohnehin ist. 
Jedenfalls darfst du der Mama nicht mehr unter die Augen 
treten. Ihr Widerwillen gegen dich ist so groß, daß sie ihn 
sogar auf Elwira übertragen hat, die ja dein verjüngtes 
Ebenbild ist.« 
»Dann bleibe ich halt hier – « 
»Du glaubst wohl, daß Sölve ein Asyl für ungeratene 
Töchter hat?« brauste der Vater aber nun auf. »Nein, mein 
Kind, ich werde dich in eine Pension stecken!« 
»Nein!« schrie Ricarda auf. Ihre abwehrende Rechte stieß 
an die mißhandelte Nase, aus der das Blut zu rinnen 
begann. 

Jührich sprang auf, eilte in sein Zimmer und kam sehr bald 
mit einem blutstillenden Mittel zurück. 
Mit behutsamen Händen löste er das Taschentuch, das 
Ricarda gegen die Nase hielt, und behandelte das 
geschundene Ohr mit seinen geübten Arzthänden. Und 
Ricarda, die die Mißhandlung durch die Mutter, die Flucht 
durch den eiskalten Winterabend, die Vorwürfe des Vaters 
ohne Tränen hingenommen hatte, brach bei der zärtlichen 
Berührung des Mannes in bitterliches Weinen aus. Das 
zerschundene Gesichtchen auf seine Hände pressend, 
schluchzte sie so jammervoll, daß die andern davon 
ergriffen wurden. 

Und ihnen kam eine Ahnung, warum das junge Kind jede 
Stunde abgestohlen hatte, um hier sein zu können. Warum 
es Vorwürfe, Schelte und gar Schläge von Mutterhand auf 
sich genommen hatte wie eine kleine Heldin. 
Nur der, den es anging, schien nichts zu merken. Wie es ja 
in den meisten Fällen so ist. Er war jetzt ganz Arzt. Legte 
das Köpfchen rückwärts auf die Sessellehne, damit das 
fließende Blut zum Stillstand käme und hielt einen 
beruhigenden Trank an die Lippen. 
Sölve jedoch trat herbei und beugte sich voll Erbarmen 
über das Mädchen, das ihr ans Herz gewachsen war. 

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»Weine nicht, Ricalein«, beruhigte sie. »Ich behalte beide 
hier, die große und die kleine Rosenrot, da mag der Papa 

noch so viel reden.« 
Da ging ein Auftatmen durch den jungen Körper. Das 
Schluchzen ließ nach, und ein dankbarer Blick traf die 
liebste Freundin. 
»Na ja, ich sehe schon, da kann ich nichts mehr machen«, 
polterte der Vater, um seine Rührung zu verbergen. »Halst 
dir was Gutes auf, Sölve.« 
»Wenn ich die beiden lieben Menschen hier behalte?« 
lachte sie froh. »Damit tue ich mir den größten Gefallen.« 
Nun begann für die beiden Schwestern, die sich so sehr 
ähnlich waren, eine wonnevolle Zeit. Von herzlicher Liebe 
umhegt, konnten sie ihre Zeit herumbringen, wie sie 

immer ersehnt hatten. Elwira jubelte wie eine kleine Lerche 
durch das Haus. Am liebsten war sie bei der kleinen Heike 
und war glückselig, wenn das Kind ihr lachend die 
Ärmchen entgegenstreckte. 
Allein Ricarda blieb still und bedrückt. Sie schien das 
Lachen verlernt zu haben. Nur wenn sie mit Sölve 
musizierte, dann wurde sie froher. Süß und klar klang ihre 
Stimme auf und schlug die Zuhörer in ihren Bann. 
»Ich weiß nicht, welche schöner ist«, sprach Jörn von 
Jührich eines Tages zu Frau Fröse, mit der er sich dem 
musikalischen Genuß hingab. »Die bezaubernde 
Bernsteinhexe oder die süße Rosenrot. Beide sind so 

wunderbare Rassegeschöpfe. Man weiß wirklich nicht, 
welcher man den Vorzug geben soll.« 
Da klang die volle Stimme Sölves auf. Sie sang selten, ließ 
lieber die Freundin singen, deren Stimme sie so gern hörte. 
»Sie war doch sonst ein wildes Blut, jetzt geht sie tief in 
Sinnen«, klang es herzbetörend auf. »Hält in der Hand den 
Sommerhut und duldet still der Sonne Glut und weiß 
nicht, was beginnen – « 
Frau Fröse sah besorgt auf den Mann, der selbstvergessen 
auf die Sängerin schaute. 
Armer Freund – dachte sie traurig. Und arme Rosenrot. 

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Muß es erst immer Kämpfe geben, bevor alles wird, wie es 
gut ist? 

Sie sah auch, wie Ricarda das Köpfchen senkte und still das 
Zimmer verließ. 
Der Mann bemerkte es nicht. Er schrak erst aus seinen 
schmerzlichen Sinnen auf, als Sölve den Gesang abbrach 
und Ricarda nachging. Diese hatte sich über das Bett 
geworfen und weinte, als müsse sie sich das Herz aus dem 
Leibe schluchzen. 
»Rosenrot, was ist das für ein Unsinn, einfach 
davonzulaufen und hier zu weinen!« schalt Sölve zärtlich. 
Da richtete sich das Mädchen auf und warf in 
leidenschaftlicher Heftigkeit ihre Arme um die junge Frau. 
»Sölve, du liebst ihn ja nicht - Sölve, nimm ihn mir doch 

nicht fort!« jammerte und flehte sie, nicht mehr aus noch 
ein wissend in ihrer Not. »Dir ist er nicht mehr als ein 
Freund - und ich – ich liebe ihn doch so sehr!« 
»Ricarda, nun höre mal auf zu weinen«, gebot Sölve 
energisch. »Das sind doch alles nur Hirngespinste, mit 
denen du dir das Leben schwer machst.« 
»Er liebt dich doch«, wehrte Ricarda verzweifelt. 
»Wer sagt dir das? Unser Jörn ist viel zu klug, um nicht zu 
wissen, daß er mir nur ein guter Freund sein kann. Und 
nun trockne die Tränen, die dich nur häßlich machen. Und 
du willst ihn doch mit deiner Schönheit bezaubern.« 
»Sölve, du lachst – und mir will – Herz brechen – « 

»So leicht bricht kein Herz, du süßes Schaf! Und nun 
komm! Bezaubere ihn mit deinem Sirenengesang, dem er 
so gern lauscht. Der liebt dich schon mehr, als er ahnt. Du 
mußt nur Geduld haben.« 
 
Wenn du auf etwas fest gehofft,
 
und es wird dir zerschlagen, 
dann hast du Grund zu klagen. 

 
Im April hatte Frau Fränze große Sorgen: die 
Testamentseröffnung stand bevor. 

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Ein Jahr nach dem Tode des Herrn von Uhlen sollten seine 
Bestimmungen zur Kenntnis gebracht werden. So hatte 

Jobst von Götterun bestimmt. 
Und dieser Tag war der fünfte April. 
Sie wäre fast zusammengebrochen, als der große Tag 
vorüber war. Enttäuscht, verbittert, neid- und haßerfüllt 
mußte sie ihn, um den sich jahrelang ihr Sinnen und 
Trachten gewoben hatte, beschließen. 
»Was wir geerbt haben, ist ein Dreck!« schrie sie dem 
Gatten verbissen entgegen, der sie trösten wollte. 
»Nimm doch ein wenig Rücksicht auf die Kinder«, mahnte 
er, auf die kleine Schar deutend, die verschüchtert im 
Wohnzimmer saß. Und Elwira und Ricarda waren wieder 
dabei. 

»Wer nimmt denn auf mich Rücksicht?« schrie sie 
unbeherrscht. »Wenn ich daran denke, daß diese 
hergelaufene Sölve – Ach, es ist zum Wahnsinnigwerden«, 
weinte sie nun laut und warf sich in den nächsten Sessel. 
Wie ein verwöhntes Kind, dem einmal nicht der Wille 
getan wurde, heulte sie. 
Der Gatte ließ sie gewähren. Vielleicht überwand sie ihre 
Enttäuschung so schneller. Als sie jedoch Verwünschungen 
ausstieß, die Sölve, Heike – und vor allem das dem toten 
Jobst galten, da wurde es ihm zuviel. 
»Nun hör endlich auf!« herrschte er sie an. »Was willst du 
eigentlich? Ich finde, daß Jobst großherzig genug gewesen 

ist. Fünfzigtausend Mark für Kaimucken, je zehntausend 
Mark als Aussteuer für die Mädchen – Frau, ist das noch 
nicht genug? Weißt du, was ersteres für uns bedeutet? 
Endlich ein sorgloses Wirtschaften nach der Mühsal 
vergangener Jahre. Nicht mehr fürchten zu müssen, 
nächstes Jahr zu Ende zu sein und von der Heimat 
vertrieben zu werden. Auch einmal eine Mark ausgeben 
dürfen, die nicht genau abgezählt ist. Den Mädchen kannst 
du eine Aussteuer mitgeben!« 
»Mein armer, armer Roderich – mein armer betrogener 
Sohn!« heulte sie dazwischen, so daß ihm die Geduld 

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vollends riß und er mit der Faust auf den Tisch schlug, daß 
Frau Fränze nun doch für ratsam hielt, sich endlich zu 

beherrschen. 
»Hör mit dem fürchterlichen Geheule auf – oder, bei Gott, 
ich werfe dich zum Hause hinaus!« donnerte er. 
»Benimmst dich wie ein ungezogenes Gör, nicht wie eine 
Frau von fast fünfzig Jahren und Mutter von sieben 
Kindern. Ich finde, daß Roderich glänzend bedacht ist. 
Erziehungsgeld, freies Studium, später das schöne Gut – « 
»Was ist das alles gegen Uhlen!« jammerte sie nun wieder. 
»Das besitzt nun diese Sölve und später der kleine Idiot, 
den der liebe Gott mir zum Possen bestimmt hat und leben 
läßt. Auch diese Sölve, die doch schon halbtot war – so was 
bleibt natürlich leben, während meine arme Gundel -

Verrückt kann man werden, wenn man über alles 
nachdenkt! Wenn die beiden in Uhlen doch bald der – « 
»Fränze!« schrie Herr von Ragnitz auf und umklammerte 
das Handgelenk seiner Frau, die sich unter diesem harten 
Griff wimmernd wand. Sein Antlitz war aschfahl. 
»Weib, kennt deine Habgier denn keine Grenzen?« stieß er 
zwischen den Zähnen hervor. »Zwei unschuldigen 
Menschen den Tod zu wünschen, damit du und dein 
Abgott eure Herrschsucht in Uhlen befriedigen könnt. Und 
dabei ist einer davon das Kind deiner Schwester und das 
Kind des Mannes, der uns mit seinem Vermächtnis ein 
ruhiges, sorgenfreies Leben verschaffte. Ich habe dir schon 

einmal mit der Nemesis gedroht – und tue es heute wieder. 
Sieh in die entsetzten Augen deiner Kinder und schäme 
dich!« Die Tür knallte hinter ihm zu. 
Und so endete der Tag, von dem Frau Fränze alle sieben 
Seligkeiten erwartet hatte. 
 
Greif nicht nach den Sternen, 
das hat noch niemals Glück gebracht. 
Such dein Glück im Erdenrund, 
dann kommt es über Nacht.  
 

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Hatte das Testament Jobst von Götteruns in Kaimucken so 
höllischen Aufruhr entfacht, so brachte es nach Uhlen 

Frieden und Freude. Es war bis ins kleinste durchdacht und 
jede Möglichkeit in Erwägung gezogen worden. 
Sölve und Heike waren zu gleichen Teilen die 
Haupterbinnen. Sollte sich jedoch Sölve wieder 
verheiraten, so wäre Heike die Alleinerbin Uhlens, und 
Sölve erhielt eine Abfindung von hunderttausend Mark 
und das größte der Nebengüter. 
Sollte eine der Haupterbinnen bei der Testamentseröffnung 
jedoch nicht mehr am Leben sein, so falle das Erbe 
ungeteilt an den Überlebenden. 
Falls jedoch beide Erbinnen tot sein sollten, dann erbe 
Roderich von Ragnitz die Herrschaft Uhlen, wenn er von 

der Kommission, bestehend aus Julius von Ragnitz, Jörn 
von Jührich, Franz Habermann oder deren von ihnen 
bestimmten Stellvertretern für würdig befunden sei. Sonst 
würde Uhlen Fideikommiß. 
Frau Marga Fröse blieb bis zu ihrem Tode 
Schloßverwalterin, wozu das Zwischentestament sie bereits 
bestimmt hatte. Zu Lebzeiten der Erbinnen hätten diese sie 
als Mutter zu ehren und ihr den Platz einer solchen in 
Uhlen zu belassen. Ihr stehe ein Nadelgeld von jährlich 
sechstausend Mark zu. 
Oberinspektor Franz Habermann bleibe der 
uneingeschränkte Verwalter Uhlens bis zu seinem Tode. Er 

hätte auch seinen Nachfolger zu bestimmen. Die Treue 
dieses aufrechten Mannes wäre immer wieder erprobt; es 
bestünde daher kein Zweifel, daß er eine gute Wahl treffen 
würde, die außerdem von schon genannter Kommission zu 
begutachten wäre. Das Gehalt des Herrn Habermann sei 
auf das Doppelte zu erhöhen. 
Ferner sei er zum Vormund Roderich von Ragnitz 
bestimmt, falls ihm Uhlen zufallen sollte. 
Bestimmungsberechtigt sei er erst nach dem Tode des 
Verwalters. 
Seinem Vetter Julius von Ragnitz fielen fünfzigtausend 

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Mark zu, und seinen Töchtern je zehntausend Mark 
Aussteuergeld. Seinem Sohn Erziehungsgeld, freies 

Studium und bis zu seiner Volljährigkeit das kleinste 
Nebengut, das auch sein Eigentum bliebe, falls sich die 
andere Erbschaft zerschlagen sollte. 
Dann folgten noch Legate für treue Gutsbeamte und 
Arbeiter, und damit war das Testament abgeschlossen. 
Über das sprachen nun Sölve und Jörn von Jührich. 
»Ich habe nicht gewußt, daß die Erbschaft so groß war, die 
Jobst gemacht hatten.« sagte er traurig. »Armer, lieber 
Freund, daß du nichts mehr davon haben durftest. Ich 
kann seinen Tod einfach nicht überwinden.« 
»Nein, das kann man nicht«, entgegnete Sölve mit einer 
Stimme, in der die Tränen saßen. »Darum sind Sie mir ja so 

lieb, Jörn, weil Sie auch Schmerz um Jobst tragen.« 
»Nur deshalb, Frau Sölve?« fragte er mit so trauriger 
Stimme, daß ihr das Herz weh tat. 
»Natürlich nicht nur deshalb allein, Jörn«, zwang sie sich 
zu einem harmlosen Ton. »Oder soll ich Ihnen all Ihre 
Vorzüge aufzählen?« 
»Um Gottes willen – nicht«, wehrte er müde ab. »Wollen 
Sie mich denn gar nicht verstehen?« 
»Nein«, erwiderte sie klar und fest. »Ich will nicht – und ich 
darf nicht. Jeder Mensch hat nur ein Herz, Freund Jörn und 
das meine nahm Jobst mit ins Grab. Und was der Mensch 
nicht mehr besitzt, das kann er nicht geben.« 

»Frau Sölve, wissen Sie, daß Sie mir soeben jede Hoffnung 
genommen haben?« sagte er bitter, und sie gab sich Mühe, 
seinem schwermütigen Blick standzuhalten. 
»Freund Jörn, lassen Sie uns einmal offen reden«, sagte sie 
weich. »Was würde es Ihnen nützen, wenn ich Ihren 
Hoffnungen Gehör schenkte? Ich sagte Ihnen doch eben, 
wer mein Herz besitzt. Wollen Sie sich mit Almosen 
zufriedengeben?« 
»Nur das nicht!« stieß er hervor. »Wenn es so ist, dann 
lieber – verzichten.« 
Er erhob sich so brüsk, daß Sölve erschrak. Mit einem 

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Schmerzgefühl ohnegleichen sah sie ihm nach, wie er rasch 
das Zimmer verließ. 

 
Frau Fränze, schließe die Tore zu, 
es naht ein unheimlicher Gast 
Schließ die Pforten fein 
und laß ihn nicht ein, 
wenn du es nicht tust, 
wirst du traurig sein, 
wirst du klagen ohn’ Ruh und Rast. 

 
Die verlorene Erbschaft hatte Frau Fränze so schwer 
getroffen, daß sie sich nicht mehr zurechtfinden konnte. 
Sie jammerte und weinte, härmte und sorgte sich, nörgelte 
und schalt und machte ihren Angehörigen daß Leben bitter 
schwer. 
Dies alles nahm Frau Fränze so gefangen, daß ihr für die 
Töchter wenig Zeit blieb. Sie war zufrieden, daß Ricarda 
willig ihre Arbeit tat. Sah nicht, wie das Mädchen mit 
jedem Tag elender wurde. 

Doch der Vater sah es – und das Herz tat ihm weh. Er 
wußte wohl, woran sein Kind krankte, aber er vermochte 
ihm ja nicht zu helfen. Er zerbrach sich den Kopf, wie er 
seinem Liebling eine kleine Freude bereiten könnte. 
Endlich schien er etwas gefunden zu haben. 
»Ich muß heute noch nach Uhlen, wo ich mir einen Rat 
Habermanns einholen möchte«, erklärte er eines Tages bei 
Tisch, und da fuhr Frau Fränze auf. 
»Nach Uhlen willst du? Schämst du dich gar nicht?« 
»Nun schlägt’s dreizehn!« lachte er amüsiert. »Warum soll 
ich mich schämen, wenn ich die Absicht habe, nach Uhlen 
zu fahren?« 

»Weil das dort unsere Feinde sind. Ich habe den Kindern 
verboten, das Haus zu betreten.« 
»Schlimm genug«, unterbrach er sie in dem energischen 
Ton, den er jetzt oft für sie hatte. »Ich wünsche aber, daß 
die Kinder den Verkehr mit den mir lieben Menschen 

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aufrechthalten. Sie werden jeden Sonntag hinfahren. Und 
wenn es irgend geht, auch einmal in der Woche. Du 

brauchst die Mädchen jetzt nicht mehr so einspannen, hast 
nun Geld, um dir noch eine Hilfe zu halten.« 
Für diese energische Bestimmung waren ihm seine Kinder 
von Herzen dankbar. 
Hauptsächlich Ricarda. Jede Woche wenigstens einmal den 
Mann sehen zu dürfen, den sie doch so schmerzlich liebte, 
war schon ein Glück für sie. 
Am Tage nach der Unterredung mit Sölve hatte Jörn so 
ganz nebenbei erklärt, daß er nun wieder reisen werde. 
Heike sei gottlob so weit, daß sie auch ohne ihn 
vorankommen würde. Er begann seine Pläne kundzutun 
und schwieg dann plötzlich, als er dem schmerzzitternden 

Blick Sölves begegnete. Beschämt senkte er das Haupt. Frau 
Fröse war stumm hinausgegangen. 
»Frau Sölve – ich kann Ihren Blick nicht ertragen, bitte, 
nicht so – « 
»Jörn, ist es eines Mannes würdig, so feige zu kneifen?« 
hatte sie traurig gefragt. »Denken Sie denn gar nicht daran, 
wie mir zumute sein muß, wenn ich Sie von hier verjage? 
Jörn, seien Sie doch nicht so entsetzlich blind! Wollen Sie 
denn gar nicht sehen, ein wie heißes Herz hier für Sie 
schlägt, wie es sich in Gram und Leid fast verzehrt und – « 
»Aha, das berühmte Pflaster – «, war er unwillig 
dazwischengefahren. »Ich hätte anderes von Ihnen erwartet 

– « 
»Und ich von Ihnen. Sie könnten unerhört glücklich 
werden, wenn Sie nur wollten. Machen Sie die Augen auf, 
schauen Sie hellen Blickes um sich – mehr will ich Ihnen 
nicht sagen – « 
Damit war sie hinausgegangen, weil ihr jämmerlich 
zumute war. 
Aber ihre eindringlichen Worte verhallten nicht ungehört. 
Zu ihrer Freude konnte sie feststellen, daß er nun wirklich 
um sich schaute. Wie seine Augen immer mehr 
aufleuchteten, wenn er Ricarda sah, mit welchem Genuß er 

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ihrem Gesang lauschte… 
Ricarda kam wieder oft nach Uhlen. Auch die Zwillinge 

stellten sich regelmäßig ein. Nur Burga und Roderich 
ließen sich selten sehen. Erstere, weil sie keinen Kontakt 
mit den Uhlenern finden konnte, letzterer, weil es ihm zu 
langweilig war. 
Mit Frau Fränze wurde es immer ärger. Sie stachelte den 
Ehrgeiz des Jungen mehr und mehr auf und beugte sich 
demütig vor ihrem Wunderknaben wie vor einem 
Heiligtum. Man fragte sich in Kalmücken wie in Uhlen“, 
was daraus noch werden sollte. 
Das Schicksal gab die Antwort darauf. 
Eines Tages brachte man Frau Fränze ihren Abgott – tot. 
Er war bei einer halsbrecherischen Turnübung gestürzt und 

hatte sich das Genick gebrochen. War ein Opfer seines 
fanatischen Ehrgeizes geworden. Von dem Lehrer war ihm 
immer wieder untersagt worden, diese schwere Übung 
auszuführen, und da hatte er sich heimlich in die Turnhalle 
geschlichen. Er wollte doch mal sehen, ob er unmöglich 
Scheinendes nicht möglich machen könnte. 
Und das war sein Ende gewesen. 
Es gab kaum einen, der den tragischen Tod des 
hochbegabten Knaben nicht tief bedauert hätte. 
Der Vater trug Schmerz genug um seinen einzigen Sohn – 
doch am meisten war natürlich Frau Fränze getroffen. 
Zuerst stand sie diesem Furchtbaren fassungslos gegenüber, 

aber dann setzte ein Toben ein, daß man für ihren Verstand 
fürchten mußte. 
Es war unheimlich still im Zimmer. Bis Ricarda laut 
aufschluchzte. Sie eilte zur Mutter, sank vor ihr in die Knie 
und umfaßte sie mit beiden Armen. 
»Mama, liebe, liebe Mama - sei doch nicht so traurig -!« 
flehte sie in heißer Herzensangst. »Du hast ja noch uns – 
wir haben dich alle so lieb -!« 
Der Blick der Frau sah auf sie nieder, wanderte dann weiter 
über die anderen Kinder hinweg – bis er an Elwira haften 
blieb - »Ihr beide – ihr lebt natürlich – «, stieß sie in 

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unheimlicher Ruhe zwischen den Zähnen hervor. 
Da barg Herr Ragnitz mit dumpfem Stöhnen sein Haupt in 

beide Hände, während Ricarda mit einem Wehlaut die 
Arme sinken ließ. Ihr Kopf schlug vorwärts auf den Boden. 
Jörn von Jührich eilte zu Hilfe, und Sölve folgte ihm. Auf 
sie heftete sich nun Frau Fränzes stierer Blick. »Hinaus -!« 
schrie sie, daß ihr die Stimme überschlug. »Du bist schuld 
an seinem Tode – du hast ihm sein Erbe gestohlen -! Das 
hat er nie überwinden können…« 
Damit sank sie ohnmächtig zusammen. 
 
Ich nehme dich auf voll Barmherzigkeit,
 
bei mir kühlst du all dein brennendes Leid, 
du verirrtes Herze du. 
Meine Welle, die wieget fein sacht dich ein, 
wie ein banges, schlafmüdes Kindelein, 
zur süßen, seligen Ruh. 
 
Man mußte wohl sagen, daß Frau Fränze nicht nur starke 
Nerven, sondern auch ein starkes Herz hatte. Schon zwei 

Wochen nach dem Tode ihres Sohnes war sie wieder in 
Haus und Küche tätig und führte ein strenges Regiment. 
Nach den vier abwesenden Töchtern fragte sie nie, schien 
nur noch ein Kind zu besitzen, mit dem sie fast die gleiche 
Abgötterei trieb, wie es bei Roderich der Fall gewesen war. 
Ihr ganzes Sinnen und Trachten ging darauf hinaus, 
Walburga mit dem jungen Eutel zu verheiraten. 
Wohl sah sie, daß das früher so blühende Mädchengesicht 
unheimlich blaß aussah, daß um Augen und Mund ein 
herber Schmerzenszug lag. Sie machte sich jedoch keine 
Gedanken darüber, sondern schob es auf Blutarmut, die 
bald behoben sein würde. 

An einem Nachmittag saß sie mit Burga im Wohnzimmer. 
Stolz hielt sie den gestickten Überzug eines Sofakissens in 
die Höhe. 
»Schau mal, Burgalein, ist mir die Arbeit nicht gut 
gelungen?« fragte sie eifrig. »Dieser Überzug kommt auf das 

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Kissen, das das kleine Sofa zieren soll. Ist doch gut, daß ich 
Tante Bettinas Nachlaß verlangte, nun wird er dir gute 

Dienste leisten. 
Übrigens hat Papa mit Sölve des Gutes wegen gesprochen, 
das unserm armen Roderich gehörte. Nun sollst du es 
haben. Da kann der Eutel lachen, der macht eine gute 
Partie.« 
Walburga, die an einer feinen Handarbeit stichelte, hob 
den Kopf. 
»Muß es Eutel sein, Mama – kann es nicht auch ein anderer 
sein?« fragte sie leise, und Frau Fränze fiel aus allen 
Wolken. 
»Aber Kind, was ist das für eine Frage! Du warst doch für 
eine Verbindung mit Eutel Feuer und Flamme.« 

»Zuerst wohl, Mama – aber später nicht mehr. Ich liebe ihn 
nicht. Ich liebe einen andern.« 
Bei dieser unerwarteten Eröffnung war Frau Fränze zuerst 
fassungslos, doch dann stieg tiefe Empörung in ihr auf. 
»Na, das ist ja noch schöner! Wer ist es überhaupt?« 
»Achim Garzer.« 
»Was -?« schrie Frau Fränze so schrill auf, daß die Tochter 
schmerzlich zusammenzuckte. »Diesen Fixfax, diesen 
Bettelmatz -!« Sie schien keine weiteren Worte der 
Verleumdung zu finden. Mußte erst verschnaufen, ehe sie 
weiter schalt. 
»Dieser Luftikus! Und du, meine Burga, mein schönstes 

und stolzestes Kind, für das ich meine Hand ins Feuer 
gelegt hätte, fällst auf diesen Kerl herein! Na, Gott sei 
Dank, daß man diese geschmacklose Verirrung noch im 
Keime ersticken kann. Mein Gott, mein Gott, was habe ich 
bloß verbrochen, daß ich solche Kinder haben muß.« 
»Mama, ist es denn so schlimm, daß ich den Achim liebe?« 
fragte Burga bang. »Er ist doch aus guter Familie, und ganz 
arm ist er auch nicht. Wenn wir das Gut bekommen, dann 
sitzen wir doch gleich im warmen Nest.« 
Diese Erwähnung ließ Frau Fränze auffahren, als habe sie 
durch und durch ein Stich getroffen. 

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»Natürlich, damit es diesem Hungerleider ja recht bequem 
gemacht wird -!« schrie sie krebsrot vor Wut. »Sich ins 

warme Nest setzen, mit einer Ragnitztochter, das könnte 
ihm so passen. Und das zu erreichen, hat er dir wohl 
blauen Dunst vorgemacht -?!« 
»Mama, nicht so -!« flehte das Mädchen verzweifelt. »Bitte, 
liebe Mama nicht so -!« 
Aber sie hörte nicht die Herzensnot ihres Kindes, war taub 
und blind. 
»Ich will dir mal was sagen, Burga: Ehe ich zugebe, daß du 
diesen Garzer heiratest, eher werfe ich dich eigenhändig ins 
Meer-!« 
»Mama, ich muß ihn doch heiraten ich muß -!« schrie sie 
in Qual und Not und da sauste ihr auch schon die Hand 

der Mutter ins Gesicht. Wie Wahnsinn flackerte es in den 
Augen der tiefgereizten Frau. 
»Ich werde dich lehren, was du mußt! Hinaus – und tritt 
mir nicht mehr unter die Augen – nie mehr! Oder, bei 
Gott, ich schlage dich tot – «, brüllte sie in höchster Not. 
Und da stürzte das von Grauen geschüttelte Mädchen 
hinaus. 
Vollkommen erledigt fiel Frau Fränze in den nächsten 
Sessel. Stierte mit glasigen Augen vor sich hin. 
Und ging fünf Minuten später mit verbissenem Eifer an die 
Arbeit. 
Zum Abendessen saß sie dann allein mit dem Gatten an 

dem langen Tisch, wo einst soviel lachendes Leben mit 
Appetit geschmaust hatte. Es war so unheimlich still, daß 
der Mann nervös wurde. 
»Wo ist Burga?« fragte er gereizt. 
»Die bockt, weil ich ihr eine gelangt habe.« 
»Nanu, kommt das bei unserm ehrbaren Fräulein auch mal 
vor?« spottete er gutmütig. 
»Ehrbar, von wegen – «, lachte sie verärgert. »Solche Kinder 
haben andere Leute. Wir haben nur solche, über die wir 
uns grün und blau ärgern müssen.« 
»Nanu, hat sie die Suppe anbrennen lassen, Milch zuwenig 

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angeschrieben oder einen Teller vom Staatsgeschirr 
zerschlagen -?« 

»Höhne nur, es wird dir schon vergehen, wenn du hören 
wirst, daß sich ausgerechnet Burga in den Garzer vergafft 
hat. Man kann sich tatsächlich die Galle ins Blut ärgern.« 
Der Hausherr sah überrascht auf. 
»Was du nicht sagst«, schmunzelte er. »Schau dir einmal 
unsere Burga an. Ausgerechnet den flotten Garzer sucht sie 
sich aus. Na ja, Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. 
Sind sie denn schon einig?« 
»Einig? Meine Tochter Burga hinter meinem Rücken mit 
einem Mann einig?« fragte sie aufgebracht. »Daran ist zu 
sehen, wie wenig du das Mädchen kennst. Sie faselte wohl, 
daß sie heiraten muß, aber die Ohrfeige wird ihr schon 

beibringen, wer hier zu müssen hat.« 
Herr Julius ließ Messer und Gabel sinken und sah der 
Gattin in das verärgerte Gesicht. 
»Wo ist sie?« fragte er kurz. 
»Weiß ich’s? Wahrscheinlich in ihrem Zimmer.« Er stand 
auf, ging hinaus. 
Kam schon einige Minuten später wieder – schleppenden 
Schrittes, wie gebrochen. Das Gesicht war aschfahl, die 
Augen flackerten wie im Fieber »Lies – «, würgte er hervor, 
ihr einen kleinen Zettel hinhaltend. »Weib – lies, lies laut 
und dann brülle deine Schandtat hinaus -!« 
Nun bekam Frau Fränze doch Angst vor dem 

merkwürdigen Gatten. Zitternd ergriff sie das weiße Blatt. 
»Ich weiß nicht mehr ein noch aus. Ich weiß nur, daß 
Mama mich totschlägt, wenn sie erst alles weiß. Ich bin 
auch  so  sehr  müde  –  die  See  wird  barmherzig  sein  – 
Burga.« 
Er hörte nicht ihr jammerndes Schreien, stürzte hinaus und 
kam nach Stunden wieder, einen Schal Burgas in der Hand. 
– »Weib, du bringst mir meine Kinder um – Stück für Stück 
– «, lallte er wie ein Trunkener und stierte auf die Frau, die 
voll zitternder Angst bis in die äußerste Ecke zurückwich. 
Er ging ihr nach taumelnd – schwankend – mit 

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blutunterlaufenen Augen – die Fäuste nach ihr geballt. 
»Hilfe -!« schrie sie gellend auf. Da brach er mit einem 

dumpfen Stöhnen zusammen. 
 
Vom Schicksal bleibt dir nichts geschenkt, 
es legt einem jeden sein Schuldbuch vor.  
Und wenn du glaubtest, du bliebest verschont,  
dann bist du ein eitler, verblendeter Tor.  
 
Entsetzt starrten die Menschen, die in Uhlen beim 
Frühstück saßen, auf den Mann, der taumelnd das Zimmer 

betrat. Mit einem ächzenden Laut sank er auf den nächsten 
Stuhl, stierte seine Kinder der Reihe nach an: »Eins – zwei – 
drei vier – «, zählte er dumpf. »Vier von sieben. Ihr kennt 
doch wohl den Vers: Es ist eine alte Geschichte, und ist doch 
ewig neu. Und wem sie just passieret, dem bricht das Herz 
entzwei -?
 
So eine alte neue Geschichte will ich euch jetzt erzählen – « 
Und zwischen zusammengebissenen Zähnen stieß er sein 
gestriges Erlebnis hervor. 

»Ja, so war es«, sprach er dann mit unendlich müder 
Stimme weiter. »Und als ich heute zum Garzer ging, um 
ihn windelweich zu prügeln, sank meine Faust herab, als 
ich sein verständnisloses Gesicht sah. Was ich denn von 
ihm wolle? Er könnte doch wirklich nichts dafür, daß 
Burga die Nerven verloren hätte. Als er hörte, daß ihr 
unerlaubter Verkehr nicht ohne Folgen geblieben sei, habe 
er Burga anheimgestellt, die Sache mit ihren Eltern zu 
regeln, wonach er sie heiraten würde. Mehr könne man 
nicht von ihm verlangen, zumal Burga ihm nachgelaufen 
sei und keine Ruhe gab. Schon in Kaimucken wäre sie zu 
ihm ins Zimmer gekommen. Bis hierher sei er verfolgt 

worden… 
Das alles sagte er mir in seiner freimütigen Art – und was 
sollte ich darauf antworten? Die Sache würde normal 
verlaufen sein, hätte Burga bei ihrer Mutter Verständnis 
gefunden – nicht Drohung und Ohrfeigen. Diese Ehe wäre 

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nicht schlechter geworden als viele andere. Und nun – nun 
ist alles aus – « 

Er barg sein vergrämtes Antlitz in den Händen. 
Laut schluchzend umringten ihn seine Kinder, und auch 
Frau Fröse, Fräulein Gluck, Sölve und Jührich liefen die 
Tränen übers Gesicht. 
Der Vater weinte bitterlich um sein verirrtes Kind. Ricarda 
sank vor ihm in die Knie und umfaßte ihn mit beiden 
Armen. Ihr Körper zitterte und bebte vor Schluchzen. 
»Warum müssen die andern sterben die Gundel – der 
Roderich – und nun auch die Burga -?« klagte sie 
jammervoll. »Und ich bin doch auch so müde – ich 
möchte auch so gerne sterben.« 
Das riß den Vater endlich aus seiner Verzweiflung. Er 

umfaßte sein Kind in heißer Herzensangst. 
»Wir beide reisen irgendwohin, mein Kind. Wir beide ganz 
allein. Hörst du?« 
So geschah es auch. Sie fuhren nach Berlin, um sich im 
Trubel der Großstadt abzulenken. 
Nach zwei Wochen trafen sie wieder ein. Genauso müde 
und zerquält, wie sie gegangen waren. Der Vater lieferte 
sein Kind in Uhlen ab und kehrte nach Hause zurück. 
Am nächsten Tage kam er wieder, um seine Kinder zu 
holen. 
»Jammert nicht, das hat keinen Zweck«, sagte er energisch, 
als ein großes Wehklagen begann. »Ich halte es zu Hause 

ohne euch nicht aus. Das ist ja, als ob ich gezwungen wäre, 
in einer Totengruft zu kampieren. Ich muß jetzt zur Stadt. 
In einer Stunde hole ich euch.« 
Diesem Befehl wagten sie sich nicht zu widersetzen. 
Bedrückt zogen sie von dannen, um ihre Habseligkeiten 
zusammenzusuchen. 
Alles das lag vereint in dem Blick, den sie zu dem Mann 
hinübersandte. Ein stummes qualvolles Abschiednehmen! 
Den Kopf tief gesenkt, die Schultern vornübergebeugt, als 
trüge sie eine Last, die ihr viel zu schwer war, ging sie mit 
schleppenden Schritten davon. Es war ein Jammer, was die 

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Zeit voll Herzweh aus diesem Sprühteufelchen gemacht 
hatte. Unter den Zurückbleibenden herrschte eine fast 

atemlose Stille. Die Augen der beiden Frauen hingen an 
dem Mann, der mit einem Entschluß zu kämpfen schien 
und sich dann erhob. 
Und nun war es sein Blick, der mit schmerzlichem 
Abschiednehmen auf Sölve ruhte. Dann ging er rasch 
davon, als könnte er seinen Entschluß bereuen. 
»Es ist Zeit, daß die arme Rosenrot nun endlich aus ihrer 
Qual erlöst wird«, sagte Frau Fröse leise. »Gebe Gott dem 
Mann die Kraft, sie so glücklich zu machen, wie sie es 
verdient-« 
 
Frau Norne,
 rühre die Spindel geschwind, 
tu frischen Flachs auf den Rocken. 
Was du dann spinnst, soll ein Hochzeitskleid sein,  
für ein Kind so rein wie Schnee auf dem Firn,
 
drück du ihm voll Liebe den Kranz auf die Stirn, 
auf die dunklen, seidigen Locken. 
 

Ricarda suchte ihr Zimmer auf, wo sie sich in den 
Lehnstuhl am Fenster setzte und müde in den Park 
hinunterstarrte. Eigentlich hätte sie jetzt weinen müssen, 
heiß und heftig, wie sie schon so oft an diesem Platz getan. 
Aber auch diese Erleichterung war ihr heute versagt. Sie 
hatte keine Tränen mehr. 
Aufstöhnend barg sie das Antlitz in den Händen und 
überhörte so das Klopfen an der Tür. Erst als sie sich 
angerufen hörte, schrak sie auf und sah entsetzt auf den 
Mann, der vor ihr stand. Sie hatte keinen Tropfen Blut in 
dem zuckenden Gesicht, als sie nun aufsprang und die 
bebenden Finger in die Lehne des Sessels krallte. So stand 

sie Jörn von Jührich gegenüber, der langsam die Arme nach 
ihr hob. 
»Komm – «, sagte er leise und erschüttert. Doch sie rührte 
sich nicht. Sah ihn mit feindseligen Blicken an. 
»Willst du nicht mehr, mein kleines Mädchen?« fragte er 

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mit der zärtlichen Stimme, die ihr Herz von Anfang an 
gefangen hatte. 

»Nein – «, entgegnete sie trotzig. »Gehen Sie doch zu Sölve, 
die Sie so sehr lieben.« 
»Sie will mich nicht, kleine Rosenrot-.« 
»So – und da bin ich als Lückenbüßerin gerade gut genug -
?« 
»Nein, dazu wärest du mir zu schade«, erwiderte er 
tiefernst. »Du bist mir lieb und wert. Und wenn ich nicht 
die Kraft in mir fühlte, dich glücklich zu machen, stünde 
ich nicht hier. Und es wird an dir liegen, ob sich mein Herz 
restlos von der andern löst, daß es dir allein gehört. Wenn 
dir das gelingt, dann sollst du ein Leben haben, wie kaum 
eine Frau im weiten Erdenrund. Wenn nicht – ja, dann 

werden wir wohl beide unglücklich…« 
Da flüchtete sie in seine Arme und legte ihren Kopf an 
seine Schulter wie ein müde-geweintes Kind. 
Als sie unten ankamen, sah ihm Sölve bang entgegen. Da 
beugte er sich tief über ihre Hand. – »Nicht so traurige 
Augen haben, Frau Sölve«, sagte er gütig. »Ich weiß, daß 
nun alles gut werden kann.« 
Sie atmete befreit auf. 
Als der Vater kam, um seine Kinder zu holen, stand er einer 
Tatsache gegenüber, mit der er nicht mehr gerechnet hatte. 
Aber zufrieden war er, im tiefsten Herzen zufrieden. Er 
nahm die Hand des Mannes mit warmem Druck. Bei dem 

wußte er sein Kind gut aufgehoben. 
Voll Kummer dachte er an Walburga, die jetzt ebenso 
glücklich sein könnte wie Ricarda, wenn die Mutter mehr 
Verständnis für ihr Kind gehabt hätte. Der Gedanke ließ 
ihn zu keinem wahren Frieden kommen – noch lange, 
lange nicht. 
Was war mit den Zwillingen los? »Was habt ihr denn?« 
erkundigte er sich besorgt. »Warum schaut ihr drein wie 
verregnete Puttehühnchen?« 
Da flossen die Tränen aus beider Augen. Und daß es keine 
Freudentränen über das Glück der Schwester waren, ließ 

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sich leicht feststellen. 
»Hört auf!« gebot der Vater energisch. »Was ist geschehen?« 

»Wir lieben auch – «, kam das Geständnis gar kläglich, 
eifrig bekräftigt vom andern Zwilling. 
Der Vater war nun doch verblüfft, während die anderen 
Mühe hatten, ein Lachen zu unterdrücken, das angesichts 
so großen Jammers taktlos genug gewesen wäre. 
»Das ist ja eine schöne Bescherung!« polterte der Vater los, 
während ein Lachen in seinen Augen glimmte. »Ihr Küken 
tragt ja noch die Eierschalen hinter den Ohren. Wer sind 
denn die beiden Unbegreiflichen, die sich in euch 
Grünzeug vergafft haben? Gehen sie etwa noch zur 
Schule?« 
»Pfui, Papa -!« klang es entrüstet aus beider Mund. 

»Oder ist die Liebe gar einseitig?« examinierte er ungerührt 
weiter. 
»Nein, gar nicht – wir sind uns längst einig – «, wurde 
empört bestritten. 
Da sah sie der Vater voll Angst an. Einig war auch Burga 
mit ihrem Liebsten hinter dem Rücken der Eltern gewesen 
und hatte diese Einigkeit mit dem Leben bezahlt. Aber da 
sah er in die unschuldigen Gesichter seiner Kinder – und 
atmete befreit auf. 
»So, so – also einig seid ihr. Da habt ihr euch wohl freiweg 
hinter dem Rücken der Eltern getroffen?« 
»Nein, Papa – so doch nicht.« 

Und: »Nein, Papa – so doch nicht – «, echote es. 
»Nicht einmal einen Kuß haben sie uns gegeben. Sie 
wollten dich erst sprechen.« 
»Vernünftige Jungen. Wenn ich nun noch ihre Namen 
erfahren dürfte?« 
Die Unzertrennlichen glühten wie die Pfingstrosen, zogen 
an den Fingern, daß die Gelenke knackten, knüllten ihre 
Taschentücher - 
»Nun mal raus mit der Sprache -!« 
»Herbert Holdereit – « 
Und: »Helmut Holdereit – «, echote das Zweigespann. 

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»Nicht wahr, Papa, du tust ihnen nichts? Wir haben wahr 
und wahrhaftig nichts Böses getan.« 

Nun konnten die anderen das Lachen kaum zurückhalten. 
»Also die Kadetten sind es«, schmunzelte Herr Julius. »Ihr 
habt keinen schlechten Geschmack! Wenn es mir auch 
unbegreiflich ist, wie diese ruhigen, zielbewußten Männer 
auf euch Gänschen verfallen konnten. Aber wo die Liebe 
hinfällt – « 
»Wir dürfen, Papa – « 
»Nichts dürft ihr vorläufig«, dämpfte er ihren 
Freudenschrei. »Wie alt seid ihr eigentlich? Siebzehn?« 
»Bald achtzehn, Papa.« 
»Und die Herrlichkeiten?« 
»Herbert siebenundzwanzig.« 

»Helmut neunundzwanzig.« 
»Schön. Aber wie ist das, ihr wolltet doch nur Zwillinge 
heiraten, die in einem Topf kochen und aus einem Teller 
essen? Nun sind es nur Vettern, mit Altersunterschied, 
deren Güter nur aneinandergrenzen.« 
»Es ist wohl nicht alles so im Leben, wie man es sich 
wünscht – «, sprach Monika kleinlaut ein wahres Wort – 
und da mußte der Vater sich geschlagen geben. 
»Nun paßt mal auf – «, sprach er gütig. »Ich werde morgen 
die Vettern besuchen. Und wenn sich alles so verhält, wie 
ihr sagtet – « 
»Ganz wahrhaftig, Papa -!« 

»Gut. Dann werde ich meine Bedingungen stellen: Ihr 
kommt auf ein Jahr in ein Pensionat, wo ihr weder Briefe 
an die Vettern schreiben noch von ihnen empfangen 
werdet. Das Ehrenwort werde ich ihnen abverlangen. 
Kommt ihr dann zurück, und seid ihr vier noch derselben 
Ansicht, dann mag in Gottes Namen Verlobung und 
hinterher gleich Hochzeit sein.« 
Wohl senkten die Zwillinge enttäuscht die Köpfe – doch 
nur einen Augenblick, dann hatte der Vater sie rechts und 
links am Halse. 
»Das tun wir, Papa – ganz bestimmt, das tun wir – «, kam 

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es wie ein Gelöbnis aus beider Mund. 
»Recht so. Nun bleibt mir nur noch übrig, festzustellen, 

daß ich meine Töchter wie die warmen Semmeln los werde 
– « 
»Euer Gezwitscher wird mir allerdings sehr fehlen, ihr 
muntern Vögel – « 
Da fühlte er seinen Hals rückwärts umfaßt, und sich 
umwendend, sah er in die strahlenden Augen seiner 
Jüngsten. 
»Du hast doch mich, Papa. Ich bleibe bei dir.« 
»Richtig, Klein Rosenrot, wie konnte ich dich vergessen«, 
sagte er gerührt. »Und die andere Rosenrot?« 
»Die möchte ich Ihnen bald entführen, lieber 
Schwiegerpapa«, entgegnete Jörn an ihrer Stelle. »Wir 

wollen so schnell wie möglich heiraten, um noch vor 
Weihnachten von der Hochzeitsreise zurückzukehren. Es 
braucht ja keine geräuschvolle Hochzeit sein. Nur ein 
stilles Zusammengehen. Das heißt, wenn es der Frau Mama 
recht ist – « 
Ein harter, verbissener Ausdruck trat nun in Herrn von 
Ragnitz’ Gesicht. Und hart war auch seine Stimme, als er 
sagte: 
»Die wird erst gar nicht gefragt. Jetzt werde ich das Glück 
meiner Kinder, die mir noch geblieben sind, überwachen.« 
Frau Fränze schien auch keinen Wert darauf zu legen, 
gefragt zu werden. Ihr starrer Blick streifte über die 

Mädchen und deren Vater hin, als gingen sie alle sie nichts 
an. 
Auch als Ricarda vier Wochen später vor den Altar schritt, 
starrten der Mutter Augen über sie hinweg. Sie nahm auch 
keine Notiz davon, als die Zwillinge kurz nach Ricardas 
Hochzeit in die Pension kamen. Sie schien für nichts 
anderes mehr Interesse zu haben als für ihre Wirtschaft. 
Natürlich war das Leben in Kaimucken alles andere als 
harmonisch. Die kleine Rosenrot tat dem Vater von Herzen 
leid, und er redete ihr zu, wieder nach Uhlen 
überzusiedeln. 

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Doch das lehnte die Kleine entschieden ab. Sie hatte von 
Jührich ein entzückendes Ponygespann als Geschenk 

erhalten, mit dem sie nun täglich nach Uhlen kutschierte. 
Das »Kluckchen« ihr zur Seite, an das sich das Kind innig 
angeschlossen hatte, worüber das alte Fräulein sehr 
beglückt war. 
Wenn jedoch die Zeit kam, wo der Vater von seiner Arbeit 
ins Haus zurückkehrte, dann ließ sich Ira nicht in Uhlen 
halten. 
So wurde das Kind sein Abgott. Wenn es auf seinem Schoß 
saß und mit zärtlicher Stimme plauderte, dann konnte er 
seine drei verlorenen Kinder auf kurze Zeit vergessen. 
Das Kind war sein Alles; denn mit seiner Frau verband ihn 
nichts mehr. Sie gingen sich aus dem Wege wie Fremde. 

Manchmal nahm er schon an, daß ihre Sinne verwirrt 
wären. Wenn er sie dann jedoch im Hause schalten sah, 
dann kam er von dem Gedanken ab. 
Was sie dachte und fühlte? Ja, das konnte kein Mensch 
ergründen. Es war fraglich, ob sie überhaupt Schmerz um 
ihre toten Kinder litt, ob sie sich Schuld an Burgas jähem 
Ende gab? Sie schien jetzt so wortkarg und verschlossen, 
wie sie früher redselig und offenherzig gewesen war. 
 
Wer bist du, Kind? 
Ich kenne dich nicht
 
mit Locken so golden wie Sonnenlicht, 
mit Augen so blau wie des Meeres Well’, 
mit Gliedern so schlank wie die scheue Gazell. 

 
Der Herbststurm durchbrauste wieder einmal das Land und 
hatte strömenden, peitschenden Regen im Gefolge. Es war 
die Zeit, wo man am knisternden Kamin dem tosenden 
Lied mit Behagen lauschte, wo man die schöne Heimat an 
Wald und See lieber und lieber gewann. 
Sölve saß im Zimmer des Gatten, tief in den weichen Sessel 
geschmiegt. 
Frau Fröse hatte sich schon zur Ruhe begeben, und so war 

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Sölve allein. Den Kopf in die aufgestützte Rechte gelegt, 
sann sie vor sich hin und lauschte dem Sturmgesang da 

draußen. 
Traurig waren ihre Gedanken, die hinter der weißen Stirn 
hasteten und bohrten – sehr, sehr traurig. 
Jetzt war sie allein, konnte die Maske fallen lassen, die sie 
stets im Beisein der Menschen trug. Wenn sie auch liebe 
Menschen um sich hatte, was bedeutete das alles, wenn der 
Eine fehlte – der Einzige, von dem ihr Herz bis zum Rande 
erfüllt war? Sie war einsam. 
Wer Sölve nicht näher kannte, der glaubte sie frei von 
Trauer um den toten Gatten, was ja auch ganz natürlich 
erschien. Sie hatte ihn nur kurz gekannt, war seine Frau im 
wahren Sinne ja nie gewesen. Aber wer sie liebte, wie Frau 

Marga, der wußte, wie es in ihr aussah. 
So phantastisch Sölves Hoffen und Sehnen auch war, wie 
sehr sich der Verstand auch dagegen sträubte, ihr Herz 
glaubte nicht an Jobsts Tod. Es wartete und wartete. 
Ungemein traulich war es in dem Gemach. Das gedämpfte 
Licht der Ständerlampe durchflutete es mit warmem 
Leuchten. Mollig warm war es, anheimelnd und traut. 
Das Empfinden hatte auch der Mann, der nun schon 
minutenlang dastand und auf die regungslose Gestalt im 
Sessel schaute. 
Wer war dieses wundervolle Geschöpf? Dieses Haar, hell 
und goldig, wie aus Sonnenstrahlen gewoben, klar und 

glitzernd wie köstlicher Bernstein im Meeresgrund – hatte 
er ähnliches überhaupt je gesehen? Klein und schmal die 
Hand, in die der Kopf gestützt war, mit rosig verlaufenden 
Fingerspitzen, die Gestalt gazellenhaft weich und biegsam, 
hochbeinig, mit zierlichen Fesseln – alles so rassig, so 
ungemein vornehm. Was wollte dieses Menschenkind in 
seinem Zimmer war Uhlen etwa verkauft -? 
Das gab einen Stich ins Herz, bei dem er aufstöhnen 
mußte. Da hob Sölve den Kopf, sprang auf - 
»Elga -!« stammelte der Mann überwältigt, der in diesem 
Augenblick vergessen hatte, daß die einst so schmerzlich 

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Geliebte ja längst tot war. Wie gebannt sah er in die großen 
Augen hinein, in denen zuerst helles Entsetzen stand, das 

dann langsam einem Glücksleuchten Platz machte. 
»Jobst-!« jubelte es dann durch das Gemach. »Jobst – du 
lebst – mein Herz hat mich nicht – betrogen!« 
Lachend und weinend zugleich hing sie an dem Manne, 
der stocksteif dastand und sich streicheln und küssen ließ. 
Er konnte das alles nicht fassen. Das konnte doch 
unmöglich Sölve sein, die armselige, reizlose Sölve. 
»Nun seht einer bloß diesen Mann an! Läßt sich küssen wie 
ein gutgelaunter Pascha von seiner Lieblingsfrau.« 
»Du bist – Sölve?« rang es sich da endlich von seinen 
Lippen. 
»Na, wer denn sonst -!« lachte sie hellauf. »Aber nun gib 

erst mal deinen Hut her, der trieft ja vor Nässe. Bist du etwa 
durch den strömenden Regen gekommen?« 
Er strich sich mit hastiger Bewegung über Augen und Stirn. 
»Ja, das bin ich – «, antwortete er, noch immer abwesend 
mit seinen Gedanken. »Es war schön, dieses 
Nachhausekommen durch Regen und Sturm. Und daß ich 
dich hier vorfinden würde – Sölve, das habe ich nicht 
erwartet.« 
»Das scheint dir gar leid zu tun? Ich will dich nun nicht mit 
Fragen aufhalten, du mußt zuerst aus den triefenden 
Kleidern. Du findest alles vor, wie du es verlassen hast.« 
»Ja, du hast recht – «, raffte er sich nun gewaltsam auf. 

»Aber dann mußt du mir erzählen, wie du dich so 
wundersam verändern konntest.« 
»Aber mit dem größten Vergnügen«, lachte sie glücklich. 
»Weiß jemand, daß du hier bist?« 
»Nein, nur der Nachtwächter, dem ich Schweigen gebot!« 
»Das wird ja dann morgen ein Jubel ohnegleichen sein. 
Aber nun geh, damit du ein Bad nimmst und in trockene 
Kleider kommst. Soll ich Michael wecken, damit er dir 
behilflich ist?« 
»Nein, laß – «, wehrte er ab. »Ich finde mich allein 
zurecht.« 

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Während er das nebenanliegende Schlafzimmer aufsuchte, 
huschte Sölve in das großmächtige Reich der Mamsell. Wie 

gut, daß sie da oft hineingeschaut hatte. Nun fand sie sich 
gut zurecht und konnte dem Heimgekehrten ein Mahl 
bereiten. In stillen, weihevollen Stunden hatte ihr Tante 
Marga seine Gewohnheiten verraten müssen. Bis ins 
kleinste waren sie ihr bekannt. 
Hurtig huschte sie umher. Hatte jetzt keine Zeit, sich über 
die Heimkehr des Totgeglaubten Gedanken zu machen. 
Nur ihr Herz war selig. 
Als der müde, hungrige Heimkehrer wieder sein Zimmer 
betrat, gebadet, erfrischt, da fand er ein reichhaltiges Mahl. 
Auf dem Tischchen nebenan brodelte die Kaffeemaschine. 
Konfekt stand darauf. 

Obst, Zigaretten – ganz so, wie er es liebte. 
Und im Sessel saß Sölve, die so wunderbar veränderte 
Sölve – und lachte ihm entgegen! 
»Sag mal, Kind, wie hast du das alles nur so schnell zuwege 
gebracht?« fragte er überwältigt. 
»Das war keine Hexerei«, lachte sie fröhlich. »Du hast zu 
deiner Toilette Zeit genug gebraucht. Aber nun stecke die 
Beine unter deinen Tisch!« gebot sie übermütig, und er 
konnte den Blick nicht wenden von ihr, die er längst tot 
geglaubt hatte. 
Während er aß, tat sie keine Frage, bediente ihn 
aufmerksam, füllte immer wieder das Glas mit dem Wein, 

vom dem sie wußte, daß er ihn gern trank. Doch als sie die 
Speisereste ins Nebenzimmer getragen, ihn mit Kaffee und 
Zigaretten versorgt und sich selbst eine in Brand gesteckt 
hatte, da fragte sie leise, wie er zu der Narbe gekommen sei. 
»Ja, Kind, das ist nicht mit einigen Worten gesagt«, 
entgegnete er, sich in seinem Sessel bequem zurücklegend. 
»Dazu muß ich vorgreifen, um dir alles verständlich zu 
machen. 
Nach mehr als sechswöchiger Reise erreichte ich ohne 
nennenswerte Schwierigkeiten die Farm. Wie mir der 
Rechtsvertreter geschrieben hatte, war bereits ein Käufer für 

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den Riesenbesitz vorhanden. In diesem Fall eine Käuferin, 
ein Mischblut, die fast alle Farmen ringsum aufgekauft 

hatte und wie eine Königin in ihrem Reich herrschte. Wir 
wurden bald handelseinig, wobei ich glänzend abschnitt, 
wie mir der Rechtsberater verriet. Obgleich es mich 
förmlich nach Hause zog, entschloß ich mich, noch einige 
Wochen zu bleiben und in ortskundiger Gesellschaft die 
Gegend zu durchstreifen; denn diese Gelegenheit kam ja 
gewiß nie wieder. 
So geschah es denn auch. Die schöne Carmen wurde meine 
Führerin. Obgleich wir von einem ganzen Troß begleitet 
wurden, gelang es ihr stets, uns beide zu isolieren. 
Vier Wochen streiften wir so umher, und ich muß zugeben, 
daß es wundervolle Wochen waren. Zur Farm 

zurückgekehrt, wollte ich dann zur Heimreise rüsten. Da 
erklärte sie mir in ihrer bestimmten, herrischen Art, daß sie 
mich zu heiraten wünsche. 
Erst war ich verblüfft, dann lachte ich sie aus – und das 
hätte ich nicht tun dürfen. Es flammte gefährlich in ihren 
nachtschwarzen Augen auf; denn ich hatte sie aufs 
tödlichste beleidigt. Sie sprach weiter kein Wort, sondern 
handelte. Ehe ich so recht zur Besinnung kam, war ich ihr 
Gefangener. Durch ihren Sekretär ließ sie mir sagen, daß 
ich in dem Augenblick von der Haft frei sein, in dem ich 
mich bereit erklärte, ihr Gatte zu werden. 
Dieser Sekretär war ein Deutscher und sah mir ähnlich. Wie 

ich später erfuhr, soll er, bevor ich kam, der Geliebte der 
Herrin gewesen sein. Er kam zu mir als guter Freund und 
machte mir allerlei Vorschläge betreffs der Flucht. Doch ich 
traute ihm nicht, etwas in mir mahnte zur Vorsicht. 
Nun, so leicht ergab ich mich nicht, obgleich ich von vielen 
glühend beneidet wurde. Denn der Mann der wirklich 
schönen, unermeßlich reichen Carmen zu werden, galt für 
Hunderte Männer als Märchenglück. 
Meine Gefangenschaft war gar nicht übel. Alle Wünsche 
wurden erfüllt, bevor sie noch richtig ausgesprochen waren. 
Auch wurde mir die Zeit nicht lang, da mich Carmen mehr 

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besuchte, als mir lieb war. Nur, daß die Freiheit fehlte; 
denn ich wurde streng bewacht. Und zwar von Kreaturen, 

die der gestrengen Herrin teils aus Angst, teils aus Hörigkeit 
dienten. 
Ich machte immer wieder der temperamentvollen Donna 
klar, daß ich verheirate sei und sie daher gar nicht 
ehelichen könnte. Das tat sie jedoch mit verächtlichem 
Lächeln ab. Sie würde schon Mittel und Wege finden, um 
mich von dieser Ehe zu befreien. 
Vergeblich zermarterte ich mein Hirn, wie ich entfliehen 
könnte, aber das war für mich, der ich ja vollkommen 
landfremd war, ein Ding der Unmöglichkeit. 
Da erhielt ich eines Tages auf abenteuerliche Art einen 
Brief. Er war auf geschickte Weise unter dem breiten 

Halsband des Hundes verborgen, der sich fest an mich 
angeschlossen hatte und mit kurzen Unterbrechungen 
meine Haft freiwillig teilte. Das kluge Tier kratzte und 
schüttelte sich so lange, bis der Zettel auf die Erde fiel. Er 
stammte von Pedro, einen intelligenten, bildschönen 
Burschen, der als treuer Diener meines Onkels seine 
Ergebenheit nun auf mich übertrug. Er beschwor mich, der 
Herrin den leidenschaftlichen Liebhaber vorzumimen, 
sonst fürchte er für mein Leben. Sie habe ihren abgebauten 
Liebsten mit einer fürstlichen Abfindung nach Deutschland 
zurückgeschickt, ein Zeichen, daß sie sich immer mehr in 
Liebe zu mir verrenne. Und daß sie dann jedes Hindernis 

rücksichtslos beseitigen würde, das wisse er aus Erfahrung. 
Ich solle nur seinem Rat folgen, dann könne alles gut 
werden. 
In dem Sinne war das Schreiben in zwar schlechtem, aber 
verständlichem Deutsch abgefaßt. Es blieb mir nun keine 
andere Wahl, als dem Rat Pedros zu folgen und mich 
scheinbar zu ergeben. Das fiel mir auch gar nicht schwer, 
denn diese dämonisch schöne Frau konnte einem Mann 
schon die Sinne verwirren. Ich muß wohl meine Rolle 
glänzend gespielt haben, denn ihr anfängliches Mißtrauen 
schlief langsam ein. In ihrer Selbstherrlichkeit nahm sie 

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auch gar nicht an, daß es auf dem Erdenrund einen Mann 
gäbe, der ihren Reizen widerstehen könnte. 

Obgleich ich von allen Ecken und Enden bespitzelt wurde, 
gelang es Pedro immer wieder, mir auf raffinierteste Art 
Nachricht zukommen zu lassen – und so kam es eines 
Nachts zur Flucht. Pedro, seine Frau, einige ergebene Leute, 
die Abenteuer geradezu suchten und nicht Tod noch Teufel 
fürchteten, und ich machten uns bei günstiger Gelegenheit 
auf und davon. 
Nun wäre diese Flucht glänzend gelungen, wenn sich uns 
nicht ein Hindernis in den Weg gestellt hätte, mit der selbst 
der schlaue Pedro nicht rechnete. Denn der um 
meinetwillen fortgeschickte Liebhaber Carmens, den 
glühende Rachsucht erfüllte, hatte sich nur scheinbar zur 

nächsten Hafenstadt begeben. Er war jedoch, als er sich vor 
Spähern sicher fühlte, wieder zurückgekehrt, umlauerte

1

 die 

Farm, um bei passender Gelegenheit seinen glühend 
gehaßten und beneideten Nebenbuhler heimlich zu 
erledigen. 
Diesem Spürhund fiel ich dann auch tatsächlich in die 
Hände. Wir waren erst eine kurze Strecke von der Farm 
entfernt, als ich rücklings niedergeschlagen wurde und vom 
Pferd sank. 
Mehr weiß ich nicht. Wußte überhaupt lange Monate 
hindurch nichts mehr von mir. Als ich dann nach schwerer 
Krankheit und noch längerem halbbewußtlosen 

Dahindämmern endlich zu voller Klarheit erwachte, 
befand ich mich in einer kleinen Hütte, von Pedro und 
seiner Frau aufs aufopfernde betreut. Da erfuhr ich 
folgendes: 
Nachdem mich mein vor Eifersucht blindwütiger 
Landsmann niedergeschlagen hatte, mußte er diese 
unselige Tat mit seinem Leben büßen. Einer meiner 
Begleiter versetzte ihm einen schweren Schlag, der sein 
Gesicht zerschmetterte und diese traurige Tatsache nutzte 
der schlaue Pedro zu meinen Gunsten aus. Er zog dem 
Toten meine Kleider an, tat Uhr und Brieftasche dazu, 

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steckte ihm meine Ringe an die Finger, und da der 
Unglückliche meine Statur besaß, sogar die Farbe meines 

Haares, so konnte er ohne weiteres für meine Person 
angesehen werden, zumal ja das Gesicht bis zur 
Unkenntlichkeit zerschlagen war. 
Und so war es auch. Carmen, die sich an der Verfolgung 
beteiligte, zweifelte keinen Augenblick daran, mich in dem 
Toten vor sich zu sehen. Sie meldete den Mord der 
Behörde, die dann alles Weitere veranlaßte. Daß der Tote 
ihr ehemaliger Liebhaber sein könnte, darauf kam sie nicht, 
da sie ihn längst auf der Fahrt nach Deutschland glaubte. 
Mich jedoch, der ich durch die gefährliche Kopfwunde 
natürlich besinnungslos war, brachten meine Getreuen an 
einen versteckten Ort, der selbst ortskundigen Leuten 

unbekannt war, schlugen dort eine kleine Hütte auf, 
tarnten sie meisterhaft und pflegten mich unter größter 
Mühsal gesund. Es muß jedesmal ein gefährliches Spiel mit 
dem Leben gewesen sein, wenn sich mein treuer Pedro 
aufmachte, um Lebensmittel und Medikamente aus dem 
nächsten Ort zu holen, der immerhin eine Tagesreise 
entfernt lag. 
Es würde zu weit führen, wollte ich jede Einzelheit genau 
schildern. Kurz und gut: Ich genas zur hellen Freude 
meiner Betreuer, die ja nur aus Pedro und seiner Frau 
bestanden, da die andern sich verkrümelt hatten. Als ich 
mich kräftig genug fühlte, begann der beschwerliche und 

gefahrvolle Weg zum nächsten Ort und von da aus zur 
nächsten Hafenstadt. Dort schiffte ich mich ein und 
gelangte ohne Hindernisse hierher. – Das ist alles.« 
Mit immer größerem Entsetzen war Sölve seinem Bericht 
gefolgt. Nun saß sie da, blaß bis in die Lippen. 
»Mein Gott – Jobst!« stieß sie endlich hervor. »Wie 
schrecklich ist das alles! Wie Furchtbares hast du hinter dir 
– und wir haben dich hier als tot beweint, weil ja die 
Todeserklärung von maßgebender Seite kam. Das heißt, ich 
und – mein Herz – ich habe nie daran glauben können – «, 
schloß sie leise. 

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»Ja, Sölve, recht war es nicht, was Pedro getan hatte.« 
»Das meine ich nicht«, warf sie heftig ein. »Deinem Pedro 

bin ich von Herzen dankbar. Was ist aus ihm und seiner 
Frau geworden?« 
»Die sind nach ihrem Heimatort in Argentinien 
zurückgekehrt, wo sie ein behaglicheres Leben führen 
können. Mein Onkel hat in seinem Testament Pedro ganz 
nett bedacht, und ich habe ein übriges dazugetan.« 
»Hattest du denn Geld?« 
»Natürlich. Das hatte Pedro bis auf einen ganz kleinen Rest 
meiner Brieftasche entnommen, bevor er sie zu dem Toten 
steckte. Die Hauptsumme hatte ich mit Carmens Hilfe über 
das Konsulat hierhergehen lassen. Hast du es nicht 
erhalten?« 

»Ja, es traf in mehreren Raten ein.« 
»Dann hat ja alles geklappt. Und nun die bange Frage: Was 
ist aus – Heike geworden?« 
»Die lebt, Jobst!« 
»Gott sei Dank«, atmete er erlöst auf. »Und nun erzähle 
du.« 
Das tat Sölve denn auch, und er bekam alles zu hören, was 
sich in den zwei Jahren seiner Abwesenheit hier zugetragen 
hatte. Von ihrer schweren Krankheit, von dem Tode der 
drei Ragnitzschen Kinder – alles erzählte sie bis ins 
kleinste. 
»Das sind ja trostlose Nachrichten«, sagte er erschüttert, als 

Sölve geendet hatte. »Ich glaubte Roderich als Herrn von 
Uhlen; denn mit dir und Heike habe ich ja nicht mehr 
gerechnet. Ich glaubte euch beide – tot. Wie ist es nur 
möglich, daß du so gesunden konntest? An dir hat sich ein 
wahres Wunder vollzogen.« 
»Ganz und gar nicht, Jobst. Ich bin nur wieder die 
geworden, die ich vor Muttis Tode war. Die Sölve, die du 
kennenlerntest, war nur ein kümmerliches Scheinwesen. 
Aber ich hätte auch nicht mehr zum Leben 
zurückgefunden, wenn nicht ein Etwas gewesen wäre, das 
mich dazu zwang. Komm, ich werde es dir zeigen.« 

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»Da bin ich aber neugierig!« 
»Kannst du auch«, lachte sie fröhlich. 

Sie führte ihn durch sein Schlafzimmer in ihr Reich, dann 
weiter, bis sie vor dem spitzenverhangenen Babybettchen 
standen. Mit ungläubigem Staunen schaute der Mann auf 
das süße kleine Menschenwunder, das so friedlich 
schlummerte. 
»Das ist doch nicht etwa - Heike?« fragte er atemlos. 
»Wer denn sonst?« lachte sie leise. »Du bist ein guter Gatte 
und Vater. Zuerst erkennst du nicht deine Frau – und dann 
nicht dein Kind.« 
»Ja – aber Sölve, die Ärzte hatten sie doch längst 
aufgegeben?« 
»Mich auch, Jobst – mich auch. Aber wie du siehst, leben 

wir ihnen zum Trotz. Und wie wir leben!« 
Das Kind regte sich, öffnete die verträumten Augen. 
»Ma – mi – «, lallte es noch unbeholfen, steckte dann das 
Däumchen in den Mund und schlief weiter. 
Eine ganze Weile sah der Vater noch auf sein so verändertes 
Kind, wobei es in seinem Antlitz zuckte und bebte. Dann 
kehrte er an Sölves Seite in sein Zimmer zurück. 
»Sölve, wie soll ich dir danken, daß ich mein Kind 
wiedersehen darf?« 
»Ach, Jobst, mir gebührt der wenigste Dank«, wehrte sie 
verlegen. »Sicherlich würde Heike auch noch leben, wenn 
sie in der Klinik geblieben wäre. Dank gebührt in erster 

Linie unserer prachtvollen Tante Marga. Würde sie mich 
nicht zur Zeit aufgerüttelt haben, dann wäre ich wohl 
hinübergeduselt ins Schattenreich. Aber ein rechtes Wort 
zur rechten Zeit hat bei mir Wunder gewirkt. Sie gab mir zu 
bedenken, daß ich Pflichten hätte gegen dein Kind, das ein 
heiliges Anrecht auf meine Liebe haben dürfte. Stellte mir 
vor, daß ich noch lange nicht so bedauernswert sei, wie ich 
annähme, und erzählte mir das Schicksal deiner Familie. 
Rüttelte mich damit so auf, daß ich wieder Lust zum Leben 
bekam. Kurz entschlossen holte ich Heike aus der Klinik 
hierher, machte Jörn mobil, der sich den schneidigen 

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Doktor Fels und unseren braven Doktor Schlimm zur Hilfe 
holte. Eine tüchtige Kinderschwester war die Vierte im 

Bunde. – So gelang es mit vieler Mühe, unser Kleinchen so 
weit zu bringen, wie es jetzt ist. Wohl ist es noch längst 
nicht so, wie es seinem Alter entspricht – aber das wird 
bestimmt auch noch werden.« 
»Also der gute Jörn hat sich auch an dem Wettstreit 
beteiligt?« lächelte er. 
»Und wie, Jobst! Er in erster Linie. Er hat seine Meinung 
über mich, als ich erst ich selbst geworden war, sehr ändern 
müssen.« 
»Wie soll ich das verstehen?« 
»Ganz einfach. Ich hatte nämlich sein vernichtendes Urteil, 
das er kurz vor deiner Abreise über mich fällte, mitgehört.« 

»Sölve, du unglückseliges Kind! Dann hast du -?« 
»Jawohl – ich habe – «, nickte sie mutwillig. »Ich wollte 
mich von dir verabschieden, der du mich schnöde im Stich 
ließest, als ich eingeschlafen war. Ihr wart so vertieft, daß 
ihr mich gar nicht bemerktet, als ich an der Tür stand. 
Umkehren konnte ich nicht, da mir einfach die Kraft dazu 
fehlte – und so habe ich jedes Wort mitgehört. Na, das hat 
mich dann umgeschmissen.« 
»Das ist ja entsetzlich. Weiß Jörn davon?« 
»Selbstverständlich. Ich habe in meinen Fieberphantasien 
ja alles deutlich genug verraten. Der arme Mensch war so 
zerknirscht, daß er mich zu meiden begann, als ich meiner 

Sinne wieder mächtig war. Da ging ich einfach zu ihm und 
legte ihm Heikes Wohl in die Hände.« 
»Und nun?« fragte er gespannt. 
»Nun sind wir die besten Freunde«, entgegnete sie, so 
harmlos sie konnte. Es ließ sich jedoch nicht verhindern, 
daß ihr das Blut heiß ins Gesicht schoß, daß sie unter 
seinem forschenden Blick die Augen senkte. 
»So, so«, meinte er, indem er mit einer Sorgfalt die 
Zigarettenasche in die Schale strich, als hinge wer weiß was 
davon ab. »Und nun hat er die große Rosenrot geheiratet?« 
»Ja«, atmete sie auf. »Sie sind sehr glücklich. Ricarda ist 

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aber auch ein ganz entzückendes Menschenkind 
geworden.« 

»Das war sie schon immer. Und nun wollen wir uns zur 
Ruhe begeben, ich bin wirklich müde.« 
Vor ihrer Schlafzimmertür zog er ihre Hände an die Lippen. 
»Hab’ Dank, Sölve – heißen, ewigen Dank!« 
Dann fiel die Glastür hinter seinem Schlafzimmer zu. 
 
Nimm fest dein Herz in beide Hände,
 
halt tapfer aus. 
Es fand manch Leid ein glücklich Ende, 
manch Herz, es fand nach Haus. 

 
Es gab einen Jubel ohne Ende, als man am anderen Morgen 
den Totgeglaubten gesund und munter vorfand. Das 
erschütternde Wiedersehen zwischen Frau Fröse und Jobst 
riß die letzte Schranke nieder. 
»Nun bist du auch meine Tante Marga?« fragte er bewegt, 
und sie lachte glücklich dazu. 
»Jobst, ich habe nie an deinen Tod geglaubt!« 
»Ich auch nicht, Tante Marga. Ich habe meine Hoffnung nie 
laut werden lassen, weil ich deine mitleidigen Blicke 
fürchtete.« 

»Und ich nicht, weil ich keine Hoffnungen in dir erwecken 
wollte, die verstandesgemäß töricht waren.« 
Dann wurde dem Vater sein Kind gebracht. 
Mit dem süßen Lächeln, das diesem Geschöpfchen eigen 
war, musterte es mit den immer noch übernatürlich großen 
Augen den fremden Mann. 
Erschüttert sah er auf das kleine Wesen, das in seiner 
Engelhaftigkeit überirdisch wirkte. Es hatte sich in den zwei 
Jahren, da er es nicht gesehen hatte, fabelhaft 
herausgemacht. 
Und doch! Es konnte mit seinen drei Jahren noch nicht 
einmal allein sitzen. Es konnte wohl die Gliederchen 

bewegen und schon einige Worte stammeln, schien auch 
geistig normal zu sein. Aber was nützte das alles? Es würde 

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immer ein Treibhauspflänzchen bleiben, das überängstlich 
gehütet werden mußte und dem die Kinderfreuden versagt 

wären. An Heiraten war schon gar nicht zu denken. Wenn 
es sich nun später verlieben würde… 
Das Herz tat ihm weh. Er war lange nicht so beglückt, wie 
man erwartet hatte. Es kostete Mühe, die Enttäuschung 
darüber hinunterzuwürgen. Und das mußte Sölve noch oft; 
denn das Verhalten des Gatten legte sich wie ein Reif auf 
ihre Glückseligkeit. Sie mußte erkennen, daß er ihr heißes 
Herz, das sie ihm in schrankenloser Liebe entgegenbrachte, 
gar nicht wollte. 
Diesem Ungeahnten stand Sölve zuerst fassungslos 
gegenüber, bis sie dann langsam begriff. 
Was wollte sie überhaupt? Er hatte sie doch aus einer 

barmherzigen  Lüge  heraus  zu  seiner  Frau  gemacht,  die  er 
nun bereute. Sie mußte ihr Herz immer wieder fest in beide 
Hände nehmen, um das Leid, das nun neu in ihr Leben 
getreten war, ertragen zu können. 
Die wundersame Heimkehr des Totgeglaubten wurde 
überall im Fluge bekannt. 
Wie groß war die Freude des Herrn Julius! Er konnte sich 
gar nicht genug tun, dem Heimkehrer zu bekunden, wie 
glücklich er sei. 
Von Jörn und Ricarda kamen herzliche 
Glückwunschtelegramme, von den Zwillingen jubelnde 
Briefe. 

Klein Rosenrot konnte sich kaum lassen vor Freude. 
>Kluckchen< weinte, als wäre ihr ein Leid geschehen. 
Nur Frau Fränze schwieg. 
Und als Jobst sie besuchte, verharrte sie in derselben 
starren Ruhe, die ihr nun zur Natur geworden war. 
Es gibt welche, die behaupten, daß Leid den Menschen 
veredelt. Das sind wohl die, die wirkliches Leid nie 
erfahren haben, die gedankenlos nachreden, was sie hörten 
oder lasen! 
In Wirklichkeit macht Leid schlecht. Es verbittert und 
zerquält, schafft Neid und Mißgunst auf die Menschen, die 

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das besitzen, was man hat hergeben müssen. 
So konnte man auch von Frau Fränze nicht verlangen, daß 

ihr Leid sie veredelt hätte, und Jobst von Götterun packte 
tiefstes Mitgefühl, als er diese so sehr veränderte Frau 
wiedersah. 
Wenn die Frau doch weinen könnte, so recht von Herzen 
weinen, dachte er erschüttert. Aber diese Wohltat war ihr 
wohl versagt. 
An einem Tage, als er mit Tante Marga und Sölve 
beisammen saß, sprach er mit ihnen über Frau Fränze. Bat 
sie, sich um diese bedauernswerte Frau mehr zu kümmern, 
worauf sie seinem Wunsch nachkamen. 
Schon am nächsten Tag fuhren sie zu ihr und kehrten 
niedergeschlagen zurück. Die Lust zu weiteren Besuchen 

war ihnen vergangen. 
Sölve hatte auch mit sich genug zu tun, denn ihr Kummer 
über die Unzugänglichkeit des Gatten wurde immer größer. 
Nicht, daß er sie etwa vernachlässigt hätte. Im Gegenteil, er 
war aufmerksam und ritterlich zu ihr, verwöhnte sie mit 
Geschenken, tat alles, was er ihr nur an den Augen ablesen 
konnte – nur seine Person umgab er mit einem Wall, der 
nichts an sie heranließ. 
Sölve, die wahnsinnig darunter litt, wollte so manches Mal 
mutlos werden. Und da war es die erfahrene Tante, die sie 
immer wieder aufrichtete. 
Die kluge Frau wußte längst, warum er sich so verschloß, 

und litt mit den ihr liebsten Menschen. Die Angelegenheit 
war so überaus zart, daß man sie nicht in Worte fassen 
durfte, wollte man nicht alles noch schlimmer machen, als 
es ohnehin schon war. 
An einem sonnigen Wintertag stand Götterun in seinem 
Arbeitszimmer am Fenster und schaute auf die Anlagen 
hinunter, die das Schloß von dem riesengroßen 
Wirtschaftshof trennten. Da sah er Sölve kommen. Sie war 
im Reitdreß. Wie das lachende sprühende Leben, so kam 
sie daher – rassig, gertenschlank, die Hände in den 
Hosentaschen und das Mützchen verwegen auf dem 

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schönen Haar. 
Rechts und links trabten die beiden großen Hunde, 

während die beiden kleinen Bösewichter laut kläffend 
voranjagten. Sölves frisches Lachen, mit dem sie ihnen 
wehrte, klang bis zu ihm herauf. 
Es war ein erfreuliches Bild, das sich seinen Augen bot – 
und doch stöhnte der Mann auf und drückte seine Augen 
in die Hände, die den Fensterknauf umspannten. 
Am Abend saß Sölve wie so oft am Flügel, spielte und sang. 
Sie war stets dazu bereit, weil sie wußte, wie sehr Jobst ihre 
musikalischen Darbietungen liebte. Sie waren beide allein; 
denn Frau Fröse hatte sich bereits zurückgezogen. 
Der Mann lauschte regungslos. 
Es entging Sölve nicht, daß er immer wieder die Zähne wie 

in jähem Schmerz zusammenbiß. Schließlich brach sie ab 
und trat zu ihm, seine Schulter umfassend. 
»Jobst, quält dich etwas?« fragte sie leise. 
Er streifte ihre Hand ab – und da straffte sie sich hoch. All 
der Stolz, den sie immer wieder tapfer niedergezwungen 
hatte, ließ sich bei dieser schroffen Abweisung nicht mehr 
beschwichtigen. Heiß flammte er zu voller Größe auf. Er 
sprühte in ihren Augen, machte das Antlitz eisig und starr. 
»Jobst, was habe ich dir getan, daß du mich stets 
zurückweist? Weißt du denn gar nicht, wie mich deine 
ganze Art demütigen muß? Ich möchte nun endlich einmal 
klarsehen, möchte wissen, was du gegen mich hast.« 

»Setz dich, Sölve.« 
»Nein!« 
Betroffen sah er in ihre blitzenden Augen hinein – dann 
winkte er müde ab. 
»Sölve, seit wann bist du trotzig? So kenne ich dich ja gar 
nicht.« 
»Nein, leider! Du bist gewohnt, mich nach jedem Fußtritt 
gleich wieder wie einen treuen Hund zu deinen Füßen zu 
sehen.« 
Er sprang auf, wollte ihre Schulter umfassen und sie in den 
hinter ihr stehenden Sessel drücken, doch sie wehrte ab. 

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»Laß mich – du -! Wenn ich dich nicht berühren darf, dann 
darfst du es auch nicht.« 

Er ließ sich in seinen Sessel zurücksinken, und sie nahm 
nun doch ihm gegenüber Platz. 
»Sölve, laß es uns kurz machen: denn was ich dir sagen 
muß, wird mir zur Qual. Weißt du, warum ich nicht mehr 
heiraten wollte?« 
»Ja.« 
»Du weißt auch, warum du meine Frau wurdest?« 
»Ja.« 
»Sölve, muß ich wirklich weiter sprechen?« 
»Ja«, verlangte sie kalt. »Ich habe mir ja schon so vieles 
anhören müssen, warum nicht das noch?« 
»Es wäre ein Unglück. Für mich und auch für – dich.« 

Todblaß saß sie vor ihm. Die blauen Augen erschienen fast 
schwarz vor Erregung. 
»Du willst, – daß – ich – gehe?« rang es sich mühsam von 
den zuckenden Lippen. 
»Sölve, du darfst mich doch nicht mißverstehen«, 
entgegnete er gequält. »Sieh, Kind, du bist ein so 
wundervolles Geschöpf, das dazu geschaffen ist, glücklich 
zu machen und glücklich zu sein. All diese Gaben hat dir 
die Natur in verschwenderischem Maße mitgegeben. Und 
ich – Sölve – ich habe dir nichts zu bieten. Ich habe daher 
kein Recht, dich zu halten. Das wäre ein sträflicher 
Egoismus. 

Ja, die andere Sölve, die elende, kranke, die hätte ich bei 
mir behalten dürfen. Mit gutem Recht. Aber diese Sölve 
nein -!« 
Es war, als hätte sie gar nicht auf seine Erklärungen gehört. 
Nur ein Gedanke schien in ihrem Hirn zu kreisen, den sie 
nun aussprach: 
»Du liebst – mich – nicht -?« 
»Nein!« sagte er hart, und sie zuckte wie unter einem Hieb 
zusammen. Sekundenlang saß sie unbeweglich, den Kopf 
gesenkt, die Hände in die Seitenlehnen des Sessels gekrallt. 
»So«, sagte sie endlich ganz tief und rauh. »So! Du willst 

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mir also die Heimat nehmen, nur weil ich gesund bin? Bin 
ich dir nicht von Anfang an nachgelaufen wie ein Hund? 

Lasse ich mich nicht von dir quälen und demütigen, ohne 
mich zu beklagen? Habe ich meinen Stolz nicht immer 
wieder niedergerungen, so sehr, daß es meiner schon 
unwürdig ist? Und alles, damit ich nur bei dir bleiben 
darf.« 
»Mein Gott, Sölve – so ist es doch nicht – so doch nicht -!« 
Er war ebenso blaß wie sie. Saß in seinem Sessel wie 
sprungbereit und wagte doch nicht, sich ihr zu nähern. 
»Wenn du bleiben willst – ich wäre ja so froh! Aber glaube 
mir, es wird die Zeit kommen, wo du von selbst von mir 
gehen willst.« 
»Ach, laß – ich verstehe dich ja – «, wehrte sie mit einem 

Lächeln, das weh genug ausfiel. »Aber mich wegschicken, 
nein, das darfst du nicht. Das wäre mein Tod.« 
Langsam erhob sie sich und ging davon. Warf sich in ihrem 
Schlafzimmer über das Bett und weinte, weinte – wie nur 
ein Mensch weinen kann, der maßlos gedemütigt wurde – 
und dem das Herz so bitter weh tut. 
 
Frau Sölve, rufe die Ross’ herbei,
 
es gibt ein fröhliches Reiten. 
Und das Herz wird dein, 
das Herz allein, 
um das es sich lohnet zu streiten. 
 

Sölve stand in ihrem Ankleidezimmer vor dem Spiegel. 
Entzückend sah sie aus in dem Jagddreß. Wie angegossen 
saßen der rote Frack, die schwarze Hose, die glänzenden 
Lackstiefelchen. Keck saß die schwarze Samtmütze auf den 
bernsteinhellen Locken, die hie und da neugierig 
hervorlugten. Diesen Anzug hatte sie am Morgen nach der 
qualvollen Aussprache in ihrem Wohnzimmer gefunden. 
An den Aufschlag des Fracks geheftet, prangte ein 
funkelnder Armreif, durch den eine rote Rose gesteckt war. 
Auch ein Brief lag dabei, dessen Inhalt sich ihrem Herzen 

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eingegraben hatte. 
 
»Vergib mir, süße kleine Sölve, ich bitte Dich! Ich gebe Dir mit 
diesem Geschenk etwas Köstliches, das einst Konstanze gehörte. 
Trage es zu Deinem Fest, das in vier Tagen stattfinden soll, Du, 
die Herrin von Uhlen – die Du sein sollst, solange Du willst, 
Jobst.«
 

 
Da hatte ihr müdes, zerrissenes Herz wieder aufgejubelt. 
Und nun stand sie hier und trug das wertvolle Geschenk, 
das nach kleinen Änderungen so wunderbar paßte. Ihre 
Augen lachten und blitzten. 
 
»Frau Sölve, rufe die Ross’ herbei,  
es gibt ein fröhliches Reiten«,  

 
sang sie übermütig. 
 
»Und das Herz wird dein, 
das Herz allein, 
um das es sich lohnet zu streiten.« 
 
Jawohl, ein Streiten mit allen Waffen. War sie nicht eine 
echte Eva, ausgestattet mit allen Reizen, die einen Mann 
betören können? Sollte sie diese Waffen brach liegen lassen 
und sich damit um das Köstliche bringen: um den 
heißgeliebten Mann? 

Warte nur, du sollst schon noch in den Apfel beißen, den 
dir deine Eva reicht. 
Es klopfte, und der Gatte trat ein. Genauso gekleidet wie 
sie. 
»Donnerwetter!« entfuhr es ihm. 
»Gefalle ich dir?« 
»Gefallen ist gar kein Ausdruck. Ich fürchte nur – « 
»Was denn?« 
»Die Antwort würde dich zu klug machen, mein kecker 
Page. Aber schau einmal zum Fenster hinaus. Vielleicht 

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gefällt dir, was du da erblicken wirst.« 
Unten stand ein Pferd, ein Goldfuchs. 

»Für mich -?« fragte sie atemlos. 
»Für dich. Und weißt du auch, wie es heißt?« 
Sie sah ihn fragend an. 
»Bernsteinhexe.« 
»Meinen Namen!« jubelte sie hinaus. »Ist gut, daß du mich 
an den erinnerst.« 
»Nun ist es an mir, neugierig zu sein – « 
»Und an mir, mit derselben Antwort aufzuwarten wie du 
vorhin.« 
»Du scheinst deinen Namen nicht umsonst zu tragen – « 
»Das walte Gott – «, war die mysteriöse Antwort. Unten 
klang das Jagdhorn auf, da reichte er ihr den Arm: 

»Auf, auf, Herrin – frischauf zum fröhlichen Jagen!« 
In der Halle trafen sie Frau Fröse, die auch im Jagddreß 
war. Als Gattin eines Offiziers hatte sie früher viel Jagden 
mitgeritten und nun nach langer Zeit den Dreß wieder 
hervorgeholt. Nur trug sie statt der Hose einen Reitrock. 
»Tante Marga!« jubelte Sölve. »Du bist ja so schön – und so 
jung!« 
»Danke, du Ungestüm«, lachte sie, dem Anprall auf ihre 
Person tapfer standhaltend. »Das Kompliment kann ich dir 
zurückgeben. Ihr Jäger, nehmt euer Herz in acht.« 
Die ersten Gäste erschienen, und es gab ein frohes 
Begrüßen. Immer mehr kamen herbei, so daß zuletzt eine 

stattliche Anzahl beisammen war. War es doch das erste 
größere Fest, das man nach der Heimkehr des Herrn in 
Uhlen gab, da wollte keiner der Geladenen fehlen. 
Die Jagd begann, und Sölve, die ihr neues Roß bald gut 
und sicher unter der Faust hatte, jagte wie ein kleiner 
Kobold umher. Man fand sie bezaubernd, berückend und 
beglückwünschte den Jagdherrn zu dieser Frau. 
Nur er schien das nicht zu sehen. Seine düstere Miene 
wollte nicht zu diesem Fest passen. 
Natürlich fanden sich Herren genug, die dieser Herrin auf 
Leben und Tod den Hof machten. Und siehe da, es stellte 

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sich heraus, daß diese ihre ohnehin gefährlichen Augen 
recht gut zu gebrauchen verstand. Das schien tatsächlich 

eine Bernsteinhexe zu sein. 
Nach der Jagd kam das »Kesseltreiben«, das Einnehmen der 
obligaten Erbsensuppe, und abends folgte der Ball. 
Als Sölve ihr Ankleidezimmer betrat, um sich für den Ball 
umzukleiden, wartete ihrer eine Überraschung. Eine 
märchenhafte Toilette mit passendem Schmuck lag bereit. 
Mit so großer Freude schlüpfte sie hinein, wie 
Aschenbrödel es getan haben mochte. 
Wieder stand sie vor dem Spiegel und betrachtete kritisch 
ihr Bild. Schön wollte sie sein – schön und noch schöner! 
Schön wie Aschenbrödel. Als der Gatte sie holen kam, hob 
sie schüttelnd die Arme. 

»Bäumchen, rüttle dich und schüttle dich, wirf Gold und 
Silber über mich – «, sang sie übermütig und versank dann 
vor ihm in einem Knicks. 
»Dein Aschenbrödel wartet, mein Prinz.« 
Voll heimlichen Entzückens ruhte ihr Blick auf seiner 
distinguierten Gestalt in Jagduniform, die er zu Ehren des 
Festes trug. Nur seine Augen blickten so finster, daß sich ihr 
eben noch so freuderfülltes Herz schmerzend 
zusammenzog. 
»Mißfalle ich dir?« fragte sie beklommen. 
»Mißfallen tut mir dein gefährliches Flirten.« 
»Aber, Jobst, das ist doch so harmlos.« 

»Von dir aus, ja. Aber die Männer fassen das anders auf. Du 
verstehst deine Augen nämlich zu gebrauchen, daß ihnen 
angst und bange werden muß. Und dann und überhaupt – 
ein solches Kokettieren paßt nicht zu einer Baronin 
Götterun.« 
Das hätte er nicht sagen sollen, denn es verletzte sie tief. 
Und wenn sie verletzt war, dann wurde sie trotzig, ganz 
unvernünftig trotzig. So war es bei ihr von Kindheit an 
gewesen. 
Ja, wenn er sie würde gebeten haben so ganz klein wenig 
nur. Aber dieser unverdiente Vorwurf, der wie ein Schlag 

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ins Gesicht war – nein, der hätte nicht kommen dürfen. 
Sie sah ihn mit einem Blick an, in dem Trotz, Schmerz und 

tief verletztes Empfinden zu lesen stand – drehte sich um 
und verließ das Zimmer. Alle Freude war dahin, und doch 
war sie die Lustigste auf dem Ball. Sie benahm sich 
tadellos, das mußte auch der kritischste Beobachter 
feststellen. 
Und doch wurde die Miene des Gatten immer finsterer. Er 
kümmerte sich überhaupt nicht um sie. Noch nicht einmal 
getanzt hatte er mit ihr, was in dem Trubel allerdings nicht 
auffiel. Sie konnte das alles kaum noch ertragen. Ihr Mund 
lachte, während das Herz weinte. 
Als die Feststimmung ihren Höhepunkt erreichte, wählte 
man den Jagdherrn und seine Gattin zu Jagdkönig und 

Jagdkönigin. Seines Sträubens nicht achtend, wurde ihm 
die Krone aufs Haupt gedrückt, was sich Sölve lachend 
gefallen ließ. Unter den Klängen des Jägermarsches stellte 
man sich zur Polonaise auf, die Gekrönten vorweg. Dazu 
sang man eifrig den Text mit: 
»Ich schieß den Hirsch im wilden Forst, im tiefen Tal das 
Reh – « 
Wie eine Elfe schwebte Sölve am Arm des ernsten, stillen 
Mannes dahin. Es fiel ihm gar nicht ein, ihre Hand, deren 
Fingerspitzen kaum fühlbar auf dem Ärmel seiner grünen 
Joppe lagen, fester an sich zu ziehen. Korrekt, wie ein 
Fremder, schritt er neben ihr her. 

Und korrekt tat er auch den anschließenden Tanz ab. Seine 
heute so hartglitzernden Augen schweiften über ihr Haupt 
hinweg. Sölve hätte aufschreien mögen, so tat ihr das Herz 
weh. 
Aber gottlob geht ja alles einmal vorüber. So auch dieses 
Fest, das für Sölve zur Qual wurde. Endlich war sie im Bett, 
löschte das Licht und weinte sich müde und matt. Die 
brennenden Augen in die Kissen gedrückt, schlief sie 
endlich ein. Und Frau Nornes Spinnrad sang lind und 
tröstend in diesen Schlaf… 
Das Herz wird dein, das Herz allein, um das es sich lohnet 

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zu streiten. 
Da stahl sich ein zaghaftes Lächeln um die Lippen des 

zerquälten jungen Weibes. 
 
Prinz Karneval, rühre die Trommel zum Tanz,  
es gilt heute
 mehr als ein Mummenschanz,  
es gilt,
 zwei Herzen, die bitter weinen, 
noch heut zu vereinen.  
 

Am nächsten Morgen war alles wieder wie immer. Man 
fand sich, wenn auch verspätet, zum Frühstück zusammen, 
plauderte froh und angeregt. 
Und doch herrschte eine Spannung, wenn auch kaum 
fühlbar. Es schien zwischen den Gatten eine Mauer 
emporzuwachsen, die zur unüberwindlichen Höhe steigen 

mußte, wenn man sie nicht rechtzeitig niederriß. Ein Satz 
nur hatte den Grundstein zu dieser Mauer gelegt, im 
warnenden Ton gesagt, im stolzverletzenden Sinne 
aufgefaßt. Ein erklärendes Wort wurde hier nicht 
gesprochen, dort nicht verlangt – und es hätte doch so viel 
Kummer verhüten können. 
Sölve litt unsagbar unter dem allen. Ob er es auch tat? Ja, 
das war nicht zu ergründen. Ruhig und ernst ging er durch 
seine Tage, verändert. Vielleicht war sein Gesicht noch 
härter geworden, seine Art noch ein wenig schroffer, aber 
das war auch alles. Er verwöhnte seine Frau noch mehr als 
sonst, überschüttete sie mit Geschenken. Sorgte für Theater- 

und Kinokarten, nahm Einladungen an, arrangierte 
Schlittenfahrten mit anschließendem Tanz, sorgte 
jedenfalls für Abwechslung aller Art. 
Und das alles hätte Sölve hingegeben für ein herzliches, 
liebevolles Wort von ihm. 
Als Jörn und Ricarda endlich von ihrer Hochzeitsreise 
zurückkehrten, da wurde es für Sölve noch schlimmer. Das 
Glück strahlte den beiden nur so aus den Augen. Es war 
eine Freude, mit anzusehen, wie eins im anderen aufging. 
Das war Glück, reines, volles Glück. So glücklich würde sie, 

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Sölve, niemals sein. 
Und warum? Weil der Mann, den sie so unsagbar liebte, 

Hirngespinsten nachjagte und einer Einbildung lebte, die 
ihm jede Lebensfreude nehmen mußte. Wenn er sie geliebt 
hätte, dann wäre dieser starre Grundsatz vielleicht zunichte 
geworden. Aber ihre ganze Art sagte ihm wohl nicht zu. Sie 
war ja nicht einmal wert, Baronin Götterun zu sein, die 
Trägerin seines alten, untadeligen Namens. Ins Schlößchen 
mochte sie gar nicht gehen. Sie konnte das Glück der 
Gatten dort nicht sehen. 
»Was fehlt Ihnen, Frau Sölve?« fragte Jührich, als er sie 
einmal allein antraf. »Sie sind jetzt immer so blaß und 
still.« 
»Ach, das haben Ihre Augen bemerkt?« spottete sie bitter. 

»Nicht so, Frau Sölve«, bat er leise. »So liebesselige Augen 
haben Ricarda und ich nicht, um Ihre Veränderung nicht 
zu sehen.« 
»Sind Sie glücklich, lieber Freund?« wich sie hastig vom 
Thema ab. 
»Ja, Freundin Sölve, ich bin es – aber Sie nicht«, beharrte er 
hartnäckig. »Ich liebe meine süße Rosenrot aus tiefstem 
Herzengrund. Sie macht mich unsagbar glücklich. Daher 
möchte ich auch Sie glücklich sehen.« 
»Nicht – «, wehrte sie gequält ab. »Ich weiß, Sie meinen es 
gut – aber lassen Sie mich nur.« 
Damit mußte er sich zufriedengeben. 

Am Tage nach dem Rosenmontag sollte in der 
naheliegenden Stadt ein Maskenball steigen, zu dem alles, 
was einen Namen hatte, geladen war. 
Sölve wollte nicht mitmachen, doch Ricarda ließ nicht eher 
nach, bis sie sie dazu überredet hatte. 
»Das ist recht, mein Kind«, lobte Frau Fröse, als sie von 
Sölves Entschluß hörte. »Es wird eine gute Aufheiterung für 
dich sein.« 
»Eigentlich tut es mir jetzt schon wieder leid, Ricardas 
Drängen nachgegeben zu haben«, seufzte sie. »Was soll ich 
unter fröhlichen Menschen?« 

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»Sag mal, wie alt bist du eigentlich, du leidverklärte 
Greisin? Da sollte man doch wirklich die Hände über dem 

Kopf zusammenschlagen bei solch einem Getue!« 
»Schilt nicht, Tante Marga. Wenn ich nun schon 
mitmachen muß, so laß uns beraten, welche Kostüme wir 
wählen sollen.« 
»Wir -?« kam es befremdet zurück. 
»Natürlich. Oder willst du etwa nicht mitkommen?« 
»Sölve, sei doch vernünftig. Was soll ich alte Frau auf 
einem Maskenball? Da möchten ja die Möwen lachen.« 
»Du und alt? Darüber lachen höchstens die Möwen. Du 
mit deiner jugendlichen Gestalt – « 
»Und dem Runzelgesicht – «, warf sie lachend ein. 
»Hast du ja gar nicht. Komm mit, Tante Marga – mir 

zuliebe.« 
»Aber, herzliebstes Kind, brauchst du denn eine 
Kinderfrau?« 
»Pfui, Tante Marga! Ohne dich macht mir das Fest 
überhaupt keine Freude.« 
»Na schön, du Quälgeist. Ich bitte mir aber aus, daß du 
dann lustig und vergnügt bist. Deine Trauermiene in den 
letzten Wochen war schon gar nicht mehr mitanzusehen.« 
»Du weißt ja warum, Tante Marga.« 
»Nein, das weiß ich nicht. Du bist doch sonst so tapfer, 
mein Kind. Und hier, wo es um dein Lebensglück geht und 
das des geliebten Mannes, da versagst du. 

Ja, sieh mich nur groß an, es ist schon so, wie ich sage. Mit 
Trotz und verletztem Stolz erreichst du bei diesem Mann 
gar nichts. Höchstens, daß er sein Herz immer mehr 
verschließt. Seinen starren Grundsatz kann nur Liebe, 
immer nur Liebe erschüttern. Die Liebe ist die stärkste 
Waffe der Frau, das solltest du dir merken.« 
»Da soll die Liebe standhalten, wenn man hören muß, daß 
man nicht würdig ist, eine Baronin Götterun zu sein?« 
»Ach, du süßes, kleines Schaf -!« lachte Frau Fröse und 
küßte sie herzlich. »Fang womöglich noch zu heulen an 
über deine Unvernunft. Hast recht, laß uns beraten, mit 

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welchem Mummenschanz wir Prinz Karneval imponieren 
wollen.« 

Das rüttelte Sölve auf. In ihrem Eifer wurde sie fast so 
fröhlich wie früher. Der Gatte sah das alles lächelnd mit an 
und öffnete seine Börse weit. 
Endlich war der ersehnte Abend da. 
Das Auto brachte die drei Uhlener rasch und sicher an die 
Stätte, wo der Narrenprinz sein Zepter schwang. 
Jobst kannte die Kostüme seiner Damen nicht. Er trug 
einen seidenglänzenden Domino über dem Frack, dessen 
Aufschlag eine Riesenchrysantheme schmückte. Ein rundes 
Seidenmützchen mit einer ellenlangen, schillernden Feder 
zierte den rassigen Kopf. Er sah so elegant und apart aus, 
daß er gleich bei seinem Eintritt in dem Festsaal von 

Masken aller Art umringt wurde. Längst verschüttete 
Lebensfreude wagte sich langsam hervor, und bald war er 
von der jauchzenden Lust, die ihn umbrauste, so 
eingesponnen, daß er sich zuerst mitreißen ließ und dann 
allmählich fröhlich mitmachte. 
Als die umringenden Masken ihn ein wenig freigaben, 
spähte er nach den Seinen aus. Tante Marga glaubte er bald 
in der pompösen Tracht der Madame Pompadour erkannt 
zu haben. Schmunzelnd sah er ihre Erfolge. 
Aber wo war Sölve? Das herauszufinden, war nicht so 
einfach. Dieses entzückende rotseidene Teufelchen war 
Ricarda, und der Freund verkörperte das Gegenstück. 

Lachend tollten sie durch die Menge. 
»Kleine Möwe, flieg nach Helgoland – «, klang es da auf. 
Sich umwendend, bemerkte er eine Maske, die 
unverkennbar eine Möwe darstellte. Weißschimmernd wie 
frisch gefallener Schnee gleißte das Gewand, das einem 
Möwengefieder gar ähnlich war. Die Möwenflügel streckten 
sich auf dem weißhaarigen Köpfchen, und lachend blau 
blitzten die Augen durch die Löcher der weißen 
Seidenmaske. 
Mein stolzer Vogel, dich werde ich schon fangen, dachte er 
übermütig. Und wirklich gelang es ihm, sich nach vielen 

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Hindernissen zu ihr durchzuschlängeln, die sehr umringt 
war. Unzählige weiße Arme mußte er von seinem Nacken 

lösen, bis er endlich frei war. 
Dann stand er vor ihr und nahm sie ganz einfach einem 
Raben aus dem Arm, der zwar wundervoll zu ihr paßte, 
nun aber traurig davonflattern mußte. Denn mit diesem 
großen Domino anzubändeln, das schien dem Männlein 
nicht ratsam. 
»Nun, meine weiße Möwe, amüsierst du dich?« fragte er 
lachend und merkte, wie sie in seinem Arm 
zusammenfuhr. 
»Ja, mein Kind, da hättest du schon eine andere Maske 
wählen müssen, wenn du unerkannt bleiben willst. Dein 
Wahrzeichen zu verkörpern, ist leichtsinnig. 

Komm, mein Schatz, und küsse mich, küß mich auf den 
Mund. Schaden kann’s gewisse nicht, denn küssen ist 
gesund – «, sang er den Text des Schlagers mit und drückte 
zur Bekräftigung seine Lippen auf den Mund, der blutrot zu 
ihm emporleuchtete. 
»Jobst, was ist dir?« fragte sie zaghaft. »Bist du etwa 
berauscht?« 
»Jawohl, von der Freude ringsum. Laß sie uns bis zur Neige 
auskosten, mein stolzer, schneeweißer Vogel. Denn heut ist 
heut, der Abglanz des Rosenmontags und morgen ist 
Aschermittwoch. Doch der liegt so fern, so weltfern. Heut 
sind noch die Stunden der Rosen!« 

Eben klang die Barkarole aus »Hoffmanns Erzählungen« 
auf. Leise und betörend sang er ihr die Worte ins Ohr, sie 
so fest an sich pressend, daß sie sein Herz fühlte. Wie im 
Traum schwebte sie in seinem Arm dahin, der sie so 
elegant und sicher durch die schwankende Menge führte, 
ganz der vornehme Weltmann, der sich auf dem 
spiegelblanken Parkett zu Hause fühlt. 
Und wenn das Herz der silberweißen Möwe diesem halb 
ritterlichen, halb arroganten Domino nicht längst gehört 
hätte, so wäre es ihm heute restlos verfallen. 
Unermüdlich tanzten sie. Hatten wohl beide den gleichen 

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Wunsch, für alle Zeit so dahinzuschweben. Sich die Sinne 
verwirren zu lassen von der Narrenwelt ringsum, 

dahinzuträumen bei der zärtlichen Tanzweise, ohne an ein 
Morgen zu denken, dem Heute wie verzaubert. 
Jung fühlte er sich heute, köstlich jung. Wie damals, da er, 
die entzückende Elga im Arm, dahingeschwebt war. Was 
dazwischenlag, war ausgelöscht. 
Dann wurde die Möwe vom Teufel geholt, der höhnisch 
lachend mit seiner Beute davonflitzte. Dafür schmiegte sich 
die grazile Teufelin in seinen Arm. 
Auch gut, dachte er und drückte sie fest an das heute so 
närrische Herz. 
»Komm, mein Teufel, kleiner Teufel, süßer rosenroter 
Teufel«, sang er seinen eigenen Text nach der 

einschmeichelnden Melodie. Schwenkte die 
Höllenbewohnerin voll Grazie und Schneid umher. Und 
warum leuchteten die jungroten Lippen so verführerisch zu 
ihm empor? Da mußte er sie eben küssen. 
»Baron von Götterun – ich glaube, Sie benehmen sich – « 
»Hol ihn, Teufel, kleiner Teufel, süßer rosenroter Teufel, 
hol das arg verrückte Huhn, hol den Jobst von Götterun – 
«, sang er unentwegt weiter. 
Und: »Laß ihn sausen, laß ihn brausen, ihn in seiner Klause 
hausen, dich hole ich am Ultimo, mein eleganter Domino 
– «, kam die lachende Antwort. 
»Nun sehen Sie sich bloß die beiden an«, sagte die Möwe 

zum Teufel, mit dem sie sich lustig drehte. »Sie singen und 
lachen wie die Kinder. Jetzt tanzen sie sogar einen Galopp 
zur Walzermelodie, durchfegen den Saal von einer Ecke zur 
andern. Was ist bloß in Jobst gefahren? Bei dem 
plötzlichen Umschwung kann einem ja angst und bange 
werden.« 
»Er ist zu köstlich in seinem Faschingstaumel«, lachte der 
Teufel. »So war er einst immer, kleine Möwe, bevor ihn das 
Schicksal duckte und trat. Aber Sie wollen zu diesem 
Schwerenöter im Domino gar nicht passen, wenn Ihre 
Gewandung in ihrer unantastbaren Weiße auch 

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bezaubernd ist.« 
»Da haben Sie recht. Aber wie konnte ich auch ahnen, daß 

der schwerfällige Jobst sich so bedingungslos dem Zepter 
des Narrenprinzen unterwerfen würde? Das hat jedoch 
unsere hellseherische Tante Marga gewußt und wieder 
einmal vorgesorgt. 
Sehen Sie, jetzt hat er unsere Madame Pompadour 
erwischt. Wie er sich vor ihr verneigt im höfischen 
Zeremoniell. Und was hat er nun vor -?« 
»Kapelle, ein Menuett -!« forderte seine herrische Stimme. 
Schon klang eine galante Weise auf und der Domino tanzte 
mit Madame ein graziöses Menuett. 
»Wer schließt sich dem Ehrenreigen der Pompadour an?« 
wurde man höflich aufgefordert – und schon traten die 

Paare zierlich und kokett in die Reihe. 
Sölve wollte sich ausschütten vor Lachen, was sich da alles 
zusammenfand und ernst und feierlich dahinschritt. Selbst 
ein Storch stolzierte umher, ein Kakadu, eine Maus, ein 
Schornsteinfeger, Don Quichotte, Landsknecht und Teufel, 
Bacchantin und Nonne, alles machte todernst mit. Die 
rotseidene Teufelin wurde vom Götterknaben Amor geführt 
– und vorweg in vorbildlicher Grazie Madame Pompadour 
und der galante Domino. 
»O du goldige Tante Marga!« jubelte Sölve. »Ist sie nicht 
köstlich?« 
»Das ist sie – «, wurde inbrünstig bestätigt. 

Nun gab es eine neue Sensation, und das Menuett versank 
wie ein Schemen. Der Domino ging auf weitere Abenteuer 
aus, während Sölve aus dem Saal schlüpfte. 
Bald darauf ertönte wieder ein Hallo, die Musik spielte 
einen Tusch – und durch den Saal fegte auf 
silberglänzendem Besen mit langem Stiel eine glitzernde, 
gleißende Maske. 
»Bernsteinhexe – «, jubelte es ringsum. Und tatsächlich war 
diese in berückender Weise verkörpert. Bernsteinübersät 
war das Kleidchen aus meerblauer bauschiger Gaze. 
Bernsteinfunkelnd die Schuhe, die Strümpfe. 

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Bernsteinketten klirrten an den Gelenken, schlangen sich 
um den Nacken, selbst die Atlasmaske zeigte die Farbe des 

Meergoldes. Und die Haare. 
»O du mein kleines, süßes, raffiniertes Hexlein«, 
schmunzelte Götterun vergnügt. Rücksichtslos bahnte er 
sich den Weg durch die Menschenmenge, ergriff sein 
lachendes Hexchen und tanzte mit ihm davon, bis sie 
beide außer Atem waren. Sekt wollte es trinken, was gern 
gewährt wurde. 
»Es lebe Prinz Karneval und die Maskenfreiheit -!« ließ er 
sein Glas behutsam an das ihre klingen, holte sich den 
Champagnersold von ihren süßen Lippen. 
»Domino, nimm dich in acht, das Hexengold verbrennt 
dein Herz -!« drohte sie unheimlich, doch er lachte 

leichtsinnig und tanzte mit ihr aufs neue davon. 
»Hexlein, o wie irrst du dich, dies Panzerherz verbrennst du 
nicht – «, sang er seine alte Tour. Tanzte weiter, immer 
weiter, als hätte er die Tanzschuhe des Mädchens aus dem 
Märchen an den Füßen. Wenn sich Sölve verschnaufen 
mußte, holte er sich andere Masken. Wahllos. 
Viel zu schnell gingen die schönsten Stunden vorüber, und 
als sich der Zeiger der Uhr der Mitternacht näherte, dachten 
die drei Uhlener an die Vereinbarung, vor der 
Demaskierung zu verschwinden. Und als ein Fanfarenstoß 
diese verkündete, fuhr das Auto von Uhlen unten an. 
Aber noch war für sie der Mummenschanz nicht zu Ende. 

Starr vor Staunen stand Götterun in dem kleinen Festsaal 
des Schlosses, der ein närrisches Aussehen hatte. Jubelnd 
eilten die Gäste, die außer den Jührichschen Gatten noch 
aus fünf weiteren Ehepaaren bestanden, dem Gastgeber 
entgegen. Für die Madame war sogar der Ludwig gefunden. 
»Madame, Sie haben sich heute wieder einmal selbst 
übertroffen«, verbeugte sich der Domino galant. »Das Amt 
einer Hofmarschallin im Hexenreich versehen Sie mit 
Grazie. Ich lege Ihnen mein Herz zu Füßen.« 
»Das begehre ich nicht, o Domino«, tat sie hoheitsvoll ab. 
»Wenn ich all die Rendezvous besuchen wollte, zu denen 

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man mich heute bestellt, dann könnte ich für die nächste 
Zeit meinen Sitz an der Normaluhr des Marktplatzes 

aufschlagen.« 
Jubelnd wurde sie umringt. Doch mit majestätischer 
Bewegung scheuchte Ludwig die Aufdringlichen zurück. 
»Ihr Pöbel, belästigt meine Geliebte nicht. Sie hat euch 
etwas zu verkünden.« 
»Das Hexenreich beherbergt seine Gäste bis zum grauen 
Aschermittwoch. Und dann – husch, husch ins Körbchen!« 
Das gab dann noch eine jubelnde Fröhlichkeit bis in den 
frühen Morgen. Dann lag der Saal plötzlich schwarz und 
totenstill da. Wie mit Zauberschlag war aller 
Mummenschanz dahin. 
Frau Marga schlich leise davon, und die Gatten standen 

sich allein gegenüber. Da zog er sie wieder in seine Arme, 
tanzte mit ihr davon, in die anstoßenden Räume hinein. 
Im Vorübergleiten löste er den Knopf des Rundfunks, und 
von irgendwo tönte ihnen Tanzmusik entgegen. Zärtlich 
klangen die Weisen, in ihrem Takt wiegte sich das 
Tänzerpaar, Auge in Auge, Herz an Herz. Die blutroten 
Lippen halb geöffnet, um Augen und Mund ein 
verheißungsvolles Lächeln, so schwebte es, von seinem 
Arm fest umschlungen, dahin, das bernsteinfunkelnde 
Hexlein, das in der dämmernden Beleuchtung überirdisch 
schön aussah. 
»Laßt uns heute glücklich sein, heut ist heut, zum 

Trübsalblasen, liebe Leut, ist morgen Zeit, morgen Zeit – «, 
sang sie leise den Text des Schlagers mit. Sie befand sich 
wie in einem Traum, aus dem sie nie mehr erwachen 
wollte. 
»Heut ist heut – «, lockte es zu dem Mann empor, in dessen 
Augen es heiß flimmerte. 
»Hexlein, ich warne dich – «, raunte er. »Mach deine Augen 
zu. Sie brennen mir ins Herz wie eine blaue Flamme. Deine 
Haare schimmern wie Hexengold, deine Zähne schimmern 
wie Perlen auf dem Meeresgrund. Deine Arme wie die der 
Nixen, die den Wanderer hinunter ins Verderben ziehen. 

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Nixlein, ich warne dich -!« 
»Wer das Glück nicht halten mag, der klage nicht und 

jammere nicht danach, wer den rechten Augenblick 
versäumt, hat ausgeträumt – «, lockte es im Rundfunk 
weiter. 
Da preßte er seine Lippen heiß auf ihren Mund. 
 
Herz, weine nicht, sei still, wir sind jetzt beide müd, 
was wir erleiden müssen, das ist das alte Lied.  
Ein altes Lied, von Lieb und Leid,
 
ein altes Lied, voll Traurigkeit. 
Wenn manches Herz dabei auch bricht,  
du darfst es nicht.  
 

Am Vormittag durchflutete strahlende Wintersonne das 
Gemach, in dem Sölve sanft schlummerte. Die Strahlen 
umtanzten die Schläferin, bis sie blinzelnd die Lider hob, 
hellwach wurde und den großen Rosenstrauß entdeckte, 
der auf der meerfarbenen Daunendecke lag. 
»Jobst – «, lächelte sie glücklich, indem sie nach dem Brief 

griff, der in den Blumen steckte. 
Doch kaum hatte sie die wenigen Zeilen gelesen, da verlor 
das heißerglühte Gesicht alle Farbe. Es war ja auch 
erschreckend genug, was da stand: »Aschermittwoch ist’s, 
meine weiße Möwe, Aschermittwoch für mich. Dir laß die 
Rosen ihn durchduften wie einen Rosenmontag, ich büße 
für uns beide. Ich komme wieder, wenn ich kann. 
Jobst.« 
Fort ist er, fort – das war alles, was Sölve zuerst denken 
konnte. Er ist weggegangen von mir – nach dieser Stunde. 
Nun sei still, du armes Herz, und weine nicht, sei ganz still. 
Denn Tränen dürfen wir nicht haben für diesen Mann, 

hörst du? Aber wann hört das Herz danach, was man ihm 
sagt? Vorläufig tat es wieder einmal so erbärmlich weh, daß 
sich die Tränen ungewollt einstellten. 
Aufstöhnend drückte sie das Gesicht in die Kissen und 
merkte daher nicht, wie Frau Fröse das Zimmer betrat. Erst 

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als diese sie anrief, hob sie den Kopf. 
»Tante Marga – «, schluchzte sie so verzweifelt, daß sich 

diese zu ihr auf das Bett setzte und den zuckenden Körper 
in ihre Arme nahm. 
»Weine nicht, mein Liebstes, es  wird  bestimmt  noch  alles 
gut«, versuchte sie zu trösten. 
»Nichts – wird – gut – «, kam es unter heftigen Herzstößen. 
»Du weißt ja nicht, was geschehen ist. Lies den Brief – « 
Frau Marga überflog die Zeilen. 
»Er wird wiederkommen, Sölve – « 
»Und was wird dann? Ich habe schuld, Tante Marga – ich 
allein.« 
»Rede dir das doch nicht ein, mein Kind. Es mußte einmal 
so kommen, das habe ich längst vorausgesehen.« 

»Und jetzt – jetzt schenkt er mir Rosen – wie einer 
verabschiedeten Geliebten – « 
»Pfui, Sölve, das war häßlich. Was meinst du wohl, mit 
welchen Gewissensbissen sich nun der arme Mann 
herumplagt? Die machen ihm bestimmt das Leben zur 
Hölle. Deine Not ist winzig klein, gemessen an der seinen.« 
»Tante Marga – ich muß fort – « 
Nun nahm Frau Marga das heißgeweinte Gesicht in ihre 
Hände und hob es zu sich empor. 
»Sölve, du willst dich feige den Konsequenzen entziehen?« 
fragte sie tiefernst. »Hast du nicht selbst gesagt, daß du die 
Hauptschuld trägst?« 

»Das ja – «, gab sie niedergeschlagen zu. »Er wird aber 
erwarten, daß ich gehe.« 
»Den Unsinn mußt du dir nicht einreden. Soweit ich ihn 
kenne, wird er es als seine einfachste Pflicht ansehen, dich 
unter allen Umständen zu halten. Außerdem hat er dich 
viel zu lieb, um dich noch von sich lassen zu können. Wir 
wollen daher gar nichts unternehmen, sondern geduldig 
warten, bis er wiederkommt. Er hat stets einen Ausweg 
gefunden, und es wird ihm jetzt wieder gelingen. Und du 
vergräme dir nicht deine Tage, sondern laß sie dir von den 
Rosen durchduften, wie er es im Brief verlangt. Bist du nun 

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wieder mein liebes, tapferes Kind?« 
»Wie gern möchte ich das sein. Wenn ich dich nicht hätte, 

du Gute, dann würde manche Dummheit gemacht 
werden.« 
»Ist nur gut, daß du das einsiehst. Und nun hopp, aus den 
Federn. Unsere kleine Heike schaut sich schon nach ihrer 
Mami die Gucker aus. Außerdem hat Ricarda angerufen 
und erwartet uns im Schlößchen zur Nachfeier.« 
»Ich gehe nicht hin.« 
»Du gehst doch hin.« 
»Tante Marga, du hast überhaupt keine Ehrfurcht vor 
meinem Leid.« 
»Vor deinem nicht, mein Herzchen, weil es gar keines ist«, 
tat sie trocken ab. 

So hatte die kluge, erfahrene Frau wieder einmal ein 
verfahrenes Schifflein flottgemacht. Das heißt, so einfach, 
wie sie es Sölve hingestellt, würde die Zukunft der ihr 
lieben Menschen nicht werden. Wer weiß, was ihnen noch 
alles bevorstand. 
Und es kam tatsächlich noch mehr Kummer für Sölve. 
Frau Fröse stürzte eines Tages so unglücklich eine Treppe 
hinab, daß sie sich den Oberschenkel brach. 
Fassungslos vor Jammer stand Sölve diesem neuen Schlag 
gegenüber. 
Jörn von Jührich, der herbeigerufen wurde, setzte sich mit 
einem Spezialarzt in Verbindung, und der verlangte 

Überführung der Verletzten in seine Klinik, wenn er für 
gute und schnelle Heilung garantieren sollte. 
Sölve sträubte sich zuerst dagegen, die liebe Frau aus dem 
Hause zu geben, mußte sich dann aber fügen. 
Stundenlang saß sie in der Klinik an dem Bett der Kranken, 
die ganz vergnügt war, weil sie verhältnismäßig wenig 
Schmerzen hatte. Sölve wußte kaum, was sie ihr zuliebe 
alles tun sollte. Sie schleppte immer wieder Leckereien 
herbei, so daß Tante Marga eines Tages lachend behauptet, 
nun ein Delikatessengeschäft eröffnen zu können. 
Wenn Sölve dann nach Hause zurückkehrte, kam es ihr öde 

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und traurig darin vor. Nun merkte man, daß die gütige, 
vornehme Frau wirklich der gute Geist des Hauses gewesen 

war. 
Öfter als sonst fuhr Sölve nach Kaimucken, saß still bei 
Frau Fränze, die langsam zum Leben zurückzufinden 
schien. Es schien, als sähe sie die junge Frau gern. 
Nur daß sich Jobst noch immer nicht gemeldet hatte, 
machte sie traurig. 
»Wird schon wieder werden«, tröstete sie der Hausherr, als 
seine Frau mit ihm über Jobst beängstigendes Schweigen 
sprach. »So was überwindet sich nicht von heute auf 
morgen. Das braucht seine Zeit.« 
Was jedoch Sölves trübe Tage erhellte, das waren die 
Fortschritte, die Heike machte. Als müsse die Natur auf 

schnellstem Wege nachholen, was sie so lange versäumt, so 
rasch ging sie nun vor. Es gab fast keinen Tag, der nicht 
etwas Neues brachte. 
So verging ein Vierteljahr, da kam die erste Nachricht von 
Jobst. Und zwar zeigte er seine Ankunft in den nächsten 
Tagen telegraphisch an. 
»Ich muß fort – sobald als möglich fort – «, begann Sölve 
wieder ihr altes Lied, und da niemand da war, der sie 
zurückhielt, nahm ihr Plan feste Formen an. Tante Marga 
konnte sie jetzt mit ihrer Not nicht kommen, die durfte 
nicht erregt werden, also vertraute sie sich der 
Kinderschwester an. 

»Ich bin Ihrer Meinung, Frau Baronin«, sagte das kluge 
ernste Mädchen einfach. »Ich würde an Ihrer Stelle genauso 
handeln.« 
Da atmete Sölve auf. An diesem Mädchen würde sie eine 
starke Stütze haben. 
Nun mußte ein neuer Wohnort gesucht werden, und Sölve 
fiel ein kleiner romantisch gelegener Badeort ein, den sie 
einmal mit ihren Eltern besucht hatte. Sicherlich würden 
sie da leicht eine Wohnung finden, vielleicht ein kleines 
Haus mieten können. 
Während sie eifrig mit der Schwester sprach, legten sich 

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zwei Hundeköpfe rechts und links auf ihre Knie, und zwei 
Paar Hundeaugen sahen sie traurig an. 

»Natürlich, ihr Kerle, ihr kommt mit«, lachte Sölve. 
»Erstens mal seid ihr ein Stück Heimat, und außerdem 
noch ein zuverlässiger Schutz. Die kleinen Strolche nebst 
Schneeweißchen werden ja unglücklich sein, daß sie 
hierbleiben müssen, aber die würden doch zu viel Unruhe 
bringen.« 
So kam es denn, daß schon einige Stunden später das 
große vollgepackte Auto Uhlen verließ. 
Sölve hätte aufschreien mögen vor Schmerz, als ihr 
tränenumflorter Blick die Fassade des Schlosses streifte. Da 
legte sich eine Hand leise auf die ihre, zwei treue Augen 
sahen sie tröstend an. 

»Nicht traurig sein, Frau Baronin. So weh der Abschied jetzt 
tut, so groß wird die Freude des Wiederkehrens sein.« 
 
Wo bist du geblieben, du Kind mit den Locken,
 
hellsonnig wie Flachs auf Freyas Rocken? 
Du hältst mein Herz auf Wacht, Tag und Nacht. 
Komm, küsse mich wieder und sing deine Lieder, 
die mich so unsagbar glücklich gemacht. 

 
Starr blickten die Augen Jobst von Götteruns auf das 
Briefblatt in seiner Hand: »Jobst! Zürne mir nicht, ich kann 
nicht anders handeln. Heike, die Schwester und die beiden 
großen Hunde nehme ich mit mir. Tu mir die Liebe und 

forsche mir nicht nach. Wenn es Zeit ist, melde ich mich. 
Sölve.« 
Ja, hatte er denn etwas anderes erwartet? Etwa, daß sie ihm 
freudig um den Hals fallen würde? Das konnte er nach 
dem, was er ihr angetan hatte, wohl schwerlich verlangen. 
Eine heiße Sehnsucht nach Tante Marga packte ihn. Eine 
Aussprache mit ihr würde die quälende Unruhe in seinem 
Herzen sicherlich besänftigen. 
Doch da mußte er erfahren, daß diese schon seit acht 
Wochen in der Klinik lag und eine Stunde später trat er zu 

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ihr, die ihm vom Lehnstuhl entgegenlachte »Tante Marga, 
so weit bist du schon? Wie schön!« 

»Gottlob, mein Junge. Komm, nimm Platz«, begrüßte sie 
ihn herzlich. Und wieder einmal war er dem Schicksal von 
Herzen dankbar, daß es ihm diese prächtige Frau zur Seite 
gestellt hatte. Wenn man in ihre gütigen Augen sah, dann 
wurde man sofort ruhiger. 
»Weißt du, daß Sölve fort ist, Tante Marga?« 
»Ja, sie hat es mir brieflich mitgeteilt. Auch daß du in 
diesen Tagen heimkehren würdest.« 
»Hat sie auch dir nicht gesagt, wohin sie sich wenden 
wollte?« 
»Nein. Und wir müssen ihren Wunsch berücksichtigen und 
ihr nicht nachforschen.« 

»Ob sie Geld genug hat?« 
»Ganz bestimmt. Mit dem, was sie auf ihrem Konto hat, 
kann sie jahrelang leben. 
Und wie ist es mit dir, mein Junge? Ich fürchte fast, daß du 
genauso zerquält wiedergekommen bist?« 
»Da hast du recht, Tante Marga.« 
»Dann ist es ja ein wahrer Segen, daß Sölve fort ist. Sonst 
würde die Quälerei da wieder anfangen, wo sie aufgehört 
hat. Und nun werde ich mit dir nach Hause kommen.« 
»Tante Marga, das wäre sträflicher Leichtsinn.« 
»Laß nur«, winkte sie ab. »Ich habe mit dem Professor 
gesprochen. Er hat nichts dagegen, wenn ich mit dir 

komme. Jörn soll mich dann weiter behandeln.« 
So fuhr sie denn mit ihm, und die beiden Menschen lebten 
wieder so, wie sie vor seiner Verheiratung gelebt hatten. Es 
war alles so wie sonst. 
Und doch so anders. Die Weite des Schlosses hatte sie 
sonst nicht gestört, doch jetzt schien es ihnen so unendlich 
groß zu sein – und leer. Unmöglich konnte es der eine 
Mensch sein, der diese gähnende Leere gefüllt hatte; denn 
die kleine Heike hatte ja noch nicht gezählt. 
Also war es tatsächlich so, dieser eine, einzige Mensch 
fehlte. Es fehlte das goldige, klingende Lachen, die zärtliche 

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Stimme, die auch dem schlichtesten Lied Innigkeit zu 
geben verstand, es fehlte das Spiel – kurz, es fehlte die 

ganze Sölve an allen Ecken und Enden. 
Wohl kamen die große und die kleine Rosenrot fast täglich 
und brachten lachendes Leben mit. Es kam Herr Julius, 
kamen liebe Bekannte – aber niemand konnte Sölve 
ersetzen. 
Wenigstens Frau Marga nicht, die sich, auf einen Stock 
gestützt, nur mühsam fortbewegen konnte. Jeden Abend, 
wenn sie zu Bett ging, dachte sie voll Inbrunst: 
Wird der morgige Tag eine Nachricht bringen? Aber Tag um 
Tag, Woche um Woche, Monat um Monat verging, ohne 
ein Lebenszeichen von Sölve gebracht zu haben. Längst 
durchschritt Frau Marga wieder mit ihrem raschen, leichten 

Schritt das Schloß. Frühling und Sommer waren vergangen, 
der Herbst war da – und immer noch schwieg Sölve. 
Der November brachte die Doppelhochzeit von Monika 
und Veronika, und dieser stand Frau Fränze nicht mehr so 
starr gegenüber, wie damals der Ricardas. 
Es wurde eine Feier mit allem Drum und Dran, wie es auf 
dem Lande üblich ist. 
Es leuchtete wie Mutterstolz in den Augen Frau Fränzes auf, 
als ihr Blick über die Bräute und ihre stattlichen Männer 
ging. 
Und noch heller wurde der Blick, wenn er auf der 
reizenden Ricarda ruhte. Es war rührend mit anzusehen, 

wie sie ihren Mann vergötterte, und auch er gewann diesen 
prächtigen Lebenskameraden mit jedem Tag lieber. 
Die Ehe der Zwillinge mußte nach menschlichem Ermessen 
gut werden. Und wenn die jungen Ehemänner auch keine 
Mitgiftjäger waren, sondern ihre Frauen aus Liebe erwählt 
hatten, so war ihnen der Scheck nicht unangenehm, den 
Götterun den Zwillingen bei der Hochzeit überreichte. Der 
machte die beiden Paare noch zufriedener. 
Dann kamen wieder stille. Wochen. Draußen lag der 
Dezemberschnee dick und flauschig wie Watte. Die Zeit 
war da, wo die brutzelnden Bratäpfel sehr begehrt waren, 

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ebenso der dampfende Grog, der in keinem Landhaus 
fehlen durfte. Für die Damen der aus Rotwein, für die 

Herren der aus Rum. 
Es gab auch Fälle, wo es andersherum ging, aber in Uhlen 
war es vorschriftsmäßig. Mitten auf dem runden Tisch 
stand ein Knabberteller, ein Vorgeschmack der 
Weihnachtsgenüsse. Die kleinen Hunde schnarchten zu 
Frauchens und Herrchens Füßen, Schneeweißchen lag 
zusammengerollt in einem Sessel und schnurrte wie ein 
Spinnrad. 
Michael näherte sich in seiner lautlosen Art und stellte zu 
dem Knabberteller einen andern, auf dem die Bratäpfel 
goldgelb und knusperig brutzelten. Zischend lief der 
dickflüssige Saft aus den Rissen und vermischte sich mit 

dem des Zuckers, der auf den Äpfeln glitzerte. 
Ein lieblicher Duft durchzog das Gemach, der sogar bis in 
die Träume der Hunde drang. Schnuppernd hoben sie die 
Nasen, ließen sie jedoch gleich wieder sinken, weil das da 
oben für sie doch nicht das Richtige war. 
Es schien ungemein traulich in dem Gemach – und doch 
waren die Menschen darin nicht so froh, wie sie es hätten 
sein müssen. Immer wieder gingen Frau Margas Augen 
bekümmert zu dem Mann hin, der heute auffallend blaß 
aussah. Sie hatte Angst vor Weihnachten, das in einer 
Woche gefeiert wurde. Wenn sich Sölve bis dahin nicht 
gemeldet hatte, dann wußte sie nicht, was werden sollte. 

Sieben Monate war sie nun schon fort – und noch immer 
hatten sie kein Lebenszeichen von ihr erhalten. 
Man wußte wirklich nicht mehr, was man denken sollte. 
Wenn sich der Mann doch nur ein einziges Mal seine Not 
vom Herzen reden wollte! Aber kein Wort kam über seine 
Lippen. Sie fürchtete, Sölve überhaupt zu erwähnen, um 
nicht an die tiefe Herzenswunde zu rühren. 
Plötzlich hob er den Kopf und lauschte wie gebannt. 
»Wer das Glück nicht halten mag, der klage nicht und 
jammere danach. Wer den Augenblick versäumt, hat 
ausgeträumt, ausgeträumt – «, klang aus dem Rundfunk 

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eine Männerstimme – und aufstöhnend barg Jobst von 
Götterun das Gesicht in den Händen. 

»Jobst, was hast du?« rief Frau Marga erschrocken. 
»Ausgeträumt – ich habe ausgeträumt – «, klang es 
höhnisch durch den Raum. 
»Tante Marga, stelle, bitte, den Rundfunk ab – « 
Nun war es still, ganz still. Und doch war es dem Mann, als 
höhnte die Stimme immer weiter. Er packte ihre Hände 
und drückte seine Augen darauf. 
»Tante Marga, dieses Lied hat sie gesungen, am letzten 
Abend noch – so glücklich, so voll süßseliger Schelmerei. 
Und nun – wo mag sie sein? Warum meldet sie sich nicht? 
Tante Marga, ich halte dieses entsetzliche Warten nicht 
mehr aus.« 

»Das sollst du auch nicht, mein Junge. Und daher werden 
wir auch nicht länger warten, sondern handeln. Wenn sie 
sich zwei Tage vor Weihnachten immer noch nicht 
gemeldet hat, dann hole ich sie. Und dann wirst du nicht 
mehr grübeln und klügeln, sondern wirst sie an dein Herz 
nehmen und glücklich sein.« 
»Und wenn sie nichts mehr von mir wissen will?« 
»Da kennst du Sölve schlecht! Sicherlich wartet sie darauf, 
daß du sie, trotz ihres Verbotes, holst. Zerquält sich ihr 
Herz dort, wie du dir das deine hier.« 
»Wir wissen ja gar nicht, wo sie sich aufhält.« 
»Das kriege ich schon heraus. Du hast weiter nichts zu tun, 

als vernünftig zu sein und dich und sie mit deinen 
Hirngespinsten nicht so unerhört zu quälen. Sonst mache 
ich nämlich nicht mit.« 
Der Fernsprecher schlug an, hell und schmetternd wie eine 
Fanfare. 
Frau Marga nahm das Gespräch entgegen. 
»Was, Fräulein«, hörte er sie ungläubig fragen. 
»Wiederholen Sie, bitte – « 
»Also wirklich«, lachte sie fröhlich. 
»Jetzt wiederhole ich: Ein Telegramm an den Herrn Baron. 
Aufgegeben in Seehausen. Inhalt: Komm, dein 

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Weihnachtsgeschenk wartet. Sölve.« 
Da war er schon bei ihr, nahm ihr den Hörer aus der Hand 

»Fräulein, das muß ein Irrtum sein-!« 
Aber sein Ohr vernahm genau dasselbe. Sie sahen sich 
beide an. Ihre Augen lachten ebenso wie ihre Herzen. 
»Wann fahren wir, Tante Marga?« 
»Doch nicht womöglich jetzt, am späten Abend? Wenn du 
sieben Monate warten konntest, dann schaffst du es auch 
noch ein paar Stunden.« 
 
Komm, bei mir wartet das Glück,
 
du sorgenkranker Gesell. 
Komm, bei mir wartet die Liebe, 
komm schnell 
.
 

Leise summend glitt der schnittige Wagen über den 
festgefahrenen Schnee. Wie ein Traumland erschien der 
Wald in seiner Winterherrlichkeit. Der Rauhreif glitzerte 
und blitzte, als hätte man die Tannen mit 
Christbaumschnee bestreut. Aber so kunstvoll konnte das 
keine Menschenhand. Das konnte nur der große Künstler 
Winter zuwege bringen. 
Entzückt schauten Frau Marga und Jobst in dieses 
Märchenland hinaus. Sie konnten sich mit Behagen dem 
Genuß hingeben; denn im Auto war es mollig warm, da 
spürte man nichts von der klirrenden Kälte da draußen. 
Aber in ihren Herzen war es noch wärmer. Ging es doch 

nun endlich zu ihrer Bernsteinhexe, zu ihrer weißen Möwe. 
Als man dem Chauffeur gesagt hatte, wohin er fahren 
sollte, war ein Lachen über sein Gesicht gegangen. 
»Zur Frau Baronin? Das wird aber eine frohe Fahrt.« 
»Wissen Sie denn, wo sie sich aufhält, Walter?« 
»Jawohl, Herr Baron. Ich habe die Frau Baronin doch vor 
sieben Monaten nach Seehausen gefahren.« 
War das die Möglichkeit! Da hatte man sich das Hirn 
zergrübelt, wo Sölve wohl weilen könnte, während dieser 
Mann, den man täglich sprach, es ganz genau wußte. Doch 

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der treue Mensch hielt es für seine selbstverständliche 
Ehrenpflicht, zu schweigen. 

Nach einer guten Stunde hielt man vor einem kleinen 
Haus, das wie in Watte versenkt stand. Zuerst kamen ihnen 
die beiden Hunde entgegen, die vor Freude laut jaulten. 
Und was tapste da durch die kleine, wohlig durchwärmte 
Diele? Heike, das kleine Tausendschönchen, mit einem 
Riesenstrauß in den dicken Patschen. 
»Mädchen, du Süßes, du -!« rief der Mann überwältigt und 
hob sein Kind an sein Herz. 
»Papi – die Oma aber auch.« 
Sie sprach, wenn auch noch etwas unbeholfen, aber sie 
sprach. Mit dem dicken Ärmchen den Hals des Papis 
umfassend, reichte sie den Strauß Frau Marga hin. 

»Da, Oma – weil du so lieb bist – «, sagte sie einfach, und 
das zweite Ärmchen umfaßte ihren Hals. 
»Oh, bitte sehr, hier wohnen auch noch Leute – und was 
für welche – «, klang eine zu bekannte Stimme hinter 
ihnen. Die Köpfe fuhren herum. – Da stand Sölve lachend, 
strahlend – schöner denn je. 
»Sölve -!« schrie der Mann auf, doch sie winkte ab. 
»Später, mein Lieber erst kommt dein 
Weihnachtsgeschenk.« 
Sie betraten ein Zimmer, das mit Möbeln ausgestattet war, 
wie es in einem bewohnten Hause üblich ist. Aber davon 
sahen sie nichts. Sie sahen nur das spitzenverhangene 

Babybettchen. Und darin - »Dein Sohn – «, erklärte Sölve 
mit dunkler Stimme – und der Mann starrte gebannt auf 
das kleine rosige Wesen, das da so friedlich schlief. 
Aber dann hatte er begriffen. 
»Sölve, du gibst mir das Leben wieder«, stöhnte er, und 
dann wurde es ganz still in dem Raum. 
Sölve unterbrach dann das Schweigen nach einer Weile. 
»Sieh dir den Bengel nur an, ein kleiner Staatskerl ist’s.« 
Ja, das war er, und der beglückte Vater konnte sich nicht 
sattsehen an dem kleinen Wunder. Sein Sohn – sein Erbe, 
nicht anders, als ein gesundes, gutgepflegtes Kind von drei 

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Wochen sein kann. Doch dem Mann, der schon vor zwei 
anderen Kindern gestanden hatte, erschien dieses wie ein 

kleines Wunderwesen. Dazu war es ein Götterun durch und 
durch. Die Ähnlichkeit war bei dem winzigen 
Geschöpfchen frappierend. 
Und das kleine Mädchen war auch sein Kind, das er schon 
aufgegeben oder durchs Leben vegetierend geglaubt hatte. 
Nun stand es neben ihm, zart und rosig und hielt seine 
Hand. 
Nein, das alles mußte erst sehr langsam begriffen werden, 
daß er plötzlich ein glücklicher Mensch sein sollte, wie 
viele andere Menschen auch. Das faßte er nicht so schnell 
in seiner schwerfälligen Art. 
Während er noch immer dastand und weltvergessen auf 

seine Kinder schaute, umfaßte Sölve die glückliche Frau 
Marga. 
»Nun, Oma, wie gefallen dir deine Enkelkinder?« 
»O du Heimtückerin, so was Ähnliches habe ich geahnt. 
Und wenn der Junge anders gewesen wäre?« 
»Dann hätte ich ihn Jobst unterschlagen«, erklärte sie fest. 
»Aber damit rechnete ich nur in trüben Stunden, die 
anderen war ich zuversichtlich und voll froher Erwartung. 
Ich bin stolz darauf, daß ich dem alten Stamm ein Reislein 
schenken durfte. Und daß es mir beschieden ist, Heike so 
munter vor mir zu sehen.« 
Da wandte sich der Mann um 

»Sölve, jedes Dankeswort wäre hier banal – «, sagte er ganz 
tief und rauh. »Aber – « 
»Laß nur«, winkte sie lachend ab. »Dank gebührt der 
selbstlosen prächtigen Schwester, die mir in den Monaten 
des Hangens und Bangens eine liebe Freundin geworden 
ist. Und dann Freund Jörn, der sich aufopfernd um mich 
bemüht hat.« 
»Standest du denn mit ihm in Verbindung?« 
»Natürlich. Einen mußte ich doch haben, der mich mit Rat 
und Tat unterstützte, wobei ihm Ricarda wacker geholfen 
hat.« 

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»Na, diese Verschwörer. Laß sie nur kommen – « 
»Da sind sie schon – «, kam es lachend von der Tür her, wo 

Jörn und Ricarda standen. »Wie gefällt Ihnen denn Ihr 
Sohn, Herr Baron von Götterun? Würdiger 
Geschlechtsträger, was?« 
Es gab eine Begrüßung voll großer Freude. Schon morgen 
wollte man nach Uhlen übersiedeln, um dort das 
Weihnachtsfest zu verleben. Und am zweiten Feiertag sollte 
der Erbe getauft werden. 
 
Nun habt ihr euch gebangt und gequält, 
habt geweint und gelitten,  
dabei war alles doch so verfehlt,
 
worum ihr gekämpft und gestritten. 
Denn, während ihr gegrübelt, gesonnen,  
hat Frau Norne an eurem Schicksal gesponnen  
 

Das Tauffest des kleinen Götterun wurde ein richtiges 
Freudenfest, bei dem auch nicht einer der geladenen Gäste 
fehlte. Die Geburt des kleinen Knaben hatte überall größte 
Überraschung hervorgerufen, und man kam herbei, um die 
Eltern zu beglückwünschen. 
»Wie soll denn der kleine Wicht mit der großen Bedeutung 
heißen?« wurde vor der Tauffeierlichkeit hie und da gefragt. 

Und es fand sich immer einer, der die Antwort darauf gab. 
»Wie denn anders als Jobst? Sehen Sie sich doch die 
verkleinerte Ausgabe unseres lieben Götterun genau an.« 
Auch über das kleine Baroneßchen, das die meisten heute 
erst zu Gesicht bekamen, hub großes Wundern an. 
Wie denn, sollte es nicht ein kleiner Kretin sein? Und nun 
dieses reizende Kind, wohl noch ein wenig zart, aber sonst 
gesund! 
Und da fand sich wieder jemand, der die Erklärung gab. 
Wie es geschehen konnte, daß die kleine Heike hier so 
quietschvergnügt zwischen den Gästen herumwirbelte. 
Na, dann war diese entzückende Frau mit dem 

sonnenhellen Haar ja ein Juwel. Man freute sich und 

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gönnte diesem charmanten Elternpaar seine schönen 
Kinder von Herzen. 

Auch eine war unter den Gästen, die man zuerst voll 
ehrfürchtiger Scheu betrachtete, ihr dann jedoch mit 
besonderer Herzlichkeit entgegenkam. Frau Fränze hatte 
sich zuerst energisch dagegen gewehrt, das Fest zu 
besuchen. Aber da hatte sie Jobst als Patin bestimmt und 
sie so zum Kommen gezwungen. Scheu wich sie zuerst den 
Menschen aus, die ihr fremd geworden waren. Doch 
langsam fand sie sich zurecht und fand den Trubel ganz 
erträglich. 
Mitfreuen konnte sie sich allerdings nicht – noch nicht. 
Vielleicht würde ihr das Kind wieder zur Freude verhelfen, 
das im Mai seinen Einzug im Schlößchen halten sollte. 

Und vielleicht zappelte es auch bald in den 
bereitgehaltenen Wiegen, die in den Herrenhäusern 
standen, wo die Zwillinge ihr Zepter schwangen. 
Zuerst hielt sie den Uhlener Erben mit fast 
großmütterlichem Stolz. Das war allerdings ein 
Prachtkerlchen. Und tapfer unterdrückte sie das bittere 
Gefühl, das in ihr aufsteigen wollte, als sie an ihren Jungen 
dachte. Aber es war ja der Sohn von Jobst, der soviel 
Verständnis gehabt hatte für ihr Leid – das größte 
Verständnis von allen. Jobst war es auch, der sich zu ihr 
setzte und immer wieder ihren Champagnerkelch füllte, 
auf seinen Jungen anzustoßen. 

Mit heimlichem Vergnügen bemerkte er, daß ihre Blicke 
freundlicher wurden, wie sich ein zaghaftes Lächeln um 
ihre Lippen wagte. 
»Nanu, ihr seid ja ganz heimliche Schwelger«, trat Jörn 
hinzu, die lachende Ricarda im Arm. »Du siehst ja schon 
ganz gemütlich aus, verehrte Schwiegermama. Dürfen wir 
an dieser Tränke bleiben?« 
»Man zu«, lachte Jobst und füllte zwei weitere Kelche. »Du 
bekommst nicht so viel, Ricarda.« 
»Warum denn nicht?« fragte sie erstaunt. 
»Weil dein Junge dann eine rote Nase bekommt«, lachte er 

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übermütig, und sie erglühte wie eine Pfingstrose. 
»Jobst hat recht«, meldete sich Frau Fränze, und ein 

Zipfelchen ihrer alten Energie lugte wieder hervor, was 
allen ein Schmunzeln abnötigte. »Du darfst ihr nicht so 
den Willen lassen, Jörn, wohin soll das führen.« 
Als sich Herr Julius kreuzfidel näherte und sie ihn mit den 
Worten empfing: »Du scheinst ja wieder kein Maß zu 
kennen, Julius«, da konnten sie nicht mehr das Lachen 
zurückhalten, das ihnen allen von Herzen kam. 
»Na, Muttchen, das sind ja längst verwehte Klänge«, 
schmunzelte er vergnügt. »Darauf müssen wir noch einen 
trinken.« 
Immer mehr fanden sich in der fidelen Ecke ein: Frau 
Marga, Sölve, die Kinderschwester, selbst »Kluckchen«, mit 

der hüpfenden Ira am Arm. 
»Du trinkst doch nicht etwa Sekt, Rosenrot?« erkundigte 
sich die Mama, und alle blinzelten sich zu, als sie den einst 
so verpönten Namen nun so selbstverständlich aussprach. 
Na ja, es wird schon wieder werden, dachte Julius froh. 
Mochte sie lieber ihre alte Energie wiederfinden, als so 
stumm und starr ihre Tage verbringen. 
Auch die Zwillinge mit ihren Männern kamen herbei. Man 
amüsierte sich köstlich über ihre junge Frauenwürde, die 
sie mit so großem Ernst herauskehrten. Allerliebst waren 
sie, und man konnte die Gatten verstehen, daß sie voll 
Stolz auf ihre Frauchen schauten. 

Dann war das Fest zu Ende. Und oben, in ihrer Kemenate, 
zog der Schloßherr seine Herrin an sein Herz. 
»Sölve, wenn ich ein Dichter wäre, so würde ich ein 
Loblied nach dem andern zu deinem Ruhm erschallen 
lassen«, begann er, und sie lachte ihn übermütig aus. 
»Dann ist es ja nur gut, daß du ein ganz gewöhnlicher 
Stoppelhopser bist -!« 
»Na warte, du Racker -!« bekam er sie bei den rosigen 
Öhrchen. »Aber in allem Ernst, Sölve – « 
»Sei doch still, Jobst. Was ist mir Dank? Nichts. Aber deine 
Liebe, die ist mir alles. Sie ist für mich das Leben.« 

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»Wenn es danach geht, meine weiße Möwe, dann kannst 
du tausend Jahre leben.« 

-ENDE- 

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LENI BEHRENDT 
 

wurde am 5. März 1894 als Tochter der Eheleute Blasinsky 
in Insterburg/Ostpreußen geboren. Ihr Vater war 
selbständiger Schneidermeister. Nach dem frühen Tod ihrer 
Eltern lebte sie bei Verwandten, die ihr auch die 
Ausbildung als Lehrerin ermöglichten. Als Privatlehrerin 
auf verschiedenen großen Gütern gewann Leni Behrendt 
einen tiefen Einblick in die adelige Gesellschaft. Sie hat oft 
davon erzählt, und in ihren Romanen spiegeln sich die 
Bilder jener Zeit wider. Aus diesen Erlebnissen stammen 
ganz sicher auch der Reichtum ihrer Anschauungen und die 
Glaubwürdigkeit ihrer moralischen Welt. Wie sie Land und 
Leute charakterisiert, beweist ihr großes 

Einfühlungsvermögen, und wie sie den Zauber der Liebe 
enthüllt, macht deutlich, mit welcher sittlichen Einstellung 
sie ihre Helden schuf. Stolze, aufrichtige, pflichtbewußte 
Menschen begegnen uns in ihren Romanen. Schon als 
junges Mädchen fabulierte Leni Behrendt. In kleinen 
Geschichten und Gedichten übte sie sich, bis ihr der erste 
große Roman »Warum quälst du mich?« gelang, der 
gedruckt wurde. Dieses große Erlebnis war der Anfang ihrer 
schriftstellerischen Laufbahn, aber ihre Berufung empfand 
sie als Mutter. Nach ihrer Verheiratung mit dem 
Bankdirektor Paul Gero Behrendt erlebte sie mit ihren 
beiden Kindern (Sohn und Tochter) das wahre Glück einer 

Mutter. Das Schicksal hat sie am Ende des Krieges 
Furchtbares erleben lassen. Beide Kinder verlor sie, und auf 
der Flucht von Ostpreußen in eine unbekannte Zukunft 
fand sie die Kraft, nicht gegen das Schicksal, sondern mit 
ihm zu leben. Auf sich allein gestellt, wünschte sie sich 
einen Stall, eine Kiste, auf der sie sitzen konnte, Bleistift 
und Papier, um schreiben zu können. Ihre erste Unterkunft 
nach der Flucht war dann auch nur eine kalte Kammer. Sie 
schrieb darin den köstlichen Roman »Sieben Töchter und 
kein Geld«. Als sie wieder Verbindung mit ihrem Mann 
bekam, der als Offizier im Krieg war, begann ein neues 

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Leben in einer kleinen, einfachen Wohnung im Lippischen 
Land. Wer sie dort erlebte, kann bescheinigen, wie diese 

beiden wertvollen Menschen an ihrer Zukunft zimmerten 
und in der Bescheidenheit das höchste Glück erkannten. 
Trotz der großen Erfolge ihrer Romane blieb Leni Behrendt 
die einfache, schlichte und anspruchslose Frau, die ihren 
geraden Weg nie verließ. Sie hätte lieber trockenes Brot 
gegessen, als Schulden zu machen. Um so glücklicher war 
sie, als sie sich dann durch die Erfolge ihrer Romane ein 
kleines Waldhaus in der Nähe von Köln kaufen konnte, in 
dem sie noch viele frohe Jahre bis zu ihrem Tod am 2. 
November 1968 verleben konnte. 
Ihr Wunsch, mit ihren Romanen ein bißchen Freude in 
einsame Stunden zu bringen, kann von Millionen Lesern 

bestätigt werden, die ihre Romane mit heller Begeisterung 
lesen.